Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.10.2014, Az. II R 27/13

2. Senat | REWIS RS 2014, 1993

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 22.10.2014 II R 26/13 - Schenkungsteuer bei Prämienzahlung für Lebensversicherung durch einen Dritten)


Leitsatz

NV: Laufende Zahlungen der Versicherungsprämien durch einen Dritten für eine Lebensversicherung, die vom Versicherungsnehmer abgeschlossen wurde, sind nicht als mittelbare Schenkung eines Lebens- bzw. Rentenversicherungsanspruchs zu beurteilen. Die Werterhöhung des Versicherungsanspruchs, die sich aus der jeweiligen Zahlung der Versicherungsprämie ergibt, ist kein Zuwendungsgegenstand i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

Tatbestand

1

I. Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) schloss im Jahr 2004 bei der [X.] ([X.]) im eigenen Namen einen [X.] ab. Vertragsbeginn war der 1. November 2004; die Zahlung der lebenslangen Altersrente sollte ab 1. November 2021 beginnen. Die Versicherungsprämien sollten für November 2004 bis Dezember 2005 monatlich 5.000 € betragen und sich ab 1. Januar 2006 jährlich erhöhen.

2

Von November 2004 bis Dezember 2007 wurden die jeweils zum Monatsersten fälligen Versicherungsprämien regelmäßig und in voller Höhe von [X.], der Tante der Klägerin, durch Überweisung an die [X.] entrichtet.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) beurteilte die monatlichen Zahlungen der [X.] als jeweils selbständige freigebige Zuwendungen an die Klägerin. Für den Zahlungsvorgang zum 1. Dezember 2007 in Höhe von 5.512,50 € setzte das [X.] gegen die Klägerin durch Bescheid vom 17. Februar 2009 unter Berücksichtigung der zuvor bereits gezahlten Prämien als Vorerwerbe Schenkungsteuer in Höhe von 2.750 € fest. Der hiergegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Die Klage, mit der die Klägerin die Bewertung der Geldzuwendungen der [X.] mit zwei Dritteln der eingezahlten Beiträge gemäß § 12 Abs. 4 des Bewertungsgesetzes ([X.]) in der hier maßgeblichen Fassung begehrte, hatte Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) setzte den Wert des Erwerbs zum 1. Dezember 2007 sowie die als Vorerwerbe berücksichtigten Prämienzahlungen von November 2004 bis November 2007 gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 [X.] jeweils mit zwei Dritteln der eingezahlten Prämien an und setzte die Schenkungsteuer auf 629 € herab. Zur Begründung führte das [X.] aus, Gegenstand der Zuwendungen der [X.] an die Klägerin seien nach den Grundsätzen der mittelbaren Schenkung nicht die monatlich auf das [X.] der Klägerin eingezahlten Geldbeträge, sondern die aufgrund der monatlichen Zahlungen bewirkten Wertzuwächse des Rentenversicherungsanspruchs der Klägerin.

5

Mit der Revision rügt das [X.] die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts. Gegenstand der Zuwendungen der [X.] seien allein die zur Tilgung der monatlichen Beitragspflichten der Klägerin bestimmten Geldbeträge. Die Grundsätze der mittelbaren Schenkung seien nicht anwendbar.

6

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Unrecht angenommen, Gegenstand der Zuwendung der U an die Klägerin sei nicht die mit dem Nennwert anzusetzende Beitragszahlung, sondern der gemäß § 12 Abs. 1 des [X.] ([X.]) i.V.m. § 12 Abs. 4 [X.] zu bewertende Wertzuwachs des durch die Klägerin begründeten Rentenversicherungsanspruchs.

9

1. Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.]; vgl. § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).

a) Der Gegenstand der Schenkung richtet sich nach bürgerlichem Recht (z.B. Urteile des [X.] --BFH-- vom 10. November 2004 II R 44/02, [X.], 360, [X.], 188, und vom 18. September 2013 II R 63/11, [X.] 2014, 349, jeweils m.w.[X.]). Dabei ist vom Willen des Zuwendenden auszugehen, d.h. davon, was dem Bedachten nach dem Willen des [X.] geschenkt sein soll (z.B. BFH-Urteil vom 30. November 2009 II R 70/06, [X.] 2010, 900, m.w.[X.]).

Eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.] erfordert eine Vermögensverschiebung, d.h. eine Vermögensminderung auf der Seite des [X.] und eine Vermögensmehrung auf der Seite des Bedachten (BFH-Urteile vom 7. November 2007 II R 28/06, [X.], 414, [X.], 258, und vom 18. September 2013 II R 29/11, [X.], 385, [X.], 261, jeweils m.w.[X.]). Die Vermögensverschiebung zwischen dem [X.] und dem Bedachten muss sich auf die Vermögenssubstanz beziehen.

Die Vermögenssubstanz des Bedachten kann dabei durch den Zugang aktiver Vermögensgegenstände, den Wegfall negativer Vermögensgegenstände (insbesondere Schulden und andere geldwerte Verpflichtungen) und das Erhalten von Gebrauchs- oder anderen Nutzungsmöglichkeiten vermehrt werden (BFH-Urteil vom 30. Januar 2013 II R 38/11, [X.], 287). Dagegen führen bloße Werterhöhungen des Vermögens des Bedachten, die nicht auf einer Vermehrung der Vermögenssubstanz beruhen, nicht zu einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.] (vgl. BFH-Urteil in [X.], 287).

b) In der Hingabe von Vermögensgegenständen kann mittelbar die Schenkung eines anderen Vermögensgegenstandes gesehen werden; "[X.]" und "[X.]" brauchen nicht identisch zu sein (BFH-Urteile in [X.], 360, [X.], 188, und vom 22. Juni 2010 II R 40/08, [X.], 182, [X.], 843). Eine mittelbare Schenkung setzt voraus, dass der Beschenkte im Verhältnis zum [X.] nicht über das ihm unmittelbar [X.], sondern (erst) über das Surrogat desselben, z.B. über den Verkaufserlös, verfügen kann; der Beschenkte ist nicht um das unmittelbar [X.], sondern erst um den Verkaufserlös bereichert. Das gilt nicht nur für die Fälle der mittelbaren Grundstücksschenkung, sondern generell bei mittelbarer Schenkung aller als Zuwendungsobjekte in Betracht kommenden Gegenstände oder Rechte (vgl. BFH-Urteil vom 28. März 2012 II R 39/10, [X.], 208, [X.], 712, Rz 25, m.w.[X.]).

Von einer mittelbaren Schenkung kann danach nur ausgegangen werden, wenn der mittelbar zugewendete Vermögensgegenstand Zuwendungsobjekt i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.] sein kann. Wird durch die unmittelbare Hingabe eines Vermögensgegenstandes beim Bedachten mittelbar eine bloße Werterhöhung seines Vermögens bewirkt, verbleibt es bei der Besteuerung der unmittelbaren Zuwendung. Die Anwendung der Grundsätze zur mittelbaren Schenkung scheidet aus.

2. Für den Streitfall hat das [X.] zu Unrecht angenommen, [X.] sei der durch die monatliche Zahlung der U bewirkte Wertzuwachs des Versicherungsanspruchs der Klägerin.

a) U hat mit ihrer monatlichen Zahlung auf das Konto des Versicherers die von der Klägerin geschuldete Versicherungsprämie getilgt. Diese Tilgungsleistung erfüllt alle Merkmale einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.].

b) Die Zahlung der Versicherungsprämie für eine Lebensversicherung durch einen [X.] kann nicht als mittelbare Schenkung eines Lebens- bzw. Rentenversicherungsanspruchs beurteilt werden. Die sich aus der Zahlung der Versicherungsprämie ergebende Werterhöhung des Versicherungsanspruchs ist kein [X.] und erfüllt damit nicht die Merkmale einer Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.].

Nach Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags hat der Versicherungsnehmer bis zum Eintritt des Versicherungsfalls lediglich ein Anwartschaftsrecht. Die Höhe dieses Anwartschaftsrechts stellt den jeweiligen Wert des [X.] dar und ist Vermögen des Versicherungsnehmers ([X.] in [X.], [X.]gesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 169 Rz 34). Die Zahlung der vom Versicherungsnehmer dem Versicherungsunternehmen geschuldeten Versicherungsprämien durch einen [X.] begünstigt den Versicherungsnehmer in erster Linie durch die dadurch eintretende Befreiung von der Verpflichtung zur Prämienzahlung. Soweit dadurch auch eine Werterhöhung seines Anwartschaftsrechts eintritt, erfüllt dies nicht den objektiven Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.].

Die auf anderen Rechtsgrundsätzen beruhende Vorentscheidung war daher aufzuheben.

3. Die Sache ist spruchreif.

a) Gegenstand der Zuwendung der U an die Klägerin war die Zahlung der von der Klägerin der B-AG geschuldeten Versicherungsprämie für den Monat Dezember 2007. Diese Geldzuwendung ist nicht als Anspruch aus einer Lebensversicherung i.S. des § 12 Abs. 4 [X.], sondern gemäß § 12 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 12 Abs. 1 [X.] mit dem Nennwert zu bewerten.

b) Das [X.] hat zutreffend die streitgegenständliche Geldzuwendung der U an die Klägerin als selbständige Zuwendung getrennt besteuert. Diese Zuwendung beruhte nicht auf einem einheitlichen Schenkungsversprechen der U. Auch lag der Zuwendung kein obligatorisches Forderungsrecht zugrunde, das ein Stammrecht der Klägerin auf die einzelnen Zuwendungen begründete (dazu BFH-Urteile vom 22. September 2004 II R 50/03, [X.] 2005, 993, und vom 20. November 2013 II R 64/11, [X.] 2014, 716).

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

II R 27/13

22.10.2014

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 20. Februar 2013, Az: 4 K 738/10, Urteil

§ 7 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1997, § 12 Abs 4 BewG 1991

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.10.2014, Az. II R 27/13 (REWIS RS 2014, 1993)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1993

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

II R 26/13 (Bundesfinanzhof)

Schenkungsteuer bei Zahlung von Prämien für eine Lebensversicherung durch einen Dritten - mittelbare Schenkung


II R 38/11 (Bundesfinanzhof)

Verzicht eines Gesellschafters einer GmbH auf ein ihm persönlich zustehendes Mehrstimmrecht ohne schenkungsteuerrechtliche Bedeutung


II R 12/19 (Bundesfinanzhof)

(Inhaltsgleich mit dem BFH-Urteil vom 06.05.2020 II R 11/19 - Schenkungsteuer: Vorbehalt eines nachrangigen Nießbrauchs)


II R 11/19 (Bundesfinanzhof)

Schenkungsteuer: Vorbehalt eines nachrangigen Nießbrauchs


4 K 1481/22 (FG München)

Übertragung des Betriebsgrundstücks zeitlich vor der Betriebsübergabe führt zur Versagung der Steuerbegünstigung für inländisches Betriebsvermögen …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.