Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.06.2005, Az. X ZR 19/02

X. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 3256

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 7. Juni 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk : ja [X.] : nein [X.]R : ja

BGB § 276 Fa; [X.]/A § 25 Nr. 1 Abs. 1, § 21 Nr. 1 Abs. 1

a) Schadensersatzansprüche wegen Verletzung eines durch die [X.] begründeten vorvertraglichen schutzwürdigen Vertrauensverhältnisses kommen nicht in Betracht, wenn das Angebot des Schadensersatz [X.] zwingend von der Wertung der Angebote auszuschlie-ßen war.
b) Werden in den Ausschreibungsunterlagen Erklärungen nach den [X.] 1a, 1b und 2 gefordert, dann sollen diese Erklärungen für die Vergabeentscheidung relevant sein, so daß die Nichtabgabe dieser Erklä-rungen mit dem Angebot zwingend zum Ausschluß von der Wertung nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b [X.]/A führt.

[X.], Urteil vom 7. Juni 2005 - [X.] - OLG Düsseldorf

LG Wuppertal

- 2 - [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 10. Mai 2005 durch [X.] [X.] und [X.] Scharen, [X.], [X.] und [X.]
für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das am 8. Januar 2002 [X.] Urteil des 21. Zivilsenats des [X.] aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. März 2001 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des [X.] wird [X.]. Auf die Anschlußberufung der Beklagten werden das Ur-teil der 5. Zivilkammer des [X.] teilweise abge-ändert und die Klage auch im übrigen abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

- 3 - Tatbestand:

Die beklagte [X.] hat im beschränkten Verfahren die "Treppenanlage S. " ausgeschrieben. Fünf Bieter, darunter die Klägerin, wurden auf- gefordert, ein Angebot abzugeben. Von diesen hat nur die Klägerin ein fristge-rechtes Angebot zum Preis von 232.241,83 DM abgegeben, dem die nach den Ausschreibungsunterlagen geforderten Formblätter [X.] 1a, 1b und 2 nicht beigefügt waren. Mit Schreiben vom 13. Oktober 1995 teilte die beklagte [X.] der Klägerin mit, daß die Ausschreibung aufgehoben werde, weil das [X.] in einigen Hauptpositionen geändert werden solle. Später wurde der Klägerin in Gesprächen mitgeteilt, das von ihr abgegebene Angebot überschreite die veranschlagten Kosten bei weitem. Die Klägerin begehrte gleichwohl den Zuschlag und kündigte für den Fall der Zuschlagsverweigerung Schadensersatzansprüche an.
Anfang 1996 schrieb die beklagte [X.] das Bauvorhaben mit [X.] erneut öffentlich aus. Wiederum beteiligte sich nur die Klägerin an der Ausschreibung, wobei ihrem Angebot erneut die Formblätter [X.] nicht beigefügt waren. Die Angebotssumme belief sich auf 234.527,62 DM. Die be-klagte [X.] hat auch diese Ausschreibung aufgehoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe zu unangemessen hohen Preisen geboten, und sich auf § 25 Nr. 3 Abs. 1 [X.]/A berufen.
Die Treppenanlage wurde zunächst nicht gebaut. Im Jahre 1998 ließ die beklagte [X.] eine Stützmauer, die Teil der Ausschreibung war, in einer Weise errichten, die den Bau einer Treppe zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht. Ferner stellte die beklagte [X.] in der Folgezeit den zur geplanten Treppe füh-renden Weg her. In der mündlichen Verhandlung vor dem [X.]at hat die beklag-- 4 - te [X.] behauptet, der Klägerin inzwischen den Auftrag zur Errichtung der Treppe erteilt zu haben.
Die Klägerin hat ihren Aufwand für die Erstellung der jeweiligen Ange-botsunterlagen auf 1.452,50 DM beziffert und geltend gemacht, ihr sei ein Schaden in Höhe von 113.290,63 DM entstanden, weil sie den Zuschlag auf die erste Ausschreibung nicht erhalten habe. Den Schaden aus der Aufhebung der zweiten Ausschreibung hat sie mit 110.771,34 DM beziffert. Schließlich hat sie ihr anteiliges Erfüllungsinteresse wegen Errichtung der Stützmauer mit 46.007,11 DM beziffert. Sie nimmt die beklagte [X.] auf Zahlung von [X.] in Höhe von 114.743,13 DM in Anspruch, wobei sich dieser Betrag aus dem auf das positive Interesse gerichteten Schadensersatzbegehren we-gen Aufhebung der zweiten Ausschreibung sowie aus dem auf das negative [X.] gerichteten Schadensersatzbegehren hinsichtlich der ersten [X.] zusammensetzt; hilfsweise begehrt die Klägerin Ersatz des positi-ven Interesses hinsichtlich der ersten Ausschreibung.
Das [X.] hat der Klage hinsichtlich des negativen Interesses stattgegeben, die beklagte [X.] zur Zahlung von 2.905,-- DM nebst Zinsen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klä-gerin hat das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auf Ersatz des [X.] aufgrund der Aufhebung der zweiten Ausschreibung dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, die Anschlußberufung der beklagten [X.], mit der diese die Abweisung der Klage auch im übrigen erstrebt hat, zu-rückgewiesen und die Sache zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des geltend gemachten Anspruchs an das [X.] zurückverwiesen. - 5 - Hiergegen richtet sich die Revision der beklagten [X.], die erstrebt, das Berufungsurteil aufzuheben und nach ihren Anträgen in der Berufungsinstanz zu entscheiden. Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beru-fungsurteils, zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin und auf die An-schlußberufung der beklagten [X.] zur Abweisung der Klage auch bezüglich des auf Ersatz des negativen Interesses gerichteten Schadensersatzbegeh-rens.
[X.] Das Berufungsgericht hat den mit der Klage geltend gemachten [X.] auf Ersatz des positiven Interesses unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo dem Grunde nach für gerechtfertigt gehalten. Es hat in Überein-stimmung mit dem [X.] die Aufhebung der beiden Ausschreibungen für rechtswidrig gehalten, weil ein Aufhebungsgrund im Sinne von § 26 [X.]/A nicht vorgelegen habe. Die beklagte [X.] habe nicht dargelegt, daß es sich bei den Änderungen des Leistungsverzeichnisses um grundlegende Änderungen im Sinne von § 26 Abs. 1 Buchst. b [X.]/A gehandelt habe. Die beklagte [X.] könne sich auch nicht darauf berufen, es seien nicht genügend Haushaltsmittel in den Haushaltsplan eingestellt gewesen, um die Maßnahme wie geplant und ausgeschrieben zu finanzieren. Das Unterlassen der Beifügung der Formblätter [X.] habe die beklagte [X.] nicht berechtigt, die Angebote der Klägerin unberücksichtigt zu lassen. Die beklagte [X.] habe auch nicht dargetan, daß das Angebot der Klägerin unangemessen hoch gewesen sei (§ 25 Nr. 3 Abs. 1 [X.]/A). Die vom [X.] durchgeführte Beweisaufnahme habe derartiges - 6 - nicht ergeben und es bestehe keine Veranlassung zu weiterer Sachaufklärung. Ein auf das positive Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch komme zwar nur in Betracht, wenn das zunächst ausgeschriebene Vorhaben später doch ausgeführt werde. Die ausgeschriebene Baumaßnahme sei jedoch teil-weise durchgeführt worden. Allein durch die Aufspaltung der Baumaßnahme in mehrere Teilmaßnahmen könne sich die beklagte [X.] ihrer Schadensersatz-pflicht nicht entziehen. Da die Klägerin einzige Bieterin gewesen sei, hätte ihr der Zuschlag erteilt werden müssen, so daß der Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des positiven Interesses dem Grunde nach bestehe, wobei jedoch die von der Klägerin vorgenommene Kumulation von positivem und negativem [X.] nicht zugesprochen werden könne, weil die Kosten für die Erstellung des Angebots in die Preise einkalkuliert würden.
I[X.] Die Revision greift das Berufungsurteil mit Erfolg an.
1. Allerdings ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß Fehler bei Ausschreibung und Zuschlag öffentlicher Aufträge eine Haftung des Auftraggebers gegenüber den [X.] auf Ersatz der diesen entstandenen Schäden auslösen können. Spätestens mit der Anforderung der [X.]sunterlagen durch die Bieter wird zwischen diesen und dem Ausschrei-benden ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis begründet, aus dessen [X.] durch nicht den Vergabevorschriften entsprechende Vergabe des [X.] Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo entstehen können, die regelmäßig auf den Ersatz des negativen Interesses gerichtet sind und un-ter besonderen Voraussetzungen auch auf den Ersatz des positiven Interesses gerichtet sein können (vgl. [X.] 139, 259, 261; 139, 273, 275; 139, 280, 283; st. Rspr.). - 7 - 2. Aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen steht fest, daß in den Ausschreibungsunterlagen gefordert worden ist, dem Angebot die Formblätter [X.] 1a, 1b und 2 beizufügen, und daß die Klägerin ihren Angeboten die auf diesen Formblättern abzugebenden Erklärungen nicht [X.] hat. Die Klägerin hat nach diesen Feststellungen bei Abgabe ihrer [X.] verstoßen. Das führt dazu, daß die Angebote der Klägerin nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b [X.]/A zwingend von der [X.] auszuschließen waren.
a) Schadensersatzansprüche wegen Verletzung eines durch die [X.] begründeten vorvertraglichen schutzwürdigen Vertrauensverhält-nisses kommen dann nicht in Betracht, wenn das Angebot des [X.] zwingend von der Wertung der Angebote auszuschließen war ([X.].Urt. v. 8.9.1998 - [X.], NJW 1998, 3634 unter I[X.]; [X.].Urt. v. 16.4.2002 - [X.]/00, NJW 2002, 2558 unter 2 e). Nach den getroffenen Feststellungen hält daher das Berufungsurteil jedenfalls aus diesem Grund der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand (§ 559 Abs. 2 ZPO in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung, die auf den Streitfall anzuwenden ist, § 26 Nr. 7 EGZPO). Daß die Beklagte ihr Begehren, die Klage abzuweisen, nicht mehr ausdrücklich auf die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen gestützt hat, ist unschädlich ([X.].Urt. v. 16.4.2002 - [X.]/00, NJW 2002, 2558 unter 2 e).
b) § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b [X.]/A bestimmt, daß Angebote, die § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 [X.]/A nicht entsprechen, zwingend von der Wertung der Angebote auszuschließen sind ([X.].Urt. v. 8.9.1998 - [X.], NJW 1998, 3634 unter I[X.]). Nach § 21 Nr. 1 Abs. 1 [X.]/A sollen die Angebote nur die [X.] und die geforderten Erklärungen enthalten. Werden in den [X.] geforderte Erklärungen nicht abgegeben, führt dies zwingend dazu, - 8 - daß ein solches Angebot gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b [X.]/A von der Wertung auszuschließen ist. Dem steht nicht entgegen, daß die die geforderte Erklärungen betreffende Bestimmung in § 21 Nr. 1 Abs. 1 [X.]/A als Sollvor-schrift formuliert ist. Der [X.] ist nicht erst dann gegeben, wenn das betreffende Angebot wegen fehlender Erklärungen im Ergebnis nicht mit den anderen abgegebenen Angeboten verglichen werden kann. Denn ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes [X.] ist nur zu erreichen, wenn lediglich in jeder sich aus den Verdin-gungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet wer-den. Dies erfordert, daß hinsichtlich jeder Position der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der insoweit angebotenen Leistung geeigneten Para-meter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet und ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert war, so daß sie als Um-stände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen ([X.] 154, 32, 45).
c) In Anwendung dieser Grundsätze ist nach der Rechtsprechung des [X.]ats das Angebot eines Bieters, der in den Ausschreibungsunterlagen gefor-derte Erklärungen nicht nur zum Hersteller oder zum Fabrikat eines zu liefern-den Bauteils, sondern auch zum Typ eines anzubietenden Produkts nicht ab-gibt, von der Wertung auszuschließen ([X.] 154, 32, 46). Gleiches gilt, wenn ein Bieter in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für einzelne Lei-stungspositionen geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt, denn er benennt nicht die von ihm nach den Ausschreibungsunterlagen geforderten Preise im Sinne von § 21 Nr. 1 Abs. 1 [X.]/A ([X.].Beschl. v. 18.5.2004 - [X.], NJW-RR 2004, 1570, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). - 9 - d) Für Angebote, die in den Ausschreibungsunterlagen geforderte Erklä-rungen zu den Formblättern [X.] 1a, 1b und 2 nicht enthalten, gilt nichts anderes. Werden in den Ausschreibungsunterlagen Erklärungen nach diesen Formblättern gefordert, dann sind diese Erklärungen als Umstände ausgewie-sen, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen, so daß die Nichtab-gabe dieser Erklärungen mit dem Angebot zwingend zum Ausschluß nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b [X.]/A führt. Soweit die Auffassung vertreten wird, die Nichtabgabe der genannten Formblätter führe nicht zum Ausschluß des betref-fenden Angebots von der Wertung ([X.]/[X.]/[X.], [X.] 15. Aufl., § 21 [X.]/[X.]. 65; [X.]/[X.]/[X.], Handkommentar zur [X.], 10. Aufl., § 25 [X.]/[X.]. 11), ist dies mit dem von § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b, § 21 Nr. 1 Abs. 1 [X.] angestrebten Zweck, ein transparentes und alle Bieter gleich behandelndes Vergabeverfahren zu gewährleisten, in dem ohne weiteres vergleichbare Angebote auf der Grundlage der [X.]sunterlagen vorliegen, nicht zu vereinbaren.
3. Bei dieser Rechtslage kann auch die Verurteilung der beklagten [X.] zur Leistung von auf das negative Interesse gerichtetem Schadensersatz kei-nen Bestand haben. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen und die Klage nach den Anträgen der Anschlußberufung der beklagten [X.] auch im übrigen abzuweisen, ohne daß es einer Entscheidung zu den weiteren zwischen den Parteien umstrittenen und vom Berufungsgericht erörterten Rechtsfragen [X.]. - 10 - II[X.] [X.] folgt aus § 91 ZPO.

[X.] Scharen [X.]

[X.] [X.]

Meta

X ZR 19/02

07.06.2005

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.06.2005, Az. X ZR 19/02 (REWIS RS 2005, 3256)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3256

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.