Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.02.2005, Az. III ZR 263/04

III. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 4808

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS [X.]/04
vom 24. Februar 2005 in dem Re[X.]htsstreit
Na[X.]hs[X.]hlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO § 321a F: 1. Januar 2005, § 564

a) § 321a ZPO in der Fassung des Anhörungsrügengesetzes vom 9. De-zember 2004 ([X.] I S. 3220) gilt - sofern die na[X.]h Absatz 2 zu [X.] Fristen no[X.]h ni[X.]ht abgelaufen sind - au[X.]h für vor Inkrafttreten der Novelle am 1. Januar 2005 re[X.]htskräftig gewordene Ents[X.]heidungen. b) Die Ents[X.]heidung über eine [X.] brau[X.]ht ni[X.]ht begründet zu wer-den, soweit sie im Revisionsverfahren erhobene und in Anwendung des § 564 ZPO ohne nähere Begründung ni[X.]ht für dur[X.]hgreifend era[X.]htete [X.] von [X.] betrifft.
[X.], Bes[X.]hluß vom 24. Februar 2005 - [X.]/04 - OLG Naumburg

LG Magdeburg - 2 -

[X.] hat am 24. Februar 2005 dur[X.]h [X.] und [X.] [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.]

bes[X.]hlossen:
Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen das [X.]surteil vom 9. Dezember 2004 wird zurü[X.]kgewiesen.

Die Kosten des Rügeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe:
[X.]

Die Klägerin hat in dem vorausgegangenen Re[X.]htsstreit das beklagte Bundesland auf Ersatz von [X.] wegen der Versagung einer Kiesabbaubewilligung in Anspru[X.]h genommen. Ihre Revision gegen die im [X.] erfolgte Klageabweisung hat der [X.] dur[X.]h Urteil vom 9. Dezember 2004 zurü[X.]kgewiesen (für [X.] bestimmt). Das Urteil ist den Prozeßbevollmä[X.]htigten der Klägerin am 5. Januar 2005 zugestellt worden.

Gegen dieses Urteil wendet si[X.]h die Klägerin mit einer am 18. Januar 2005 beim [X.] eingegangenen [X.] gemäß § 321a ZPO in der Fassung des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004 ([X.] I - 3 -

S. 3220). Sie trägt vor, der erkennende [X.] habe im Revisionsurteil ihre Ver-fahrensrügen zu dem Vorwurf sa[X.]hfremder Behandlung ihres [X.] dur[X.]h das Bergamt des beklagten [X.] ni[X.]ht vollständig erfaßt und bes[X.]hieden.

I[X.]

Die Anhörungsrüge ist zulässig, aber ni[X.]ht begründet.

1. Der [X.] sieht keine dur[X.]hgreifenden Bedenken gegen die Statthaftig-keit des eingelegten Re[X.]htsbehelfs, obwohl das angegriffene Urteil bereits mit seiner Verkündung am 9. Dezember 2004 und sona[X.]h vor Inkrafttreten des [X.] am 1. Januar 2005 re[X.]htskräftig geworden ist.

a) Die Novelle hat die bis dahin nur gegen ni[X.]ht berufungsfähige Urteile erster Instanz gegebene Mögli[X.]hkeit, eine Verletzung des verfassungsre[X.]htli-[X.]hen Anspru[X.]hs auf re[X.]htli[X.]hes Gehör zu rügen (§ 321a Abs. 1 ZPO i.d.[X.] vom 27. Juli 2001, [X.] [X.]887), dur[X.]h Änderung des § 321a Abs. 1 ZPO auf alle mit Re[X.]htsbehelfen ni[X.]ht mehr anfe[X.]htbare geri[X.]htli[X.]he Ents[X.]heidungen erweitert. Das gilt deshalb au[X.]h für die na[X.]h [X.] mündli[X.]her Verhandlung ergangenen, sofort re[X.]htskräftig werdenden Re-visionsurteile. [X.] enthält das Gesetz ni[X.]ht. Es ist daher dur[X.]h Auslegung na[X.]h den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Zi-vilprozeßre[X.]hts zu bestimmen, ob die Neuregelung au[X.]h zuvor s[X.]hon re[X.]htskräftig gewordene Urteile erfaßt. Die Frage ist zu bejahen. - 4 -

b) Die Statthaftigkeit eines unter der [X.] eingeleg-ten Re[X.]htsmittels bestimmt si[X.]h - ebenso wie dessen sonstige Zulässigkeits-voraussetzungen - regelmäßig na[X.]h dem geänderten Re[X.]ht (vgl. [X.], [X.] vom 25. November 1977 - I ARZ 584/77 - NJW 1978, 427; Bes[X.]hluß vom 25. Januar 1978 - [X.] - NJW 1978, 889 f.; [X.], 121, 123; [X.] 1925, 362, 363; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 1 EGZPO Rn. 4 m.w.N.). Das gilt im allgemeinen indes nur für anhängige Verfahren. Be-reits re[X.]htskräftige Urteile werden mit einer Änderung des [X.] grundsätzli[X.]h ni[X.]ht anfe[X.]htbar ([X.] 3, 82, 85; [X.] Nr. 5 zu § 123 Arb[X.] 1953; [X.], aaO). Es kann in der Regel ni[X.]ht angenommen werden, daß die dur[X.]h ein re[X.]htskräftiges Urteil eingetretene definitive Fest-stellung der Re[X.]htsverhältnisse und die Erledigung des Re[X.]htsstreits na[X.]hträg-li[X.]h wieder umgestoßen werden sollen. Das würde einen s[X.]hwerwiegenden Eingriff in die Re[X.]htskraft darstellen, die über die Belange der siegrei[X.]hen [X.] hinaus au[X.]h im öffentli[X.]hen Interesse an der Erhaltung des Re[X.]htsfriedens und der Re[X.]htssi[X.]herheit s[X.]hützenswert ist. Eine Ausnahme kann allerdings dann gere[X.]htfertigt sein, wenn besonders zwingende, den Erwägungen der Re[X.]htssi[X.]herheit übergeordnete Gründe dazu Anlaß geben, etwa dann, wenn wirts[X.]haftli[X.]he und [X.] Mißstände zu beseitigen sind ([X.] aaO [X.] ff.).

[X.]) Eine sol[X.]he Ausnahmesituation ist hier gegeben. Deswegen kann au[X.]h auf si[X.]h beruhen, ob diese Grundsätze eins[X.]hränkungslos für sämtli[X.]he Re[X.]htsbehelfe gelten. Das Interesse an einer Verteidigung der eingetretenen Re[X.]htskraft ist unter den besonderen Voraussetzungen der Anhörungsrüge s[X.]hon ni[X.]ht s[X.]hutzwürdig, weil diese nur dann begründet ist, wenn das Geri[X.]ht das Grundre[X.]ht auf re[X.]htli[X.]hes Gehör (Art. 103 Abs. 1 [X.]) in ents[X.]heidungs-erhebli[X.]her Weise verletzt hat (§ 321a Abs. 1 Nr. 2 ZPO). In diesem Falle müßte die Ents[X.]heidung gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a [X.], §§ 90 ff. BVerf[X.] - 5 -

die Ents[X.]heidung gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a [X.], §§ 90 ff. BVerf[X.] - Annah-megründe im Sinne des § 93a BVerf[X.] vorausgesetzt - jedenfalls auf Verfas-sungsbes[X.]hwerde der bes[X.]hwerten [X.] aufgehoben werden. Es geht daher ni[X.]ht wie sonst um eine Abgrenzung zwis[X.]hen den im Ansatz glei[X.]hermaßen s[X.]hützenswerten Geboten der Re[X.]htssi[X.]herheit und der Einzelfallgere[X.]htigkeit, sondern allein oder zumindest weit überwiegend um die ([X.], ob eine Abhilfe dur[X.]h das Bundesverfassungsgeri[X.]ht erfolgen muß oder ob sie bereits im Rahmen der fa[X.]hgeri[X.]htli[X.]hen Prüfung vorgenommen werden kann.

Diese Frage hat das Plenum des Bundesverfassungsgeri[X.]hts mit [X.] vom 30. April 2003 (1 [X.] 1/02, [X.] 107, 395, 401 ff. = NJW 2003, 1924 ff.) grundsätzli[X.]h im Sinne eines Vorrangs des von den Fa[X.]hgeri[X.]h-ten zu gewährenden Re[X.]htss[X.]hutzes beantwortet. Dana[X.]h si[X.]hert der allge-meine Justizgewährungsanspru[X.]h als Bestandteil des Re[X.]htsstaatsprinzips Re[X.]htss[X.]hutz gegen eine Verletzung des Anspru[X.]hs auf re[X.]htli[X.]hes Gehör in jeder geri[X.]htli[X.]hen Instanz, also au[X.]h dann, wenn das Verfahrensgrundre[X.]ht erstmalig in einem Re[X.]htsmittelverfahren verletzt wird. Die Verfahrensordnung muß in diesem Fall eine eigenständige geri[X.]htli[X.]he Abhilfemögli[X.]hkeit vorse-hen. Ledigli[X.]h für eine Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2004 war dieser bis dahin verfassungswidrige Zustand no[X.]h hinzunehmen ([X.] 107, 395, 418).

Die Novellierung des § 321a ZPO dur[X.]h das Anhörungsrügengesetz dient der Umsetzung dieses Bes[X.]hlusses (BT-Dru[X.]ks. 15/3706 [X.], 13). Die [X.] einer [X.] hindert den Eintritt der Re[X.]htskraft ni[X.]ht. Erst wenn si[X.]h herausstellt, daß die Rüge begründet ist, wird - ähnli[X.]h einer Wiederein-setzung oder Wiederaufnahme des Verfahrens (BT-Dru[X.]ks. 15/3706 [X.]4, - 6 -

17) - die Re[X.]htskraft dur[X.]hbro[X.]hen und das Verfahren fortgesetzt. Was für vor dem Ende der vom Bundesverfassungsgeri[X.]ht gesetzten Übergangsfrist re[X.]hts-kräftig gewordene Urteile gelten soll, wenn die Frist zur Erhebung der erweiter-ten Anhörungsrüge beim Inkrafttreten der Novelle no[X.]h ni[X.]ht abgelaufen war oder diese - wie im Streitfall - überhaupt erst na[X.]h dem 1. Januar 2005 begin-nen konnte, läßt si[X.]h weder der Ents[X.]heidung des Bundesverfassungsgeri[X.]hts no[X.]h den Gesetzesmaterialien eindeutig entnehmen. Vor dem Hintergrund der verfassungsre[X.]htli[X.]hen Lage und der nur no[X.]h für eine Übergangszeit hinzu-nehmenden Re[X.]htss[X.]hutzlü[X.]ken in der fa[X.]hgeri[X.]htli[X.]hen Prüfung ist indes da-von auszugehen, daß der Gesetzgeber den ni[X.]ht zuletzt der Entlastung des Bundesverfassungsgeri[X.]hts dienenden Vorgaben in dem Plenarbes[X.]hluß des Geri[X.]hts jedenfalls in zeitli[X.]her Hinsi[X.]ht soweit wie mögli[X.]h Re[X.]hnung tragen, d.h. die neue [X.] au[X.]h rü[X.]kwirkend auf alle bei Einhaltung der Rüge-fristen des § 321a Abs. 2 ZPO n.F. (zwei Wo[X.]hen ab Kenntnis von der Verlet-zung des re[X.]htli[X.]hen Gehörs, spätestens ein Jahr seit Bekanntgabe der Ent-s[X.]heidung) no[X.]h angreifbaren Ents[X.]heidungen erstre[X.]ken wollte. Eine aus-drü[X.]kli[X.]he gesetzli[X.]he Bestimmung war dafür ni[X.]ht erforderli[X.]h (anders wohl [X.], aaO, § 1 EGZPO Rn. 1 m.w.N.).

2. Die damit statthafte und au[X.]h im übrigen zulässige [X.] ist je-do[X.]h unbegründet. Die Geri[X.]hte sind na[X.]h Art. 103 Abs. 1 [X.] nur verpfli[X.]htet, das Vorbringen der [X.]en zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu zie-hen. Hingegen ist es ni[X.]ht erforderli[X.]h, alle Einzelpunkte des [X.]vortrags in den Gründen des Urteils au[X.]h ausdrü[X.]kli[X.]h zu bes[X.]heiden ([X.] 96, 205, 216 f.). Der [X.] hat im Urteil vom 9. Dezember 2004 die jetzt von der Anhö-rungsrüge der Klägerin umfaßten [X.] in vollem Umfang geprüft, selbst wenn dies in den Ents[X.]heidungsgründen seines Urteils nur knapp [X.] und im übrigen auf § 564 ZPO verwiesen worden ist, und diese [X.] 7 -

merkt und im übrigen auf § 564 ZPO verwiesen worden ist, und diese Revisi-onsrügen sämtli[X.]h für ni[X.]ht dur[X.]hgreifend era[X.]htet. Von einer ergänzenden Begründung sieht er au[X.]h in diesem Verfahrensabs[X.]hnitt in entspre[X.]hender Anwendung des § 564 ZPO ab. Weder aus § 321a Abs. 4 Satz 5 ZPO, na[X.]h dem der Bes[X.]hluß kurz begründet werden soll, no[X.]h unmittelbar aus dem Ver-fassungsre[X.]ht ergibt si[X.]h eine Verpfli[X.]htung zu einer weitergehenden Begrün-dung der Ents[X.]heidung. Ansonsten hätte es eine [X.] in der Hand, mittels einer Anhörungsrüge na[X.]h § 321a ZPO die Bestimmung des § 564 ZPO im Re-visionsverfahren auszuhebeln. Dem entspri[X.]ht es, daß na[X.]h der Gesetzesbe-gründung au[X.]h eine [X.] gegen die Ents[X.]heidung über eine Ni[X.]htzu-lassungsbes[X.]hwerde ni[X.]ht dazu eingelegt werden kann, eine Begründungser-gänzung herbeizuführen (BT-Dru[X.]ks. 15/3706 [X.]6).

[X.] [X.] [X.]

[X.] [X.]

Meta

III ZR 263/04

24.02.2005

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.02.2005, Az. III ZR 263/04 (REWIS RS 2005, 4808)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 4808

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