Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.12.2013, Az. 2 B 79/13

2. Senat | REWIS RS 2013, 268

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Gegenstand

Gesetzgebungszuständigkeiten für das Besoldungs- und Versorgungsrecht; Absenkung des Besoldungs- und Versorgungsniveaus; Versorgungsrücklage


Leitsatz

1. Die Landesgesetzgeber waren bereits vor dem Übergang der Gesetzgebungszuständigkeit für das Besoldungs- und Versorgungsrecht befugt, für ihren Bereich ein Sondervermögen Versorgungsrücklage nach Maßgabe des Regelungsprogramms des § 14a BBesG a.F. zu bilden.

2. Die verminderten Besoldungs- und Versorgungsanpassungen nach § 14a BBesG dienen neben dem Aufbau von Versorgungsrücklagen auch dem Zweck, das Besoldungs- und Versorgungsniveau dauerhaft abzusenken.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] kann keinen Erfolg haben. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO liegen nicht vor.

2

1. Der Kläger, der als Landesbeamter im Dienst der Beklagten steht, fordert die Nachzahlung von Besoldung, um die Verminderung der Besoldungs- und Versorgungsanpassungen gegenüber den Tariferhöhungen von dreimal 0,2 % in den Jahren 1999 bis 2002 sowie deren Fortschreibung durch den [X.] von 0,6 % in den Folgejahren auszugleichen.

3

Die durch [X.] und [X.] eingesparten Mittel führte das Land auf der Grundlage des [X.] - [X.] - vom 16. November 1999 ([X.]. [X.]), geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2002 ([X.]. [X.]), dem Sondervermögen "Niedersächsische Vermögensrücklage" zu. Nach diesem Gesetz sollten die Rücklagen eingesetzt werden, um daraus ab 2018 gleichmäßig fünfzehn Jahre lang die Aufwendungen für die Beamtenversorgung zu bestreiten.

4

Die Errichtung des Sondervermögens sowie die Zuführung und Verwendung der Mittel waren durch § 14a [X.] in der Fassung von Art. 5 Nr. 4 des [X.] vom 29. Juni 1998 ([X.]) vorgegeben. Die [X.] sollten die Versorgungsleistungen angesichts der demographischen Veränderungen und des Anstiegs der Zahl der Versorgungsempfänger sicherstellen. Zugleich sollte das Besoldungs- und Versorgungsniveau gleichmäßig abgesenkt werden (§ 14a Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.]).

5

Demgegenüber bestimmt das Gesetz zur Änderung des [X.] vom 28. Oktober 2009 ([X.]. [X.]), dass dem Sondervermögen für die Haushaltsjahre ab 2010 keine Mittel mehr zugeführt werden (§ 6 Abs. 3). Die vorhandenen [X.] dürfen ab dem Haushaltsjahr 2009 nach Maßgabe des Haushalts für [X.] eingesetzt werden (§ 2 Satz 1 und 2).

6

Nach Auffassung des [X.] hat der vorzeitige Zugriff auf die [X.] die Geschäftsgrundlage für die Besoldungs- und Versorgungsabsenkungen entfallen lassen und Nachzahlungsansprüche ausgelöst. Die Klage auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Absenkungen von 1999 bis 2002 und des [X.]s ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. In dem Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, nach der Rechtsprechung des [X.]esverfassungs- und des [X.] seien die Absenkungen des Besoldungs- und [X.] verfassungskonform. Der Landesgesetzgeber sei berechtigt gewesen, die vorzeitige Verwendung der [X.] anzuordnen.

7

2. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass sie eine Rechtsfrage von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. Beschluss vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - [X.] 237.7 § 15 [X.] Nr. 9 = NVwZ-RR 2011, 329 ).

8

a) Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen können ohne weiteres aufgrund des Wortlauts der einschlägigen Vorschriften und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu den [X.] beantwortet werden.

9

a) Dies gilt zunächst für die Frage, ob der Landesgesetzgeber durch das Änderungsgesetz vom 28. Oktober 2009 (a.a.[X.]) die sich aus Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG ergebende Befugnis zur Ersetzung des § 14a [X.] rechtswirksam wahrgenommen hat. Der Beschwerdevortrag des [X.] berücksichtigt nicht, dass der Landesgesetzgeber bereits für den Erlass des [X.] mit Wirkung vom 1. Januar 1999 eine eigene Gesetzgebungszuständigkeit besaß.

Bis zum 31. August 2006 hatte der [X.] nach Art. 74a [X.] die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für die Besoldung und Versorgung aller Beamten (Grundsatz der bundeseinheitlichen Besoldung und Versorgung). Art. 74a [X.] ist durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 ([X.]) mit Wirkung vom 1. September 2006 aufgehoben worden. Seitdem besteht für die Besoldung und Versorgung der Landesbeamten eine Gesetzgebungszuständigkeit der Länder (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG).

Zuvor hatten die Landesgesetzgeber nach Art. 72 Abs. 1 GG a.F. die Regelungsbefugnis für Materien der konkurrierenden Gesetzgebung nur, solange und soweit der [X.] von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hatte. Die Sperrwirkung für die Gesetzgebung der Länder setzte voraus, dass ein [X.]esgesetz die Materie abschließend regelte. Dies war durch die Gesamtwürdigung des betreffenden [X.] zu ermitteln. Die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder war eröffnet, wenn das [X.]esgesetz für einen Teilbereich der Materie keine Regelungen traf und auch kein bewusster Regelungsverzicht vorlag oder wenn es einen Teilbereich ausdrücklich den Landesgesetzgebern überließ ([X.], Beschluss vom 29. März 2000 - 2 BvL 3/96 - [X.]E 102, 99 <114 f.>; Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02 - [X.]E 109, 190 <229 f.>).

Nach § 14a [X.] in der Fassung von Art. 5 Nr. 4 des [X.] vom 29. Juni 1998 ([X.]) hat der [X.]esgesetzgeber bestimmt, dass [X.] als Sondervermögen mit denjenigen Mitteln gebildet werden, die durch die Verminderung der Besoldungs- und Versorgungsanpassungen um 0,2 % und deren Fortschreibung durch den [X.] eingespart werden. [X.] und Länder wurden verpflichtet, diese Mittel dem Sondervermögen zuzuführen. Damit werden zwei Zielsetzungen verfolgt: Zum einen soll Vorsorge getroffen werden, um die Leistungen der Beamtenversorgung angesichts der demographischen Veränderungen und des Anstiegs der Zahl der Versorgungsempfänger sicherzustellen. Daher darf die [X.] nur zur Finanzierung von Versorgungsausgaben verwendet werden. Zum anderen sollte das Besoldungs- und Versorgungsniveau in gleichmäßigen Schritten abgesenkt werden. Dadurch sollte ein gewisser Gleichlauf mit Kürzungen in der gesetzlichen Rentenversicherung hergestellt werden (vgl. § 14a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 bis 3 [X.]).

Nach § 14a Abs. 4 [X.] wird das Nähere, insbesondere Bestimmungen über Verwaltung und Anlage der Sondervermögen, durch Gesetz geregelt. Ein derartiges Gesetz hat der [X.]esgesetzgeber nur für den Bereich des [X.]es erlassen ([X.]gesetz - [X.] - vom 9. Juli 1998, [X.]). Danach wurden die Mittel, die durch die Verminderung der Besoldungs- und Versorgungsanpassungen der unmittelbaren und mittelbaren [X.]esbeamten eingespart wurden, zur Sicherung der [X.] des [X.]es dem Sondervermögen "[X.] des [X.]es" zugeführt (vgl. §§ 1 bis 3 und § 6 [X.]). Das Sondervermögen ist nach Abschluss der Zuführung der Mittel, gegenwärtig ab 2018 über einen [X.]raum von 15 Jahren zur schrittweisen Entlastung von [X.] einzusetzen (§ 7 Satz 1 [X.] i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. März 2007; [X.] S. 482).

Angesichts des umfassenden, alle Dienstherrn betreffenden Regelungsprogramms des § 14a [X.] lässt der Erlass eines [X.]gesetzes nur für den [X.]esbereich den Schluss zu, dass der [X.]esgesetzgeber von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 74a [X.] in Bezug auf [X.] der Länder keinen Gebrauch gemacht hat. Demzufolge waren die Landesgesetzgeber berechtigt und verpflichtet, das bindende Regelungsprogramm des § 14a [X.] für ihren Bereich durch den Erlass von [X.]gesetzen umzusetzen.

Durch den Übergang der Gesetzgebungszuständigkeit für das Besoldungs- und Versorgungsrecht der Landesbeamten auf die Länder mit Wirkung vom 1. September 2006 entfiel die Bindung an die Vorgaben des § 14a [X.]. Ab diesem [X.]punkt ist den Landesgesetzgebern durch Art. 125 Abs. 1 Satz 2 GG die Möglichkeit eröffnet, das Regelungsprogramm des § 14a [X.] zu ersetzen. Sie sind unter Beachtung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Strukturprinzipien des Besoldungs- und Versorgungsrechts berechtigt, für die Zukunft eigenständige, von § 14a [X.] abweichende Regelungen für die [X.] des Landes zu treffen.

Im Übrigen weicht das Niedersächsische [X.]gesetz - [X.] - vom 16. November 1999 ([X.]. [X.]) von der Konzeption des § 14a [X.] insoweit nicht ab, als es an der zweckgebundenen Verwendung der [X.] für [X.] festhält (§ 2 Satz 1 und 2). Zudem begrenzt auch das Regelungsprogramm des § 14a [X.] die Zuführung von Mitteln in das Sondervermögen auf die [X.] bis Ende 2017 und sieht den Einsatz der Vermögensrücklage nach Ende der Zuführungsphase vor (§ 14a Abs. 2 Satz 1 bis 3 [X.]). Daher unterscheidet sich die Konzeption des [X.] 2009 von derjenigen des § 14a [X.] vor allem dadurch, dass sie die Zuführungsphase bereits 2009 beendet. Dies begegnet im Hinblick auf die grundgesetzliche Kompetenzordnung keinen Bedenken (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27, Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG).

b) Die Frage, ob die allgemeine haushaltsrechtliche Nutzung der Vermögensrücklage mit dem Zweck der [X.] vereinbar ist, stellt sich schon deshalb nicht, weil der Landesgesetzgeber die Zweckbindung der Rücklage nicht aufgehoben hat. Dies ergibt sich unmissverständlich aus § 2 Satz 1 und 2 [X.] 2009. Nach Satz 1 dürfen die [X.] nur für [X.] verwendet werden. Daran anknüpfend bestimmt Satz 2 der Vorschrift, dass sie für diesen Zweck ab dem Haushaltsjahr 2009 nach Maßgabe des Haushalts eingesetzt werden dürfen. Angesichts der fortbestehenden Zweckbindung bringt der Zusatz "nach Maßgabe des Haushalts" zum Ausdruck, dass es der Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers obliegt, in welcher Höhe er in den Haushaltsjahren ab 2009 dem Sondervermögen Mittel für [X.] entnimmt.

c) Mit der Frage, ob Beamte Anspruch auf eine gewisse Verlässlichkeit langfristig geplanter dienstrechtlicher Strukturen haben, spricht der Kläger der Sache nach an, ob das vorzeitige Ende der Mittelzuführung subjektive Rechte der Beamten verletzt. Jedoch benennt er weder eine Vorschrift noch einen Rechtsgrundsatz, aus dem sich eine Verletzung seiner Rechte ergeben könnte. Hierfür genügt der bloße Verweis auf den Charakter des Beamtenverhältnisses als Dienst- und Treueverhältnis mit [X.] der Beamten und Fürsorgepflichten des Dienstherrn nicht.

Im Übrigen haben [X.]esverfassungs- und [X.]esverwaltungsgericht entschieden, dass die Besoldungs- und Versorgungsansprüche der Beamten, die sich aus der Verminderung der Anpassungen um dreimal 0,2 % in den Jahren 1999 bis 2002 und aus dem fortwirkenden [X.] von 0,6 % ergaben, nicht verfassungswidrig zu niedrig sind. Die verminderte Besoldung und Versorgung stellt weder eine Verletzung des hergebrachten Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentation noch des rechtsstaatlichen Grundsatzes des Vertrauensschutzes. Sie waren aufgrund der geringen Höhe nicht geeignet, die Beamtenbesoldung von der allgemeinen Wirtschafts- und Einkommensentwicklung abzukoppeln. Auch können Beamte nicht darauf vertrauen, dass Besoldungs- und Versorgungsanpassungen exakt den [X.] entsprechen. Den Beamten wurde kein eigener Beitrag zur Finanzierung ihrer Altersversorgung abverlangt, weil die der [X.] zugeführten Mittel nicht aus ihrem Vermögen stammten ([X.], [X.] vom 24. September 2007 - 2 BvR 1673/03 u.a. - NVwZ 2008, 195 <196 f.>; BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 - BVerwG 2 C 34.01 - BVerwGE 117, 305 <311> = [X.] 240 § 14a [X.] Nr. 1 S. 5).

Die vorzeitige Beendigung der Mittelzuführung Ende 2009 mit sich anschließender Verwendung der [X.] für [X.] ist nicht geeignet, dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Grundlage zu entziehen. Der Kläger übersieht, dass die [X.] der Besoldungs- und Versorgungsanpassungen um dreimal 0,2 % von 1999 bis 2002 und der sich daraus ergebende [X.] von 0,6 % auch dem Ziel dienten, das Besoldungs- und Versorgungsniveau dauerhaft geringfügig abzusenken. Dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken ([X.], [X.] vom 24. September 2007 a.a.[X.] S. 197).

Die [X.] genügt den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO offensichtlich nicht. Der Kläger bezeichnet keinen abstrakten, das Berufungsurteil tragenden Rechtssatz des [X.], der in Widerspruch zu einem Rechtssatz des [X.]esverfassungsgerichts in dem [X.] vom 24. September 2007 (a.a.[X.]) steht. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht die Gründe dieser Entscheidung übernommen.

Meta

2 B 79/13

13.12.2013

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend OVG Lüneburg, 9. Juli 2013, Az: 5 LC 13/13, Urteil

§ 14a BBesG vom 29.06.1998, § 2 VersRücklG ND, § 6 Abs 3 VersRücklG ND

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.12.2013, Az. 2 B 79/13 (REWIS RS 2013, 268)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 268

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2 BvL 3/96

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