Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2011, Az. 5 StR 328/11

5. Strafsenat | REWIS RS 2011, 1578

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5 StR 328/11

BUNDESGERICHTSHOF

IM [X.] DES VOLKES

URTEIL

vom 9. November 2011
in der Strafsache
gegen

wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.

-
2
-
Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 9. Novem-ber 2011, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter [X.]sdorf,

Richter Dr. Brause,
Richter [X.],
Richterin [X.],
Richter Bellay

als beisitzende Richter,

Oberst[X.]tsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt S.

als Verteidiger,

Rechtsanwalt [X.],
Rechtsanwalt

B.

als Vertreter des [X.] ,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

-
3
-
für Recht erkannt:

1.
Auf die Revision der St[X.]tsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 21. Dezember 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der An-geklagte wegen der Tat vom 7. Juni 2009 freigesprochen worden ist, ferner, soweit der Angeklagte wegen Unter-schlagung verurteilt worden ist, und im Gesamtstraf-ausspruch.

2.
Auf die Revisionen der St[X.]tsanwaltschaft
und
des Ne-benklägers wird das genannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte we-gen der Tat vom 20. Juni 2009 verurteilt worden ist; da-von ausgenommen bleiben die Feststellungen zu den objektiven Umständen des [X.]s (vom Würgen des Angeklagten bis zur Rettung
des Nebenklä-gers); diese bleiben aufrecht erhalten.

3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

[X.] n d e

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Jugendlichen, 1
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-
mit (zweifacher)
gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung (Tat vom 20. Juni 2009 zum Nachteil des [X.]; [X.]: acht Jahre sechs Monate Freiheitsstrafe), ferner wegen Unterschlagung und wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und
hat ihn
im Übrigen frei-gesprochen;
dem Nebenkläger [X.]
hat es
im Adhäsionsverfahren einen Schmerzensgeld-
und Feststellungsanspruch zugesprochen.

Die St[X.]tsanwaltschaft wendet sich mit ihrer Revision gegen den [X.], der die Tötung des

[X.].
am 7. Juni 2009 be-trifft. Ferner wendet sich die St[X.]tsanwaltschaft

wie auch der Nebenkläger [X.]
mit seiner Revision

gegen den Schuldspruch wegen des [X.] vom 20. Juni 2009.
Die Beschwerdeführer
beanstanden insbeson-dere, das [X.] habe dem Angeklagten zu Unrecht einen strafbefrei-enden Rücktritt vom Versuch des Totschlags

nach Auffassung
des Neben-klägers bei richtiger Bewertung der Konkurrenzen vom versuchten [X.]

zugebilligt. Auch die St[X.]tsanwaltschaft beanstandet

na-mentlich im Blick auf die von ihr weiter erstrebte Verhängung der Maßregel der Sicherungsverwahrung

die fehlerhafte Annahme von Tateinheit für [X.]. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

1. Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) Zur Person des Angeklagten:

Der in desolaten Familienverhältnissen aufgewachsene
Angeklagte beging seit 1993 Straftaten,
vornehmlich Gewaltdelikte (Raub-
und Körper-verletzungstaten),
und verbüßte bis
2004 mehrere Jugend-
und
Freiheitsstra-fen. Später folgten
eine kürzere gefahrenabwehrrechtliche Unterbringung
in der Psychiatrie,
Untersuchungshaft wegen des Verdachts der Brandstiftung und
eine Drogenentzugstherapie.
Im Jahr
2009 trank der Angeklagte jedoch 2
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-
wieder regelmäßig Alkohol;
er
nahm eine schon früher ausgeübte Prostituti-onstätigkeit im homosexuellen Milieu wieder auf.

Der körperlich gesunde schnell benachteiligt und von anderen Menschen zurückgestoßen. Dies führt häufig dazu, dass unverarbeitete Erfahrungen aus der Vergangenheit in ihm hochkommen und er sich durch unkontrollierte Handlungen Erleichterung verschafft. Er ist stark zuwendungsbedürftig und neigt dazu, in krisenhaften

([X.]). Diagnostisch besteht bei ihm eine dissoziale Persönlichkeitsstörung, ferner eine neurotisch-depressive
Störung,
ein beginnendes Abhängigkeitssyndrom vom Alkohol sowie eine leichte Intelligenzminderung.

b) Zur Tat vom 7. Juni 2009
(Tötung von

[X.]. ):

[X.]) Der Angeklagte traf gegen 1.30 Uhr auf der Suche nach einem Freier in einem Lokal auf den 63-jährigen
Beamten
[X.]. , der seit 2002 homosexuelle Kontakte pflegte.
Dabei fiel dieser
durch

extreme Anhänglich-keit, konnte
unter Alkoholeinfluss verbal aggressiv werden und geriet gelegentlich
auch
in gewalttätige Auseinandersetzungen
([X.], 24). Der bereits alkoholisierte [X.].
spendierte dem Angeklagten ein Bier und einige Jägermeister und verpflichtete sich, dem Angeklagten für Küssen und Oralsex

(UA S. 24).
Beide fuhren
in die Wohnung des Ange-klagten.

[X.]) Aufgrund der als unwiderlegbar bewerteten Angaben des Ange-klagten hat das [X.] folgendes Tatgeschehen angenommen
und die-ses als durch Notwehr (§ 32
StGB) gerechtfertigt angesehen:

In seiner Wohnung geriet der Angeklagte mit
[X.].
in Streit, da dieser sich entgegen
üblichen Gepflogenheiten weigerte, vor den sofort ver-langten sexuellen Handlungen
das vereinbarte Geld zu bezahlen. Nach ver-6
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balen Auseinandersetzungen wollte der bereits weitgehend entkleidete
[X.].

den Angeklagten anfassen. Als dieser
zurückwich,
begann
[X.].

,
ihn
zu schubsen. Der Angeklagte wehrte sich erfolgreich. Nach
einigen wechselseitigen Schlägen packte [X.].
den Angeklagten mit beiden Händen am [X.].
Der
Angeklagte griff seinerseits [X.].
an den [X.],
damit dieser ihn losließ. [X.].
warf sodann zunächst mit
einer Pflanze nach dem Angeklagten, packte ihn sodann erneut am [X.] und drückte so kräftig zu, dass der Angeklagte keine Luft mehr bekam, großen Druck im Kopf verspürte und das Gefühl hatte, [X.].
werde ihn umbringen. Als es ihm nicht gelang, dessen Griff zu lockern, griff er seinerseits [X.].
mit beiden Händen an den [X.], wobei beide Daumen an dessen [X.] la-gen. Er wollte sein eigenes Leben retten, erkannte, dass er dadurch mög-licherweise [X.].
würde töten müssen,
und drückte nun so lange kräftig zu, bis der Griff von [X.].
an seinem [X.] lockerer wurde. In diesem Moment beendete der Angeklagte das Würgen und stieß [X.].

mit [X.] nach hinten, der daraufhin schräg auf das Bett fiel, wo er tot liegen blieb.
Der Angeklagte verließ anschließend seine Wohnung.

cc) Am
8. Juni 2009 kehrte er
alkoholisiert
zurück. Er entnahm dem Portemonnaie des [X.].
etwas [X.]rgeld,
ferner nahm er ein Armband und eine [X.]kette des Toten an sich. Aufgrund dieser vom Angeklagten im Wesentlichen eingestandenen Feststellungen ist er wegen Unterschlagung schuldig gesprochen worden.

Den
Leichnam legte er in einen Bettbezug, schleppte ihn zum [X.] und verstaute ihn dort.
Die Leiche wurde durch die wegen Ver-wesungsgeruchs alarmierte Polizei am Morgen des 20. Juni 2009
in der Wohnung des Angeklagten entdeckt.

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c) Zur Tat vom 20. Juni 2009
(Tat zum Nachteil des [X.] J.

[X.] ):

[X.]) Der Angeklagte traf nach mehreren Gaststättenbesuchen gegen 4.30 Uhr auf die ihm bekannte C.
[X.] , die Mutter des damals 14
Jahre alten [X.]
[X.] .
Nach weiterem Alkoholgenuss kam es zum Streit des Angeklagten mit seinem Zwillingsbruder, für dessen Schlichtung die Polizei herbeigerufen wurde. Bis 7
Uhr tätigte der Angeklagte vier Notru-fe,
in denen
er von
Suizid sprach.
Er beschloss nunmehr, sich in der Woh-nung der abwesenden C.
[X.]
schlafen zu legen. Er stieg über ein angelehntes Fenster in die
Wohnung ein und traf auf den dort schlafenden
J.

Der Angeklagte,
der den Schlafenden in dem abgedunkelten Raum zunächst für
einen der zahlreichen [X.] Drogenhändler
hielt, die bei der betäubungsmittelabhängigen
C.
[X.]
ständig zu Besuch waren,
empfand Wut auf C.
[X.] , die er, gep[X.]rt mit Rachegedanken und Verzweiflung,
an dem schlafenden [X.]
ausließ.

Er
legte dem Jungen die Hände um den [X.] und drückte einige Se-kunden kräftig zu. [X.]
wurde wach und konnte den Griff des Angeklagten etwas lockern. Der Angeklagte ließ von dem Jungen zunächst ab und sagte, dass ihm die Sache leid tue. Er hegte aber weiter Rache-
sowie Zerstö-rungsgefühle
und nahm [X.]
das Handy ab, um zu verhindern, dass dieser damit Hilfe hole. Der Junge kühlte die roten Stellen seines [X.]es im [X.]d mit Wasser. Der Angeklagte folgte ihm anschließend wieder zu seinem Schlaf-platz
und fasste ihm
ans
Gesäß. Er brachte [X.]
durch eine Drohung dazu, sich wieder hinzulegen,
und vollzog an ihm zweifach den

als lang und schmerzhaft empfundenen

Analverkehr, unterbrochen von gegenseitigem Oralverkehr. Schließlich führte der Angeklagte eine Getränkeflasche aus Plastik in den Anus von [X.]
ein. Nach weiteren sexuellen Zudringlichkei-ten, bei denen sich der Junge auf Geheiß des Angeklagten die Augen ver-binden musste, stach ihm der Angeklagte unvermittelt mit einem aus der Wohnung stammenden Küchenmesser (20 cm Klingenlänge) in den [X.]. 13
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Die Stichwunde war 3 bis 4 cm lang,
der Stichkanal hatte eine Tiefe von 7
cm, verlief in unmittelbarer Nähe zur [X.]schlagader und verletzte den rechten [X.].

[X.]
nahm die Augenbinde ab. Der Angeklagte untersagte dem [X.], sich zu duschen,
gab ihm
ein Kissen und forderte ihn auf, sich auf den [X.]uch zu legen, liegen zu bleiben und das Kissen gegen die Wunde zu drü-cken.
Er äußerte einerseits, er werde im [X.] auf [X.]s Mutter warten und diese dann umbringen,
andererseits trug er [X.]
auf, seiner Mut. Schließlich
verließ er die Wohnung. [X.], der das nicht bemerkt hatte,
[X.] erst zehn Minuten nach dem Stich die Flucht,
drückte mit einer Hand ein T-Shirt auf seine Wunde,
sprang nackt aus dem Fenster und fand Schutz in
einem
nahegelegenen
Kiosk. Die

ohne ärztliche Versorgung

potentiell lebensbedrohliche Stichverletzung wurde notoperiert ([X.]). Auch auf-grund des kräftigen Würgens,
das Würgemale und
Stauungsblutungen ver-ursacht hatte, bestand
potentielle Lebensgefahr.

[X.]) Diese Feststellungen zum [X.] hat das [X.] auf die glaubhafte Aussage des [X.] und ärztliche Gutachten ge-stützt. Dass der
Angeklagte

vor dem ersten Würgen

geglaubt habe, [X.] zu werden,
und dass er [X.]
nicht habe töten wollen, hat die [X.] als widerlegt angesehen.

Hingegen hat das
[X.]
einen Rücktritt vom unbeendeten [X.] für unwiderlegbar erachtet. Es
hat dem
Angeklagten abge-nommen, er habe geglaubt, [X.]
sei nicht schlimm verletzt gewesen,
und sei zudem beim Verlassen der Wohnung davon ausgegangen, dass der [X.] alsbald
die Polizei rufen und so
auch ärztliche Hilfe erhalten
werde.

2. Die gegen den Freispruch wegen der Tötung des

[X.].
gerichtete Revision der St[X.]tsanwaltschaft ist begründet. Das Re-16
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visionsgericht muss es zwar grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht
einen Angeklagten freispricht, weil es
Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden oder die Annahme der Voraussetzungen eines Rechtfertigungs-grundes nicht auszuschließen vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob die-sem Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt ([X.], Urteile
vom 2.
Dezember 2005

5
StR 119/05, [X.], 925, 928, insoweit in [X.]St
50,
299 nicht abgedruckt,
und
vom 18.
September 2008

5
StR 224/08, [X.], 401). Solche Rechtsfehler liegen hier vor.

a) Insbesondere beruht die allein der Einlassung des
Angeklagten fol-gende, angesichts der
gesamten
festgestellten Begleitumstände
letztlich na-hezu lebensfremd anmutende
Annahme des [X.], das Opfer habe den Angeklagten seinerseits durch heftiges Würgen zur Notwehr durch Er-würgen veranlasst, in mehrfacher Hinsicht auf lückenhaft gebliebenen Erwä-gungen.

[X.]) Die [X.] hat es schon unterlassen, die sich aus den persönlichen Umständen des Getöteten ergebende Interessenlage in seine Erwägungen einzubeziehen (vgl. [X.], Urteile
vom 4. Dezember 2007

5
StR 324/07, [X.], 182, 184,
und
vom 29. April 2010

5
StR 18/10, [X.]St 55, 121, 137). Das
erheblich ältere Opfer
erstrebte die Vornahme homosexueller Handlungen durch den Angeklagten. Sein
Ziel wäre indes durch die vom [X.] angenommenen, sogar mehrfachen körperlichen Angriffe auf den Angeklagten offensichtlich unerreichbar geworden. Die
An-nahme derartiger Gewalt stand zudem im Widerspruch zu der festgestellten

wenn auch übersteigerten,
homosexuell geprägten

Anhänglichkeit des Opfers gegenüber jüngeren Männern.

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-
[X.]) Das [X.] hat ferner eine aus festgestellten Umständen sich aufdrängende Neigung des Angeklagten zur Vornahme willkürlicher Würge-angriffe aus Wut nicht konkret erwogen
(vgl. [X.] [X.] [X.]O; vgl. auch [X.],
Urteil vom 28. September 2006

5
StR 140/06, [X.]R StPO §
261 Beweiswürdigung,
unzureichende 16). Unter den zahlreichen Gewalthand-lungen des Angeklagten, die Gegenstand seiner Vorverurteilungen waren, finden sich

neben einer Vielzahl wutbedingter Angriffe
gegen Kopf und Ge-sicht der Opfer

[X.] vom 20. Juni 1994 ([X.]) und vom 14.
Februar 2003 ([X.]). Daneben hat sich das [X.]

unter Überwindung der Einlassung des Angeklagten

selbst davon überzeugt, dass der Angeklagte 13 Tage nach der Tötung von [X.].
aus Wut, Ra-che und Verzweiflung den Nebenkläger [X.]
[X.]
lebensgefährlich ge-würgt hat.
Die Indizwirkung dieser drei bewiesenen Taten hätte, um die er-hobenen Beweise erschöpfend zu würdigen, mit in die wertende Betrachtung einbezogen werden müssen (vgl. [X.], Urteile
vom 21. März
2002

5
StR 566/01, [X.], 260,
und vom 22. August 2002

5
StR 240/02, [X.], 338).
Hinzu kommt, dass das widerlegte [X.] des Angeklagten im Fall [X.]
zu einer vermeintlichen Notwehrlage mit zu bedenken gewesen wäre.

cc) Soweit das [X.] ([X.] und 49) Angaben des Angeklag-ten hinsichtlich seines [X.] (Telefongespräche, Erbrechen, Verschenken der Schmuckstücke, übermäßiger Alkoholgenuss) durch [X.] bestätigt sieht und dieses ersichtlich als Stütze der Einlassung zum [X.] heranzieht, ist dies durchgreifend bedenklich. Das durch Außenumstände erwiesene Verhalten des Angeklagten steht in keinem Wertungszusammenhang mit der zu prüfenden Frage, ob eine Notwehrlage bestanden hat. Dagegen steht

wenn auch unter Berücksichtigung der [X.] der Persönlichkeit des Angeklagten

das bewiesene, eher notwehruntypische
Nachtatverhalten der
Verwahrung der Leiche bis zur
zwangsläufigen Entdeckung durch sich verbreitenden Verwesungsgeruch.

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-
11
-
b) Abgesehen davon beruht auch die Wertung des [X.], die

angenommene

Verteidigungshandlung des Angeklagten sei erforderlich gewesen (§
32 Abs.
2 StGB), auf lückenhaft gebliebenen Erwägungen.

[X.]) Die [X.] hat die Fähigkeiten der Kontrahenten zur Vornahme von Angriffs-
und Verteidigungshandlungen nicht

was gebo-ten gewesen wäre (vgl. Fischer, StGB, 58.
Aufl.,
§
32 Rn. 30 mwN)

konkret bewertet und ist
lediglich zu der eher vagen Annahme gelangt, dass der [X.] (UA
S. 67). Dabei hat es nicht bedacht, dass ihm das bei einem ersten gleichartigen Angriff
nach seiner eigenen Einlassung
ohne Weiteres gelungen war.

[X.]) Daneben hat das [X.] mit der Tötungshandlung zusam-menhängendes medizinisches
Erfahrungswissen nicht in seine Bewertung einbezogen (vgl. [X.], Urteil vom 18. September 2008

5
StR 224/08, NStZ
2009, 401). Solches wäre geeignet gewesen, die angenommene Erfor-derlichkeit der Verteidigungshandlung

Würgen bis zur
Beendigung des An-griffs, damit auch bis zum
Todeseintritt ([X.])

grundlegend in Frage zu stellen.

Bei Würgen oder Erdrosseln als Tötungshandlung verstreicht
bis zum Erfolgseintritt in der Regel ein ganz erheblicher Zeitraum der Gewaltanwen-dung, wie auch
der Rechtsprechung des [X.] zu Fällen [X.] Begründung des Tötungsvorsatzes zu entnehmen ist (vgl.
[X.], Beschluss vom 2. Juli 1996

4
StR 275/96, [X.]R StGB § 212 Abs. 1 [X.],
bedingter 48; [X.], Urteil vom 16. Dezember 2003

5
StR 458/03, [X.]R [X.]O Vorsatz,
bedingter 57; vgl. ferner Eisen, Handwörterbuch der Rechtsmedizin,
Bd. 1,
1973, [X.], 217). Vor Eintritt des Todes kommt es jedenfalls zu körperlichen Reaktionen des gewürgten Opfers, die eine Ver-minderung von dessen Handlungsfähigkeit bewirken (vgl. [X.], Beschluss vom 31. Juni 1992

4
StR 308/92, [X.]R [X.]O Vorsatz bedingter 30;
Eisen 24
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12
-
[X.]O [X.]) und hierdurch einen Angriff auf den in Notwehr Würgenden durch fortschreitende äußere Anzeichen der Ermattung des Angreifers als sicher beendet und ein noch längeres Würgen als zweckverfehlend erschei-nen lassen. Hiernach hätte
das [X.] auch bei Prüfung der erforderli-chen Verteidigung im Sinne des §
32 Abs. 2 StGB eine mit der angriffsbeen-denden Würgehandlung des Angeklagten einhergehende, den Tod des [X.] indes vermeidende Handlungsalternative erwägen
müssen.

Ausgehend hiervon wäre die vom [X.] fehlerfrei festgestellte Todesverursachung durch Erwürgen unter Beschädigung der Schildknorpel des Opfers, was jedenfalls zum Tod führen musste (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Juni 1994

4
StR 267/94, [X.]R StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz [X.] 40),
als ein Überschreiten der gebotenen Notwehr zu qualifizieren und allenfalls
unter die Voraussetzungen des §
33 StGB zu subsumieren gewesen.

c) Die Tat bedarf demnach umfassend neuer Aufklärung und Bewer-tung. Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass die Annahme von Notwehr auch bei völlig zurücktretendem Verteidigungswillen ausgeschlossen sein kann (vgl. [X.], Beschluss vom 23. August 1991

2 [X.], [X.]R StGB § 32 Abs. 2 Verteidigungswille 1). Ferner müsste
auch
der festgestell-ten Wahrnehmung mehrerer Zeugen, die
allesamt Würgemale des Angeklag-ten nicht zur Kenntnis genommen haben, mehr Aufmerksamkeit als bisher
([X.]) gewidmet
werden. Soweit

bisher im Einzelnen nicht dargelegte und erwogene

Mitteilungen des Angeklagten gegenüber Dritten über das Vorliegen
einer Notwehrlage zu würdigen wären
(vgl. UA S.
38), könnten diese im Grundsatz

ähnlich einem von einem Verdächtigen selbst bekun-deten Alibi (vgl. [X.], Beschluss vom 2. August 2011

5 [X.])

kaum Bedeutung
für eine Bestätigung der Notwehreinlassung
haben.

Die Aufhebung auf Revision der St[X.]tsanwaltschaft
muss auch den Schuldspruch wegen Unterschlagung erfassen. Die tatnahe Ansichnahme 28
29
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-
von Wertgegenständen des Getöteten steht mit dem zu prüfenden [X.] in untrennbarem Zusammenhang.
Die Prüfung eines daraus [X.]

eventuell auch nur mitbestimmenden

Tötungsmotivs ist un-erlässlich. Im Zweifel kommt bei Verurteilung wegen vorsätzlicher Tötung ohne nachgewiesenen
Raubmord Tateinheit zwischen Totschlag und Unter-schlagung in Betracht (vgl. [X.], Beschluss vom 25.
August 1987

4
StR 400/87, [X.]R StGB § 52 Abs.
1 in dubio pro reo 4).

3. Auf die Revisionen der St[X.]tsanwaltschaft und des [X.] ist der Schuldspruch hinsichtlich der Tat vom 20. Juni 2009 zum Nachteil des [X.]
ebenfalls aufzuheben.

a) Das [X.] hat dem Angeklagten mit durchgreifend bedenkli-chen Erwägungen einen Rücktritt vom unbeendeten [X.] zu-gebilligt. Es hat die

in der Hauptverhandlung vom Angeklagten vorgetrage-nen

Einschätzungen hinsichtlich der Schwere und der weiteren Entwick-lung der Verletzungen des [X.] seiner Entscheidung ohne weiteres zugrunde gelegt. Solches stößt hier schon im Ansatz auf mehrere Bedenken.

[X.]) Der Angeklagte hat wesentliche Einzelheiten des ihn stark belas-tenden Tatgeschehens nicht aus eigener Erinnerung bestätigt. Dieser [X.] hätte bei der Bewertung der Glaubhaftigkeit der bekundeten günstigen, für den Rücktrittshorizont als maßgeblich betrachteten Vorstellungen kriti-scher
Prüfung dergestalt bedurft, warum vom Angeklagten lediglich ihn [X.],
aber nicht Belastendes erinnert wird.

Daneben lässt die Würdigung der Einlassung nicht erkennen, dass sich die [X.] in jeder Beziehung des schuldmindernden Charakters der Angaben des Angeklagten bewusst war. Das [X.] hat wesentliche Angaben des Angeklagten zutreffend als widerlegt angesehen, nämlich dass er sich angegriffen glaubte und dass er [X.]
[X.]
nicht tö-ten wollte. Die so vollzogene Bewertung zentralen [X.]s 31
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-
14
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als Schutzbehauptung hätte es indes erfordert, auch bei der Würdigung wei-terer vom Angeklagten vorgetragener Umstände deren Charakter als kritisch zu betrachtendes [X.] zu beachten. Erst danach hätte von dessen partieller Glaubhaftigkeit

wie es das [X.] indes durch-gehend wie selbstverständlich getan hat

ausgegangen werden dürfen ([X.], Urteil vom 8. April 2009

5 StR 65/09, [X.], 290 mwN; [X.], Beschluss vom 23. Juni 2009

5
StR 182/09).

[X.]) Daneben sind die Erwägungen des [X.], mit denen es auf der Grundlage der Einlassungen des Angeklagten
den Rücktritt bejaht hat, zum Teil widersprüchlich und lückenhaft,
und zwar selbst bei der hier wegen tark blutenden

durch den Ange-klagten eher fernliegenden Anerkennung eines Rücktritts vom
unbeendeten Versuch. Die Einlassungen
sind auch nicht der gebotenen Gesamtwürdigung unterzogen worden (vgl. [X.], Urteil vom 22. April 2005

2 [X.], [X.]St 50, 80, 85).

Die von der [X.] gebilligte Erwartung des Ange-klagten, dass der Nebenkläger nach dem Verlassen der Wohnung durch den Angeklagten die Polizei rufen würde, setzt sich nicht mit der dem widerspre-chenden Feststellung auseinander, dass der Angeklagte das Mobiltelefon des [X.]
[X.]
an sich genommen hatte, um zu verhindern, dass dieser damit Hilfe hole ([X.]).

Nicht in die Erwägungen einbezogen worden ist der gegen die Mög-lichkeit der Selbstrettung und für die

freilich bisher nicht begründete (UA S.
70)

Annahme des Vorsatzes der Freiheitsberaubung sprechende [X.], dass der Angeklagte durch wiederholte Kontrolle des auf der
Matratze liegenden blutenden [X.] und durch die
Ankündigung, im Flur auf
dessen Mutter zu warten und diese umzubringen, ein Fluchthindernis und hierdurch eine Erhöhung der Gefahr für das Leben des [X.] ge-schaffen hat. Wer

wie der Angeklagte

die baldige
Rettung des von ihm 35
36
37
-
15
-
verletzten, stark blutenden Opfers durch Freiheitsberaubung zu verhindern sucht, gibt die weitere Tatausführung naheliegend gar nicht auf. Der von §
24 Abs.
1 Satz 1 (erste Alternative)
StGB honorierte Verzicht auf ein mögliches [X.] (vgl. [X.] [GS], Beschluss vom 19. Mai 1993

[X.], [X.]St 39, 221, 231) wird dem Angeklagten nicht zugute
gebracht werden können, weil er einen Erfolgseintritt zusätzlich durch Einwirkung auf sein

quasi als Tatmittler eingesetztes

Opfer weiter
gefördert
hat.

b) Nicht unbedenklich ist zudem
die Annahme von Tateinheit in [X.] einer natürlichen Handlungseinheit hinsichtlich des [X.]. Diese Handlungen sind nach den getroffenen [X.] nicht durch eine notwendige einheitliche fortwirkende Gewaltanwen-dung verbunden (vgl. [X.], Urteil vom 19. April 2007

4
StR 572/06,
[X.], 235). Soweit das [X.] für den erforderlichen einheitli-chen [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 16. Januar 1962

1
StR 524/61, [X.]St
16, 397, 398) auf das
Vorliegen
einer einzigen
Macht-
und Rachede-monstration sowie Demütigung ([X.]) abstellt, bestehen Bedenken ge-gen
eine durch Tatsachen gestützte Schlussfolgerung. Der Angeklagte hat eigene Erklärungen lediglich zu seinen Rücktrittsvorstellungen abgegeben. Die aus der Aussage des [X.] und aus weiteren
Beweismitteln
ge-wonnenen Feststellungen zum [X.] belegen vielmehr eher mehrere
willensgetragene Handlungsabschnitte nach separaten Entschlie-ßungen des Angeklagten. Hierdurch hat sich das [X.] auch unzutref-fenderweise gehindert
gesehen, den festgestellten Sachverhalt in der letzten Geschehensphase, wie aus Sicht der Revision des [X.] angezeigt
und auch ursprünglich angeklagt, als versuchten [X.] zu wür-digen.

c) Im Hinblick auf die vom [X.] angenommene Tateinheit nötigt schon die fehlerhafte Annahme eines Rücktritts vom [X.] zur Aufhebung des gesamten Schuldspruchs (vgl. [X.], Urteil vom 7. Juli 2011

5
StR 561/10, NJW 2011, 2895, 2897 mwN).
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16
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Im Übrigen begegnet angesichts des Mangels in der Behandlung der Konkurrenzen auch die Verurteilung wegen der Qualifikation einer besonders schweren
Vergewaltigung gemäß §
177 Abs.
4 Nr.
1, 2 lit. a und b StGB
Be-denken
(vgl. § 301 StPO). Die Feststellungen belegen nicht
zweifelsfrei, dass das Messer bei der zur Vergewaltigung führenden Nötigung oder bei dem sexuellen Geschehen eingesetzt worden ist (vgl. [X.], Urteil vom 12. [X.]

4
StR 464/00, [X.]St 46, 225, 229). Das Messer wurde mit bedingtem Tötungsvorsatz zur Herbeiführung einer Verletzung verwendet. Dies geschah nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den früher vollzo-genen sexuellen Handlungen.

d)
Das Tatgeschehen vom 20.
Juni 2009 bedarf demnach neuer Auf-klärung und Bewertung. Allerdings können die Feststellungen zum objektiven [X.]

vom Würgen des Angeklagten bis zur Rettung
des Ne-benklägers

aufrechterhalten bleiben. Diese sind von den Mängeln der Würdigung der Einlassung des Angeklagten und den
weiteren Rechtsfehlern
unbeeinflusst.

Demnach wird das neu berufene Tatgericht in erster Linie

ausge-hend von den feststehenden objektiven Tatumständen und den Einlassungen des Angeklagten

sämtliche subjektiven Rücktrittsvoraussetzungen ein-schließlich der für die gebotene Abgrenzung zwischen beendetem und unbe-endetem
Versuch notwendigen (vgl. [X.], Urteile vom 22. August 1985

4 [X.], [X.]St 33, 295, 300, und vom 2. November 1994

2 [X.], [X.]St 40, 304, 305 f. sowie [X.] [GS], Beschluss vom 19.
Mai 1993

[X.], [X.]St 39, 221, 231
f.) neu festzustellen und zu bewerten haben, aber auch zum Tötungsvorsatz, zu den Konkurrenzen und zur Schuldfähigkeit des Angeklagten neu zu befinden haben.

4. Bestehen bleiben der nicht angefochtene Schuldspruch wegen vor-sätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung zum Nach-40
41
42
43
-
17
-
teil des Zeugen Sch.
und der weitere nicht angefochtene Teilfreispruch. Die Aufhebung der verbleibenden Schuldsprüche zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich (vgl. zur Adhäsionsentscheidung [X.], Urteil vom 28. November 2007

2 [X.], [X.]St 52, 96).

Sollten die neuen Schuldsprüche eine Prüfung der Voraussetzungen von §
66 Abs. 2 oder Abs. 3 StGB a.
F. veranlassen, verweist der Senat auf die wegen des anzuwendenden
Übergangsrechts zu beachtenden Be-schränkungen (vgl.
zuletzt [X.], Beschluss vom 13. September 2011

5
StR 189/11;
ferner Urteile vom 7. Juli 2011

2
StR 184/11 und

5
StR 192/11

sowie vom 4.
August 2011

3 [X.]/11).

[X.]sdorf Brause [X.]

Schneider Bellay

44

Meta

5 StR 328/11

09.11.2011

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2011, Az. 5 StR 328/11 (REWIS RS 2011, 1578)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1578

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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