Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.08.2007, Az. 2 StR 235/07

2. Strafsenat | REWIS RS 2007, 2519

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[X.] vom 8. August 2007 in dem Sicherungsverfahren gegen - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. August 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des [X.] vom 8. Februar 2007 mit den Feststellungen [X.]. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkam-mer des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus im Hinblick auf zwei rechts-widrige Taten der exhibitionistischen Handlung gemäß § 183 StGB angeordnet. Die Revision des Beschuldigten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des [X.]. 1 1. Auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] steht schon die Annahme mit natürlichem Vorsatz begangener rechtswidriger [X.] gemäß § 63 StGB nicht außer Zweifel. 2 a) Im Fall 1 der Urteilsgründe hielt sich der Beschuldigte unbekleidet am Fenster seiner Wohnung auf und schaute zu drei weiblichen Jugendlichen, die auf einem gegenüber liegenden Balkon saßen. Ob das Fenster geöffnet war, 3 - 3 - hat das [X.] nicht festgestellt. Die Mädchen konnten das Ge-schlechtsteil des Beschuldigten sehen; sie begaben sich dann vom Balkon in die Wohnung, um den Beschuldigten zu fotografieren. Nachdem die Mädchen den Balkon verlassen hatten, beobachtete eines von ihnen, dass der [X.] ausführte. Die Mädchen fühlten sich belästigt. Hier ist ein zumindest natürlicher Tatvorsatz des Beschuldigten nicht hin-reichend sicher festgestellt: 4 Der Täter des § 183 Abs. 1 StGB muss hinsichtlich der Wahrnehmung durch eine andere Person mit direktem Vorsatz handeln ([X.]/[X.] StGB 54. Aufl. § 183 Rdn. 7; [X.] § 183 Rdn. 7, 9; jew. m.w.N.). [X.] hierzu enthält das Urteil nicht; es ergibt sich im Hinblick auf die Möglichkeit, dass der Beschuldigte am geschlossenen Fenster seiner Wohnung stand, auch nicht ohne Weiteres. Auch zum erforderlichen zumindest bedingten Vorsatz der Belästigung enthält das angefochtene Urteil keinerlei Feststellung. 5 b) Im Fall 2 der Urteilsgründe hielt sich der Beschuldigte in unbekleide-tem Zustand von 12.00 Uhr bis 21.00 Uhr vor einer Wohnungstür im Erdge-schoss des Hauses auf, in dem er selbst eine seiner Schwester gehörende Wohnung bewohnt; er wurde dabei von einer in der Wohnung anwesenden Wohnungsinhaberin gesehen, die sich erheblich belästigt fühlte. Das [X.] hat insoweit im [X.] an einen Sachverständigen festgestellt, der Be-schuldigte habe auf Grund der bei ihm vorliegenden schizophrenen Psychose entweder mit sexueller Motivation und in diesem Fall ohne Steuerungsfähigkeit oder mit der Motivation des "Protestes" gegen eine wahnhaft erlebte angebliche Verfolgung durch die [X.] und in diesem Fall ohne Einsichtsfä-higkeit gehandelt. 6 - 4 - Auch aus diesen Feststellungen ergibt sich die vom [X.] ange-nommene Verwirklichung einer Straftat nach § 183 Abs. 1 StGB nicht. Eine ex-hibitionistische Handlung im Sinne von § 183 Abs. 1 StGB ist nicht allein ein äußerer Vorgang, sondern eine Handlung mit sexueller Motivation (vgl. [X.]/[X.] aaO Rdn. 5). Die Motivation des Beschuldigten konnte daher nicht offen bleiben; wenn sie nicht sicher festgestellt werden konnte, war der [X.] anzuwenden. Im Übrigen fehlen auch insoweit jegliche Feststellungen zum Tatvorsatz. 7 2. Unabhängig davon sind, wie im Ergebnis auch der Generalbundesan-walt zutreffend angenommen hat, die Voraussetzungen einer Maßregelanord-nung gemäß § 63 StGB nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Die Anordnung der den Betroffenen außerordentlich belastenden Maßregel setzt eine sorgfältige und kritische Prüfung insbesondere auch der Gefährlichkeitsprognose unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) voraus; in keinem Fall ausreichend ist die Feststellung einer "Behandlungs-Bedürftigkeit" oder va-ge Prognosen gemeinlästigen Verhaltens. 8 Vorliegend mangelt es, wie der [X.] zutreffend ausge-führt hat, schon an einer hinreichend nachvollziehbaren Feststellung des "[X.]" im Sinne von § 63 StGB im Zusammenhang mit der Prognose. Da die Gefährlichkeits-Prognose des [X.] wohl eher an die vom [X.] für möglich gehaltene "zweite Deutungsmöglichkeit" anknüpft ([X.]), konnten diese Möglichkeiten der "Deutung" - d. h. die Feststellung der beim [X.] gegebenen psychischen Erkrankung - nicht offen nebeneinander stehen bleiben, ohne ihre jeweils unterschiedliche prognostische Bedeutung zu erörtern. 9 - 5 - Im Übrigen wird die Annahme des [X.], vom Beschuldigten [X.] erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten, von den Feststellungen nicht getragen. Dass der Zeuge Dr. G. den Beschuldigten als nach seiner Ansicht "unberechenbar" bezeichnet hat ([X.]), war hierfür ohne Gewicht, denn konkrete Anhaltspunkte hat der Zeuge nicht genannt. Seine Bekundung, die Aggressionsbereitschaft des Beschuldigten ergebe sich aus dessen gelegent-lich "gereiztem Tonfall" (im Rahmen einer gegen seinen Willen angeordneten Unterbringung nach dem landesrechtlichen Unterbringungsgesetz), deutet dar-auf hin, dass der Zeuge mit den für § 63 StGB geltenden Maßstäben nicht ver-traut ist. Das [X.] durfte die Bewertungen des Zeugen daher nicht ohne Weiteres seiner Beurteilung als Feststellungen zugrunde legen, indem es die Begriffe ("Aggressionspotenzial"; "unberechenbar") ungeprüft übernahm. 10 Der 67-jährige Beschuldigte ist in der Vergangenheit vielfach wegen ex-hibitionistischen Handlungen aufgefallen. [X.] griff er einem Kind über der Kleidung an das Geschlechtsteil ([X.]). Eine Aggressionshandlung [X.] er im Jahr 1975, als er sich einer Festnahme durch Polizeibeamte körper-lich widersetzte ([X.]). [X.] wurde er wegen einer - nicht näher be-schriebenen - Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen verur-teilt. Sonstige Vortaten, welche die Annahme des [X.] stützen könnten, vom Beschuldigten gehe im Hinblick auf seine "gravierenden Vortaten" eine "erhebliche Gefahr" aus ([X.]), sind nicht festgestellt. Die Annahme, es sei "mit Gewalttaten zu rechnen" ([X.]), ist nicht belegt. Die Gefahr zukünftiger exhibitionistischer Handlungen begründet, wie das [X.] zutreffend ge-sehen hat, für sich allein eine die Maßregelanordnung rechtfertigende Prognose nicht. 11 c) Sollte der neue Tatrichter erneut zur grundsätzlichen Annahme der Voraussetzungen des § 63 StGB gelangen, wird er schließlich Gelegenheit [X.] - 6 - ben, im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit den Stand des betreu-ungsrechtlichen Verfahrens über die Unterbringung des Beschuldigten zu be-rücksichtigen. [X.] Bode Otten [X.] Roggenbuck

Meta

2 StR 235/07

08.08.2007

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.08.2007, Az. 2 StR 235/07 (REWIS RS 2007, 2519)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 2519

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