Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2017, Az. 1 StR 387/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 2787

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:081117B1STR387.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 387/17

vom
8. November
2017
in der Strafsache
gegen

wegen
Betrugs

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat
nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers
am 8. November
2017
gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. März 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betrugs zu einer Freiheits-strafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und davon sechs Monate wegen überlanger Verfahrensdauer für vollstreckt erklärt.
Die hiergegen gerichtete und auf die Verletzung materiellen Rechts ge-stützte Revision des Angeklagten hat Erfolg (§
349 Abs. 4 StPO). Der Schuld-spruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die der Verurteilung zugrunde liegende Beweiswürdigung weist Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
1. Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getrof-fen:
[X.] und der geschädigte Zeuge [X.]

vereinbarten im Jahr 2005, dass der Angeklagte einen Betrag von 250..

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zinsgünstig in [X.] anlegen sollte. Den Betrag hatte der Geschädigte [X.]

zuvor als Darlehen von der Sparkasse S.

in Österreich erhalten. Weiter wurde vereinbart, dass der Angeklagte dem Zeugen [X.]

zu Beginn damit der Zeuge [X.]

bei der Sparkasse S.

Zins und Tilgung leisten konnte. Ferner sollte der Zeuge [X.]

das Geld vollständig zurückfordern können, wenn er es benötigte.
Der Zeuge [X.]

überwies am 13.

.

or.

[X.] Folgenden: o.

GmbH). Alleingesellschafterin der o.

GmbH war die Ehefrau des Angeklagten; faktische Geschäftsführer der o.

GmbH waren der Angeklagte und seine Ehefrau.
[X.] wollte von Anfang an die an die o.

GmbH überwiese-nen Beträge vollständig für sich, seine Ehefrau und die o.

GmbH vereinnah-men, so dass die Beträge nach den Feststellungen des [X.] im Zeit-punkt der Überweisung bereits verloren waren. Sicherheiten waren nicht be-stellt. [X.] wusste, dass der Zeuge [X.]

den Betrag von 250.000

e-klagten gekannt hätte.
In der Folgezeit kam es zu folgenden Zahlungen an den Geschädigten [X.]

: Die o.

zudem übergab der Angeklagte dem Geschädigten [X.]

im Januar 2007

und am 14.

2. [X.] hat ein betrügerisches Handeln bestritten. Das Land-gericht stützt seine Überzeugung, der Angeklagte habe von Anfang an keinen 5
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Rückzahlungswillen gehabt, auf ein Schreiben des [X.]

, eines Rechtsanwalts, vom 16.
Juni 2008, das den Inhalt eines anwaltlichen Erstbera-tungsgesprächs am 11.
Juni 2008 wiedergibt ([X.] f.). In dem Schreiben ist ausgeführt, der Angeklagte habe in dem Beratungsgespräch angegeben, dem Zeugen [X.]

sei bereits am 13.

-
rück-)gezahlt worden und er

der Angeklagte

habe dem Zeugen [X.]

mit den Zahlungen in den Jahren 2006 und 2007 sowie im Januar 2008 in Höhe ung gestellt. Daraus sei

so die [X.]

nicht gewillt war, dem Zeugen [X.]

a-be, dass von vornherein keine Ansprüche des Zeugen [X.]

bestanden ([X.] 31).
Auf dieser Grundlage hat das [X.] sowohl den Eintritt eines [X.] Betrugsvorsatz und eine Bereicherungsabsicht bejaht.
3. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§
261 StPO). Ihm ob-liegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 12. Februar 2015

4 [X.], [X.], 148 mwN). Das Revisionsgericht hat die tatrichterliche Beweiswürdigung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. [X.], Urteil vom 24. März 2015

5 StR 521/14, [X.], 178, 179). Die revisionsgericht-liche Prüfung erstreckt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler [X.] sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweis-würdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 9
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1.
Februar 2017

2 [X.], juris Rn. 20;
vom 13.
Juli 2016

1 [X.], juris Rn. 9
und vom 11. November 2015

1 [X.], [X.], 47, 48).
4. Gemessen
an diesem Maßstab begegnet die Beweiswürdigung des [X.] zu dem Eintritt eines Vermögensschadens und einem entspre-chenden Vorsatz durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Dabei ist das [X.] im Ansatz rechtlich zutreffend davon [X.], dass mit der Übergabe später zurückzuzahlender Gelder zum Zwecke der Vermögensanlage ein Vermögensschaden

im maßgeblichen Zeitpunkt der Vermögensverfügung

in voller Höhe vorliegt, wenn der Täter von Anfang an keine Anlage tätigen und das Geld nicht zurückzahlen will ([X.], Beschluss vom 15.
März 2017

4
[X.], Rn. 5, [X.], 317; Urteile vom 23.
November 1983

3 StR 300/83 und vom 3.
Juni 1960

4 StR 121/60, [X.]St 15, 24, 26 f.).
Allerdings ermöglicht der in dem Schreiben des [X.]

vom 16.
Juni 2008 festgehaltene Inhalt des anwaltlichen Erstberatungsgesprächs Rückzahlungsbereitschaft des Angeklagten nicht. Dies folgt zunächst daraus, dass die Äußerungen des Angeklagten gegenüber Rechtsanwalt B.

erst drei Jahre nach der maßgeblichen Vermögensverfügung am 13.
Mai 2005 er-folgt sind. Zudem stehen sie im Zusammenhang mit der gerichtlichen Geltend-machung des Rückzahlungsanspruchs durch den Zeugen [X.]

im Jahr 2008 und sind daher erkennbar interessengeleitet allein auf die Abwehr einer zivil-rechtlichen Inanspruchnahme gerichtet. Unabhängig davon ist die Beweiswür-digung des [X.] auch lückenhaft. Denn die [X.] erörtert nicht, dass der Angeklagte in der Folgezeit nach der Übergabe des Geldes im Mai 11
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2005 vereinbarungsgemäß jährlich (Rück-)Zahlungen geleistet hat, was für ei-nen Rückzahlungswillen im Zeitpunkt der Übergabe sprechen könnte. Das [X.] stellt in seine Beweiswürdigung zudem nicht die Gewährung eines kurzfristigen Darlehens am 7.

.

GmbH an die W.

AG und die Zwischenfinanzierung einer Verpackungsma-schine für den Metzgereibetrieb des Zeugen [X.]

durch die o.

GmbH ([X.] 15, 16) ein. Diese Umstände könnten für eine Anlage des Geldes und damit ebenfalls für die tatsächliche Durchführung der Vereinbarung sprechen und somit Indizien für einen bestehenden Rückzahlungswillen des Angeklagten sein.
5. Aufgrund der getroffenen Feststellungen ist auch nicht sicher davon auszugehen, dass ein tatbestandlicher Vermögensschaden in jedem Fall

ge-gebenenfalls auch in Höhe eines Teilbetrages des überlassenen Geldes

ent-standen ist und ein dementsprechender Vorsatz beim Angeklagten gegeben war, mit der Folge, dass der Schuldspruch wegen Betrugs bestehen bleiben könnte ([X.], Beschlüsse vom 15.
März 2017

4 [X.], Rn. 7, [X.], 317, 318 und vom 26.
November 2015

3 [X.], [X.], 343, 344 mwN).
Allerdings hat der Angeklagte nach den Feststellungen durch die [X.] in Höhe von insgesa

GmbH an ihn selbst und seine Ehefrau in den Jahren 2005 bis 2008 einen Teil der Gelder für private Zwecke vereinnahmt ([X.] 5, 16-18). Dies könnte dafür sprechen, dass der Angeklagte (lediglich) die Absicht hatte, die zugesagten [X.] nicht vorzunehmen und das Geld bei fortbestehender [X.] anderweitig zu verwenden. Für das Vorliegen eines Vermögensscha-dens im Sinne von §
263 Abs. 1 StGB kommt es in dieser Konstellation darauf an, ob und inwieweit der Rückzahlungsanspruch entwertet wird. Ein eventueller 14
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Minderwert ist dabei nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu beurteilen und der Vermögensschaden unter Berücksichtigung banküblicher [X.] konkret festzustellen und zu beziffern ([X.], Beschlüsse vom 15.
März 2017

4 [X.], Rn. 5, [X.], 317 und vom 26.
November 2015

3 [X.], Rn. 8, [X.], 343 f.; [X.], Beschlüsse vom 23. Juni 2010

2 BvR 2559/08 u.a., [X.]E 126, 170, 229 zu §
266 StGB
und
vom 7.
Dezember 2011

2 BvR 2500/09 u.a., [X.]E 130, 1, 47 zu §
263 StGB).
Angesichts der vom [X.] festgestellten Beträge, über die der An-geklagte zur Schuldentilgung verfügen konnte, kann jedoch nicht ohne weiteres
davon ausgegangen werden, dass im Zeitpunkt der täuschungsbedingten [X.] keinerlei Aussicht bestand, den Rückzahlungsanspruch zu realisieren, dieser mithin vollständig oder auch nur teilweise wertlos war. So wurde nach den Feststellungen im Jahr 2008 im Rahmen eines außergerichtli-chen Schuldenbereinigungsverfahrens nach der Insolvenz des von dem Ange-klagten geführten Unternehmens S.

GmbH & Co. KG im Jahr 2003, für deren Verbindlichkeiten der Angeklagte und seine Ehefrau persönlich hafte-ten, eine Restforderung der Gläubiger, die zu einem großen Teil auf ihre Forde-rungen verzichtet hatten, in Höhe von 8
% der [X.] durch Zah--11). Zudem zahlte der Angeklagte nes Vergleichs vom 30.
September 2010 im Rahmen eines zivilrechtlichen Rechtsstreits des Zeugen [X.]

gegen den Angeklagten und dessen Ehefrau, der die Rückzah-lung des verfahrensgegenständlichen Betrages zum Gegenstand hatte, weitere .

([X.] 7).
6. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entschei-dung. Sollte die neue [X.] erneut zu einem Schuldspruch und der [X.] einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr gelangen, wird bei der Fra-16
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ge der Strafaussetzung zur Bewährung auch §
56 Abs. 2 Satz 2 StGB im [X.] auf die Zahlung des Angeklagten an den Geschädigten [X.]

in Höhe n den Blick zu nehmen sein.
Raum Bellay Fischer

Bär Hohoff

Meta

1 StR 387/17

08.11.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2017, Az. 1 StR 387/17 (REWIS RS 2017, 2787)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 2787

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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