Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.03.2015, Az. I ZR 139/14

I. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 13747

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 139/14
vom
19. März 2015
in dem Rechtsstreit

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Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 19. März 2015 durch [X.]
Dr.
Büscher, [X.]
Dr.
Koch, Dr.
Löffler, die Richterin Dr.
[X.] und den Richter Fe[X.]ersen

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der [X.] zu 2 wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil des 13.
Zivilsenats des [X.] vom 21. Mai
2014 im Kostenpunkt und
insoweit aufgehoben, als die Berufung der [X.] zu 2 gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von mehr als -Versäumnis-
und Endurteil der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 1.
Juli 2013 zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf

festgesetzt.

Gründe:

[X.] Die Klägerin ist Transportversicherin der D.

W.

H.

GmbH und deren Tochtergesellschaft O.

D.

W.

R.

(im
Folgenden: Versicherungsnehmer). Die Versicherungsnehmer beauftragten die 1
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Beklagte zu 1, ein [X.] Speditionsunternehmen, mit dem Transport einer Sendung von Baumaterialien von [X.] nach [X.]. Die Beklagte zu 1 beauftragte die Beklagte zu 2, ein litauisches Frachtunternehmen, als Unter-frachtführerin mit der Durchführung des Transports.

Die Beklagte zu 2 holte die aus mehreren Kisten bestehende Sendung, die unter anderem
hochwertige Steinplatten enthielt, am 6.
Mai 2008 mit mehre-ren CMR-Frachtbriefen mit einem Lkw ab. Am 16.
Mai 2008 wurde an der Grenze zu [X.] eine vollständige [X.] angeordnet. Die Transport-kisten wurden abgeladen,
geöffnet, von Mitarbeitern der Zollbehörde wieder verschlossen und auf den Lkw geladen. Beim Entladen der Kisten in [X.] wurde festgestellt, dass drei Kisten aufgebrochen und darin enthaltene Stein-platten
beschädigt waren.

Die Klägerin, die ihre Versicherungsnehmer entschädigt hat, hat -
soweit im vorliegenden Verfahren noch von Interesse -
aus abgetretenem Recht der Empfängerin des [X.] gegen die Beklagte zu 2 Schadensersatzan-sprüche in
Höhe des Wertes des zerstörten Teils der Lieferung geltend
ge-machtnebst Zinsen verurteilt. Das Berufungsgericht hat deren
Berufung mit der [X.] zurückgewiesen, dass sich der von der [X.] zu 2 zu zahlende Be-nebst Zinsen beläuft. Die Revision hat es nicht zugelassen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte zu 2 mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, mit der sie die vollständige Abweisung der gegen sie gerichteten Klage erreichen
will.

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I[X.] Die Nichtzulassungsbeschwerde hat teilweise Erfolg und führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO zur teilweisen Aufhebung des angegriffenen Urteils und in-soweit zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, auf den von der [X.] zu 2 durchgeführten Transport sei die CMR anzuwenden. Die Beklagte zu 2 hafte der Empfängerin des [X.], die ihren Anspruch an die Klägerin [X.] habe,
nach Art.
17 Abs.
1 in Verbindung mit Art.
3 CMR für den entstan-denen Schaden. Die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte zu 2 von der verschuldensunabhängigen Haftung befreit wäre, lägen nicht vor. Ein qualifizier-tes Verschulden der [X.] zu 2 habe das [X.] zu Recht nicht fest-gestellt. Die Haftung der [X.] zu 2 sei nach Art.
25 Abs.
2 Buchst. b, Art.
23, Abs.
3 CMR auf 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des durch die Beschädigung entwerteten Teils der Sendung begrenzt. Der [X.] sei ein Gewicht von 5.036 kg zugrunde zu legen. Die Beklagte zu 2 könne mit ihrem Einwand, das Gewicht der beschädigten Ware habe lediglich 2.930 kg betragen, nicht gehört werden. Das [X.] habe das Gewicht der beschä-digten Packstücke im unstreitigen Tatbestand mit 5.036 kg angegeben. Diese Feststellung unterliege der [X.] des §
314
ZPO und sei als un-streitiges Vorbringen maßgeblich.

2. Das Berufungsurteil beruht teilweise auf einer Verletzung des Rechts der [X.] zu 2 auf Gewährung rechtlichen Gehörs
(Art. 103 Abs.
1 GG).

a) Das [X.] hat im unstreitigen Tatbestand festgestellt, dass Mit-arbeiter
der Empfängerin der Sendung in [X.] festgestellt hätten, dass drei Kisten, die Steinplatten enthielten, aufgebrochen und darin enthaltene Steine mit einem Gewicht von 5.036 kg beschädigt gewesen seien. Es hat außerdem auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. In den Entscheidungs-5
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gründen hat es ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, 18,56 qm Fußbodenplatten Basalto di Olbia, 3,52 qm Wandplatten Basalto di Olbia und 26,59 qm Wandplatten Nero Portoro
seien beschädigt worden. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin habe das Gewicht der [X.] Packstücke 5.036 kg betragen.

b) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, es sei gemäß §
314 ZPO an die Feststellung des [X.]s gebunden, das Gewicht der beschädigten Ware habe 5.036 kg betragen.

[X.]) Das Berufungsgericht ist im Grundsatz zutreffend davon ausgegan-gen, dass das tatsächliche Vorbringen der Parteien in erster Linie dem Tatbe-stand des landgerichtlichen Urteils zu entnehmen ist (§
314 Satz 1 ZPO). [X.] zählen auch die tatsächlichen Feststellungen, die in den [X.] enthalten sind ([X.], Urteil vom 19.
Mai 1998 -
XI
ZR 216/97, [X.]Z 139, 36, 39). Enthält der Tatbestand eine Bezugnahme auf Schriftsätze und ihre Anlagen (§
313 Abs.
2 Satz
2 ZPO), ist davon auszugehen, dass auch deren Inhalt zum Bestandteil der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist
([X.], Urteil vom 28.
November 2001 -
IV
ZR 309/00, NJW-RR 2002, 381).
Die [X.] des Tatbestands und damit auch die Bindung für das Revisionsgericht entfallen, soweit die Feststellungen Widersprüche oder Unklarheiten
aufweisen ([X.], Urteil vom 17.
Mai 2000 -
VIII
ZR 216/99, [X.], 3007; Urteil vom 9.
März 2005 -
VIII
ZR 381/03, NJW-RR 2005, 962, 963; Urteil vom 17.
März 2011 -
I
ZR 170/08, [X.], 1050 Rn. 11 = [X.], 1444 -
Ford-Ver-tragspartner). Die vom [X.] getroffenen Feststellungen enthalten einen solchen Widerspruch. Diesen Widerspruch hätte das Berufungsgericht von Amts wegen berücksichtigen müssen (vgl. [X.], Urteil vom 9.
März 1995

III
ZR 44/94, NJW-RR 1995, 1058, 1060;
Urteil vom 14. Januar 2010
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I
ZR 4/08, [X.] 2010, 362 Rn. 9).
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bb) Nach den Feststellungen des [X.]s ist unklar, ob die im [X.] konkret bezeichneten
beschädigten Steinplatten oder die Packstücke, in denen sich die beschädigten Steinplatten befunden haben, ein Gewicht von 5.036 kg gehabt haben sollen. Die Feststellungen im unstreitigen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils lassen erkennen, dass die beschädigte Ware die-ses Gewicht gehabt hat. Die Ausführungen in den Entscheidungsgründen legen demgegenüber ein Verständnis nahe, dass die sie enthaltenden Packstücke 5.036 kg gewogen haben.

[X.]) Angesichts dieses Widerspruchs hätte das Berufungsgericht nicht von einer Bindung nach § 314 ZPO ausgehen dürfen und dem Vortrag der [X.]
zu 2 in der Berufungsbegründung nachgehen müssen, dass die nach den Feststellungen des [X.]s konkret bezeichneten beschädigten Steinplatten
nach den von der Klägerin selbst vorgelegten Unterlagen nicht das Gewicht hatten, von dem das [X.] bei seiner Verurteilung ausgegangen ist. Die Beklagte zu 2 hat unter Hinweis auf die eigenen Angaben der Klägerin
in ihrer Rechnung
und in der Packliste vorgetragen, dass zwar die beschädigten [X.] insgesamt ein Gewicht von 5.036 kg gehabt hätten, dass ausweis-lich der Feststellungen des [X.]s jedoch nicht deren gesamter Inhalt beschädigt worden war, sondern lediglich Ware mit einem
Gewicht von 2.930 kg (1.140 kg + 210 kg + 1.580 kg).

[X.]) Angesichts des aus dem landgerichtlichen Urteil selbst ersichtlichen Widerspruchs
zum Gewicht der Ware, für deren Beschädigung die Beklagte zu 2 ersatzpflichtig ist, kommt es nicht auf die Frage an, ob die tatbestandlichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil
auch deshalb widersprüchlich sind
und der Bindungswirkung des §
314 ZPO nicht unterliegen, weil sie nicht mit dem Inhalt der Anlagen zu den Schriftsätzen
der Klägerin übereinstimmen, auf 11
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die im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen wird
und denen das [X.] die in den Tatbestand aufgenommenen Gewichtsangaben entnommen hat.

c) Damit hat das Berufungsgericht das Vorbringen der [X.] zu 2 zum Gewicht der beschädigten Ware ohne verfahrensrechtliche Grundlage un-berücksichtigt gelassen und den Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
1 GG verletzt. Auf diesem Verstoß beruht das Berufungsurteil, soweit der [X.] worden ist. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus dem von der [X.] gemäß Art. 23 Abs.
3 CMR geschuldeten Entschädigungsbetrag von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des durch die Beschädigung entwerteten Teils der Sendung in Höhe von insgesamt (8,33 x 1,130420 x 2930 kg)
sowie anteilig aus Fracht und Zöllen
in unstreitiger Höhe

3. Die weitergehende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der [X.] ist zurückzuweisen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen
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Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] nicht erfordern (§
543 Abs.
2 Satz
1 ZPO).
Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß §
544 Abs.
4 Satz
2 Halbsatz
2 ZPO abgesehen.

Büscher
Richter am [X.] Prof. Dr. Koch
Löffler
ist im Urlaub und daher gehin-dert zu unterschreiben.

Büscher

[X.]
Fe[X.]ersen
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 01.07.2013 -
42 [X.]/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 21.05.2014 -
13 U 1303/13 -

Meta

I ZR 139/14

19.03.2015

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.03.2015, Az. I ZR 139/14 (REWIS RS 2015, 13747)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13747

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I ZR 139/14

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