Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.01.2013, Az. II R 38/11

2. Senat | REWIS RS 2013, 8560

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Gegenstand

Verzicht eines Gesellschafters einer GmbH auf ein ihm persönlich zustehendes Mehrstimmrecht ohne schenkungsteuerrechtliche Bedeutung


Leitsatz

Verzichtet ein Gesellschafter einer GmbH auf ein ihm persönlich zustehendes Mehrstimmrecht, liegt darin auch dann keine freigebige Zuwendung an die anderen Gesellschafter der GmbH, wenn sich der Wert von deren Anteilen an der GmbH dadurch erhöht .

Tatbestand

1

I. [X.] ([X.]) der Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) gründete im Jahr 1984 zusammen mit einem [X.] ([X.]) eine GmbH und beteiligte sich mit 97 % an deren Stammkapital. Im März 1993 wurde das Stammkapital bei unverändertem Beteiligungsverhältnis auf 5.000.000 [X.]M erhöht. Zugleich wurde der Gesellschaftsvertrag dahingehend geändert, dass die von [X.] gehaltenen Geschäftsanteile unabhängig von ihrem Nennbetrag so viele Stimmen gewähren, dass die ihm zu Gebote stehenden Stimmen mindestens 51 %, die den anderen Gesellschaftern insgesamt zu Gebote stehenden Stimmen höchstens 49 % der Gesamtstimmenzahl ausmachen. [X.]iese Regelung sollte solange gelten, wie [X.] Gesellschafter der Gesellschaft ist.

2

Im Januar 1994 übertrug [X.] den Klägern unentgeltlich jeweils 24 % der Geschäftsanteile an der GmbH im Nominalwert von je 1.200.000 [X.]M. [X.]a die Anteile keinen Einfluss auf die Geschäftsführung vermittelten, wurde bei der Festsetzung der Schenkungsteuer der nach R 97 bis 100 der [X.] in der damals geltenden Fassung ([X.]) ermittelte gemeine Wert der Anteile gemäß R 101 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Satz 2 i.[X.].m. Abs. 8 [X.] um einen Abschlag von 10 % gekürzt.

3

Im Oktober 2000 erwarben die Kläger von den Erben des [X.] je ein Prozent der Geschäftsanteile der GmbH hinzu, so dass sie nunmehr ebenso wie [X.] jeweils zu 25 % an deren Stammkapital beteiligt waren.

4

Im [X.]ezember 2000 wurde das Stammkapital der GmbH auf 2.600.000 € erhöht. Zugleich wurden durch eine entsprechende Änderung des Gesellschaftsvertrags die Gesellschafter hinsichtlich des Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung gleichgestellt. [X.]as Mehrstimmrecht des [X.] entfiel. [X.]adurch sollten die [X.]oraussetzungen einer bestehenden Betriebsaufspaltung zwischen der GmbH und der [X.] aufrechterhalten werden.

5

[X.]er Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) sah in dem [X.]erzicht des [X.] auf das Mehrstimmrecht eine freigebige Zuwendung des [X.] an die Kläger. [X.]er Wert der Anteile der Kläger am Stammkapital der GmbH habe sich dadurch erhöht, dass kein Abschlag wegen fehlenden Einflusses auf die Geschäftsführung mehr vorzunehmen sei. [X.]ie sich daraus ergebende Werterhöhung betrage jeweils 43 % vom Nominalwert der einzelnen Anteile von 650.000 €, also 279.500 €. [X.]as [X.] setzte demgemäß gegen die Kläger Schenkungsteuer fest. [X.]ie Einsprüche blieben erfolglos.

6

[X.]as [X.] erließ während des Klageverfahrens am 18. Juni 2009 geänderte Schenkungsteuerbescheide, mit denen es die Werterhöhung jeweils mit 43 % vom gegenwärtigen Nominalwert der von [X.] im Januar 1994 auf die Kläger übertragenen Anteile von 624.000 €, also mit 268.320 € ansetzte. [X.]ie Erhöhung des Werts der Anteile am Stammkapital der GmbH, die die Kläger von den Erben des [X.] erworben hatten, bezog das [X.] nicht mehr in die Bemessungsgrundlage der Steuer ein.

7

[X.]as Finanzgericht ([X.]) gab der Klage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 2178 veröffentlichte Urteil mit der Begründung statt, es lägen keine freigebigen Zuwendungen des [X.] an die Kläger vor. Es fehle an der erforderlichen substantiellen [X.]ermögensübertragung zwischen [X.] und den Klägern. [X.]as Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung der GmbH sei ein aus der Mitgliedschaft in der GmbH folgendes und hiervon nicht abspaltbares [X.]erwaltungsrecht und kein [X.]ermögensrecht. [X.]ie aufgrund des [X.]erzichts des [X.] auf das Mehrstimmrecht eingetretene Erhöhung des Werts der Anteile der Kläger an der GmbH begründe keine freigebige Zuwendung.

8

Mit der Revision wendet sich das [X.] gegen diese Ansicht. In dem [X.]erzicht des [X.] auf das Mehrstimmrecht liege eine substantielle [X.]ermögensverschiebung von [X.] auf die Kläger. [X.]er [X.]erzicht könne schenkungsteuerrechtlich nicht anders als der [X.]erzicht auf eine [X.]arlehensforderung oder einen bei einer Schenkung vorbehaltenen Nießbrauch gewertet werden. [X.]er Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert sei, müsse sich nicht vorher in derselben Gestalt im [X.]ermögen des [X.] befunden haben. [X.]er [X.] brauche daher keinen eigenständig bewertbaren [X.]ermögensgegenstand im Sinne eines selbständigen Wirtschaftsguts zu übertragen. Es genüge vielmehr, wenn der Beschenkte als Folge der Schenkungshandlung um die Erhöhung des Werts seiner Beteiligung an einer GmbH bereichert werde. [X.]er bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für die im Jahr 1994 erfolgte Übertragung der Anteile an der GmbH auf die Kläger wegen des fehlenden Einflusses auf die Geschäftsführung der GmbH vorgenommene Abschlag vom gemeinen Wert der Anteile müsse aufgrund des Wegfalls des Mehrstimmrechts des [X.] im Jahr 2000 schenkungsteuerrechtlich ausgeglichen werden. [X.] man dies anders, könnte bei der freigebigen Zuwendung von Anteilen an Kapitalgesellschaften die Bemessungsgrundlage der Schenkungsteuer allein dadurch um 10 % gemindert werden, dass die Anteile, die bei Anwendung der gesetzlichen Regelung der Stimmrechte einen Einfluss auf die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft vermittelten, zunächst unter [X.]orbehalt eines Mehrstimmrechts des [X.] übertragen würden und dieser am nächsten Tag darauf verzichte.

9

[X.]as [X.] beantragt, die [X.]orentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

[X.]ie Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Während des Revisionsverfahrens berechnete das [X.] die gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 des [X.] (ErbStG) für die [X.]orerwerbe abzuziehenden Steuerbeträge unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des [X.] --BFH-- (Urteile vom 2. März 2005 II R 43/03, [X.], 153, [X.], 728; vom 31. Mai 2006 II R 20/05, BFH/N[X.] 2006, 2260, und vom 18. Mai 2011 II R 10/10, BFH/N[X.] 2011, 2063, Rz 26) neu und setzte demgemäß die Schenkungsteuer durch [X.] vom 13. [X.]ezember 2012 gegenüber der Klägerin zu 1. und dem Kläger zu 3. auf jeweils 22.081,16 € und gegenüber der Klägerin zu 2. auf 23.781,21 € herab.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist aus verfahrensrechtlichen Gründen begründet. Sie führt zur Aufhebung der [X.]orentscheidung, weil sich während des Revisionsverfahrens die [X.], über deren Rechtmäßigkeit das [X.] zu entscheiden hatte, geändert haben (§ 127 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). An die Stelle der Schenkungsteuerbescheide vom 18. Juni 2009, über die das [X.] entschieden hat, sind während des Revisionsverfahrens die Änderungsbescheide vom 13. Dezember 2012 getreten und nach § 121 Satz 1 i.[X.].m. § 68 Satz 1 [X.]O Gegenstand des [X.]erfahrens geworden. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzuheben ([X.]-Urteile vom 2. März 2011 II R 5/09, [X.], 1147, Rz 23, und vom 28. Juni 2012 III R 86/09, [X.], 68, Rz 8, je m.w.N.).

Dies ändert aber nichts daran, dass die vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Grundlage für die Entscheidung des [X.] bilden; da das finanzgerichtliche [X.]erfahren nicht an einem [X.]erfahrensmangel leidet, fallen die Feststellungen durch die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils nämlich nicht weg ([X.]-Urteile in [X.], 1147, Rz 23, und in [X.], 68, Rz 9, je m.w.N.).

III.

Die Sache ist spruchreif. Die Klagen sind begründet. Die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide und die [X.] sind rechtswidrig und aufzuheben. Freigebige Zuwendungen des [X.] an die Kläger liegen entgegen der Ansicht des [X.] nicht vor.

1. Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.]; vgl. § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --[X.]--).

a) Erforderlich hierfür ist eine [X.]ermögensverschiebung, d.h. eine [X.]ermögensminderung auf der Seite des [X.]s und eine [X.]ermögensmehrung auf der Seite des Bedachten ([X.]-Urteile vom 7. November 2007 II R 28/06, [X.]E 218, 414, [X.], 258; vom 9. Juli 2009 II R 47/07, [X.]E 226, 399, [X.], 74; vom 28. Oktober 2009 II R 32/08, [X.]/N[X.] 2010, 893, Rz 11; vom 9. Dezember 2009 II R 28/08, [X.]E 228, 169, [X.], 566, Rz 9; vom 27. Oktober 2010 II R 37/09, [X.]E 231, 223, [X.], 134, Rz 17, und vom 15. Dezember 2010 II R 41/08, [X.]E 232, 210, [X.], 363, Rz 9). In subjektiver Hinsicht erfordert der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.] den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit ([X.]-Urteile in [X.]E 231, 223, [X.], 134, Rz 17, und in [X.]E 232, 210, [X.], 363, Rz 9).

b) Die [X.]ermögensverschiebung zwischen dem [X.] und dem Bedachten muss sich auf die [X.]ermögenssubstanz (einschließlich der Überlassung eines [X.]ermögensgegenstands zum Gebrauch oder zur Nutzung; vgl. dazu [X.] in Troll/[X.]/[X.], [X.], § 7 Rz 28 bis 34, 61) beziehen. Die [X.]ermehrung der [X.]ermögenssubstanz des Bedachten kann dabei nicht nur durch den Zugang aktiver [X.]ermögensgegenstände, sondern auch durch den Wegfall negativer [X.]ermögensgegenstände (insbesondere Schulden und andere geldwerte [X.]erpflichtungen) und durch das Erhalten von Gebrauchs- oder anderen Nutzungsmöglichkeiten geschehen ([X.], a.a.[X.], § 7 Rz 43 ff., 57, 71 f., 187, 199, 414; [X.] in [X.][X.], § 7 [X.] Rz 14 bis 18a).

c) Eine bloße [X.]erminderung des Werts des [X.]ermögens des "[X.]s" genügt demgegenüber nicht ([X.], a.a.[X.], § 7 Rz 22, 28). Erhöht sich lediglich der Wert des [X.]ermögens des "Bedachten" wie etwa der Wert ihm gehörender Anteile an einer Kapitalgesellschaft, so reicht dies ebenfalls nicht zur [X.]erwirklichung des Tatbestands des § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.] aus ([X.]-Urteile vom 25. Oktober 1995 II R 67/93, [X.]E 179, 157, [X.] 1996, 160; vom 19. Juni 1996 II R 83/92, [X.]E 181, 88, [X.] 1996, 616, und in [X.]E 228, 169, [X.], 566, Rz 10; [X.], a.a.[X.], § 7 Rz 43, 57, 187, 199, 414; [X.], in [X.]/Jüptner/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 7 Rz 73; [X.]iskorf, [X.] Steuerrecht --DStR-- 1998, 150; a.A. [X.], a.a.[X.], § 7 Rz 178; [X.], Betriebs-Berater 2001, 1932; [X.], [X.], 377, 385 ff.; [X.], [X.], 1357; [X.], [X.]schrift für Erbrecht und [X.]ermögensnachfolge 2009, 125; [X.]/Petschulat, Disquotale Einlagen und verdeckte Gewinnausschüttungen im Schenkungsteuerrecht, Institut Finanzen und Steuern e.[X.]., Schrift Nr. 484, 2013, S. 37).

Der Gesetzgeber geht nunmehr ebenfalls davon aus, dass die bloße Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nicht unter § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.] fällt. Er hat daher in dem durch das Gesetz vom 7. Dezember 2011 ([X.], 2592) eingefügten § 7 Abs. 8 [X.] die [X.]oraussetzungen, unter denen die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft als Schenkung gilt, gesondert geregelt. [X.]on dieser [X.]orschrift erfasst werden zum einen die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt (Satz 1), sowie bestimmte Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften (Satz 2). Die [X.]orschrift findet nach § 37 Abs. 7 Satz 1 [X.] auf Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem 13. Dezember 2011 entsteht.

d) Aus der Rechtsprechung des [X.] zur mittelbaren Schenkung ergibt sich entgegen der Ansicht des [X.] nichts anderes.

Nach dieser Rechtsprechung (z.B. [X.]-Urteile vom 22. Juni 2010 II R 40/08, [X.]E 230, 182, [X.], 843, und vom 28. März 2012 II R 39/10, [X.], 208, [X.] 2012, 712, Rz 25, je m.w.N.) ist es nicht erforderlich, dass der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, sich vorher in derselben Gestalt im [X.]ermögen des [X.]s befunden hat und wesensgleich übergeht. "[X.]" und "[X.]" brauchen nicht identisch zu sein. Danach kann in der Hingabe von [X.]ermögensgegenständen mittelbar die Schenkung eines anderen [X.]ermögensgegenstandes gesehen werden. Dies setzt voraus, dass der Beschenkte im [X.]erhältnis zum [X.] nicht über das ihm unmittelbar [X.], sondern (erst) über das Surrogat desselben, z.B. über den [X.]erkaufserlös, verfügen kann; denn in diesem Fall ist der Beschenkte nicht um das unmittelbar [X.], sondern erst um den [X.]erkaufserlös bereichert. Dies gilt nicht nur für die Fälle der mittelbaren Grundstücksschenkung, sondern generell bei mittelbarer Schenkung aller als Zuwendungsobjekte in Betracht kommenden Gegenstände oder Rechte.

Eine mittelbare Schenkung setzt somit ebenso wie eine unmittelbare Schenkung voraus, dass der [X.] einen ihm gehörenden [X.]ermögensgegenstand hingibt. So hatte die [X.]in in dem Fall, der dem vom [X.] angeführten [X.]-Urteil vom 13. März 1996 II R 51/95 ([X.]E 180, 174, [X.] 1996, 548) zu Grunde lag, der Bedachten einen Geldbetrag zur Errichtung eines Anbaus auf einem Grundstück überlassen.

e) Dem vom [X.] ebenfalls zitierten [X.]-Urteil vom 6. März 2002 II R 85/99 ([X.]/N[X.] 2002, 1030) lässt sich nichts anderes entnehmen. Diese Entscheidung betraf die Werterhöhung eines Kommanditanteils und nicht die Erhöhung des Werts einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft. Der [X.] hat in der Entscheidung ausdrücklich auf die schenkungsteuerrechtlich erheblichen zivilrechtlichen Unterschiede zwischen Kapital- und Personengesellschaften hingewiesen. Zuführungen in das Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft wirken sich im gesamthänderischen [X.]ermögen der Gesellschafter, in ihrem Gesellschaftsanteil aus, da anders als bei Kapitalgesellschaften bei einer Personengesellschaft das (Gesamthands-)[X.]ermögen den Gesamthändern (Gesellschaftern) und nicht der Gesellschaft zusteht.

2. Der [X.]erzicht des [X.] auf das Mehrstimmrecht erfüllt nicht die [X.]oraussetzungen einer freigebigen Zuwendung. Es fehlt an der erforderlichen substantiellen [X.]ermögensverschiebung zwischen [X.] und den Klägern.

a) Die Substanz des [X.]ermögens des [X.] hat sich durch den Wegfall des [X.] nicht vermindert. Das Mehrstimmrecht war kein [X.]ermögensgegenstand, sondern lediglich eine an die Person des [X.] gebundene, unselbständige Ausgestaltung seines Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung der GmbH ohne konkreten Bezug auf das [X.]ermögen des [X.]. Dadurch unterscheidet sich das Mehrstimmrecht von selbständigen Rechtspositionen wie etwa Geldforderungen oder Nießbrauchsrechten (§§ 1030 ff. [X.]), die Ansprüche auf die Zahlung von Geld oder auf bestimmte, in Geld bewertbare Leistungen begründen und die abgetreten werden können (§ 398 [X.]) oder deren Ausübung einem anderen überlassen werden kann (§ 1059 Satz 2 [X.]). Wird eine Geldforderung erlassen (§ 397 Abs. 1 [X.]) oder auf einen Nießbrauch verzichtet (§§ 875, 1064 ggf. i.[X.].m. § 1068 Abs. 2 [X.]), so wirkt sich dies unmittelbar auf das [X.]ermögen des Gläubigers und des Schuldners oder des Nießbrauchers und des Nießbrauchsverpflichteten aus; denn sowohl die Berechtigung als auch die dieser gegenüberstehende [X.]erpflichtung oder Belastung erlöschen. Betroffen ist somit in solchen Fällen die [X.]ermögenssubstanz.

b) Der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ist auch deshalb nicht erfüllt, weil es an der erforderlichen substantiellen Mehrung des [X.]ermögens der Kläger fehlt. Das Gewicht ihrer Stimmen in der Gesellschafterversammlung hat sich zwar durch den Wegfall des [X.] des [X.] erhöht. Selbständige [X.]ermögensgegenstände haben sie dadurch aber nicht erhalten. Dass die Anteile der Kläger an der GmbH seit dem Wegfall des [X.] des [X.] einen Einfluss auf die Geschäftsführung der GmbH vermitteln und deshalb der Bewertungsabschlag nach R 101 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Satz 2 i.[X.].m. Abs. 8 ErbStR nicht mehr zu berücksichtigen ist, genügt als bloße Werterhöhung nicht den Anforderungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. Die Quote, mit der die Kläger an der GmbH beteiligt sind, hat sich durch den [X.]erzicht des [X.] auf das Mehrstimmrecht nicht verändert. Das ist entscheidend.

3. Selbst wenn man annähme, dass auch bloße Änderungen des Werts des [X.]ermögens des "[X.]s" und des "Bedachten" zur [X.]erwirklichung des Tatbestands des § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ausreichen können, bliebe das Ergebnis im Streitfall unberührt. Der [X.]erkehrswert oder gemeine Wert des [X.]ermögens des [X.] hat sich nämlich durch den [X.]erzicht auf das Mehrstimmrecht nicht vermindert.

a) Der [X.]erkehrswert entspricht dem gemeinen Wert i.S. des § 9 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes ([X.]) und wird somit gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 [X.] durch den bei einer [X.]eräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbaren Preis bestimmt ([X.]-Urteil vom 24. November 2005 II R 11/04, [X.]/N[X.] 2006, 744). Bei der Ermittlung des [X.]erkehrswerts haben ebenso wie gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 [X.] bei der Bestimmung des gemeinen Werts ungewöhnliche oder persönliche [X.]erhältnisse unberücksichtigt zu bleiben ([X.]-Urteil vom 19. Dezember 2007 II R 22/06, [X.]/N[X.] 2008, 962).

Ungewöhnliche oder persönliche Umstände sind solche, mit denen der [X.]erkehr bei der Abschätzung des Werts eines Wirtschaftsguts nicht zu rechnen pflegt. Persönliche Umstände weisen darüber hinaus die Besonderheit auf, dass sie in der Person des Käufers oder [X.]erkäufers liegen ([X.]-Urteil in [X.]/N[X.] 2008, 962).

b) Das dem [X.] früher zustehende Mehrstimmrecht erhöhte nach diesen Grundsätzen den Wert seiner Beteiligung an der GmbH nicht. Es handelte sich dabei um einen persönlichen Umstand, der bei der Bewertung seiner Beteiligung nicht berücksichtigt werden konnte. Hätte [X.] die Beteiligung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr veräußert, hätte sich das Mehrstimmrecht bei der Preisbildung nicht ausgewirkt. Es war in der Person des [X.] begründet; denn es stand nach den im Gesellschaftsvertrag getroffenen Regelungen nur ihm persönlich zu und hätte nicht mit seiner Beteiligung an der GmbH auf einen Erwerber übertragen werden können. Bei einem Ausscheiden des [X.] aus der GmbH wäre es vielmehr erloschen.

4. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Schenkungsteuerbescheide kann entgegen der Ansicht des [X.] auch nicht damit begründet werden, dass die im Januar 1994 vorgenommene Übertragung der Anteile an der GmbH auf die Kläger erst mit dem Wegfall des [X.] des [X.] abgeschlossen worden sei und die wegen des fehlenden Einflusses der Anteile auf die Geschäftsführung der GmbH seinerzeit niedrigere Besteuerung nunmehr nachgeholt werden müsse.

Die freigebige Zuwendung der Anteile verwirklichte im Jahr 1994 den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.]; denn sie wurde mit der Übertragung der Anteile i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ausgeführt. Davon ist auch das [X.] ausgegangen und hat deshalb für die seinerzeitigen freigebigen Zuwendungen Schenkungsteuer festgesetzt. Ob der Wegfall des [X.] nunmehr erneut den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.] verwirklicht hat, ist nach den allgemeinen Grundsätzen zu prüfen und zu verneinen.

Wie Fälle zu beurteilen sind, bei denen der [X.]erzicht auf ein Mehrstimmrecht bereits kurze [X.] nach der Übertragung von Gesellschaftsanteilen erfolgt, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. [X.] hat nämlich erst mehr als sechs Jahre nach der Übertragung der Anteile an der GmbH auf die Kläger auf das Mehrstimmrecht verzichtet.

Meta

II R 38/11

30.01.2013

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 25. Mai 2011, Az: 7 K 1475/09, Urteil

§ 7 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1997, § 9 BewG 1991

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.01.2013, Az. II R 38/11 (REWIS RS 2013, 8560)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8560

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