Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.07.2014, Az. 1 StR 196/14

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 3819

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 196/14

vom
23. Juli
2014
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
Steuerhinterziehung

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 23. Juli
2014
gemäß §
44, §
46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 [X.]
beschlossen:

1. Der Antrag des Angeklagten S.

auf Wiederein-setzung in den vorigen Stand zur Erhebung von [X.] wird verworfen.
2. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 6. November 2013, soweit es sie [X.], aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der [X.], an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.]s zurückverwiesen.
4. Die weitergehenden Revisionen der
Angeklagten werden [X.].

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten H.

wegen Steuerhinterzie-hung in 31 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt.
Den Angeklagten S.

hat es der [X.] schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheits-strafe von fünf Jahren und drei Monaten verhängt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte H.

mit der näher ausgeführten Sachrüge. Der An-geklagte S.

macht neben der ebenfalls näher ausgeführten [X.]
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letzung materiellen Rechts auch Verfahrensbeanstandungen geltend. Die Rechtsmittel haben auf die Sachrügen hin weitgehend Erfolg.
Der Angeklagte H.

hat darüber hinaus sofortige Beschwerde ge-gen die Kosten-
und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils einge-legt.
I.
Nach den Feststellungen des [X.]s hat der Angeklagte H.

als Geschäftsführer der [X.]

GmbH (nachfolgend: [X.]

) durch die Einbindung der Gesellschaft in ein europaweit tätiges sog. [X.] im Zeitraum von Oktober 2009 bis April 2012 zugunsten der [X.]

eine Verkürzung von Umsatzsteuer in einer Gesamthöhe von 8.105.555,09 Euro bewirkt. Die
Gesellschaft war in ein im Wesentlichen von [X.] Hintermännern gesteuertes [X.] regelmäßig als sog. Buffer in einer sich über mehrere Glieder erstreckenden Lieferkette von Soft-
und [X.] eingebunden.
Der Angeklagte S.

war als Mitarbeiter der D.

, einer Hauptabnehmerin der [X.]

in der dem Karussell zugrunde liegenden Lieferkette, tätig. Durch das Einstellen von Rechnungen der [X.]

in die Buchhaltung der D.

sowie der sich daran anschließenden Geltendma-chung von Vorsteuer aus diesen Rechnungen bewirkte der Angeklagte S.

für den Zeitraum zwischen März 2009 und April 2012 eine Hinterziehung von Umsatzsteuern zugunsten der D.

in Höhe von 6.777.209,15 Euro.
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4
-
Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das [X.] die beiden Beschwerdeführer jeweils wegen Steuerhinterziehung in der vorstehend ge-nannten Anzahl von Fällen verurteilt. Dabei ist es ersichtlich jeweils von vollen-deten Taten ausgegangen.

II.
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen bezüglich beider Angeklagter diese Schuldsprüche nicht. Das [X.] hat weder ausdrück-lich festgestellt, ob die in den einzelnen Tatzeiträumen zu Unrecht zugunsten der beiden Gesellschaften geltend gemachten Vorsteuern zu einer Steuerver-gütung (§
168 Satz 2 [X.]) oder zu einer Zahllast (§
168 Satz
1 [X.]) der Unter-nehmen geführt haben, noch lässt sich dies dem Gesamtzusammenhang des Urteils entnehmen. Von dem Vorliegen einer Steuervergütung oder einer Zahl-last hängt aber ab, ob die Steuerhinterziehung (§
370 Abs.
1 Nr.
1 [X.])

hier von Umsatzsteuer

vollendet ist oder diese lediglich das Versuchsstadi-um erreicht hat.
1.
Die gegen die vorgenannten Feststellungen und die ihnen zugrunde
liegende Beweiswürdigung gerichteten Angriffe der Revisionen bleiben ohne Erfolg.
a)
Soweit die Revision
des Angeklagten S.

die tatrichterli-chen Feststellungen mit verschiedenen Verfahrensrügen angreift, sind diese Beanstandungen entgegen den gesetzlichen Vorgaben nicht innerhalb der Frist des §
345 Abs.
1 [X.] erhoben worden und schon deshalb erfolglos.
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5
-
aa)
Das Urteil ist dem Verteidiger am 29.
Januar 2014 zugestellt worden. Die Monatsfrist zur Begründung der Revision endete damit gemäß §
43 Abs.
1 [X.] am Freitag, dem 28.
Februar 2014. Der Verfahrensrügen enthaltende Schriftsatz des Verteidigers ging aber erst am 3.
März 2014 ein; die in dem Schriftsatz in Bezug genommenen Anlagen sogar erst am 7.
März 2014.
bb)
Dem mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 25.
Juni 2014 gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

nach der Auslegung (§
300 [X.]) des [X.]s

in die Versäumung der [X.] mit dem Ziel, Verfahrensrügen nachzuholen, war nicht zu entsprechen.
Dabei kann der [X.] offenlassen, ob der Antrag überhaupt zulässig er-hoben ist. Er erhält entgegen §
45 Abs.
1 Satz
1 i.V.m. Abs.
2 Satz
1 [X.] kei-ne Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses (zu diesem Er-fordernis [X.], Beschlüsse vom 3.
Dezember 2013

1
StR 412/13; vom 27.
Januar 2014

4 StR 376/13). Insbesondere wird nicht vorgetragen, zu wel-chem Zeitpunkt der Angeklagte Kenntnis von dem Wegfall des Hindernisses erlangt hat. Darauf kommt es aber für den Beginn der Wochenfrist
aus §
45 Abs.
1 Satz
1 [X.] an ([X.], Beschluss vom 3.
Dezember 2013

1
StR 412/13).
Der Antrag ist jedenfalls unbegründet. Nach der Rechtsprechung des [X.] kommt bei einer

wie hier durch die Revisionsbegründung des Verteidigers vom 13.
November 2013

bereits form-
und fristgerecht be-gründeten Revision eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht ([X.], [X.] vom 10. Juli 2012

1 [X.], [X.], 316; vom 25.
September 2012

1 [X.], [X.], 34) und ausnahmsweise le-diglich dann in Betracht, wenn der Beschwerdeführer unverschuldet durch äu-ßere Umstände oder unvorhersehbare Zufälle daran gehindert war, eine Ver-9
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-
fahrensrüge rechtzeitig formgerecht zu begründen ([X.], Beschluss vom 18.
Juni 2008

2 [X.], NStZ 2008,
705, 706
Rn.
4 mwN). Eine Aus-nahme greift zudem in besonderen [X.] ein, wenn dies zur Wah-rung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) unerlässlich erscheint ([X.], Beschluss vom 10. Juli 2007

1 [X.], [X.], 316 mwN). Eine solche Ausnahmesituation wird nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Dem rechtzeitigen Erheben von [X.] stand lediglich ein fehlerhaftes Verständnis der Berechnung der Monatsfrist nach Maßgabe von §
43 Abs.
1 [X.] entgegen.
cc)
Im Übrigen entsprächen die verspätet erhobenen Verfahrensrügen sämtlich nicht den Anforderungen aus §
344 Abs.
2 Satz
2 [X.]. Darauf hat der [X.] in seiner Antragsschrift vom 3.
Juni 2014 hingewie-sen. Insoweit ergänzend bemerkt der [X.], dass bei den als Verstöße gegen

244 Abs.
2, 267 Abs.
3, Abs.

März 2014 S.
8-16) überschriebenen Verfahrensbeanstandungen bereits die Angriffsrichtung der Rüge nicht ausreichend zu erkennen ist. Soweit
allein die Verletzung von §
244 Abs.
2 [X.] mit dem Vorbringen, der Geschäftsführer der D.

und der r-is-behauptungen. Entsprechendes gilt auch für die übrigen Verfahrensrügen, mit denen (auch) jeweils die
Verletzung der
Aufklärungspflicht geltend gemacht wird.
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7
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b)
Wie in der Antragsschrift des [X.]s zutreffend auf-gezeigt wird, beschränken sich die Beanstandungen der Revision des Ange-klagten H.

auf den in der Revision unbeachtlichen Versuch, eine eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Tatgerichts zu setzen und [X.] Geschehen zum Gegenstand des Rechtsmittels zu machen. Revi-sible Rechtsfehler in der Beweiswürdigung werden nicht aufgezeigt.
c)
Gleiches gilt für die Revision des Angeklagten S.

, so-weit er sich mit der Sachrüge gegen die Feststellungen und die Beweiswürdi-gung des [X.]s wendet.
2.
Den bislang getroffenen Feststellungen lässt sich aber weder für den Angeklagten
H.

noch für
den Angeklagten S.

entneh-men, ob es sich bei den verfahrensgegenständlichen Taten um vollendete oder lediglich um versuchte Hinterziehungen der Umsatzsteuer handelt.
§
370 Abs.
1 [X.] ist nicht lediglich ein Erklärungs-, sondern auch ein [X.]. Vollendung tritt erst ein, wenn der Täter durch seine Tathandlung Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuer-vorteile erlangt hat ([X.], Urteil vom 19.
März 2013

1 [X.], [X.]R [X.] § 370 Abs.
1 Nr.
1 Vollendung 3 mwN). Liegt wie hier bei allen verfahrensge-genständlichen Taten beider revidierender Angeklagter eine Voranmeldung der Umsatzsteuer zugrunde, tritt für die Fälle der Herabsetzung der bisher zu ent-richtenden Steuer oder der Steuervergütung der tatbestandliche Verkürzungs-erfolg erst aufgrund der gemäß §
168 Satz
2 [X.] erforderlichen Zustimmung der
Finanzbehörde ein. In den Konstellationen des §
168 Satz
1 [X.] ist die Steuer-hinterziehung dagegen bereits mit der (unrichtigen) Anmeldung vollendet ([X.] aaO; siehe auch [X.], Beschluss vom 5.
Februar 2014

1 StR 422/13, [X.], 335, 336).
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8
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Das [X.] hat sich sowohl bezüglich der Steuerhinterziehung zu-gunsten der [X.]

(Angeklagter H.

) als auch bezüglich derjeni-gen zugunsten der D.

(Angeklagter S.

) auf die [X.] Erfassung der sich in den relevanten [X.] ergeben-den Verkürzungsbeträge beschränkt (UA S.
68/69 und UA S.
82/83). Daraus allein lässt sich aber nach dem Vorstehenden nicht ableiten, ob bereits mit den jeweiligen Voranmeldungen ein [X.] eingetreten ist oder nicht. Der [X.] vermag auch dem Gesamtzusammenhang des Urteils keine ent-sprechenden Anhaltspunkte zu entnehmen. Zu möglichen Zustimmungserklä-rungen der zuständigen Finanzbehörden verhält sich das Urteil in Bezug auf die beiden begünstigten Unternehmen nicht.
Angesichts der damit nach den bisherigen Feststellungen nicht ausge-schlossenen Möglichkeit, dass es sich bei sämtlichen verfahrensgegenständli-chen Konstellationen lediglich um Versuchstaten handelt, hebt der [X.] das Urteil auf, soweit es die Angeklagten H.

und S.

betrifft. Die Sache war daher im Umfang der Aufhebung zurückzuverweisen.
3.
Da die getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei sind (oben II.1.), bleiben diese aufrechterhalten. Das gilt auch bezüglich der
für
die Strafzumes-sung bedeutsamen Feststellungen über die Höhe der hinsichtlich der sog. mis-sing trader dem Fiskus entstandenen Steuerschäden. Ergänzende, den bisher getroffenen nicht widersprechende Feststellungen zu den Voraussetzungen von §
168 Satz
1 oder Satz
2 [X.] sind möglich und erforderlich.

III.
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Aus den in der Antragsschrift des [X.]s genannten Gründen war die Aufhebung nicht gemäß §
357 Satz
1 [X.] auf den nicht [X.] Mitangeklagten De.

zu erstrecken. Dieser hat die ihm vorgewor-fenen Steuerhinterziehungen zugunsten eines anderen Unternehmens began-gen. Es handelt sich damit um andere Taten, als diejenigen, wegen derer die Beschwerdeführer verurteilt worden sind.

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-
IV.
Die sofortige Beschwerde (§
464 Abs.
3 [X.]) des Angeklagten H.

gegen die Kosten-
und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils ist gegenstandslos, weil der [X.] das angefochtene Urteil auch insoweit auf-gehoben und an ein anderes Tatgericht zurückverwiesen hat.
[X.] am Bundesge-
richtshof Dr. Raum ist wegen Urlaubs-
abwesenheit an der Unterschrifts-
leistung gehindert.

[X.] [X.] Jäger

Cirener

Radtke
22

Meta

1 StR 196/14

23.07.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.07.2014, Az. 1 StR 196/14 (REWIS RS 2014, 3819)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3819

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