Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.04.2023, Az. I R 48/20

1. Senat | REWIS RS 2023, 3774

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Gegenstand

(Zum sachlichen Anwendungsbereich des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG)


Leitsatz

1. Das Verlustverrechnungsverbot bei steuerlicher Rückwirkung einer Umwandlung (§ 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG) ist auch in Einbringungsfällen anzuwenden, in denen eine steuergestalterische Missbrauchsabsicht nicht vorliegt. Die verfassungsrechtlichen Bedenken sind nicht begründet.

2. Die Regelung gilt auch für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer.

3. § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG ist nicht derart teleologisch zu reduzieren, dass die (negativen) Einkünfte des übernehmenden Rechtsträgers ohne Berücksichtigung eines im Veranlagungsjahr der Übernahme von ihm beantragten Investitionsabzugsbetrags (§ 7g EStG) zu bestimmen wären.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 22.10.2020 - 10 K 10192/19 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Einzelkaufmann [X.] … erklärte mit notarieller Urkunde vom 13.07.2017 die "Umwandlung im Wege der Ausgliederung aus dem Vermögen eines Einzelkaufmanns zur Neugründung einer GmbH ([X.])" zum [X.] (Ablauf des 01.01.2017) in die neu zu gründende Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin). [X.] erhielt alle Geschäftsanteile und wurde zum alleinigen Geschäftsführer bestellt. Die Eintragung der Klägerin in das Handelsregister erfolgte am 21.08.2017. Für [X.] wurde der letzte Jahresabschluss auf den 01.01.2017, für die Klägerin eine Eröffnungsbilanz auf den 02.01.2017 und der erste Jahresabschluss auf den 31.12.2017 erstellt. Eine Zwischenbilanz wurde nicht aufgestellt. Der Bilanzgewinn zum 31.12.2017 betrug für das gesamte Wirtschaftsjahr [X.]. Im Personalaufwand von rund [X.] waren Vergütungen an den Gesellschafter-Geschäftsführer von rund [X.] enthalten.

2

Mit der im Januar 2019 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--) eingegangenen Körperschaftsteuererklärung für das [X.] ([X.]treitjahr) machte die Klägerin einen Investitionsabzugsbetrag nach § 7g des Einkommensteuergesetzes (E[X.]tG) i.V.m. § 8 Abs. 1 [X.]atz 1 des [X.] (K[X.]tG) --beide in der für das [X.]treitjahr geltenden [X.] für das laufende Wirtschaftsjahr von [X.] geltend, mit der im Mai 2019 eingegangenen geänderten Erklärung in Höhe von [X.].

3

Zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens für die Körperschaftsteuer bzw. des Gewerbeertrages ging das [X.] vor der streitigen Anwendung des § 2 Abs. 4 [X.]atz 3 des Umwandlungssteuergesetzes 2006 i.d.[X.] zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften ([X.]) vom 26.06.2013 ([X.], 1809, B[X.]tBl I 2013, 802) --Umw[X.]tG-- von einem Zwischenwert von [X.] aus, der sich aus dem Bilanzgewinn von [X.] abzüglich Investitionsabzugsbetrag von [X.] zuzüglich Hinzurechnungen für Körperschaftsteuer, [X.]olidaritätszuschlag und Gewerbesteuer von [X.] und für sonstige nichtabziehbare Aufwendungen von [X.] ergab. Da allerdings ungeachtet der steuerlichen Rückbezugsmöglichkeit (§ 20 Abs. 6 [X.]atz 2 Umw[X.]tG) die vom Einbringenden im [X.] bis zur Gründung des übernehmenden Rechtsträgers erzielten positiven Einkünfte nicht mit Verlusten des übernehmenden Rechtsträgers verrechenbar seien (§ 20 Abs. 6 [X.]atz 4 i.V.m. § 2 Abs. 4 [X.]atz 3 Umw[X.]tG), schätzte es den Gewinn für die [X.] vom 01.01. bis 12.07.2017 (zeitanteilig 193 Tage) anhand des [X.] ([X.]) zunächst auf [X.]. Mit den ersten, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheiden vom 11.06.2019 ging es dementsprechend von positiven Einkünften im [X.] [X.]) von [X.], von positiven Einkünften im gesamten Veranlagungszeitraum von [X.] und damit von (nicht ausgeglichenen) negativen Einkünften der übernehmenden Klägerin von [X.] aus. Es rechnete dem Zwischenwert von [X.] gemäß § 2 Abs. 4 [X.]atz 3 Umw[X.]tG [X.] hinzu und gelangte auf diese Weise zu einem zu versteuernden Einkommen bei der Körperschaftsteuer bzw. zu einem Gewerbeertrag vor Abrundung beim [X.] von [X.].

4

Nachdem die Klägerin im Rahmen ihres Einspruchs eine betriebswirtschaftliche Auswertung für den [X.]raum Januar bis Juni 2017 übersandt hatte, aus der sich zum 30.06.2017 ein vorläufiges Ergebnis vor [X.]teuern von [X.], [X.]teuern vom Einkommen und Ertrag von [X.] und ein vorläufiges Ergebnis nach [X.]teuern von [X.] ergaben, schätzte das [X.] den Gewinn des Einzelunternehmens vor Ertragsteuern im ersten Halbjahr 2017 auf [X.] und leitete daraus einen Gewinn bis zum 12.07.2019 (rechnerisch 193/181) von [X.] ab.

5

Mit Einspruchsentscheidung vom 09.07.2019 setzte das [X.] die Körperschaftsteuer und den [X.] herab, indem es nunmehr von positiven Einkünften des übertragenden Rechtsträgers im [X.] von [X.], von positiven Einkünften im gesamten Veranlagungszeitraum von [X.] und von (nicht ausgeglichenen) negativen Einkünften des übernehmenden Rechtsträgers von [X.] ausging. Es rechnete dem Zwischenwert von [X.] gemäß § 2 Abs. 4 [X.]atz 3 Umw[X.]tG nur noch [X.] hinzu und gelangte zu einem zu versteuernden Einkommen bzw. einem Gewerbeertrag von [X.]. Im Übrigen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

6

Dagegen erhob die Klägerin Klage vor dem [X.] ([X.]) Berlin-Brandenburg. Im Laufe des Klageverfahrens gelangte das [X.] zu der Einschätzung, der [X.] ende nicht mit der notariellen Beurkundung der Ausgliederung am 13.07.2017, sondern erst mit der Eintragung ins Handelsregister am 21.08.2017, so dass bei der [X.]chätzung des Gewinns des Einzelunternehmens im [X.] nicht 193/181, sondern 232/181 des Gewinns des ersten Halbjahres anzusetzen seien. Es ging nunmehr von positiven Einkünften des übertragenden Rechtsträgers im [X.] von [X.], von positiven Einkünften im gesamten Veranlagungszeitraum von [X.] und mithin von (nicht ausgeglichenen) negativen Einkünften des übernehmenden Rechtsträgers von [X.] aus. Demzufolge rechnete es dem Zwischenwert von [X.] gemäß § 2 Abs. 4 [X.]atz 3 Umw[X.]tG mit [X.] vom 05.06.2020 einen Betrag von [X.] hinzu und gelangte zu einem zu versteuernden Einkommen bzw. einem Gewerbeertrag von [X.] (bisher: [X.]).

7

Das [X.] gab der Klage mit Urteil vom 22.10.2020 - 10 K 10192/19 (Entscheidungen der [X.]e 2021, 507) teilweise statt; es setzte einen um [X.] geringeren Gewerbeertrag an und bemaß das zu versteuernde Einkommen bei der Körperschaftsteuer auf [X.], da § 2 Abs. 4 [X.]atz 3 i.V.m. § 20 Abs. 6 [X.]atz 4 Umw[X.]tG nicht für die Gewerbesteuer gelte und ebenfalls nicht, soweit der Verlust des übernehmenden Rechtsträgers auf einem Investitionsabzugsbetrag beruhe.

8

Dagegen richtet sich die Revision des [X.], mit der es die Verletzung von Bundesrecht geltend macht und insoweit beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das [X.] ([X.]) ist dem Verfahren nach § 122 Abs. 2 der [X.]sordnung ([X.]O) beigetreten, hat aber keinen eigenen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des [X.] ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Urteils der Vorinstanz sowie zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O). Das [X.] hat zwar ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass § 2 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 20 Abs. 6 Satz 4 [X.] unabhängig von einer Missbrauchsabsicht auch bei Einbringungen gilt und der Rückwirkungszeitraum erst mit der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister endet, es hat aber rechtsfehlerhaft eine Anwendung bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer abgelehnt. Die Regelung des § 2 Abs. 4 Satz 3 [X.] ist darüber hinaus auch nicht insoweit teleologisch zu reduzieren, als der Verlust des übernehmenden Rechtsträgers auf einem Investitionsabzugsbetrag i.S. des § 7g EStG beruht. Bei der Schätzung des Gewinns des eingebrachten Unternehmens im Rückwirkungszeitraum ist das [X.] zudem unzutreffend davon ausgegangen, dass die positiven Einkünfte des Einbringenden um zeitanteilig angefallene Verbindlichkeiten für [X.] und Lohn und Gehalt zu mindern seien.

1. Nach § 20 Abs. 6 Satz 3 [X.] darf in anderen als den in Satz 1 und 2 genannten Fällen der Sacheinlage eine --im Streitfall unstreitig vorliegende-- Einbringung auf einen Tag zurückbezogen werden, der höchstens acht Monate vor dem Tag des Abschlusses des [X.] liegt und höchstens acht Monate vor dem Zeitpunkt liegt, an dem das eingebrachte Betriebsvermögen auf die übernehmende Gesellschaft übergeht. § 20 Abs. 6 Satz 4 [X.] stellt in diesem Zusammenhang klar, dass § 2 Abs. 3 und 4 [X.] entsprechend gilt. Damit ist der Ausgleich oder die Verrechnung von positiven Einkünften des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum mit verrechenbaren Verlusten, verbleibenden Verlustvorträgen, nicht ausgeglichenen negativen Einkünften und einem Zinsvortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG des übernehmenden Rechtsträgers nicht zulässig (s. § 2 Abs. 4 Satz 3 [X.]). Diese Regelung ist, was aus dem eindeutigen Normwortlaut folgt, unabhängig von einer steuergestalterischen Missbrauchsabsicht bei der Einbringung anzuwenden.

a) Dem [X.] ist zunächst darin zu folgen, dass der mit der Norm verfolgte Zweck aus der Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrats für ein Jahressteuergesetz 2013 vom 10.04.2013 entnommen werden kann, obwohl dieser Entwurf nicht Gesetz geworden ist. Insoweit ist es zutreffend, dass erstmals der Einigungsvorschlag des [X.] vom 12.12.2012 (BTDrucks 17/11844 vom 13.12.2012) die hier maßgebliche Änderung des § 2 Abs. 4 [X.] enthielt. Zwar wurde dieser Vorschlag vom [X.] nicht angenommen, aber er wurde später auf Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 27.02.2013 (BTDrucks 17/12532) in den bereits vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktionen der [X.] und der [X.] zum Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (vom 19.02.2013) aufgenommen. In der später auch angenommenen Beschlussempfehlung wird dazu ausgeführt, im angesprochenen Vermittlungsverfahren seien Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung einvernehmlich ergänzt worden, und es werden unter anderem "Maßnahmen gegen die Monetarisierung von Verlusten (§ 2 Abs. 4 [X.])" erwähnt (s. dazu auch [X.], [X.] --GmbHR-- 2013, 1084 f.).

b) Das [X.] hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass der Bundesrat nur wenige Tage später (am 01.03.2013) einen erneuten Gesetzentwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 (s. BTDrucks 17/13033 vom 10.04.2013) in das Gesetzgebungsverfahren einbrachte, der die hier relevante Änderung des § 2 Abs. 4 [X.] ebenfalls, allerdings mit detaillierter Begründung, enthielt. Dort wird auf Seite 90 darauf hingewiesen, dass bei Verschmelzung einer Gewinngesellschaft auf eine Verlustgesellschaft ein steuerlicher Verlustvortrag der [X.] der übernehmende Rechtsträger) nicht [X.], aber Gestaltungen bekannt geworden seien, die die achtmonatige steuerliche Rückwirkung mit dem Ziel ausnutzten, die Besteuerung von Gewinnen bei Gesellschaften mit hohen stillen Reserven durch die Verrechnung mit steuerlichen Verlusten einer anderen Gesellschaft zu vermeiden. Weiter heißt es, um solche Gestaltungen und die damit verbundenen massiven Steuerausfälle zu vermeiden, werde beim übernehmenden Rechtsträger eine Verrechnung seiner Verluste mit positiven Einkünften des übertragenden Rechtsträgers steuerlich nicht mehr zugelassen. Der übernehmende Rechtsträger habe die ihm zuzurechnenden positiven Einkünfte zu versteuern.

c) Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin ist das Vorliegen einer missbräuchlichen Gestaltung --auch wenn eine solche Situation das Regelungsbedürfnis des Gesetzgebers geweckt haben sollte (s. z.B. Senatsurteil vom 17.11.2020 - I R 2/18, [X.], 330, [X.] 2021, 580, Rz 36 ff.)-- nicht Tatbestandsmerkmal des neu eingeführten § 2 Abs. 4 Satz 3 [X.] geworden. Die Norm findet nach ihrem eindeutigen Wortlaut vielmehr auch dann Anwendung, wenn --wie im [X.] eine derartige Gestaltung nicht vorliegt (zutreffend [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 2 Rz 198). Zwar wird dieses Ergebnis im Schrifttum als "überschießend" angesehen (z.B. [X.], GmbHR 2013, 1084, 1085; [X.]/Loose, [X.] --DStR-- 2013, 1364); allerdings lässt der eindeutige Normwortlaut eine teleologische Reduktion der Norm nicht zu und es ist zu bezweifeln, ob entsprechende Missbrauchsfälle überhaupt abgrenzbar beschrieben werden könnten (a.[X.]/[X.], Betriebs-Berater --BB-- 2013, 1815, 1823).

Jedenfalls spricht für diese Deutung aus systematischer Sicht auch § 2 Abs. 4 Satz 6 [X.], wonach Satz 3 bis 5 nicht gelten sollen, wenn übertragender Rechtsträger und übernehmender Rechtsträger vor Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags verbundene Unternehmen i.S. des § 271 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches sind. Die Norm nimmt nur den dort genannten Fall aus dem Anwendungsbereich u.a. des Satzes 3 aus, ohne Spielraum für eine erweiternde Auslegung dieser Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs zu belassen.

d) Es bestehen auch keine Zweifel, dass § 2 Abs. 4 Satz 3 [X.] angesichts der Tatsache, dass die Begründung des Gesetzentwurfs allgemein auf die Möglichkeit einer achtmonatigen Rückwirkung "bei der Umwandlung oder Einbringung" spricht, auch in solchen Umwandlungsvorgängen zur Anwendung kommt, bei denen der übernehmende Rechtsträger erst --wie im [X.] durch die Umwandlung geschaffen wird.

e) Der Senat folgt nicht der Rechtsmeinung der Klägerin, Gewinne des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum dürften nur mit Verlusten des übernehmenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum nicht ausgeglichen werden, während der Ausgleich mit Verlusten des übernehmenden Rechtsträgers aus dem verbleibenden Rest des Wirtschaftsjahres nach dem Rückwirkungszeitraum möglich sei. Auch insoweit ist auf den eindeutigen Normwortlaut zu verweisen, der nur hinsichtlich der positiven Einkünfte des übertragenden Rechtsträgers auf den Rückwirkungszeitraum abhebt, während er für die Person des übernehmenden Rechtsträgers eine solche Einschränkung hinsichtlich der verrechenbaren Verluste, verbleibenden Verlustvorträge, nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte und eines Zinsvortrags nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG nicht enthält. Dass sich etwas anderes für Einbringungen zur Neugründung ergeben sollte, ist nicht ersichtlich. Die Registereintragung und damit die zivilrechtliche Wirksamkeit der Umwandlung hat insoweit jedenfalls nur Auswirkungen für Rechtsverhältnisse, die unmittelbar den übertragenden Rechtsträger betreffen. Sie hat mithin für Verluste der Übernehmerin keine Relevanz.

f) Der Senat teilt auch die Auffassung des [X.], dass gegen § 2 Abs. 4 Satz 3 [X.] keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (ebenso [X.], BB 2021, 1970), weil der mit der Norm verbundene Eingriff in das Leistungsfähigkeitsprinzip dadurch gerechtfertigt ist, dass die Normanwendung nicht zu einem endgültigen Wegfall der [X.] führt, sondern nur zu einer Verlagerung der Verlustverrechnung in die Zukunft (s. insoweit auch Senatsbeschluss vom 26.02.2014 - I R 59/12, [X.], 27, [X.], 1016). Hinzu kommt, dass sich die durch das Umwandlungssteuergesetz bewirkte Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips als aus wirtschaftspolitischen Gründen gewährte Steuervergünstigung darstellt und der Gesetzgeber insoweit nach allgemeiner Ansicht einen weiten Spielraum hat, ob und unter welchen Voraussetzungen er die Vergünstigung einräumt.

2. Der sachliche Anwendungsbereich des § 2 Abs. 4 Satz 3 [X.] erstreckt sich aber entgegen der Ansicht der Vorinstanz auch auf die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer. Es ist zwar zutreffend, dass § 2 Abs. 4 Satz 3 [X.] von "positiven Einkünften", "negativen Einkünften" und "verbleibenden Verlustvorträgen" spricht, während in § 10a des [X.] (GewStG) die Begriffe "Gewerbeertrag", "[X.]" und "vortragsfähiger Fehlbetrag" verwendet werden. Allerdings lässt sich der laufende [X.] sprachlich ohne Weiteres als Unterform der "negativen Einkünfte" verstehen (zutreffend [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 2 Rz 185; im Ergebnis auch Melan/[X.], [X.], 1447; [X.] in [X.]/[X.]/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 2 [X.] Rz 114 i.V.m. Rz 95; [X.], BB 2021, 1970; a.A. [X.]/Loose, [X.], 1364, 1367; Dodenhoff, [X.] 2014, 687, 690; [X.]/[X.], [X.], 1815, 1820; Widmann in Widmann/[X.], Umwandlungsrecht, § 2 [X.] SEStEG Rz R 163; [X.] in Schmitt/[X.], [X.], Umwandlungssteuergesetz, 9. Aufl., § 2 [X.] Rz 164; [X.]/[X.]/[X.], § 2 [X.] 2006 Rz 87; [X.] in [X.]/Edelmann/Bron, Umwandlungssteuergesetz, 2. Aufl., § 2 Rz 106). Vor allem ergibt sich die Anwendung der Regelung für die Gewerbesteuer aber aus einer systematischen Auslegung (s. zu diesem Maßstab --wenn auch dort zu einer anderen Regelung und mit einem nach dortigem Maß sachspezifischen Ergebnis-- z.B. Senatsurteil vom 11.07.2019 - I R 26/18, [X.], 277, [X.] 2022, 93) unter Berücksichtigung von § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.], der für den Fall einer Rückwirkung insgesamt sicherstellen soll, dass die körperschaft- und gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlagen übereinstimmen. Da die betroffenen Verluste im Übrigen umwandlungssteuerrechtlich auf [X.] der Gewinnermittlung zu berücksichtigen sind, werden sie zudem über die in § 7 Satz 1 GewStG geregelte Anwendung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes erfasst (Melan/[X.], [X.] 2014, 1447, 1448).

3. Dem [X.] ist auch darin nicht zu folgen, dass die (negativen) Einkünfte des übernehmenden Rechtsträgers für die Anwendung von § 2 Abs. 4 Satz 3 [X.] ohne Berücksichtigung eines im Veranlagungsjahr der Übernahme von ihm beantragten Investitionsabzugsbetrags (§ 7g EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG) zu bestimmen sind. Der Normwortlaut des § 2 Abs. 4 Satz 3 [X.] lässt für eine derartige teleologische Reduktion keinen Raum, denn darin wird die Verlustverrechnung uneingeschränkt versagt. Auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich kein Hinweis darauf, dass bestimmten Einzelregelungen zur Wahrung ihres wirtschaftspolitischen Zwecks (wie dem genannten Abzugsbetrag) eine Sonderbehandlung gegenüber anderen Aufwendungen ([X.]) im Zusammenhang mit [X.] hätte eingeräumt werden sollen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Übernehmerin vielmehr die ihr zugerechneten positiven Einkünfte der Überträgerin ungeachtet der Rückwirkung und ungeschmälert durch ihre eigenen Besteuerungsmerkmale versteuern.

4. Indessen ist dem [X.] darin zu folgen, dass der Rückwirkungszeitraum mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags beginnt und erst mit dem Ablauf des Tages der Eintragung in das Handelsregister endet (ebenso [X.]t/[X.], [X.], 1815, 1821; [X.], [X.] 2021, 801, 803; [X.] in [X.]/[X.]/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 2 [X.] Rz 116; Widmann in Widmann/[X.], Umwandlungsrecht, § 2 [X.] SEStEG Rz R 131 und R 135; a.A. [X.], GmbHR 2013, 1084, 1088).

5. Ebenso ist es zutreffend, dass zur Berechnung der nach § 2 Abs. 4 Satz 3 [X.] anzusetzenden Beträge regelmäßig die Erstellung einer (steuerlichen) Zwischenbilanz auf den Zeitpunkt des Endes des Rückwirkungszeitraums (vgl. Widmann in Widmann/[X.], Umwandlungsrecht, § 2 [X.] SEStEG Rz R 135) erforderlich ist, auch wenn damit administrativer Mehraufwand einher geht. Da im Streitfall eine solche Bilanz nicht erstellt worden ist, ist es nicht zu beanstanden, dass das [X.] die positiven Einkünfte des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum im Schätzungswege ermittelt hat. Die revisionsrechtliche Überprüfung der Schätzung ist insoweit auf die Kontrolle der Schlüssigkeit und Plausibilität des Ergebnisses beschränkt (z.B. Urteil des [X.] vom 09.12.2009 - X R 52/06, [X.], 1246). Dieser Überprüfung hält die vom [X.] vorgenommene Schätzung aber nicht vollen Umfangs stand.

a) Das [X.] hat seiner Schätzung zunächst in nicht zu beanstandender Weise nur die für die Monate bis Juni des [X.] vorliegenden betriebswirtschaftlichen Auswertungen zugrunde gelegt, da die Klägerin für die Monate Juli und August entsprechende Auswertungen nicht vorlegen konnte. Es ist dabei zutreffend auch vom vorläufigen Gewinn vor Ertragsteuern ausgegangen. Da die Klägerin insoweit im Revisionsverfahren keine Einwendungen mehr erhoben hat, sieht der Senat von weiteren Ausführungen ab.

b) Soweit das [X.] hinsichtlich der Schätzung der Höhe nach moniert, das [X.] habe die positiven Einkünfte des Einbringenden unzutreffend um zeitanteilig angefallene Verbindlichkeiten für Lohn und Gehalt bzw. [X.] gemindert, ist dem zu folgen. Die genannten Aufwendungen sind ausschließlich der Sphäre der Übernehmerin zuzuordnen und damit nicht anteilig dem Einbringenden zuzurechnen. Dies gilt für die [X.] schon deshalb, weil diese ausschließlich den Jahresabschluss der Übernehmerin betreffen. Soweit Verbindlichkeiten für Lohn und Gehalt in Rede stehen, ist es zwar zutreffend, wenn die Klägerin darauf hinweist, dass ein Betrag in Höhe von … € bereits in der Eröffnungsbilanz enthalten gewesen sei. Davon ist indessen auch das [X.] ausgegangen, da es nur den im Streitjahr gewinnwirksam gewordenen Betrag der Erhöhung dieses Werts (… €) zeitlich aufgeteilt hat. Eine sachliche Grundlage für diese zeitliche Aufteilung nennt das [X.] indessen nicht und es ist insoweit zu berücksichtigen, dass jedenfalls Aufwendungen für einen Geschäftsführer nur bei der Übernehmerin als Kapitalgesellschaft angefallen sein können. Es wäre insoweit Aufgabe der Klägerin gewesen, darzulegen und nachzuweisen, weshalb ein Teil des genannten [X.] von … € noch auf den Einbringenden entfallen sein soll.

c) Da die Klägerin gegen die Schätzung ansonsten keine Einwendungen erhoben hat, sieht der Senat von weiteren Ausführungen zur Schätzung der Höhe nach ab.

6. [X.] folgt aus § 135 Abs. 1 [X.]O.

7. Der Senat entscheidet nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 [X.]O im Einvernehmen der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung. Das Einverständnis des beigetretenen [X.] war hierfür nicht erforderlich (vgl. allgemein Senatsurteil vom 01.06.2022 - I R 32/19, [X.], 279, m.w.N.).

Meta

I R 48/20

12.04.2023

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 22. Oktober 2020, Az: 10 K 10192/19, Urteil

§ 2 Abs 1 S 2 UmwStG 2006, § 2 Abs 4 S 3 UmwStG 2006, § 20 Abs 6 S 2 UmwStG 2006, § 20 Abs 6 S 4 UmwStG 2006, Art 3 Abs 1 GG, § 7g EStG 2009, § 7 S 1 GewStG 2002, EStG VZ 2017, GewStG VZ 2017, § 162 Abs 1 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.04.2023, Az. I R 48/20 (REWIS RS 2023, 3774)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3774

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