Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.09.2014, Az. XII ZB 202/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2859

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]/13

vom

17. September 2014

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] §§ 1901 a, 1904 [X.]
a) Der A[X.]ruch einer lebenserhaltenden Maßnahme bedarf dann nicht der be-treuungsgerichtlichen Genehmigung nach §
1904 Abs.
2 [X.], wenn der Be-troffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer wirksamen Pa-tientenverfügung (§
1901
a Abs.
1 [X.]) niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens-
und Behandlungssituation zutrifft. Im Übrigen differenziert §
1901
a Abs.
2 Satz
1 [X.] zwischen den Behandlungswün-schen einerseits und dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen [X.].
b) Das Vorliegen einer Grunderkrankung mit einem "irreversibel tödlichen [X.]" ist nicht Voraussetzung für den zulässigen A[X.]ruch lebenserhaltender Maßnahmen. Für die Verbindlichkeit des tatsächlichen oder mutmaßlichen Willens eines aktuell einwilligungsunfähigen Betroffenen kommt es nicht auf die Art und das Stadium der Erkrankung an (§
1901
a Abs.
3 [X.]).
c) Für die Feststellung des behandlungsbezogenen [X.]s gelten strenge Beweismaßstäbe, die der hohen Bedeutung der betroffenen [X.] zu tragen haben. Dabei ist nicht danach zu differenzieren, ob der Tod des Betroffenen unmittelbar bevorsteht oder nicht (Abgrenzung zu Senatsbeschluss [X.], 205 = FamRZ 2003, 748).

[X.], Beschluss vom 17. September 2014 -
XII [X.]/13 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17.
September 2014
durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose
und [X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 und zu 3
wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des [X.] vom 11. März 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten der Rechtsbeschwerde,
an das [X.] zurückverwiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§
131 Abs. 5 Satz 2 KostO).

Gründe:
I.
Das Verfahren betrifft die betreuungsgerichtliche Genehmigung der [X.] des Betreuers in den A[X.]ruch
der künstlichen Ernährung einer
einwil-ligungsunfähigen Betroffenen.
Die
1963 geborene
Betroffene erlitt am
18.
September 2009 eine Ge-hirnblutung mit der Folge eines apallischen Syndroms im Sinne eines Wachko-1
2
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3
-
mas. Sie wird über eine [X.] ernährt; eine Kontaktaufnahme mit ihr ist nicht möglich.
Mit Beschluss vom 22. September 2009 bestellte das Amtsgericht den
Ehemann und die Tochter der Betroffenen, die Beteiligten zu 2 und 3
(im [X.]: Betreuer)
im Wege der einstweiligen Anordnung zu
deren
Betreuern
unter anderem für die Aufgabenkreise Gesundheits-
und Vermögenssorge und die Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden. Die Betreuung wurde mit [X.] vom 12.
April 2010 mit einer Überprüfungsfrist zum 1.
April 2017 auch in der Hauptsache angeordnet. Am 27.
Juli 2010
beantragten die Betreuer, ihnen zu genehmigen, in weitere lebenserhaltende ärztliche
Maßnahmen nicht mehr einzuwilligen bzw. ihre Einwilligung in die Fortführung lebenserhaltender Maßnahmen zu widerrufen bzw. die Genehmigung zur Einstellung der künstli-chen Ernährung zu erteilen. Am
29. September 2011 und am 15. Februar 2012 wiederholten sie diese Anträge und beantragten weiter
hilfsweise festzustellen, dass die Einstellung der künstlichen Ernährung gemäß §
1904 Abs.
4 [X.] nicht genehmigungsbedürftig sei.
Mit der behandelnden Ärztin der Betroffenen bestehe Einvernehmen darüber, dass die Einstellung der künstlichen Ernährung dem Willen der
Betroffenen entspreche.
Das Amtsgericht hat den Antrag und den Hilfsantrag abgelehnt. Das [X.] hat die Beschwerde der Betreuer zurückgewiesen. Hiergegen rich-tet sich ihre zugelassene Rechtsbeschwerde.

3
4
-
4
-
II.
Die Rechtsbeschwerde
ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des [X.] Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landge-richt.
1. Das [X.] hat zur Begründung ausgeführt, es habe nicht zwei-felsfrei festgestellt werden können, dass die Betroffene
eine Einstellung der künstlichen Ernährung im hier vorliegenden Fall gewollt hätte.
In
der Entschei-dung, die künstliche Ernährung über die [X.] einzustellen, liege ein Widerruf der früheren Einwilligung der Betreuer in
die Behandlung und eine Verweigerung der Zustimmung in die hierauf gerichtete Behandlung. Die [X.] zur [X.] oder zum Widerruf der Einwilligung in einen ärztlichen Eingriff durch die Betreuer sei nach §
1904 Abs.
3 [X.] zu erteilen, wenn
dies dem Willen des Betreuten entspreche. In einem Fall, in dem
-
wie hier
-
keine Patientenverfügung vorliege, habe der Betreuer den mutmaßlichen Willen des Betroffenen
festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden. An die Annahme des mutmaßlichen Willens seien erhöhte Anforderungen zu stellen, wenn
zwar
das Grundleiden des Betroffenen unumkehrbar sei und
ei-nen tödlichen Verlauf angenommen habe, aber der Tod nicht unmittelbar be-vorstehe.
Auf
der Grundlage
des
im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachver-ständigengutachtens
sei
festzustellen, dass das Leiden der Betroffenen einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen habe, ohne dass ihr Tod in kurzer Zeit bevorstehe. Da eine Kommunikation mit der Betroffenen aufgrund ihrer Er-krankung nicht möglich sei, sei für die vorliegend zu treffende Entscheidung auf ihren mutmaßlichen Willen abzustellen. Die Betreuer und die im [X.] vernommenen Zeuginnen -
die Mutter, die Schwester und die Freun-5
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5
-
din der Betroffenen
-
hätten grundsätzlich übereinstimmend und auch plausibel und nachvollziehbar berichtet, dass die Betroffene in der Vergangenheit [X.] geäußert habe, keine lebenserhaltenden Maßnahmen in Anspruch [X.], sondern für immer einschlafen zu wollen, wenn sie im Koma liege, ihren Willen
nicht mehr äußern und am Leben nicht mehr aktiv teilnehmen könne.
Der als Betreuer eingesetzte Ehemann der Betroffenen habe zudem dargetan, dass noch im September 2009 entsprechende Formulare für eine [X.] zu Hause gelegen hätten, man aber keine Zeit mehr gefunden habe, [X.] auszufüllen.
Es sei offenbar geworden, dass sich die Betroffene in der Vergangenheit bereits ernsthaft mit dieser Thematik auseinandergesetzt habe. Anlass hierfür sei meistens eine schwere Erkrankung Dritter gewesen, etwa die der Eltern der Betroffenen, der Nichte ihrer Freundin und weiterer fremder Personen, die [X.] einer schweren Erkrankung auf einen (Liege-)Rollstuhl angewiesen ge-wesen seien. Auch wenn diese Meinungsäußerungen der Betroffenen sehr ernst zu nehmen seien, hätten sie gleichwohl nicht die Qualität und Tiefe von
Erklärungen, die im Rahmen einer Patientenverfügung abgegeben werden. Soweit sich die Betroffene anlässlich der schweren Erkrankung ihres [X.], der 2001 kurzzeitig ins Koma gefallen und sodann im Alter von 72 Jahren ver-storben sei, zur Frage von lebenserhaltenden Maßnahmen geäußert habe, sei diese Situation mit der der Betroffenen nicht vergleichbar. Beim Vater der Be-troffenen habe Todesnähe bestanden; zudem sei er wesentlich älter gewesen als die Betroffene. Den Äußerungen der Betroffenen anlässlich schwerer Schicksalsschläge Dritter komme nicht die Wertigkeit einer konkreten Selbstbe-stimmtheit für die Beendigung lebensverlängernder Maßnahmen beim Eintritt der jetzigen Situation zu. Die Freundin der Betroffenen habe dargelegt, dass die Frage, ob ein [X.] an lebenserhaltende Geräte in jedem Fall ausge-schlossen werden solle oder nur, wenn es keine Chance auf Genesung und ein 8
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-
Wiedererwachen gebe, zwischen ihr und der Betroffenen nicht erörtert worden sei.
Der Ehemann der Betroffenen habe erklärt, dass die Betroffene keine le-benserhaltenden Maßnahmen gewollt habe, falls sie sich in einem Zustand des Leidens und der Qual befinde. Das Gericht habe jedoch nicht den Eindruck ge-wonnen, dass der derzeitige Zustand von der Betroffenen selbst als leidvoll oder
quälend empfunden werde. Es habe daher nicht zweifelsfrei festgestellt werden können, ob für die Betroffene in der aktuell
bestehenden Lebens-
und Behandlungssituation
lebenserhaltende Maßnahmen akzeptabel gewesen [X.] oder ob sie diese abgebrochen hätte.
Gegen die Annahme, dass sich die Betroffene zu der hier relevanten Lebenssituation konkret und verbindlich posi-tioniert haben könnte, spreche zudem der Umstand, dass mit dem Ehemann noch nicht
tiefergehend darüber gesprochen worden sei, welches konkrete Formular der Entwürfe von
Patientenverfügungen gewählt werden sollte.
2. Diese Ausführungen halten
nicht in allen Punkten
der rechtlichen
Überprüfung stand.
a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht zunächst davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall die von den Betreuern beabsichtigte Einwilligung in den A[X.]ruch der künstlichen Ernährung der einwilligungsunfähigen Betroffenen nach § 1904 Abs. 2 [X.] der betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedarf. Denn es liegt weder eine wirksame Patientenverfügung gemäß §
1901
a Abs.
1 [X.] vor noch besteht zwischen den Betreuern und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber, dass die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilli-gung dem nach §
1901
a [X.] festgestellten Willen der Betroffenen entspricht (§
1904 Abs.
4 [X.]).

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7
-
aa) Gemäß §
1904 Abs.
2 [X.] bedarf die [X.] oder der [X.] der Einwilligung des Betreuers in einen ärztlichen Eingriff der Genehmi-gung des Betreuungsgerichts, wenn die
Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund des A[X.]ruchs der Maßnahme stirbt. Die Vorschrift ist
Bestandteil einer umfassenden betreu-ungsrechtlichen Neuregelung einer am [X.] orientierten Behand-lungsbegrenzung
durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts vom 29.
Juli 2009 ([X.]
I S. 2286) -
so genanntes Patientenverfügungsgesetz.
Das am 1.
September 2009 in [X.] getretene Gesetz führt erstmals eine [X.] Regelung zur Genehmigungspflicht von Entscheidungen des [X.] ein, wenn dieser in bestimmte medizinisch angezeigte Maßnahmen ent-sprechend dem Willen
des Betroffenen
nicht einwilligen oder eine früher erteilte Einwilligung widerrufen will (§
1904 Abs.
2 bis 4 [X.]). Zutreffend ist das Be-schwerdegericht davon ausgegangen, dass der Widerruf der Einwilligung in die mit Hilfe einer [X.] ermöglichte künstliche Ernährung vom An-wendungsbereich der Vorschrift erfasst wird und grundsätzlich der betreuungs-gerichtlichen Genehmigung bedarf, wenn -
wie hier
-
durch den A[X.]ruch der Maßnahme die Gefahr des Todes droht ([X.]/[X.] 3.
Aufl. §
1904 Rn.
16; vgl. auch Senatsbeschluss [X.], 205 = FamRZ 2003, 748, 750).
[X.]) Der A[X.]ruch einer lebenserhaltenden Maßnahme bedarf jedoch dann nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach §
1904 Abs.
2 [X.], wenn der Betroffene einen entsprechenden
eigenen
Willen bereits in einer wirk-samen Patientenverfügung (§
1901
a Abs.
1 [X.]) niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens-
und Behandlungssituation zutrifft.
Nach der Legaldefinition des §
1901
a Abs.
1 [X.] ist eine Patientenver-fügung eine schriftliche Willensbekundung eines einwilligungsfähigen Volljähri-gen, mit der er Entscheidungen über die Einwilligung oder [X.] in 12
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-
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noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen für den Fall der späteren [X.] trifft. Enthält die schriftliche [X.] eine Entscheidung über die Einwilligung oder [X.] in [X.] ärztliche Maßnahmen, die auf die konkret eingetretene Lebens-
und Behandlungssituation zutrifft, ist eine Einwilligung des Betreuers, die dem be-treuungsgerichtlichen Genehmigungserfordernis unterfällt,
in die Maßnahme nicht erforderlich, da der Betroffene diese Entscheidung selbst in einer alle [X.] bindenden Weise getroffen hat
(BT-Drucks. 16/8442 S.
14; [X.], 205 = FamRZ 2003, 748, 750; [X.]/Götz [X.] 73.
Aufl. §
1901
a Rn.
2; [X.]/[X.]/[X.] Betreuungsrecht 5.
Aufl. §
1901
a [X.] Rn.
50; HK-BUR/[X.] [Stand: Juli 2011] §
1901
a [X.] Rn.
27
f.; a.[X.]/[X.] [X.] 13.
Aufl. §
1901
a [X.] Rn.
8; [X.]/[X.] [X.] 2009, 426, 432
f.). Dem Betreuer obliegt es in diesem Fall nur noch, dem in der Patienten-verfügung niedergelegten Willen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu [X.] (§
1901
a Abs.
1 Satz
2 [X.]).
Das Genehmigungserfordernis des §
1904 Abs.
2
[X.]
greift indes ein, wenn nicht sämtliche Voraussetzungen einer wirksamen Patientenverfügung nach §
1901
a Abs.
1 [X.] vorliegen oder die Patientenverfügung nicht auf die konkret eingetretene Lebens-
und Behandlungssituation zutrifft. Da in diesem Fall der Willensbekundung des Betreuten keine unmittelbare Bindungswirkung zukommt (BT-Drucks. 16/8442 S.
11; vgl. auch [X.] §
1901
a Rn.
23; [X.]/Götz [X.] 73.
Aufl. §
1901
a Rn.
17), hat der Betreuer nach §
1901
a Abs.
2 [X.] die Entscheidung über die Einwilligung oder Nicht-einwilligung in eine anstehende ärztliche Maßnahme zu treffen, wobei er den [X.] oder dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen [X.] zu verschaffen hat. Entschließt sich der Betreuer danach, in den A[X.]ruch lebenserhaltender Maßnahmen einzuwilligen, bedarf diese Entscheidung
15
-
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-
-
vorbehaltlich der Regelung in §
1904 Abs.
4 [X.]
-
der Genehmigung durch das Betreuungsgericht.
Im vorliegenden Fall hat die Betroffene nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen eine den formellen Anforderungen des §
1901
a Abs.
1 [X.] genügende schriftliche Patientenverfügung nicht erstellt. Die Betroffene und ihr Ehemann hatten sich zwar noch im September 2009 ent-sprechende Formulare für eine Patientenverfügung beschafft. Diese wurden jedoch nicht mehr ausgefüllt.
cc) Eine betreuungsgerichtliche Genehmigung der Entscheidung des [X.] ist gemäß § 1904 Abs.
4 [X.] dann nicht erforderlich, wenn zwischen diesem
und
dem
behandelnden
Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach §
1901
a [X.] fest-gestellten Willen des Betreuten entspricht.
(1) In §
1901
b [X.] findet sich nunmehr eine klarstellende gesetzliche Regelung des zur Ermittlung des [X.]s erforderlichen Gesprächs zwischen dem behandelnden Arzt und dem Betreuer. Liegt eine schriftliche Pa-tientenverfügung im Sinne des §
1901
a Abs.
1 [X.] vor und besteht Einver-nehmen zwischen dem Betreuer und dem behandelnden Arzt darüber, dass deren Festlegungen auf die aktuelle Lebens-
und Behandlungssituation zutref-fen, ist eine betreuungsgerichtliche Genehmigung bereits deshalb entbehrlich, weil es wegen des [X.] der eigenen Entscheidung des Betroffenen [X.] und keines
Widerrufs
der Einwilligung in die ärztliche Maßnahme durch den Betreuer bedarf
(BT-Drucks. 16/8442 S.
11). Für den Fall des [X.] einer bindenden Patientenverfügung kommt es auf die [X.] oder den mutmaßlichen Willen
des Betroffenen gemäß §
1901
a Abs.
2 [X.] an. Soweit der Betreuer und der behandelnde Arzt Ein-16
17
18
-
10
-
vernehmen darüber erzielen können, dass die Erteilung, die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach §
1901
a Abs.
2 [X.] festgestellten Wil-len des Betroffenen entsprechen, werden die Entscheidungen des Betreuers nach §
1904 Abs.
4 [X.] von der Genehmigungspflicht des Betreuungsgerichts ausgenommen (BT-Drucks.
16/8442 S.
18; vgl. auch [X.], 191 = [X.], 1551 Rn.
17
sowie
[X.]/[X.]/[X.] Betreuungsrecht 5.
Aufl. §
1904 [X.] Rn.
137; Jurgeleit/[X.] Betreuungsrecht 3.
Aufl. §
1904 [X.] Rn.
97; [X.]/Götz [X.] 73. Aufl. § 1904 Rn. 22; HK-BUR/[X.] [Stand: Juni 2013] §
1904 [X.] Rn. 96; a.[X.]/[X.] E Rn.
24, demzufolge eine gerichtliche Genehmigung auch dann erforderlich ist, wenn Arzt und Betreuer übereinstimmend von einem mutmaßlichen Willen des Betroffenen ausgehen). Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers sichergestellt sein, dass eine gerichtliche Genehmigung nur in Konfliktfällen erforderlich ist. Liegt kein Ver-dacht auf einen Missbrauch vor, soll die Umsetzung des [X.]s nicht durch ein sich gegebenenfalls
durch mehrere Instanzen hinziehendes betreu-ungsgerichtliches Verfahren belastet werden. Die Durchsetzung des Patienten-willens würde erheblich verzögert oder unmöglich gemacht, da für die Dauer des Verfahrens die in Rede stehenden ärztlichen Maßnahmen in der Regel fortgeführt werden müssten und damit gegebenenfalls massiv in das Selbstbe-stimmungsrecht des Betroffenen eingegriffen wird. Dem Schutz des Patienten vor einem etwaigen Missbrauch der [X.] wird zum einen dadurch Rechnung getragen, dass eine wechselseitige Kontrolle zwischen Arzt und Betreuer bei der Entscheidungsfindung stattfindet. Zum anderen kann jeder Dritte, insbesondere der Ehegatte, Lebenspartner, Verwandte oder Vertrauens-personen des Betreuten, aufgrund des Amtsermittlungsprinzips im [X.] jederzeit eine betreuungsgerichtliche Kontrolle der Betreuerentschei-dung in Gang setzen (BT-Drucks. 16/8442 S.
19).

-
11
-
Angesichts des schwerwiegenden Eingriffs ist allerdings die Schwelle für ein gerichtliches Einschreiten nicht zu hoch anzusetzen (Jurgeleit/[X.] Betreu-ungsrecht 3.
Aufl. § 1904 [X.] Rn. 13). Das Betreuungsgericht muss das [X.]sverfahren nach § 1904 Abs. 2 [X.] immer dann durchführen, wenn einer der Handelnden Zweifel daran hat, ob das geplante Vorgehen dem Willen des Betroffenen entspricht (vgl. MünchKomm[X.]/[X.] 6.
Aufl. §
1904 Rn.
53; [X.]/[X.] Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1904 [X.] Rn. 14; vgl. auch BT-Drucks. 16/8442 S.
19). Das Verfahren bietet einen justizförmigen Rahmen, innerhalb dessen die rechtlichen Grenzen des [X.] und der wirkliche oder mutmaßliche Wille des Betroffenen -
im Rahmen des Möglichen
-
ermittelt werden kann. Dies vermittelt der Entscheidung des Betreuers damit eine Legitimität, die geeignet ist, den Betreuer subjektiv zu ent-lasten sowie seine Entscheidung objektiv anderen Beteiligten zu vermitteln, und die ihn vor dem Risiko einer abweichenden strafrechtlichen ex-post-Beurteilung schützen kann (Senatsbeschluss [X.], 205 = FamRZ 2003, 748, 755 mwN; vgl. [X.] Medizinrecht §
1901
a [X.] Rn.
14). Daher ist die Prü-fungskompetenz des Betreuungsgerichts auch dann eröffnet, wenn zwar ein Einvernehmen zwischen Betreuer und behandelndem Arzt besteht, aber gleichwohl ein Antrag auf betreuungsgerichtliche Genehmigung gestellt wird (Jurgeleit/[X.] Betreuungsrecht 3.
Aufl. §
1904 [X.] Rn.
77
f.).
Stellt das Gericht dieses Einvernehmen
im Sinne von §
1904 Abs.
4 [X.]
fest, hat es den Antrag auf betreuungsgerichtliche Genehmigung ohne weitere gerichtliche Ermittlungen abzulehnen und ein sogenanntes Negativattest zu erteilen, aus dem sich ergibt, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erfor-derlich ist ([X.] [X.], 1841, 1843; AG [X.] FamRZ 2011, 1327, 1328; vgl. auch [X.] [X.], 1470, 1471; Münch-Komm[X.]/[X.] 6.
Aufl. §
1904 Rn.
56; [X.]/[X.] [X.]. §
1904 Rn. 13; HK-BUR/[X.] [Stand: Juni 2013] §
1904 Rn.
106; 19
20
-
12
-
a.[X.]/[X.] Betreuungsrecht 3.
Aufl. §
1904 [X.] Rn.
11; [X.]/Götz [X.] 73.
Aufl.
§
1904 Rn.
22, wonach die Erteilung eines Negativattests nicht angezeigt sei). Gleiches gilt, wenn das Gericht trotz Einvernehmens zunächst einen Anlass für die Ermittlung des [X.]s mit den ihm zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten sieht, aber nach der Prüfung zu dem Er-gebnis gelangt, dass die Erteilung, die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach §
1901
a [X.] festgestellten Willen entspricht. Bei unter-schiedlichen Auffassungen oder bei Zweifeln des behandelnden Arztes und des Betreuers über den Behandlungswillen des Betreuten muss
das Betreuungsge-richt hingegen nach der Kontrolle, ob die Entscheidung des Betreuers über die [X.] oder den Widerruf der Einwilligung tatsächlich dem ermittelten [X.] entspricht,
eine Genehmigung nach §
1904 Abs.
2 [X.] erteilen oder versagen.
(2) Danach hat sich das Beschwerdegericht im vorliegenden Fall zu Recht nicht lediglich auf eine Prüfung nach §
1904 Abs.
4 [X.] beschränkt, ob-wohl die Betreuer mit ihrem Antrag vom 15. Februar 2012 eine gemeinsame schriftliche Erklärung mit der behandelnden Ärztin der Betroffenen vorgelegt haben, wonach Einvernehmen darüber bestehe, dass die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung in die künstliche Ernährung dem Willen der Be-troffenen entspreche.
Nachdem ein Einvernehmen zwischen Betreuern und [X.] Ärztin zunächst nicht vorgelegen hatte
und die Gerichte Zweifel an einem entsprechenden
Willen der Betroffenen hatten, waren sie aufgrund des [X.] gehalten,
diesen im gerichtlichen Verfahren zu ermitteln (a.A. MünchKomm[X.]/[X.] 6.
Aufl. §
1901
a Rn.
56, wonach das Gericht auch bei eigenem Missbrauchsverdacht ein Negativattest zu erstellen und dann ein Kontrollverfahren nach §
1908
i Abs.
1 S.
1 i.V.m. §
1837 Abs.
2 bis 4 [X.] einzuleiten habe). Jedenfalls im Zeitpunkt der Beschwerdeentschei-dung konnte darüber hinaus ein Einvernehmen zwischen Betreuern und [X.]
-
13
-
delnder Ärztin nicht mehr festgestellt werden, nachdem die Betroffene in ein anderes Pflegeheim verlegt worden war und sich die Person der behandelnden Ärztin geändert hatte.
b) Ebenfalls zu Recht ist das Beschwerdegericht noch unter [X.] auf den zur früheren Rechtslage ergangenen Senatsbeschluss vom 17.
März 2003 ([X.], 205 = FamRZ 2003, 748, 751) zu dem Ergebnis d-l-tender Maßnahmen ist. Nach neuer Rechtslage ist in §
1901
a Abs.
3 [X.] klargestellt, dass es für die Verbindlichkeit des tatsächlichen oder mutmaßli-chen Willens eines aktuell einwilligungsunfähigen Betroffenen nicht auf die Art und das Stadium der Erkrankung ankommt (BT-Drucks. 16/8442 S.
16; [X.], 191 = [X.], 1551
Rn.
14 ff.; [X.]/[X.]/Kuhrke/[X.] Be-treuungs-
und Unterbringungsverfahren §
298 FamFG Rn.
19). Auch wenn die Grunderkrankung noch keinen unmittelbar zum Tod führenden Verlauf genom-men hat, d.h. der Sterbevorgang noch nicht eingesetzt hat, ist das verfassungs-rechtlich verbürgte Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen zu achten, gegen dessen Willen eine ärztliche Behandlung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden darf. Der A[X.]ruch einer lebenserhaltenden Maßnahme ist bei entspre-chendem Willen des Betroffenen als Ausdruck der allgemeinen Entscheidungs-freiheit (Art.
2 Abs. 1 i.V.m.
Art. 1 Abs. 1 GG) und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs.
2 GG) grundsätzlich zulässig. Der Betroffene darf eine Heilbehandlung auch dann ablehnen, wenn sie seine ohne Behandlung zum Tod führende Krankheit besiegen oder den Eintritt des Todes weit hinaus-schieben könnte (BT-Drucks. 16/8442 S.
9).
c) Soweit das Beschwerdegericht auf der Grundlage der von ihm ge-troffenen Feststellungen zu der Würdigung gelangt ist, dass der A[X.]ruch der 22
23
-
14
-
künstlichen Ernährung nicht dem mutmaßlichen Willen der Betroffenen ent-spricht, ist dies dagegen nicht frei von [X.]. Zudem hat es sich nicht mit der vorrangigen Frage befasst, ob ein entsprechender Behandlungswunsch der Betroffenen vorliegt.
aa) Die betreuungsgerichtliche Genehmigung
nach §
1904 Abs.
2 [X.]
ist zu erteilen, wenn die [X.] oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betreuten entspricht, §
1904 Abs.
3 [X.]. Das Betreuungsge-richt hat die Entscheidung des Betreuers zum Schutz des Betreuten [X.] zu überprüfen, ob diese Entscheidung tatsächlich dem ermittelten [X.] entspricht. [X.] ist der individuelle Pa-tientenwille,
wobei für die Ermittlung
des mutmaßlichen Willens die in §
1901
a
Abs.
2 [X.] genannten Anhaltspunkte heranzuziehen sind
(BT-Drucks. 16/8442 S.
18).
Dabei differenziert §
1901
a Abs.
2 Satz
1 [X.] zwischen den [X.] einerseits und dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen ande-rerseits.
(1) Behandlungswünsche im Sinne des §
1901
a Abs.
2 [X.] können et-wa
alle Äußerungen eines Betroffenen
sein, die Festlegungen für eine konkrete Lebens-
und Behandlungssituation enthalten, aber den Anforderungen an eine Patientenverfügung im Sinne des §
1901
a Abs.
1 [X.] nicht genügen, etwa weil sie nicht schriftlich abgefasst wurden, keine antizipierenden Entscheidun-gen treffen
oder
von einem minderjährigen Betroffenen verfasst wurden. Auch eine Patientenverfügung im Sinne des §
1901
a Abs.
1 [X.], die jedoch nicht sicher auf die aktuelle Lebens-
und Behandlungssituation des Betroffenen passt und deshalb keine unmittelbare Wirkung entfaltet, kann als [X.] Berücksichtigung finden
([X.]/[X.]/[X.] [X.]. §
1901
a [X.] Rn. 57; [X.]/Götz [X.] 73. Aufl. §
1901
a Rn.
28; [X.]/[X.] Betreuungsrecht 5. Aufl. §
1901
a [X.] Rn.
16; HK-24
25
-
15
-
BUR/[X.] [Stand: Juli 2011] §
1901
a [X.] Rn.
71). Behandlungswünsche
sind insbesondere dann aussagekräftig, wenn sie in Ansehung der Erkrankung zeitnah geäußert worden sind, konkrete Bezüge zur aktuellen [X.] aufweisen und die Zielvorstellungen des Patienten erkennen lassen
([X.]/[X.] 2. Aufl. [X.]. zu §§
211
ff.
Rn. 156).
An die Behandlungswünsche des
Betroffenen ist der Betreuer
nicht nur nach §
1901
a Abs.
2 [X.], sondern
bereits nach §
1901 Abs.
3 [X.] gebunden
(a.A. wohl [X.] [X.] 2011, 337, 353, wonach der lediglich mündlich geäußerte Behandlungswunsch den Betreuer nicht unmittelbar
binde, sondern nur in die Würdigung der Gesamtsituation durch den Betreuer miteinzubeziehen sei).
(2) Auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen ist demgegenüber ab-zustellen, wenn sich ein auf die aktuelle Lebens-
und Behandlungssituation be-zogener Wille des Betroffenen nicht feststellen lässt. Der mutmaßliche Wille ist anhand konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln, insbesondere anhand früherer mündlicher oder schriftlicher Äußerungen
(die jedoch keinen Bezug zur aktuel-len Lebens-
und Behandlungssituation aufweisen), ethischer oder religiöser Überzeugungen und sonstiger persönlicher Wertvorstellungen des Betroffenen (§
1901
a Abs.
2 Satz
2 und
3).
Der Betreuer stellt letztlich eine These auf, wie sich der Betroffene selbst in der konkreten Situation entschieden hätte, wenn
er noch über sich selbst bestimmen könnte ([X.]/[X.]/[X.] Be-treuungsrecht §
1901
a [X.] Rn.
67 ff.).

Allerdings kommt die Berücksichtigung eines solchen mutmaßlichen Wil-len des Betroffenen nur hilfsweise in Betracht, wenn und soweit der wirkliche
vor Eintritt der [X.] geäußerte
Wille des Betroffenen nicht zu ermitteln ist (Senatsbeschluss [X.], 205 = FamRZ 2003, 748, 752; [X.], 191 = [X.], 1551
Rn.
17).
Liegt eine Willensbekundung des 26
27
-
16
-
Betroffenen vor, bindet sie als Ausdruck des fortwirkenden Selbstbestimmungs-rechts den Betreuer. Der Wille des Patienten muss stets beachtet werden, un-abhängig von der Form, in der er geäußert wird (BT-Drucks. 16/13314 S.
22 zu §
1901
b [X.]).
Die Willensbekundung für oder gegen bestimmte medizinische Maßnahmen darf vom Betreuer nicht durch einen "Rückgriff auf den mutmaßli-chen Willen"
des Betroffenen korrigiert werden
([X.]Z
154, 205 = FamRZ 2003, 748, 752).
(3)
Ebenso wie bei Vorliegen einer schriftlichen Patientenverfügung im Sinne des §
1901
a Abs.
1 [X.] genügt auch der ermittelte [X.] nicht, wenn sich dieser auf allgemein gehaltene Inhalte beschränkt.
Unmittelbare Bindungswirkung entfaltet
eine
Patientenverfügung im Sin-ne des § 1901 a Abs.
1 [X.] nur
dann, wenn ihr
konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder [X.] in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Von vornherein nicht ausreichend sind allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist (HK-BUR/[X.]
[Stand: Juli 2011]
§
1901
a [X.] Rn.
39; [X.] Medizinrecht §
1901
a [X.] Rn.
7). Die Anforderungen an die Bestimmtheit
einer Patientenverfügung dürfen aber auch
nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens-
und Behandlungssi-tuation will und was nicht. Maßgeblich ist nicht, dass der Betroffene seine eige-ne Biografie als Patient vorausahnt und die zukünftigen Fortschritte in der [X.] vorwegnehmend berücksichtigt
(vgl. [X.]/Götz [X.] 73.
Aufl. §
1901
a Rn.
18). Insbesondere kann nicht ein gleiches Maß an Präzision
verlangt wer-den, wie es bei der Willenserklärung eines einwilligungsfähigen Kranken in die Vornahme einer ihm angebotenen Behandlungsmaßnahme erreicht werden 28
29
-
17
-
kann
(vgl. [X.] FamRZ 2014, 1848
f.). Andernfalls wären nahezu sämtliche Patientenverfügungen unverbindlich, weil sie den Anforderungen an die [X.] nicht genügten (vgl. auch [X.]/[X.] 2.
Aufl. [X.]. zu §§
211 ff. Rn.
146; [X.]/[X.] Betreuungsrecht 5. Aufl. §
1901
a [X.] Rn.
8).
Ein vergleichbares Maß an Bestimmtheit ist auch bei der Beurteilung ei-nes Behandlungswunsches im Sinn des §
1901
a Abs.
2 [X.] zu verlangen. Wann eine Maßnahme hinreichend bestimmt benannt ist, kann nur im Einzelfall beurteilt werden.
Ebenso wie eine schriftliche Patientenverfügung sind auch mündliche Äußerungen des Betroffenen der Auslegung zugänglich.
(4) Maßgeblich ist weiter, ob die entsprechenden Anweisungen, welche zu einem Zeitpunkt erteilt
wurden, als ein bestimmter ärztlicher Eingriff noch nicht unmittelbar bevorstand, auf die aktuelle Lebens-
und [X.] zugeschnitten sind
(sog. Kongruenz von Patientenverfügung und ärztlich erforderlichem Eingriff).
[X.]) Diesen Grundsätzen wird die angegriffene Entscheidung nicht in [X.] Umfang gerecht.
(1) Nachdem eine schriftliche Patientenverfügung im Sinn des §
1901
a Abs.
1 [X.] nicht vorlag, hat das Beschwerdegericht zur Ermittlung des Willens der Betroffenen zutreffend auf §
1901
a Abs.
2 [X.] abgestellt. Allerdings ist das Beschwerdegericht ohne weitere Differenzierung zwischen [X.] einerseits und mutmaßlichem Willen andererseits davon ausgegangen, dass der mutmaßliche Wille der Betroffenen zu ermitteln sei. Hierbei hat das Beschwerdegericht, wie die Rechtsbeschwerde insoweit zu Recht rügt, die Be-kundungen der Zeugin L.

nicht hinreichend berücksichtigt.
30
31
32
33
-
18
-
Das Beschwerdegericht hätte Anlass zur Prüfung
gehabt, ob es sich bei der mündlichen Äußerung der Betroffenen gegenüber der Zeugin L.

um einen Behandlungswunsch im Sinne des §
1901
a Abs.
2
Satz
1 [X.] handelte, mit dem sie Festlegungen für eine konkrete Lebens-
und Behandlungssituation getroffen hat, welche mit der aktuellen Lebens-
und Behandlungssituation über-einstimmt. Ein Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen der Betroffenen wäre in Anbetracht dessen ausgeschlossen
(vgl. auch
[X.], 191 = [X.], 1551 Rn.
5, 17).

Die Betroffene hatte sich nach den Angaben der Zeugin L.

auch anlässlich der Erkrankung von deren Nichte geäußert, die im Alter von 39 Jah-ren ins Wachkoma gefallen war. Ausweislich des Vermerks über die Anhörung der Zeugin L.

hat
die Betroffene angegeben, dass sie selbst, sollte sie sich in einem Zustand wie die Nichte befinden, nicht künstlich am Leben erhal-ten bleiben wolle. Nach Auffassung des [X.] haben zudem [X.] Betreuer sowie
die Zeuginnen übereinstimmend,
plausibel und nachvollzieh-bar erklärt, dass die Betroffene in der Vergangenheit mehrfach geäußert habe, keine lebensverlängernden Maßnahmen in Anspruch nehmen zu wollen, wenn sie im Koma liege, ihren Willen nicht mehr äußern und am Leben nicht mehr aktiv teilnehmen könne.
(2)
Die angegriffene Entscheidung
begegnet
zudem
rechtlichen Beden-ken,
weil sie darüber hinaus erhöhte Anforderung an die Ermittlung und An-nahme des mutmaßlichen Willens stellt, wenn der Tod des Betroffenen -
wie hier
-
nicht unmittelbar bevorsteht.
Diese Auffassung steht nicht im Einklang mit § 1901
a Abs.
3 [X.], der in erster Linie klarstellen will, dass es für die Beachtung und Durchsetzung des [X.]s nicht auf die Art und das Stadium der Erkrankung ankommt.
34
35
36
37
-
19
-
Aus §
1901
a Abs.
3 [X.] folgt
aber
zugleich, dass keine höheren
Anforderun-gen an die Ermittlung und die Annahme von [X.] oder des mutmaßlichen Willens zu stellen sind, wenn der Tod des Betroffenen nicht un-mittelbar bevorsteht. Für die Feststellung des behandlungsbezogenen [X.]s gelten
beweismäßig strenge Maßstäbe, die der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter -
dem aus Art.
2 Abs.
2 Satz
1 GG und Art.
2 Abs.
1 in Verbindung mit Art.
1 Abs.
1 GG folgenden Selbstbestimmungsrecht einerseits (vgl. insoweit auch [X.] FamRZ 2011, 1927 Rn.
35 f.) und dem in Art.
2 Abs.
2 Satz
1 GG garantierten Schutz des Lebens andererseits -
Rechnung zu tragen haben. Dies hat insbesondere zu gelten, wenn es beim Fehlen einer schriftlichen Patientenverfügung um die Feststellung eines in der Vergangenheit mündlich geäußerten [X.]s geht (vgl. auch [X.], 191 = [X.], 1551
Rn.
38; [X.] Beschluss vom 10.
November 2010 -
2
StR 320/10
-
FamRZ 2011, 108 Rn.
12). Insbesondere bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens des Betroffenen ist darauf zu achten, dass nicht die Werte und Vorstel-lungen des Betreuers zum Entscheidungsmaßstab werden.
Die bei der
Ermitt-lung und der
Annahme des mutmaßlichen Willens zu stellenden strengen
An-forderungen
gelten
aber unabhängig davon, ob der Tod des Betroffenen [X.] bevorsteht oder nicht
(a.A. [X.] [X.], 1841, 1843; AG [X.] FamRZ 2011, 1327, 1328; MünchKomm[X.]/[X.] 6.
Aufl. §
1901
a Rn.
50; [X.] [X.], 2011, 337, 354; zur früheren Rechtslage:
Senatsbeschluss [X.], 205 = FamRZ 2003, 748, 751 unter Bezugnahme auf [X.] Urteil vom 13.
September 1994 -
1 StR 357/94
-
NJW 1995, 204).
Das Beschwerdegericht geht demgegenüber von einem falschen Maß-stab aus, wenn es ausführt, an die Ermittlung und Annahme des mutmaßlichen Willens seien höhere Anforderungen zu stellen, wenn der Tod des Betroffenen noch nicht unmittelbar bevorsteht.
38
-
20
-
3. Die Entscheidung des
[X.] kann demnach keinen [X.] haben. Bei seiner erneuten Prüfung wird das Beschwerdegericht etwaige Behandlungswünsche und gegebenenfalls den mutmaßlichen Willen der Be-troffenen unter Berücksichtigung der Angaben der Zeugin L.

und unter Anlegung des korrekten [X.] erneut zu ermitteln haben. Der [X.] weist dazu auf Folgendes hin:
a) Die Äußerung der Betroffenen ist auch nicht deswegen unbeachtlich, weil sie bei ihrem Gespräch mit der Zeugin L.

nicht im Einzelnen danach differenziert hat, ob lebenserhaltende Maßnahmen für alle Fälle ausgeschlos-sen werden sollten oder nur, wenn es keine Chance auf Genesung und ein Wiedererwachen gebe. Denn das Beschwerdegericht hat sich dem im Be-schwerdeverfahren eingeholten
Sachverständigengutachten angeschlossen, wonach das Leiden der Betroffenen einen irreversiblen tödlichen Verlauf ange-nommen habe. Weiter haben die Sachverständigen ausgeführt, dass -
auch wenn es immer wieder vereinzelte Fallberichte zu klinischen Besserungen nach langer Zeit gebe
-
die Wahrscheinlichkeit für ein bewusstes, [X.] bei 0 % liege, wenn der fortdauernde vegetative Status eines Patienten, wie bei der Betroffenen, länger als sechs
Monate andauere.
b) Die mündlichen Äußerungen der Betroffenen werden nicht dadurch [X.], dass die Betroffene keine schriftliche Patientenverfügung angefertigt hatte, obwohl entsprechende Vordrucke bei ihr zu Hause gelegen hatten. [X.] Umstand kann weder entnommen werden, dass die Betroffene von
der Errichtung einer Patientenverfügung (vorerst) Abstand nehmen wollte, weil sie sich noch nicht konkret und verbindlich positionieren wollte, noch dass sie schon inhaltlich festgelegt wäre. Nach den Feststellungen des [X.]s kann lediglich als sicher angenommen werden, dass die Betroffene zu einem Zeitpunkt, als ihre Erkrankung noch gänzlich ungewiss war, eine Patien-39
40
41
-
21
-
tenverfügung erstellen wollte, aber noch keines der unterschiedlichen Formula-re ausgewählt hatte, bevor sie unvorhersehbar erkrankte.
Dose Schilling Günter

Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.03.2012 -
XVII 280/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 11.03.2013 -
3 [X.]/12 -

Meta

XII ZB 202/13

17.09.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.09.2014, Az. XII ZB 202/13 (REWIS RS 2014, 2859)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2859

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