Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.01.2024, Az. 6 StR 551/23

6. Strafsenat | REWIS RS 2024, 333

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. August 2023, soweit es ihn betrifft, aufgehoben

a) im Ausspruch über die Strafe im Fall II.2 der Urteilsgründe,

b) im [X.].

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls mit Waffen sowie wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsanordnung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Nach den zu Fall II.2 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen hielten der Angeklagte und der Mitangeklagte den [X.]    über mehrere Stunden in einem Kellerraum fest. In dieser Zeit rief der Mitangeklagte die Mutter und die Großmutter des Opfers an und teilte ihnen jeweils mit, der Zeuge sei in ihrer Gewalt und sie würden ihm etwas antun, wenn die Verwandten nicht 5.000 Euro zahlten. Während dieser Telefonate schlug der Angeklagte auf das Opfer ein, um die Drohungen zu untermauern. Da die Mutter und die Großmutter des Opfers sich weigerten, Geld zu zahlen, erkannten die Angeklagten schließlich, dass sie mit ihren Forderungen gescheitert waren. Sie ließen es jedoch erst frei, als zwei unbekannt gebliebene Männer die Angeklagten aufforderten, das Opfer gehen zu lassen. Der Mitangeklagte ließ sich von dem Opfer zuvor noch die [X.] Zahlung von 5.000 Euro zusagen. Dass sich der Angeklagte an dieser Forderung beteiligte, hat die [X.] nicht feststellen können.

3

2. [X.] der Urteilsgründe hat keinen Bestand. Die [X.] hat das Vorliegen tätiger Reue gemäß § 239a Abs. 4 Satz 1 StGB verneint, weil der Angeklagte nicht „freiwillig“ von der Tat zurückgetreten sei. Das ist rechtsfehlerhaft.

4

Tätige Reue im Sinne des § 239a Abs. 4 Satz 1 StGB liegt schon dann vor, wenn der Täter das Opfer unter vollständigem Verzicht auf die erstrebte Leistung in seinen Lebensbereich zurückgelangen lässt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. September 2016 – 1 StR 293/16, [X.], 412; vom 24. März 2020 – 6 StR 18/20, NStZ-RR 2020, 347; [X.] in [X.]/[X.], StGB, 30. Aufl., § 239a Rn. 33 ff.). Die Vorschrift setzt keine Freiwilligkeit voraus. Dies folgt aus ihrem Wortlaut und dem Gegenschluss zu anderen Regelungen (wie etwa § 306e sowie § 320 StGB), bei denen tätige Reue ein freiwilliges Handeln des [X.] voraussetzt. Es kommt daher nicht darauf an, aus welchen Motiven der Täter handelt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 21. Mai 2003 – 1 [X.], [X.], 605; vom 24. März 2020 – 6 StR 18/20, NStZ-RR 2020, 347; [X.] in [X.]/[X.], aaO, Rn. 40; Rengier, Strafrecht [X.], 24. Aufl., § 24 Rn. 41). Dass die Angeklagten – naheliegender Weise – auch in Anbetracht der Erkenntnis fehlender Erfolgsaussicht vom Geschädigten abließen, steht der Annahme tätiger Reue mithin nicht entgegen.

5

Auch im Übrigen liegen die Voraussetzungen von § 239a Abs. 4 Satz 1 StGB vor: So hat der Angeklagte vollständig und endgültig auf die Geldforderung verzichtet. Die Anwendung der Vorschrift scheidet auch nicht deshalb aus, weil der Mitangeklagte das Opfer nur gegen das Versprechen in die Freiheit entließ, 5.000 Euro [X.] zu zahlen. Denn die Voraussetzungen des § 239a Abs. 4 Satz 1 StGB sind für jeden Tatbeteiligten gesondert zu prüfen (vgl. [X.] in [X.]/[X.], aaO, Rn. 42; MüKo-StGB/[X.], 4. Aufl., § 239a Rn. 99).

6

Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der im Fall II.2 der Urteilsgründe festgesetzten Strafe. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] bei Anwendung des § 239a Abs. 4 Satz 1 StGB zur Annahme eines minder schweren Falls im Sinne des § 239a Abs. 2 StGB oder einer Strafrahmenverschiebung und damit zu einer milderen Sanktion gelangt wäre. Die Aufhebung der Strafe entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt, können die getroffenen Feststellungen bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.

Feilcke     

      

Tiemann     

      

Wenske

      

von [X.]     

      

Arnoldi     

      

Meta

6 StR 551/23

23.01.2024

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Lüneburg, 15. August 2023, Az: 111 KLs 4/23

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.01.2024, Az. 6 StR 551/23 (REWIS RS 2024, 333)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 333

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6 StR 18/20

1 StR 293/16

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