Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.09.2010, Az. IX ZR 175/09

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 2816

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 175/09 Verkündet am: 30. September 2010 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2010 durch [X.] Ganter, die Rich-ter Prof. Dr. Gehrlein und [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der [X.]n wird das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 12. August 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Die [X.] wurde im Vorverfahren rechtskräftig verurteilt, an die Schuldnerin 84.600,77 • zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe einer be-stimmten Software einschließlich Lizenzen und Handbüchern. Mit der Software wollte die [X.] ein Internetportal erstellen, das sie jedoch später auf ande-rem Weg realisierte. 1 - 3 - Nach dem Urteil des Vorverfahrens war die Software in der Version 1.0 zu übergeben, die jedoch nicht mehr existiert und erhältlich ist. Die Annahme einer Version 1.5 verweigert die [X.] als nicht erfüllungsgeeignet. 2 Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Version 1,5 zur Erfüllung der Lieferverpflichtung aus der [X.]-Verurteilung geeignet sei. Im Beru-fungsverfahren hat er außerdem - auf Anregung des Berufungsgerichts - die Feststellung beantragt, dass sich die [X.] in Annahmeverzug befinde. Der Kläger behauptet, die Version 1.5 sei mit der Version 1.0 identisch bzw. höher-wertig. Der Titel aus dem Vorverfahren sei so auszulegen, dass auch diese Version übergeben werden könne. Die [X.] bestreitet die Identität und die Gleichwertigkeit. 3 Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben und zusätzlich den Annahmeverzug der [X.]n festgestellt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die [X.] ihr [X.] weiter. 4 Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung. 5 - 4 - [X.] Das Berufungsgericht hat die Feststellungsklage für zulässig erachtet. Könne der Gerichtsvollzieher - wie vorliegend - auch mit sachverständiger Hilfe nicht klären, ob die angebotene Leistung zur Erfüllung der tenorierten Leis-tungsverpflichtung geeignet sei, sei die Feststellungsklage das geeignete In-strument des Verpflichteten und das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Das gelte nicht nur bei nicht hinreichender Bestimmtheit eines Titels, sondern auch dann, wenn zu klären sei, ob eine Leistung, die von der [X.], jedoch nicht mehr möglichen, abweiche, gleichermaßen zur Erfüllung geeignet sei. 6 Die Feststellungsklage sei auch begründet. Zwar müsse im Rahmen einer [X.]-Verurteilung die Gegenleistung grundsätzlich wie geschuldet angeboten werden. Die Version 1.5 entspreche schon nach dem eigenen Vor-trag des [X.] nicht der Version 1.0. Jedoch könne nicht allein auf die [X.] Identität abgestellt werden, wenn unter [X.] eine an-dere Version zur Erfüllung geeignet sei. Ob dies hier der Fall sei, könne jedoch dahinstehen. 7 Die [X.] handele jedenfalls rechtsmissbräuchlich, wenn sie unter Berufung auf mögliche Abweichungen zwischen den Versionen 1.0 und 1.5 die Abnahme der Version 1.5 verweigere. Denn es stehe fest, dass sie die [X.] unabhängig von ihren Eigenschaften ohnehin keinesfalls mehr nutzen werde. Das aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitete Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gelte auch im Vollstreckungsverfahren. Der [X.]n komme es auf die Gegenleistung nicht mehr an; die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts diene allein dazu, die Vollstreckung des rechtskräftigen 8 - 5 - Titels durch den Gläubiger zu verhindern. Die [X.] habe sich bereits [X.] nach Vertragsschluss im Jahre 2000 aus dem [X.]. Sie habe ausdrücklich erklärt, dass die Software für sie in jedem Fall nutzlos, weil total veraltet und unbrauchbar sei. I[X.] Die Revision ist zulässig und begründet. 9 1. Sie ist insbesondere statthaft, weil sie vom Berufungsgericht zugelas-sen worden ist, § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Hieran ist das [X.], § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO, ohne dass es darauf ankäme, ob Zulassungs-gründe tatsächlich vorliegen ([X.], Urt. v. 20. Mai 2003 - [X.], [X.], 1240, 1241). Auf die entsprechenden Einwendungen der Revisionserwi-derung kommt es deshalb nicht an. 10 2. Sie ist auch begründet. 11 a) Zutreffend ist - entgegen der Rüge der Revision - die Annahme beider Vordergerichte, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Zwar bestehen hier weder Zweifel über den vollstreckbaren Inhalt einer Urteilsformel noch über Art und Umfang der bei einer [X.]-Verurteilung bezeichneten Gegenleis-tung (zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage in diesen Fällen vgl. [X.], Urt. v. 20. September 1961 - [X.], [X.]Z 36, 11, 13 f; v. 23. September 1976 - [X.], [X.], 1195, 1196; v. 11. September 2007 - [X.], [X.], 153, 156 Rn. 30). Die Feststellungsklage ist jedoch auch dann zu-lässig, wenn zweifelhaft ist, ob die tatsächlich angebotene Gegenleistung der 12 - 6 - konkret ausgeurteilten entspricht ([X.], ZPO 22. Aufl. § 756 Rn. 14 [X.]. 79). Ist die Einrede "Zug um Zug" materiell-rechtlich entfallen, kann zwar er-neut Leistungsklage ohne [X.]-Antrag erhoben werden. Die Rechtskraft des [X.] stünde nicht entgegen (vgl. [X.], Urt. v. 19. Dezember 1991 - [X.] ZR 96/91, [X.]Z 117, 1; [X.] in [X.], aaO Rn. 14). Der Kläger begehrt jedoch nicht die vorbehaltlose Verurteilung der [X.]n, sondern (le-diglich) die Feststellung, dass die im Urteil des Berufungsgerichts näher be-zeichneten Gegenstände dem Vollstreckungstitel entsprechen und sich die [X.] im Annahmeverzug befindet. Das wäre für die weitere Zwangsvollstre-ckung ausreichend, die gemäß § 756 Abs. 1 ZPO voraussetzt, dass der Kläger die ihm obliegende Leistung in einer den Vollzug begründenden Weise anbietet oder die [X.] sich insoweit bereits im Verzug der Annahme befindet. Einer erneuten Leistungsklage bedarf es daher nicht. 13 b) Die Annahme des Berufungsgerichts, die [X.] handele rechts-missbräuchlich, wenn sie die vom Kläger angebotene Version ablehne, obwohl feststehe, dass sie die Software unabhängig von ihren Eigenschaften [X.] mehr einsetzen oder nutzen werde, hält dagegen rechtlicher Prüfung nicht stand. 14 aa) Zutreffend ist allerdings auch hier der Ausgangspunkt des [X.], dass das aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitete Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens auch im Prozessrecht und im [X.] gilt. Das wird von der Revision auch im Grundsatz nicht in Frage gestellt und entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. [X.], [X.]. v. 15 - 7 - 10. Mai 2007 - [X.], [X.]Z 172, 218 Rn. 12 f [X.]N.; [X.], [X.]. v. 29. Juni 2006 - [X.] ZB 245/05, [X.], 1452, 1453 Rn. 7). [X.] und damit unzulässig ist danach die Ausübung einer prozessualen oder vollstreckungsrechtlichen Befugnis, wenn sie nicht den gesetzlich vorgesehenen, sondern anderen, nicht notwendig unerlaubten, aber funktionsfremden und rechtlich zu missbilligenden Zwecken dient ([X.], [X.]. v. 10. Mai 2007 aaO Rn. 12 m.w.N.). 16 [X.]) [X.]keit in diesem Sinne liegt entgegen der [X.] des Berufungsgerichts nicht vor. Der Umstand, dass die [X.] die An-nahme der angebotenen Version als nicht erfüllungsgeeignet abgelehnt hat, erfüllt die genannten Voraussetzungen nicht. Die Verwendung einer Kaufsache oder eines von dem Besteller erstellten Werkes liegt grundsätzlich im Belieben des Käufers oder Bestellers. Auch wenn sich ein Kauf aus der Sicht des [X.] als Fehler erweist und er den Kaufgegenstand nicht mehr nutzen will oder kann, ändert dies nichts an der Lieferverpflichtung des Verkäufers, wenn er [X.] erhebt. Die weggefallene Absicht der [X.] lässt die Lieferpflicht nicht entfallen. Es kann auch in diesem Falle nicht in das Belieben des Verkäufers gestellt werden, ob oder was er liefern will. [X.] der Verkäufer entsprechend seinen vertraglichen Rechten Bezahlung [X.] gegen Lieferung der verkauften Sache, hat er für seine Lieferfähigkeit Sorge zu tragen. Dem Käufer steht, auch wenn er die Sache selbst nicht mehr nutzen will, gleichwohl das Recht zu, diese auf Mängel zu untersuchen und ge-gebenenfalls Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Andernfalls würde es dem Verkäufer ermöglicht, den vollen Kaufpreis zu beanspruchen, obwohl er seinerseits zur Erbringung einer vertragsgemäßen Leistung außerstande ist. 17 - 8 - Da [X.]keit der [X.]n nicht vorliegt, besteht auch der vom Berufungsgericht hierauf gegründete Annahmeverzug nicht. 18 c) Entscheidend für die Begründetheit der Klage ist sonach, ob die vom Kläger angebotene Version von der [X.]n im Wege der [X.]-Vollstreckung als erfüllungsgeeignet akzeptiert werden muss. 19 aa) Im Grundsatz geht das Berufungsgericht wiederum zutreffend davon aus, dass im Rahmen einer [X.]-Vollstreckung die Leistung vom Gläu-biger grundsätzlich so angeboten werden muss, wie sie im Vollstreckungstitel beschrieben ist ([X.], [X.]. v. 7. Juli 2005 - [X.], [X.], 1954, 1955; Musielak/[X.], aaO § 756 Rn. 4). 20 Ein solches Angebot konnte nicht erfolgen, weil nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts die vom Kläger zur Übergabe an die [X.] zur Verfügung gestellte Version mit der in dem vollstreckbaren Urteil be-zeichneten Version nicht identisch ist. 21 [X.]) Zutreffend ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die vom Kläger angebotene Version 1.5 habe von der [X.]n im Sinne des zu voll-streckenden Titels als erfüllungsgeeignet akzeptiert werden müssen, wenn [X.] Version unter funktionalen Aspekten tatsächlich gleich oder höherwertig ist und gegenüber der geschuldeten Version keinerlei andere Nachteile, etwa die Systemumgebung betreffend, aufweist. Dies ergibt sich aus dem auch im [X.] herrschenden Verbot rechtsmissbräuchlichen Handelns. 22 - 9 - Die Revision wendet dagegen ein, ein derartiger Titel sei wegen fehlen-der Bestimmtheit unzulässig; eine [X.]-Verurteilung könne nicht in der Weise ausgesprochen werden, dass dem Schuldner ein bestimmter Gegen-stand oder ein lediglich vergleichbarer anderer Gegenstand anzubieten sei. Das mag zutreffen. Darum geht es hier aber nicht. Vorliegend soll allein festgestellt werden, ob vom Kläger eine andere Version angeboten werden kann, die [X.] wiederum in gleicher Weise individualisiert bezeichnet ist wie die zunächst ausgeurteilte Version. 23 cc) Das Berufungsgericht hat die erforderliche Gleich- oder Höherwertig-keit bei gleichzeitigem Fehlen von Nachteilen für die [X.] nicht festgestellt, sondern offen gelassen. Die erforderlichen Feststellungen werden nunmehr nachzuholen sein. 24 Ganter Gehrlein [X.]

[X.] [X.]
Vorinstanzen: LG Siegen, Entscheidung vom 13.03.2009 - 2 O 257/05 - [X.], Entscheidung vom 12.08.2009 - I-12 U 120/09 -

Meta

IX ZR 175/09

30.09.2010

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.09.2010, Az. IX ZR 175/09 (REWIS RS 2010, 2816)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2816

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 175/09 (Bundesgerichtshof)

Zug-um-Zug-Vollstreckung: Klage auf Feststellung der Übereinstimmung der angebotenen Gegenleistung mit dem Titel und Pflicht zur …


12 U 120/09 (Oberlandesgericht Hamm)


VI ZR 457/20 (Bundesgerichtshof)

Feststellungsklage in einem sog. Dieselfall: Rechtliches Interesse an der Feststellung des Rechtsgrundes der unerlaubten Handlung


X ZR 245/00 (Bundesgerichtshof)


VI ZR 573/20 (Bundesgerichtshof)

Revisionsverfahren: Zulässigkeit der Klageänderung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IX ZR 175/09

12 U 120/09

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.