Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2017, Az. XI ZB 14/17

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 377

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:191217B[X.]14.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XI ZB 14/17
vom
19. Dezember 2017
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI. Zivilsenat des [X.] hat am 19. Dezember 2017 durch den Vizepräsidenten Prof.
Dr.
Ellenberger, die [X.] Dr.
Grüneberg
und
Maihold
sowie
die [X.]innen Dr.
[X.] und Dr.
Derstadt

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des [X.] gegen den Beschluss des 5.
Zivilsenats des [X.]s [X.]
vom 21.
April 2017
wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert beträgt 235.000

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen die Zwangsvollstreckung aus drei notariellen Urkunden, die im Zusammenhang mit dem durch ein Darlehen der Beklagten finanzierten Erwerb einer Eigentums-wohnung errichtet wurden.
Das [X.] hat die Klage mit Urteil vom 2.
November 2016
abge-wiesen. Das Urteil ist
dem Klägervertreter am 21.
November 2016 zugestellt
worden.
Der Kläger hat gegen das Urteil des [X.]s am 20.
Dezember 2016 Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 3.
Januar 2017 die [X.] beantragt. Der Vorsitzende des Beru-1
2
-
3
-
fungssenats hat die Berufungsbegründungsfrist bis zum 6.
Februar 2017 ver-längert.
Der Kläger hat die Berufungsbegründung per Telefax übersandt. [X.] des [X.]s des Empfangsgeräts des Berufungsgerichts hat der [X.] der auf der letzten Seite unterzeichneten Berufungsbegründung am 6.
Februar 2017 um 23.58 Uhr begonnen und 12
Minuten
und 56 Sekunden
gedauert. Im
Anschluss daran ist die Berufungsbegründung erneut, diesmal auf allen Seiten unterzeichnet, übertragen worden.
Nach Hinweis des Berufungsgerichts auf
die Fristversäumung hat der Kläger am 21.
Februar 2017
beantragt, ihm gegen die Versäumung der Beru-fungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er hat dies damit begründet, dass sein Prozessbevollmächtigter den Übermitt-lungsvorgang der 22 Seiten umfassenden Berufungsbegründung am 6.
Februar 2017 um ca. 23.37 Uhr eingeleitet habe. Erst ca. 18 Minuten nach Beginn des Wahlvorgangs sei eine Verbindung zustande gekommen. Mit einer Belegung des Telefaxgerätes bei dem [X.] von ca. 20 Minuten, die unge-wöhnlich lang sei,
habe der Prozessbevollmächtigte nicht rechnen müssen. Bei normalem Lauf der Dinge wäre allenfalls mit einer Belegung von wenigen [X.] zu rechnen gewesen und dann wäre die Berufungsbegründung trotz der ebenfalls ungewöhnlich langen [X.] für die Übertragung, die normalerweise nur 16 bis 26 Sekunden pro Seite dauere, noch rechtzeitig eingegangen.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht die Beru-fung
des [X.] als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe die Berufungsbegründungsfrist versäumt
und ihm sei gegen die Versäumung dieser
Frist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er die Frist nicht ohne das ihm gemäß §
85 Abs.
2 ZPO zuzu-3
4
5
-
4
-
rechnende Verschulden seines Prozessbevollmächtigten
versäumt habe.
[X.] sei vorzuwerfen, dass er mit der Übermittlung der Berufungsbegründung nicht so rechtzeitig begonnen habe, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluss am Tag des Fristablaufs bis 24.00 Uhr hätte gerechnet werden dürfen. Die Belegung des gerichtseigenen [X.] durch andere eingehende Sendungen sei eine an Werktagen kurz vor Mitternacht allgemein zu beobachtende Erscheinung, der ein Rechtsmittelführer durch einen zeitli-chen Sicherheitszuschlag Rechnung zu tragen habe. Nicht ausreichend sei es daher, wenn mit der Übermittlung eines umfangreicheren Schriftsatzes -
wie hier -
erst eine halbe Stunde vor Mitternacht begonnen werde. Es komme nicht darauf an, ob der Prozessbevollmächtigte des [X.] mit einer Übertragungs-dauer von nur 16 bis 26 Sekunden pro Seite habe rechnen können, weil auch bei
der dann anzunehmenden Übertragungszeit von bis zu 9 1/2 Minuten der sich ergebende Sicherheitszuschlag von lediglich ca. 14 Minuten zu gering ge-wesen sei.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.].

II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO i.V.m. §
522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO), aber unzulässig. Die Voraus-setzungen des §
574 Abs.
2 ZPO sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des [X.] ist eine Entscheidung des [X.]
zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§
574 Abs.
2 Nr.
2 Fall 2 ZPO) nicht erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des
Bundesverfassungsge-richts oder des [X.] vor noch verletzt die Entscheidung des Be-rufungsgerichts den Anspruch des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs 6
7
-
5
-
(Art.
103 Abs.
1 GG) oder wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. [X.]E
77, 275, 284; [X.], NJW
2003, 281).
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Beru-fungsbegründungsfrist durch das Verschulden des vorinstanzlichen Prozessbe-vollmächtigten des [X.], das dieser sich gemäß §
85 Abs.
2 ZPO zurechnen lassen muss, versäumt worden ist. Diese Beurteilung überspannt unter den [X.] Umständen und Verhältnissen nicht die an die Sorgfalt eines Rechts-anwalts zu stellenden Anforderungen.
Zwar durfte der Prozessbevollmächtigte des [X.] bei der Erstellung und Übermittlung der Berufungsbegründung die ihm dafür eingeräumte Frist bis zur äußersten Grenze ausschöpfen ([X.], Beschlüsse
vom 3.
Mai 2011

XI
ZB 24/10, juris Rn.
9
mwN
und vom 16.
Dezember 2015

IV
ZB 23/15, juris Rn.
13). Ein Rechtsanwalt, der einen fristgebundenen Schriftsatz -
wie hier -
am letzten [X.], muss aber sicherstellen, dass der [X.] auf dem gewählten Übertragungsweg noch rechtzeitig vor Fristablauf bei Gericht eingeht ([X.], Beschlüsse
vom 3.
Mai 2011, aaO und vom 16.
Dezember 2015, aaO). Das zur Fristwahrung Gebotene hat der Anwalt
bei der Übermittlung des Schriftsatzes per Fax daher nur getan, wenn er mit der Übermittlung so rechtzeitig begonnen hat, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluss am Tage des Fristablaufs bis 24.00 Uhr hätte gerechnet werden können ([X.]E 135, 126, 139 Rn. 33; [X.], Beschlüsse
vom 3.
Mai 2011, aaO, vom 16.
Dezember 2015, aaO und vom 26.
Januar 2017

I
ZB 43/16, NJW-RR 2017, 629 Rn. 10).
Dabei muss eine Partei nach ständiger Rechtsprechung Verzögerungen einkalkulieren, mit denen üblicherweise zu rechnen ist, wozu -
insbesondere 8
9
10
-
6
-
auch in den Abend-
und Nachtstunden -
die Belegung des Telefaxempfangsge-räts bei Gericht durch andere eingehende Sendungen gehört ([X.]E 135, 126, 139 f. Rn. 34; [X.], Beschlüsse
vom 3.
Mai 2011

XI
ZB 24/10, juris
Rn.
10, vom 16.
Dezember 2015

IV
ZB 23/15, juris Rn. 14
und vom 26.
Januar 2017

I
ZB 43/16, NJW-RR 2017, 629 Rn. 10; [X.], [X.]/NV 2010, 919 Rn.
5). Die Belegung des gerichtseigenen [X.] durch andere eingehen-de Sendungen ist eine kurz vor Fristablauf allgemein zu beobachtende Erschei-nung, die verschiedentlich Gegenstand der Rechtsprechung war und der der Anwalt im Hinblick auf die ihm obliegende Sorgfaltspflicht durch einen zeitlichen Sicherheitszuschlag Rechnung tragen muss ([X.]E 135, 126, 139 f. Rn.
34
mwN; [X.], Beschlüsse
vom 3. Mai 2011, aaO, vom 16. Dezember 2015, aaO und vom 26. Januar 2017, aaO). Dass das Empfangsgerät eines Gerichts in den Abend-
und Nachtstunden für eine [X.] von zwanzig Minuten belegt ist, ist

entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde

kein ungewöhnliches Ereignis, mit dem der Absender des Telefax nicht rechnen muss (vgl. [X.]E 135, 126, 140 Rn. 36; [X.], Beschlüsse vom 2.
Juli 2014

1
BvR
862/13, juris Rn.
3,
vom 23.
Juni 2016

1
BvR
1806/14, juris Rn. 3
f.
und vom 23.
Dezember 2016

1
BvR
3511/13, juris Rn.
3; [X.], Beschlüsse
vom 3.
Mai 2011, aaO und vom 26.
Januar 2017, aaO; BVerwG, Beschluss vom 25.
Mai 2010

7
B 18/10, juris Rn. 6;
BVerwG, NVwZ-RR 2015, 392 Rn. 2; [X.], [X.]/NV 2004, 519, 520, [X.]/NV
2010, 919 Rn. 5 und [X.]/NV 2016, 214 Rn. 6).
Nach diesen Maßgaben hat hier der Prozessbevollmächtigte des [X.] zu spät mit der Übermittlung der Berufungsbegründung begonnen. Ausweislich der Schilderung im Wiedereinsetzungsgesuch hat er den [X.] gegen
23.37 Uhr eingeleitet.
Auf
der Grundlage der vom Kläger vorgetragenen Erfahrungswerte bezüglich der Dauer der Übermittlung eines Telefax von bis zu 26 Sekunden pro Seite ergibt sich aber für die 22
Seiten umfassende Beru-fungsbegründung eine Übermittlungsdauer von 9 Minuten und 32 Sekunden. 11
-
7
-
Unter Berücksichtigung des nach der oben genannten Rechtsprechung einzu-planenden
Sicherheitszuschlags
von 20 Minuten hätte der Prozessbevollmäch-tigte des [X.]
noch vor 23.31 Uhr mit der Übermittlung der [X.] beginnen müssen. Um diese [X.] war das Faxgerät des Berufungsge-richts -
auch nach dem [X.] dieses Gerätes, auf das die Rechtsbe-schwerde Bezug nimmt
-
noch nicht belegt, so dass sich der Kläger nicht darauf berufen kann, das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten sei nicht ur-sächlich für die Fristversäumung geworden.

Ellenberger
Grüneberg
Maihold

[X.]
Derstadt
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 02.11.2016 -
11 [X.]/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 21.04.2017 -
5 U 171/16 -

Meta

XI ZB 14/17

19.12.2017

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2017, Az. XI ZB 14/17 (REWIS RS 2017, 377)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 377

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