Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.04.2017, Az. 2 StR 345/16

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 12566

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:110417B2STR345.16.1

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2
StR 345/16

vom
11. April 2017
in der Strafsache
gegen

1.

2.
3.

wegen
zu 1.: unterlassener Hilfeleistung

zu 2. und 3.: gefährlicher Körperverletzung
u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] -
zu Ziffer 3.
auf dessen Antrag -
und der
Beschwerdeführerinnen
am 11.
April 2017
gemäß § 349 Abs.
2 und 4 [X.] beschlossen:

1.
Auf die Revisionen
der
Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 30. Mai 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a)
soweit es die Angeklagte W.

betrifft und sie verurteilt
worden ist,
b)
soweit der Angeklagten C.

die Strafaussetzung zur
Bewährung versagt worden ist,
c)
soweit gegen die Angeklagte P.

-U.

aa)
im Fall II.
8. der Urteilsgründe eine Einzelfreiheitsstra-fe von sechs Monaten verhängt worden ist,
bb)
im Gesamtstrafenausspruch.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der
Rechtsmit-tel, an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.
3.
Die weitergehenden
Revisionen der Angeklagten C.

und P.

-U.

werden
verworfen.
-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat die
Angeklagte
W.

unter Freisprechung im Übri-
gen wegen unterlassener Hilfeleistung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 10

.

wegen gefährlicher
Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat und die Angeklagte P.

-U.

unter Freisprechung im
Übrigen wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverlet-zung und Nötigung sowie wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Dagegen richten sich die auf die [X.] sachlichen Rechts gestützten
Revisionen
der
Angeklagten. Das Rechtsmittel der Angeklagten W.

hat vollen Erfolg. Die Revisionen der An-
geklagten C.

und P.

-U.

haben den aus der [X.]
ersichtlichen Teilerfolg;
im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 [X.].
1. Revision der Angeklagten W.
a) Nach den Feststellungen des [X.]
schlugen die Mitangeklag-ten [X.]

und R.

am 10. April 2015 in der Wohnung der Angeklagten W.

abwechselnd mit Händen und Fäusten auf den Geschädigten P.

ein; der
Mitangeklagte [X.]

, der Springerstiefel trug, trat wiederholt den Geschädigten
gegen die Schienbeine. Zwischendurch kam es immer wieder zu einer Pause, in der der Geschädigte nicht geschlagen wurde und die Mitangeklagten R.

und [X.]

Bier tranken. Im weiteren Verlauf schlugen auch die Angeklagte
C.

und eine weitere in der Wohnung anwesende Person auf den Geschä-
digten ein.

.

hatte die Misshandlungen des Zeugen P.

1
2
3
4
-
4
-
aber hiergegen weder ein, noch forderte sie die Angeklagten [X.]

und R.

auf, die Misshandlung des Zeugen P.

zu beenden, obwohl sie als Miete-
rin hierzu in der Lage war und dies ihr insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr möglich war und zumutbar war
und ein entsprechendes Einschreiten auch erforderlich war

Am 13. April 2015 fingen die Mitangeklagten [X.]

,
[X.]

und P.

-
U.

-
einem zuvor gefassten [X.] entsprechend
-
den Geschädigten

M.

auf der Treppe eines Mehrfamilienhauses ab, zogen ihn in die Wohnung
der Angeklagten W.

und schlugen in der weiteren Folge mit Händen und
Fäusten mehrfach auf ihn ein.

.

war, als der Zeuge M.

in dem Wohnzimmer ih-

d hat die Misshandlungen des Zeugen M.

von ihrem Platz auf der Couch wahrgenommen. Obwohl es
erforderlich, ihr möglich und ihr zumutbar gewesen wäre, dem Zeugen M.

zu
helfen, unternahm die Angeklagte W.

-
klagten W.

Möglichkeit gehabt hätte, die Angeklagten [X.]

, [X.]

und P.

-U.

von weiteren Misshandlungen des Zeugen M.

abzuhalten und diese zu be-

Sämtliche Angeklagte waren zwar aufgrund zuvor genossenen Alkohols enthemmt; eine erhebliche Einschränkung oder Aufhebung der [X.] hat das sachverständig beratene [X.] jeweils verneint.
b) Der Schuldspruch wegen unterlassener Hilfeleistung in zwei Fällen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
6
7
8
-
5
-
Zutreffend geht das [X.] zwar davon aus, dass auch eine Straftat für das Opfer ein Unglücksfall im Sinne des §
323c StGB sein kann, sofern das Risiko erheblicher Verletzung besteht (Senat, Urteil vom 12.
August 2015
-
2
StR 115/15, [X.], 375; [X.], Urteil vom 12.

Januar 1993
-
1
StR 792/92, [X.]R StGB §
323c Unglücksfall 3). Nach den Feststellungen sind der Angeklagten, die jeweils die Übergriffe auf die Geschädigten wahrgenommen hatte, damit auch die Umstände bekannt gewesen, aus denen sich das Vorlie-gen eines solchen Unglücksfalls ergibt.
Die Feststellungen des [X.] lassen indes die Prüfung nicht zu, welche Hilfeleistung für die Angeklagte möglich und zumutbar gewesen wäre. Die Urteilsgründe belegen insbesondere nicht, dass und wie die Angeklagte in beiden Fällen die Mitangeklagten erfolgreich dazu hätte bewegen können, die Misshandlungen zu unterlassen bzw. zu beenden. Angesichts dessen, dass die -
zudem ebenfalls
-
alkoholisierte Angeklagte in beiden Fällen einer Mehrzahl von
-
zudem überwiegend einschlägig vorbestraften
-
Mitangeklagten gegen-überstand und insbesondere der in seiner Wesensart dominante Mitangeklagte
[X.]

h die Annahme zumutbaren Ein-
greifens nicht von selbst. Allein der Umstand, dass die Angeklagte Mieterin der Wohnung gewesen ist, in der die Misshandlungen jeweils stattgefunden haben, besagt für sich genommen noch nichts (vgl. auch [X.], Urteil vom 24.
Februar 1982 -
3
StR 34/82, [X.]St 30, 391, 396
f.).
2. Revision der Angeklagten C.

Die Überprüfung des Schuld-
und Strafausspruchs hat keinen Rechtsfeh-ler zum Nachteil dieser Angeklagten ergeben. Dagegen kann die Versagung der Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem
Monat zur Bewährung keinen Bestand haben. Die Straf-9
10
11
12
-
6
-
kammer hat bei ihrer Sozialprognose entscheidend zu Lasten der Angeklagten gewertet, sie sei "Bewährungsversagerin" (UA S.
153). Wenn
damit

-
wie üblich
-
gemeint sein sollte, sie habe die Tat während einer laufenden [X.] begangen, so wird dies von den getroffenen Feststellungen nicht getragen (UA S.
11, 12). Dass die Aussetzung der Vollstreckung einer Strafe aus dem Urteil des [X.] vom 15.
November 2000 widerrufen worden ist
und insoweit ein Bewährungsversagen gegeben ist, rechtfertigt ohne nähere Darlegung, zu welchem Zeitpunkt die Bewährung widerrufen worden ist und worauf dies gestützt worden war, nicht die
Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung (vgl. auch [X.], Urteil vom 16.
Januar 1992 -
4
StR 509/91, [X.] in [X.], 233 nicht abgedruckt).
Die neu zur Entscheidung berufene [X.] wird eine die konkreten Gegebenheiten des Falles berücksichtigende Gesamtwürdigung (§
56 Abs.
1 Satz
2 StGB) vorzunehmen haben.
3. Revision der Angeklagten P.

-U.

Die Überprüfung des Schuldspruchs
und der Strafaussprüche
in den Fäl-len II.
7.
und II.
9.
der Urteilsgründe hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil die-ser Angeklagten ergeben.

Das Rechtsmittel führt zur [X.] hinsichtlich der im Fall II.
8. der Urteilsgründe angeführten [X.] von sechs Monaten, weil ein ent-sprechender Schuldspruch weder verkündet wurde noch im Tenor der [X.] enthalten ist. Somit fehlt eine Grundlage für die verhängte [X.] (vgl. auch Senat, Beschluss vom 25.
Oktober 2014 -
2
StR 215/14).
Ein offensichtliches Verkündungs-
bzw. Fassungsversehen, wonach eine -
vom Generalbundesanwalt
beantragte
-
ausnahmsweise Ergänzung der Ur-13
14
15
16
17
-
7
-
teilsformel zulässig wäre, liegt hier nicht vor. Denn nach der Rechtsprechung des [X.] sind "offensichtlich" nur solche Fehler, die sich ohne weiteres aus der Urkunde selbst oder aus solchen Tatsachen ergeben, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zu Tage treten und auch nur den entfernten [X.] einer späteren sachlichen Änderung ausschließen. Es muss -
auch ohne Berichtigung
-
eindeutig erkennbar sein, was das Gericht tatsächlich gewollt und entschieden hat. Bei dieser Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen, um zu verhindern, dass mit einer Berichtigung eine unzulässige Abänderung des Urteils einhergeht (vgl. Senat, Urteil vom 14.
Januar 2015 -
2
StR 290/14, [X.]R [X.] § 267 Urteilsberichtigung 1 mwN).
Zwar wird ein -
der Angeklagten insoweit auch mit Anklage zur Last ge-legtes
-
Geschehen einer (vorsätzlichen) Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen Z.

am 14.
April 2015 in den Urteilsgründen unter II.
8. im Rah-
men des festgestellten Sachverhaltes (UA S.
69 f.), bei der Beweiswürdigung (UA S.
141 f.) und bei den Erwägungen zur Strafzumessung (UA S.
158) wie-dergegeben, doch weder in der verkündeten Urteilsformel, die auch dem schrift-lichen [X.] entspricht, noch bei der rechtlichen Würdigung erwähnt oder in der Liste der angewendeten Vorschriften berücksichtigt. Angesichts dieser Unzulänglichkeiten und Auslassungen im Urteil ist nicht mehr eindeutig erkenn-bar, was das Gericht insoweit tatsächlich gewollt und entschieden hat, der
Ur-

Da der nicht abgeurteilte Fall II.
8. der Urteilsgründe beim [X.] nicht anhängig geworden ist, unterliegt er noch der Kognition des Landge-richts (vgl. auch [X.], Beschluss vom 25.
Juni 1993 -
3
StR 304/93, [X.]R [X.] §
260 Urteilsspruch
1; [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26.
Aufl., §
260 Rdn.
27, 36; Ott
in [X.] Kommentar, [X.], 7.
Aufl.,
§
260 Rdn.
18; 18
19
-
8
-
[X.] in [X.]/[X.], [X.], 59.
Aufl.,
§
260 Rdn.
10), das insoweit neue Feststellungen zu treffen haben wird.
Mit der Aufhebung der im Fall II.
8. der Urteilsgründe verhängten [X.] entfällt auch die Gesamtstrafe, die aus den verbleibenden für die Fälle II.
7. und II.
9. der Urteilsgründe rechtsfehlerfrei erkannten [X.]n von einem Jahr und drei Monaten sowie von vier Monaten nicht gebildet werden kann (vgl. §
54 Abs.
2 StGB).
Krehl Eschelbach Zeng

Bartel [X.]mmer

20

Meta

2 StR 345/16

11.04.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.04.2017, Az. 2 StR 345/16 (REWIS RS 2017, 12566)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12566

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