Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.09.2014, Az. IX ZR 199/13

9. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2589

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Gegenstand

Steuerberaterhaftung: Pflicht zur Einsichtnahme in Jahresberichte des Bundesfinanzhofs; eigenmächtige Rücknahme eines Einspruchs gegen einen Steuerbescheid


Leitsatz

1. Der Steuerberater ist ohne besonderen Anlass nicht verpflichtet, die Jahresberichte des Bundesfinanzhofs einzusehen.

2. Der Steuerberater darf einen im Auftrag des Mandanten eingelegten Einspruch nicht eigenmächtig zurücknehmen.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 3 des [X.] vom 24. Juli 2013 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die beklagte Steuerberatergesellschaft beriet den Kläger steuerlich. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das [X.] machte sie für ihn Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend, die dadurch entstanden waren, dass der Kläger seinen Hauptwohnsitz aus privaten Gründen verlegt, seine Wohnung am Ort seiner beruflichen Tätigkeit aber als Zweitwohnung beibehalten hatte. Das Finanzamt lehnte eine Berücksichtigung dieser Kosten ab. Die Beklagte legte weisungsgemäß Einspruch ein. Nachdem das Finanzamt erklärt hatte, an seiner bisherigen Rechtsauffassung festhalten zu wollen, nahm die Beklagte den Einspruch am 12. Februar 2009 ohne Rücksprache mit dem Kläger zurück.

2

Am 5. März 2009 änderte der [X.] seine Rechtsprechung. Eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung sei auch dann anzunehmen, wenn die Hauptwohnung verlegt und die bisherige Wohnung als Zweitwohnung am Beschäftigungsort beibehalten werde ([X.], [X.], 420; [X.]/06, [X.], 413; VI R 53/07, [X.]; [X.]/08, [X.], 1256).

3

Der Kläger verlangt nunmehr Schadensersatz in Höhe des Betrages, um den sich seine Steuerschuld bei Berücksichtigung des Mehraufwandes reduziert hätte. Das Amtsgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 1.108,06 € nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe

4

[X.]ie Revision bleibt im [X.]rgebnis ohne [X.]rfolg.

I.

5

[X.]as Berufungsgericht hat ausgeführt: [X.]ie nicht mit dem Kläger abgestimmte Rücknahme des [X.]inspruchs stelle eine erhebliche Verletzung der Pflichten aus dem Beratungsvertrag dar. [X.]ie Beklagte hätte von der möglicherweise bevorstehenden Änderung der Rechtsprechung des [X.] wissen müssen. Sie sei zwar nicht gehalten gewesen, eine im [X.] in der [X.]schrift "[X.]er [X.]rtragssteuerberater" ([X.], 27) veröffentlichte [X.] zur Kenntnis zu nehmen, in welcher das Problem behandelt worden sei, weil diese [X.]schrift nicht zur Pflichtlektüre eines Steuerberaters gehöre. Sie hätte jedoch den Jahresbericht des [X.] für das [X.] lesen müssen. [X.]ie im [X.] veröffentlichten Jahresberichte seien frei verfügbar und wiesen - übersichtlich gegliedert - auf wenigen Seiten die wichtigsten anhängigen Revisionsverfahren aus. Im Jahresbericht 2007 sei unter Punkt [X.] 2 unter dem Schlagwort "[X.]oppelte Haushaltsführung in [X.]n" über das im sechsten [X.] anhängige Revisionsverfahren [X.] berichtet worden. Ob der Jahresbericht für das [X.] bereits im Netz gestanden habe und damit für die Beklagte verfügbar gewesen sei, könne dahinstehen. [X.]er [X.] habe dem Verfahren [X.] ersichtlich eine besondere Bedeutung beigemessen. Bei dieser Sachlage sei die Beklagte verpflichtet gewesen, vor der Rücknahme des [X.]inspruchs Rücksprache mit dem Kläger zu nehmen.

II.

6

[X.]iese Ausführungen tragen die angefochtene [X.]ntscheidung nicht. [X.]er Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, dass sie im [X.]punkt der Rücknahme des [X.]inspruchs vom Fortbestand der Rechtsprechung des [X.] zu den Voraussetzungen der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung einer doppelten Haushaltsführung ausgegangen ist.

7

1. Allerdings gab es im [X.]punkt der Rücknahme des [X.]inspruchs am 12. Februar 2009 die vom Berufungsgericht festgestellten Anhaltspunkte für eine bevorstehende Änderung der Rechtsprechung des [X.].

8

a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 [X.]StG in der seinerzeit maßgeblichen Fassung vom 15. [X.]ezember 2003 ([X.] I, 2645) stellten notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstanden, abzugsfähige Werbungskosten dar. [X.]ine doppelte Haushaltsführung lag vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, an dem er einen eigenen Hausstand unterhielt, beschäftigt war und auch am Beschäftigungsort wohnte (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 [X.]StG). [X.]er [X.] verneinte in ständiger Rechtsprechung die berufliche Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung, wenn der Steuerpflichtige die Familienwohnung aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt hatte und von der am Beschäftigungsort beibehaltenen oder von einer dort neu begründeten Zweitwohnung aus seiner bisherigen Beschäftigung weiter nachging ([X.], 322, 325 f; 126, 511, 513 f; 126, 518, 520; vgl. auch [X.], 420, 423); die doppelte Haushaltsführung sei in einem solchen Fall nicht beruflich, sondern privat veranlasst.

9

b) [X.]ie zitierte Rechtsprechung des [X.] wurde in der Kommentar- und [X.] kritisiert (vgl. etwa [X.]/[X.], [X.]StG, 27. Aufl., § 9 Rn. 147 sowie die Nachweise bei [X.], 420, 423). [X.]as Amtsgericht hat eine in der [X.]schrift [X.], 27 veröffentlichte [X.] herangezogen, in welcher auf das Revisionsverfahren [X.] hingewiesen worden ist. [X.]as Revisionsverfahren [X.] wurde überdies in den Jahresberichten des [X.] von 2008 und 2009 erwähnt. Im Jahresbericht 2009 wurden unter der Überschrift "[X.]oppelte Haushaltsführung in [X.]n" weitere anhängige Revisionsverfahren aufgeführt ([X.]/06, [X.]/07 und [X.]). Ob dieser Bericht im [X.]punkt der [X.]inspruchsrücknahme bereits im [X.] abrufbar war, hat das Berufungsgericht allerdings nicht feststellen können. Alle genannten Revisionsverfahren finden sich schließlich auch in der monatlich als Anlage zum Bundessteuerblatt erscheinenden Liste der beim [X.], [X.] und [X.] anhängigen Verfahren in Steuersachen.

2. [X.]er Beklagten gereicht es auf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts jedoch nicht zum Verschulden, dass sie diese Hinweise nicht wahrgenommen hat.

a) Grundsätzlich darf der Steuerberater auf den Fortbestand einer höchstrichterlichen Rechtsprechung vertrauen. Wegen der richtungsweisenden Bedeutung, die höchstrichterlichen [X.]ntscheidungen für die Rechtswirklichkeit zukommt, hat sich der Berater bei der Wahrnehmung seines Mandats grundsätzlich an dieser Rechtsprechung auszurichten; denn von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung pflegt nur in Ausnahmefällen abgewichen zu werden. Maßgeblich ist die jeweils aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung im [X.]punkt der Beratung. Über deren [X.]ntwicklung muss sich der Berater anhand der amtlichen Sammlungen und der einschlägigen Fachzeitschriften unterrichten.

b) [X.]ine Änderung der Rechtsprechung hat der Berater allerdings dann in Betracht zu ziehen, wenn ein oberstes Gericht sie in Aussicht stellt oder neue [X.]ntwicklungen in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft Auswirkungen auf eine ältere Rechtsprechung haben können und es zu einer bestimmten Frage an neueren höchstrichterlichen [X.]rkenntnissen fehlt. [X.]ine Verpflichtung des Beraters, die Rechtsprechung der Instanzgerichte und das Schrifttum einschließlich der [X.] heranzuziehen, kann ausnahmsweise auch dann bestehen, wenn ein Rechtsgebiet aufgrund eindeutiger Umstände in der [X.]ntwicklung begriffen und neue höchstrichterliche Rechtsprechung zu erwarten ist. Hat der Berater eine Angelegenheit aus einem solchen Bereich zu bearbeiten, muss er auch Spezialzeitschriften in angemessener [X.] durchsehen, wobei ihm ein realistischer Toleranzrahmen zuzubilligen ist. [X.]s kommt auf die besonderen Umstände des [X.]inzelfalls an. [X.]abei ist darauf abzustellen, mit welchem Grad an [X.]eutlichkeit ([X.]videnz) eine neue Rechtsentwicklung in eine bestimmte Richtung weist und eine neue Antwort auf eine bisher anders entschiedene Frage nahe legt. Ferner kann ins Gewicht fallen, mit welchem Aufwand - auch an Kosten - der neuen Rechtsentwicklung im Interesse des Mandanten Rechnung getragen werden kann ([X.], Urteil vom 6. November 2008 - [X.], [X.]Z 178, 258 Rn. 9; vom 23. September 2010 - [X.], [X.], 2050 Rn. 17).

c) [X.]er Jahresbericht des [X.] ist nicht Teil der amtlichen Sammlung und gehört nicht zu den einschlägigen Fachzeitschriften, welche ein Steuerberater auszuwerten hat.

aa) Welche [X.]schriften dies sind, hat der [X.] bisher offen gelassen. [X.]ie Frage bedarf auch im vorliegenden Fall keiner [X.]ntscheidung. In Betracht kommen vor allem das vom [X.] herausgegebene Bundessteuerblatt und die von der [X.] herausgegebene [X.]schrift "[X.]". [X.]s muss sich um [X.]schriften handeln, welche die für die Beratungspraxis benötigten Informationen dank einer redaktionellen Aufarbeitung gebündelt auffinden lassen. [X.]a der Berater nicht nur die höchstrichterliche Rechtsprechung, sondern auch die aktuellen [X.]ntwicklungen in Gesetzgebung und Literatur zu verfolgen hat, kann von ihm nicht die Kenntnis jeder einzelnen [X.]ntscheidung des [X.] erwartet werden. Auch reine [X.]ntscheidungssammlungen, etwa die [X.]schrift [X.], braucht er daher nicht vollständig auszuwerten. [X.]r darf vielmehr darauf vertrauen, über etwaige neue Rechtsentwicklungen durch die allgemeinen steuerrechtlichen Fachpublikationen unterrichtet zu werden ([X.], Urteil vom 23. September 2010, aaO, Rn. 24 ff).

bb) Hinsichtlich der noch nicht ergangenen, sondern erst bevorstehenden höchstrichterlichen [X.]ntscheidungen können keine höheren Anforderungen gestellt werden. [X.]in Steuerberater ist nicht gehalten, die monatlich als Anlage zum Bundessteuerblatt erscheinende Liste der beim [X.] anhängigen Verfahren durchzusehen ([X.], Urteil vom 6. November 2008, aaO Rn. 25). Gleiches gilt für die Jahresberichte des [X.]. [X.]em Berufungsgericht ist zuzugeben, dass eine [X.]urchsicht dieser Berichte ohne großen Aufwand möglich ist. Ihnen ist ein Inhaltsverzeichnis vorausgestellt, welches das Auffinden der eingegangenen Revisionen von besonderem Interesse (Abschnitt [X.]) und der zu erwartenden [X.]ntscheidungen von besonderer Bedeutung (Abschnitt [X.]) in den einzelnen Rechtsgebieten erleichtert. Adressat der Jahresberichte ist jedoch nicht der einzelne Steuerberater. Sie stehen im Zusammenhang mit der Jahrespressekonferenz des [X.], auf welcher der Präsident oder die Präsidentin des Gerichts die Geschäftsentwicklung des vergangenen Jahres erläutert, einen Überblick über im Berichtsjahr neu eingegangene wichtige Streitverfahren gibt und zudem auf Verfahren von besonderem Interesse hinweist, die im laufenden Jahr zur [X.]ntscheidung anstehen. [X.]er jeweilige Jahresbericht wird an die Teilnehmer dieser Veranstaltung verteilt und anschließend auf der [X.]seite des Gerichts veröffentlicht. Auch wenn der Bericht also jedermann zugänglich ist, richtet er sich doch vorrangig an die Vertreter der allgemeinen Presse und der Fachpresse, die ihn publizistisch verwerten. [X.]er einzelne Steuerberater kann sich darauf verlassen, die für ihn bedeutsamen Informationen der allgemeinen Presse und der Fachliteratur entnehmen zu können.

d) [X.]ie [X.]schrift "[X.]er [X.]rtragsteuerberater" gehört nicht zur Pflichtlektüre eines Steuerberaters. Gegenteiliges folgt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht daraus, dass "sogar" das Amtsgericht, ein Zivilgericht, den hier einschlägigen Aufsatz [X.], 27 aufgefunden habe. [X.]ine [X.]atenbank-Recherche zum Themenkreis der [X.] mit dem bekannten Aktenzeichen [X.] führt sehr schnell zu diesem Aufsatz und zu weiteren Aufsätzen in der genannten [X.]schrift. Allein deshalb muss diese jedoch nicht von jedem Berater fortlaufend gelesen werden. [X.]ass die seit dem Jahre 2004 beim [X.] anhängigen Revisionsverfahren Gegenstand eines Aufsatzes oder einer Anmerkung in einer allgemeinen Fachzeitschrift gewesen wäre, hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht dargetan. [X.]ntgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist es nicht Sache der Beklagten darzulegen, in welchen von ihr ausgewerteten [X.]schriften das Thema "[X.]" nicht behandelt worden ist. [X.]arlegungs- und beweispflichtig für eine Pflichtverletzung des Beraters ist grundsätzlich der Mandant, der Schadensersatz verlangt.

III.

[X.]as angefochtene Urteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

1. [X.]ie Beklagte hat gegen ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag verstoßen, indem sie den [X.]inspruch gegen den [X.]inkommensteuerbescheid eigenmächtig, ohne Rücksprache mit dem Kläger, zurückgenommen hat.

a) Grundsätzlich ist der rechtliche Berater - der Steuerberater ebenso wie der Rechtsanwalt - verpflichtet, die Weisungen seines Mandanten zu befolgen (vgl. [X.], Urteil vom 20. Februar 1968 - [X.], [X.], 792, 794; vom 10. Juni 1980 - [X.], [X.], 925; vom 20. März 1984 - [X.], [X.], 1024; vom 15. November 2007 - [X.], [X.]Z 174, 205 Rn. 8; [X.] in Zugehör/[X.]/[X.]/[X.]/Rinkler/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 841). Nach § 675 Abs. 1, § 665 [X.] ist er zwar berechtigt, von den Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, dass der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde. Vor der Abweichung hat er jedoch dem Auftraggeber Anzeige zu machen und dessen [X.]ntschließung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist. [X.]er Auftraggeber trägt das Misserfolgs- und Kostenrisiko des Auftrags; deswegen hat er und nicht der Berater die grundlegenden [X.]ntscheidungen darüber zu treffen, in welcher Weise seine Interessen wahrgenommen werden sollen ([X.], aaO Rn. 842, 844). [X.]er Berater darf, auch wenn er über ein höheres Maß an Sachkunde und [X.]rfahrung in schwierigen Rechts- und Sachlagen verfügt, nicht seine [X.]ntscheidung an die Stelle derjeniger seines Mandanten setzen. Weicht der Berater von einer Weisung des Mandanten ab, liegt darin eine Pflichtverletzung, die ihn zum Schadensersatz verpflichten kann ([X.], Urteil vom 15. November 2007, aaO). Anspruchsgrundlage ist insoweit § 280 [X.] (Soergel/[X.], [X.], 13. Aufl., § 665 Rn. 17; MünchKomm-[X.]-[X.], [X.], 6. Aufl., § 665 Rn. 36; [X.]/[X.], [X.] (2006), § 665 Rn. 27; [X.] in [X.]/Wegen/Weinreich, [X.], 9. Aufl., § 665 Rn. 7; vgl. zum alten Schuldrecht Knütel, [X.] 137 (1973), 285, 324 f).

b) Indem die Beklagte den [X.]inspruch zurückgenommen hat, hat sie gegen eine Weisung des [X.] verstoßen. Wird ein Steuerberater beauftragt, [X.]inspruch gegen einen Steuerbescheid einzulegen, heißt das in aller Regel zugleich, dass der auftragsgemäß eingelegte [X.]inspruch durchgeführt und nicht zurückgenommen werden soll. Anhaltspunkte dafür, dass das im vorliegenden Fall anders gewesen sein könnte, hat keine der Parteien vorgetragen.

c) [X.]ie Beklagte ist nach dem Hinweis des zuständigen Finanzamts auf die Aussichtslosigkeit des [X.]inspruchs und aufgrund der ihr bekannten Rechtsprechung des [X.] zu den Voraussetzungen der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Kosten einer doppelten Haushaltsführung wohl davon ausgegangen, dass der Kläger einer Rücknahme des [X.]inspruchs zustimmen würde. Gleichwohl hätte sie ihn von ihrer Absicht, den [X.]inspruch zurückzunehmen, in Kenntnis setzen und seine [X.]ntscheidung abwarten müssen. Ausreichend [X.] hätte sie gehabt. [X.]ass Gefahr im Verzug gewesen wäre, hat die für die tatsächlichen Voraussetzungen einer berechtigten Abweichung nach § 665 [X.] darlegungs- und beweispflichtige Beklagte (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], aaO Rn. 40) nicht vorgetragen. Ihr Handeln war schuldhaft; denn seine Vertragspflichten, insbesondere die Vorschrift des § 665 [X.], hat der Steuerberater zu kennen.

2. [X.]ie in der unterbliebenen Rückfrage liegende Pflichtverletzung hat den geltend gemachten Schaden verursacht.

a) Verletzt der Steuerberater eine Vertragspflicht, so kann der Mandant [X.]rsatz des hierdurch entstandenen Schadens verlangen (§ 280 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Zwischen der Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden muss also eine ursächliche Verknüpfung in dem Sinne bestehen, dass das dem Berater vorgeworfene Handeln oder Unterlassen nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der [X.]rfolg entfällt ([X.] in Zugehör/[X.]/[X.]/[X.]/Rinkler/[X.], aaO Rn. 1097). Wird dem Berater ein Unterlassen vorgeworfen, ist folglich zu prüfen, ob der [X.]rfolg auch dann eingetreten wäre, wenn die unterbliebene Handlung vorgenommen worden wäre. Im hier gegebenen Fall eines Verstoßes gegen die aus § 665 Satz 2 [X.] folgende Pflicht zur Rücksprache mit dem Mandanten setzt eine Schadensersatzpflicht daher voraus, dass der Mandant eine andere Weisung erteilt hätte ([X.]/[X.], [X.] (2006) § 665 Rn. 27). [X.]amit ist ein hypothetischer Kausalverlauf zu prüfen. [X.]ntgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] geäußerten Ansicht des [X.] und [X.] geht es insoweit jedoch nicht um die Fragen des rechtmäßigen Alternativverhaltens und der hypothetischen Kausalität, sondern allein um die Anspruchsvoraussetzung der Kausalität der unterlassenen Nachfrage für den entstandenen Schaden (vgl. [X.], aaO Rn. 1098; [X.], Urteil vom 16. Juni 1988 - [X.], [X.], 1454, 1156 f zur [X.]; vom 2. Juli 1992 - [X.], [X.], 2020, 2022 zur Anwaltshaftung).

b) Feststellungen dazu, wie sich der Kläger auf eine Rückfrage der Beklagten hin verhalten hätte, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. In den Tatsacheninstanzen hat die Beklagte mehrfach vorgetragen, dass der Kläger dann, wenn er auf die ablehnende Stellungnahme des Finanzamtes hingewiesen worden wäre, den [X.]inspruch zurückgenommen hätte. [X.]er Kläger hat demgegenüber darauf verwiesen, dass er [X.]inspruch eingelegt habe, um eine [X.]ntscheidung in der Sache zu erreichen. [X.]arlegungs- und beweispflichtig für den Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden ist der geschädigte Mandant ([X.], Urteil vom 30. September 1993 - [X.], [X.]Z 123, 311, 313; vom 5. Februar 2009 - [X.], [X.], 715 Rn. 7). [X.]er Kläger, der insbesondere gemäß § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO seine Vernehmung als Partei hätte anbieten können (vgl. [X.], Urteil vom 16. Oktober 2003 - [X.], [X.], 472, 474; vom 21. Juli 2005 - [X.], [X.], 2110, 2111), hat in den Tatsacheninstanzen keinen Beweis angetreten.

c) [X.]er Kläger hätte allerdings auch von Amts wegen vernommen werden können (vgl. [X.], Urteil vom 18. Mai 2006 - [X.], [X.], 1736 Rn. 18); dazu oder zu einem rechtlichen Hinweis (§ 139 ZPO) haben die Vorinstanzen von ihrem abweichenden rechtlichen Standpunkt aus keinen Anlass gesehen. Im [X.]rgebnis erweist sich die Klage unabhängig von der unterbliebenen Beweisaufnahme als begründet, so dass der [X.] von der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht abzusehen und die Revision der Beklagten zurückzuweisen hat (§ 563 Abs. 3 ZPO).

aa) [X.]ie Frage, wie sich der Mandant auf eine gemäß § 665 Satz 2 [X.] geschuldete Rückfrage verhalten hätte, gehört ebenso wie diejenige nach der Reaktion auf eine pflichtgemäße Beratung hin zur haftungsausfüllenden Kausalität, die nach § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen ist ([X.], Urteil vom 11. Mai 1995 - [X.], [X.]Z 129, 386, 399; vom 20. März 2008 - [X.], [X.], 1042 Rn. 12; [X.], aaO Rn. 1100; [X.], Anwalts- und Steuerberaterhaftung, 2. Aufl., [X.]). Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kommen im Rahmen der Beraterhaftung unter bestimmten Voraussetzungen Beweiserleichterungen in Betracht, dann nämlich, wenn im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände der [X.] zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und einem bestimmten Verhalten des Mandanten typischerweise gegeben ist. [X.]s handelt sich um einen Anwendungsfall des Anscheinsbeweises ([X.], Urteil vom 30. September 1993 - [X.], [X.]Z 123, 311, 314 ff; vom 20. März 2008 - [X.], [X.], 1042 Rn. 12; Beschluss vom 15. Mai 2014 - [X.], [X.], 1379 Rn. 2; [X.], aaO Rn. 1113).

bb) Im vorliegenden Fall spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Kläger die Anregung des Finanzamtes und der Beklagten, den [X.]inspruch zurückzunehmen, nicht aufgegriffen hätte. [X.]r hatte trotz der seinem Anliegen entgegenstehenden Rechtsprechung des [X.] [X.]inspruch gegen den Steuerbescheid einlegen lassen. [X.]r konnte die steuermindernde Berücksichtigung der Kosten der doppelten Haushaltsführung nur dann erreichen, wenn er den [X.]inspruch aufrecht erhielt und nicht zurücknehmen ließ. Gründe, die aus Sicht des [X.] für eine Rücknahme des [X.]inspruchs sprechen könnten, sind von der Beklagten nicht dargetan worden und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere konnte der Kläger, wie er im Berufungsverfahren dargelegt hat, hierdurch keine Kosten sparen. [X.]ie Kosten der Steuerberatung waren bereits mit der [X.]inlegung und Begründung des [X.]inspruchs angefallen; die [X.]inspruchsentscheidung des Finanzamts wäre kostenfrei ergangen.

[X.]                     [X.]                        Lohmann

            Pape                        Möhring

Meta

IX ZR 199/13

25.09.2014

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Stendal, 24. Juli 2013, Az: 23 S 2/13

§ 280 BGB, § 665 BGB, § 675 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.09.2014, Az. IX ZR 199/13 (REWIS RS 2014, 2589)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 770 REWIS RS 2014, 2589

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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