Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.01.2023, Az. VI ZR 327/20

6. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 1145

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf bis 30.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger nimmt die beklagte [X.] wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasrückführung auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Er erwarb im Oktober 2014 von der [X.]n ein Fahrzeug [X.] zum Preis von 34.579,82 €. In dem Fahrzeug ist ein von der [X.]n hergestellter Dieselmotor des [X.] verbaut. Zum Zeitpunkt des Erwerbs war der Motor mit einer Steuerungssoftware ausgestattet, die vom [X.] im Nachhinein als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft wurde.

3

Der Kläger hat - soweit im Revisionsverfahren von Interesse - beantragt festzustellen, dass die [X.] verpflichtet sei, ihm Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die daraus resultierten, dass die [X.] das Fahrzeug dahingehend beeinflusst habe, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweise als im regulären Betrieb im Straßenverkehr.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] das Urteil des [X.]s abgeändert und dem Feststellungsantrag entsprochen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision hat die [X.] die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt. Mit Schriftsätzen vom 27. und 28. Oktober 2022 haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

II.

5

Gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei ist der mutmaßliche Ausgang des Revisionsverfahrens zu beachten und dessen Auswirkung auf die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen festzustellen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. März 2022 - [X.], juris Rn. 3; vom 16. August 2022 - [X.], juris Rn. 5).

6

Danach waren die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen. Die zulässige Revision der [X.]n wäre begründet gewesen. Der Feststellungsantrag des [X.] war unzulässig, weil es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse des [X.] fehlt (vgl. dazu Senatsurteil vom 5. Oktober 2021 - [X.], [X.], 1184 Rn. 14 ff.).

7

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nicht damit begründet werden, dass sich der Kläger die Wahl offenhalten möchte, ob er von der [X.]n den Ersatz des großen oder - stattdessen - des kleinen Schadens verlangt. Diese Entscheidung war ihm bei Klageerhebung zumutbar (vgl. Senatsurteile vom 5. Oktober 2021 - [X.], [X.], 1184 Rn. 16 ff.; vom 10. Mai 2022 - [X.], [X.], 69 Rn. 11; [X.], Urteil vom 1. Dezember 2022 - [X.], juris Rn. 18).

8

2. Das Feststellungsinteresse ergibt sich auch nicht daraus, dass die Schadensentwicklung im Hinblick auf mögliche Steuernachforderungen noch nicht abgeschlossen sei. Zwar kann, wenn ein Teil des Schadens bei Klageerhebung schon entstanden, die Entstehung weiterer Schäden aber noch zu erwarten ist, der Kläger in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren (Senatsurteil vom 5. Oktober 2021 - [X.], [X.], 1184 Rn. 24-29). Den Ersatz der behaupteten Steuernachforderungen könnte der Kläger aber jedenfalls nicht verlangen, wenn er den sogenannten kleinen Schadensersatz (Ersatz des Minderwerts) geltend machen sollte (vgl. Senatsurteile vom 5. Oktober 2021 - [X.], [X.], 1184 Rn. 17, 33; vom 6. Juli 2021 - [X.], [X.]Z 230, 224 Rn. 33 f.). Eine Schadensentwicklung, die ein Feststellungsinteresse begründen könnte, wäre dann ausgeschlossen. Ob und inwieweit die genannten Aufwendungen im Rahmen des großen Schadensersatzes ersatzfähig wären, sie insbesondere dem sogenannten negativen Interesse zuzuordnen wären, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung. Denn auf eine diesbezügliche Schadensentwicklung könnte der Kläger sein Feststellungsinteresse schon deshalb nicht stützen, weil er sich nicht für die Geltendmachung des großen Schadensersatzes entschieden hat, obwohl ihm diese Entscheidung bereits jetzt möglich und zumutbar ist (Senatsurteile vom 10. Mai 2022 - [X.], [X.], 69 Rn. 12; vom 5. Oktober 2021 - [X.], [X.], 1184 Rn. 33).

9

3. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht daraus, dass dem Kläger die Bezifferung der Höhe des auf den großen Schadensersatz anzurechnenden [X.] nicht zumutbar sei. Denn für die Bestimmtheit des Klageantrags würde es genügen, wenn der Kläger die Bewertung der vom Kaufpreis abzuziehenden Nutzungsvorteile in das Ermessen des Gerichts stellte und lediglich die tatsächlichen Grundlagen der Ermessensausübung angäbe (vgl. Senatsurteile vom 8. Februar 2022 - [X.], [X.], 910 Rn. 13; [X.], Urteile vom 2. Juni 2022 - [X.], juris Rn. 21; vom 2. Mai 2022 - [X.], [X.], 1077 Rn. 19).

Seiters     

  

von Pentz     

  

Klein

  

Allgayer     

  

Linder     

  

Meta

VI ZR 327/20

24.01.2023

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 11. Februar 2020, Az: 2 U 224/19

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.01.2023, Az. VI ZR 327/20 (REWIS RS 2023, 1145)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1145

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI ZR 24/20 (Bundesgerichtshof)

Haftung des Automobilherstellers in einem sog. Dieselfall: Feststellungsinteresse bei Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht; Feststellungsinteresse …


VI ZR 156/20 (Bundesgerichtshof)

Haftung des Kraftfahrzeugmotorherstellers in einem sog. Dieselfall: Feststellungsinteresse bei Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht; Feststellungsinteresse …


VIa ZR 122/21 (Bundesgerichtshof)

Haftung des Automobilherstellers in einem sog. Dieselfall: Feststellungsinteresse bei Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht


VI ZR 415/20 (Bundesgerichtshof)

Dieselfall: Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Erwerbs eines vom sog. Dieselskandal betroffenen Gebrauchtwagens


VIa ZR 591/21 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VI ZR 24/20

VI ZR 40/20

VII ZR 359/21

VI ZR 156/20

VI ZR 136/20

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.