Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.02.2016, Az. V R 22/15

5. Senat | REWIS RS 2016, 15966

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Gegenstand

Kindergeldanspruch: Meldung als Arbeitsuchender


Leitsatz

NV: Als Arbeitsuchender gemeldet i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG ist, wer gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit oder der Arbeitsgemeinschaft für die Grundsicherung Arbeitsuchender persönlich die Tatsache einer künftigen oder gegenwärtigen Arbeitslosigkeit anzeigt. Der Nachweis, dass tatsächlich eine Arbeit gesucht wird, ist nicht erforderlich (vgl. Senatsrechtsprechung) .

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 28. August 2014  10 K 10159/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Mutter der im April 1990 geborenen Tochter [X.] befand sich seit [X.] 2006 in einer [X.]erufsausbildung, die sie im Januar 2010 erfolgreich abschloss. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits eine Zusage für eine Arbeitsstelle ab 1. April 2010. Nach den von den [X.]eteiligten nicht angegriffenen Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) meldete sich [X.] spätestens Anfang Februar 2010 und nochmals am 15. März 2010 zum Zweck des Erhalts des Kindergeldanspruchs für die Zeit bis 1. April 2010 bei der zuständigen Arbeitsagentur arbeitslos. Auf dem Vordruck der Arbeitsagentur hatte [X.] in der Rubrik
"Ich suche einen ...    Arbeitsplatz    ...     Ausbildungsplatz  ... nur [X.]eratung, keine Stellensuche"
keine der aufgeführten Möglichkeiten angekreuzt. Angegeben ist jedoch, dass Arbeitslosigkeit vom 1. Februar bis 31. März 2010 besteht. Die Arbeitsagentur verweigerte die Registrierung als arbeitsuchend, weil sich [X.] der Arbeitsvermittlung wegen ihres am 1. April 2010 beginnenden [X.]eschäftigungsverhältnisses nicht zur Verfügung stellte.

2

Die [X.]eklagte und Revisionsklägerin (die Familienkasse) hob mit [X.]escheid vom 14. Dezember 2009 die Festsetzung von Kindergeld mit Ablauf des Monats Januar 2010 wegen der künftigen [X.]eendigung der Schulausbildung von [X.] auf und lehnte mit [X.]escheid vom 15. April 2010 die erneute Festsetzung von Kindergeld für [X.] mit der [X.]egründung ab, [X.] werde bei der zuständigen Arbeitsvermittlung nicht als arbeitsuchendes Kind geführt.

3

Die Klage, mit der die Klägerin geltend machte, dass die Familienkasse sie darauf hingewiesen habe, dass sie wegen der bereits bestehenden Zusage zum 1. April 2010 ohnehin keine sinnvollen [X.]ewerbungstermine wahrnehmen könne, hatte nach erfolglosem Einspruchsverfahren Erfolg. Zur [X.]egründung seines Urteils führte das [X.] aus, als arbeitsuchend bei einer [X.] sei gemeldet, wer gegenüber der zuständigen [X.] persönlich die Tatsache einer künftigen oder gegenwärtigen Arbeitslosigkeit anzeige. Dabei genüge, dass die Tatsache der Arbeitslosigkeit nicht ausdrücklich, aber sinngemäß zum Ausdruck gebracht werde. Nicht erheblich sei, ob die [X.] die Arbeitslosmeldung zutreffend erfasst und umgesetzt habe.

4

Hiergegen richtet sich die Revision der Familienkasse, mit der sie Verletzung materiellen Rechts (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) geltend macht. Mit der ab 1. Januar 2003 geltenden Neuregelung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG habe der Gesetzgeber nicht auf das Merkmal der [X.]eschäftigungssuche, sondern nur auf die Prüfung der [X.] und der Verfügbarkeit verzichten wollen. Die bloße Anzeige der [X.]eschäftigungslosigkeit reiche zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht aus, wenn in der Anzeige nicht auch zum Ausdruck komme, dass die [X.]emühungen um eine Arbeitsvermittlung gewollt seien.

5

Die Familienkasse beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Als arbeitsuchend i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG sei gemeldet, wer gegenüber der zuständigen [X.] persönlich die Tatsache einer künftigen oder gegenwärtigen Arbeitslosigkeit anzeige. Diese Voraussetzung sei erfüllt. Weitergehende Anforderungen stelle § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

9

1. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG in der im Streitjahr (2010) geltenden Fassung, wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, beim Kindergeld berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem [X.]eschäftigungsverhältnis steht und bei einer [X.] im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.

a) Seit der Neufassung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG durch Art. 8 Nr. 5 des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 ([X.], 4621, [X.], 3) genügt die Meldung als Arbeitsuchender bei einer [X.].

b) Gemäß § 32 Abs. 4 EStG in der bis 31. Dezember 2002 geltenden Fassung wurde ein Kind, das das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es arbeitslos [X.] [X.] (SG[X.] III) war. Gemäß § 119 [X.] in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung vom 23. Dezember 2003 war ein Arbeitnehmer arbeitslos, der

  •

nicht in einem [X.]eschäftigungsverhältnis steht ([X.]eschäftigungslosigkeit),

  •

sich bemüht, seine [X.]eschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und

  •

den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

Diese Voraussetzungen waren vom [X.] nachzuweisen.

c) Nach der ab 1. Januar 2003 geltenden Neuregelung müssen die sozialrechtlichen Merkmale der Arbeitslosigkeit [X.] § 119 Abs. 1 [X.], wie [X.] und Verfügbarkeit, nicht mehr nachgewiesen werden (Urteile des [X.] --[X.]FH-- vom 26. Juli 2012 VI R 98/10, [X.], 126, [X.], 443, Rz 10; vom 19. Juni 2008 III R 68/05, [X.], 349, [X.], 1008). Vielmehr unterstellt das Gesetz typisierend, dass die Voraussetzungen der §§ 118 ff. [X.] vorliegen. Dabei kommt der Registrierung des [X.] Kindes bzw. der daran anknüpfenden [X.]escheinigung keine echte Tatbestandswirkung für den Kindergeldanspruch zu. Entscheidend ist vielmehr, ob sich das Kind im konkreten Fall tatsächlich bei der Arbeitsvermittlung als arbeitsuchend gemeldet hat ([X.]FH-Urteile in [X.], 126, [X.], 443, Rz 10; vom 25. September 2008 III R 91/07, [X.], 354, [X.]St[X.]l II 2010, 47, Rz 16).

d) Das ist vorliegend der Fall. Als Arbeitsuchender gemeldet ist, wer gegenüber der zuständigen [X.] oder der [X.] persönlich die Tatsache einer künftigen oder gegenwärtigen Arbeitslosigkeit anzeigt ([X.]FH-Urteile vom 18. Juni 2015 VI R 10/14, [X.] 250, 145, [X.]St[X.]l II 2015, 940, und in [X.], 126, [X.], 443). Die im Streitjahr geltende typisierende Unterstellung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 118 ff. [X.] durch das Gesetz umfasst auch das Zurverfügungstehen für Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur. Der Nachweis, dass tatsächlich eine Arbeit gesucht wird, ist danach nicht erforderlich. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) hat [X.] ihre Arbeitslosigkeit vom 1. Februar bis 31. März 2010 der [X.] mitgeteilt. Das genügt für eine Meldung als arbeitsuchend [X.] § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG.

2. Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 [X.]O mit Einverständnis der [X.]eteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V R 22/15

18.02.2016

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 28. August 2014, Az: 10 K 10159/10, Urteil

§ 32 Abs 4 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 63 Abs 1 S 2 EStG 2009, § 62 Abs 1 EStG 2009, EStG VZ 2010, § 118 SGB 3 vom 23.12.2003

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.02.2016, Az. V R 22/15 (REWIS RS 2016, 15966)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15966

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