Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30.07.2010, Az. VII B 187/09

7. Senat | REWIS RS 2010, 4333

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Gegenstand

Marktordnungsrecht: Sanktion für unerkanntes BSE-Fleisch


Leitsatz

1. NV: Ein Ausführer beantragt eine höhere als die ihm zustehende Erstattung, wenn er angibt, das ausgeführte Fleisch sei belgischen Ursprungs, dies aber in Wahrheit nicht sicher ist, sondern das Fleisch möglicherweise britischen Ursprungs ist und deshalb einem Ausfuhrverbot wegen BSE-Verdachts unterliegt. Das gilt auch dann, wenn der Ausführer weder wusste noch wissen konnte, dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das von ihm ausgeführte Fleisch entgegen dem ersten Anschein nicht belgischen, sondern britischen Ursprungs ist .

2. NV: Den Ausführer trifft die Verantwortung für die Richtigkeit seiner Ausfuhranmeldung; er muss die Richtigkeit seiner Angaben in der Ausfuhrerklärung, insbesondere auch seiner Versicherung der handelsüblichen Qualität der Ausfuhrware, garantieren können und eine Sanktion hinnehmen, wenn sich seine Angaben als unrichtig erweisen, selbst wenn ihm hinsichtlich der Unrichtigkeit seiner Angaben kein Schuldvorwurf gemacht werden kann .

3. NV: Gegen einen Ausführer kann eine Sanktion auch dann verhängt werden, wenn er vor Ergehen des EuGH-Urteils vom 1. Dezember 2005 C-309/04 (Fleisch-Winter, Slg. 2005 I-10349) zur fehlenden handelsüblichen Qualität von möglicherweise aus Großbritannien stammendem Rindfleisch die Möglichkeit einer solchen Herkunft seiner Ausfuhrware nicht angegeben hat; er handelte insofern nicht in entschuldbarem Rechtsirrtum, weil eine solche Rechtsauslegung von Anfang an zumindest in Betracht gezogen werden konnte .

4. NV: Ob eine Ausfuhranmeldung unabhängig von irgendwelchen mit ihr verbundenen falschen tatsächlichen Angaben eine Sanktion auslöst, wenn sich herausstellt, dass Ausfuhrerstattung nicht zu gewähren ist (vgl. EuGH-Urteil vom 23. April 2008 C-143/07, --AOB Reuter--, Slg. 2008, I-3171, ZfZ 2008, 158), bleibt offen .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat 1997 zwei Partien Rindfleisch von insgesamt rd. 100 Tonnen zur Ausfuhr nach [X.] angemeldet. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --[X.]--) hat ihr für die eine Partie zunächst Ausfuhrerstattung als Vorschuss gewährt und sodann wieder zurückgefordert, für die andere Partie die Ausfuhrerstattung von vornherein abgelehnt. Diese inzwischen nach rechtskräftiger Abweisung diesbezüglicher Klagen bestandskräftigen Entscheidungen beruhten darauf, dass das Fleisch, dessen Ursprung die Klägerin mit [X.] angegeben hatte, aus einem Zerlegebetrieb stammte, bei dessen Überprüfung Unregelmäßigkeiten und Verstöße gegen veterinärrechtliche Bestimmungen festgestellt worden waren, insbesondere, dass Fleisch unbekannten Ursprungs eine [X.] Kennzeichnung erhalten hatte.

2

Mit dem in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid hat das [X.] für die beiden Ausfuhrpartien gegen die Klägerin eine Sanktion in Höhe von rd. … DM festgesetzt. Die hiergegen nach weitgehend erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hat das Finanzgericht ([X.]) abgewiesen. Es urteilte, die Klägerin habe eine höhere als die ihr zustehende Erstattung beantragt; denn als beantragte Erstattung gelte der Betrag, der anhand der Angaben des [X.] berechnet wird, wozu insbesondere die stillschweigende Versicherung gehöre, dass die Waren handelsübliche Qualität hätten.

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin. Sie möchte --durch ein Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] ([X.]) im [X.] folgende Frage geklärt wissen:

4

"Beantragt ein Ausführer 'eine höhere als die ihm zustehende' Ausfuhrerstattung i.S. des Art. 11 Abs. 1 [X.], wenn er dabei die Fakten vollständig und richtig darstellt, sie aber hinsichtlich der 'gesunden und handelsüblichen Qualität' i.S. des Art. 13 [X.] zu seinen Gunsten anders als die Behörde und später die Gerichte rechtlich bewertet?"

5

Das [X.] hält diese Frage nicht für klärungsbedürftig, weil sie durch das Urteil des [X.] vom 1. Dezember 2005 [X.]/04 (Slg. 2005, [X.]) geklärt sei.

Entscheidungsgründe

6

II. [X.] (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil der sinngemäß geltend gemachte [X.], dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) nicht vorliegt und, anders als die Beschwerde meint, auch eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative [X.]O) nicht erforderlich ist.

7

1. Die von der Beschwerde sinngemäß aufgeworfene Frage, ob ein Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt, wenn er alle für die Beurteilung seines Erstattungsbegehrens maßgeblichen Fakten vollständig und richtig darstellt, sie aber rechtlich falsch bewertet, würde sich so, wie sie die Beschwerde formuliert hat, in dem angestrebten Revisionsverfahren schon nicht stellen. Denn die Klägerin hat, wie das [X.] mit Recht in Erinnerung ruft, die maßgeblichen Fakten nicht richtig dargestellt. Sie hat angegeben, das Fleisch sei [X.] Ursprungs. Dass das nicht ganz sicher ist, hat sie nicht angegeben und konnte sie nach ihrem eigenen Vorbringen auch nicht angeben, denn sie wusste damals nicht, dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das von ihr ausgeführte Fleisch entgegen dem ersten Anschein nicht [X.], sondern [X.] Ursprungs ist und damit möglicherweise einem zur Bekämpfung der Tierseuche BSE erlassenen Ausfuhrverbot unterfällt. Es liegt folglich neben der Sache, wenn sich die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung mit der Frage beschäftigt, ob es zur Anwendung der ausfuhrerstattungsrechtlichen Sanktionsregelung (hier gemäß Art. 11 der Verordnung ([X.]) Nr. 3665/87 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen) führt, wenn der Ausführer in seinem Erstattungsantrag von einer Rechtsauffassung ausgeht, die das [X.] und später die Gerichte nicht teilen.

8

2. Dem Vorbringen der Beschwerde ist allerdings die weitere Frage zu entnehmen, ob die erstattungsrechtliche Sanktionsregelung auch dann anwendbar ist, wenn ein Ausführer bei seiner Ausfuhranmeldung, insbesondere bei der in dieser enthaltenen Versicherung der handelsüblichen Qualität der Ware, von der Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben ausgeht, weil er über keine Informationen verfügt, die ihn daran zweifeln lassen könnten. So habe nämlich, trägt die Klägerin vor, im Streitfall nur die Verwaltung gewusst, dass gegen den hier tätig gewordenen [X.] Zerlegebetrieb ein "[X.]" bestehe und dass das von der Klägerin ausgeführte Fleisch möglicherweise nicht [X.] Ursprungs sei, sondern aus [X.] stamme. Wegen dieses der Klägerin damals unbekannten Verdachts den später vom [X.] geforderten lückenlosen Nachweis über die Herkunft der Rinder, den Ort der Schlachtung und den Zerlegebetrieb zu führen bzw. entsprechende Angaben zu machen, sei die Klägerin weder nach Lebensmittelrecht noch nach dem [X.] verpflichtet gewesen; sie habe durch die Vorlage öffentlicher Urkunden über den [X.] Ursprung der Ware ihrer "Vollständigkeitspflicht" unabhängig davon genügt, dass das [X.] und ihm später folgend die Gerichte diese Urkunden nicht anerkannt hätten.

9

Auch die durch dieses Vorbringen aufgeworfene Frage rechtfertigt indes nicht die Zulassung der Revision, weil aus der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung klar und eindeutig zu entnehmen ist, wie sie zu beantworten ist. Wie die Beschwerde selbst zutreffend vorträgt, hat insbesondere der [X.] bereits in dem Urteil vom 11. Juli 2002 [X.]/00 (--Käserei [X.], [X.]. 2002, [X.]) dem Ausführer die Verantwortung für die Richtigkeit seiner Ausfuhranmeldung zugewiesen und die ausfuhrerstattungsrechtliche Sanktionsregelung u.a. damit gerechtfertigt, dass dieser veranlasst werden solle, Kontrollen hinsichtlich der zur Ausfuhr angemeldeten Erzeugnisse vorzunehmen, seine Vertragspartner entsprechend auszuwählen und sich gegen deren Versäumnisse durch entsprechende Vertragsklauseln zu schützen. Der Ausführer muss mit anderen Worten die Richtigkeit seiner Angaben in der Ausfuhrerklärung, insbesondere auch seiner Versicherung der handelsüblichen Qualität der Ausfuhrware, garantieren können und eine Sanktion hinnehmen, wenn sich seine Angaben als unrichtig erweisen. Dass eine solche Sanktion gegen ihn deshalb nicht verhängt werden dürfte, weil ihm hinsichtlich der Unrichtigkeit seiner Angaben kein Schuldvorwurf gemacht werden kann, er also die Unrichtigkeit nicht erkennen konnte, ist der Rechtsprechung des [X.], anders als die Beschwerde offenbar meint, nicht zu entnehmen. Hiervon ist der beschließende Senat bereits in seinem Urteil vom 21. November 2006 [X.]/02 ([X.] 2007, 795) ausgegangen, auf welches bereits das [X.] in seinem Urteil hingewiesen hat. Es bedarf umso weniger erneuter Klärung in einem Revisionsverfahren.

3. Ob gegen den Ausführer eine Sanktion auch dann verhängt werden könnte, wenn er tatsächliche Angaben nicht macht, weil er diese aufgrund unvermeidbaren [X.] nicht für erstattungsrechtlich bedeutsam halten konnte (hier etwa: weil die Klägerin die Erstattungsfähigkeit aufgrund des nach allem äußeren Anschein gegebenen [X.] Ursprungs des Fleisches für zweifelsfrei und durch einen nur allgemeinen Verdacht, es könnte in Wahrheit [X.] Herkunft sein, nicht gefährdet hielt), könnte in dem angestrebten Revisionsverfahren ebenfalls nicht geklärt werden; denn selbst wenn insofern eine hypothetische Betrachtung anzustellen und anzunehmen wäre, dass die Klägerin bei voller Kenntnis der Tatsachen einem solchen Irrtum erlegen wäre, fehlte es doch daran, dass ein solcher Irrtum nicht entschuldigt werden könnte. Auch wenn nämlich vor Ergehen der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.]-Urteil vom 1. Dezember 2005 [X.]/04 --Fleisch-Winter--, [X.]. 2005, [X.]) nicht zweifelsfrei war, ob die handelsübliche Qualität einer Ware zu verneinen ist, wenn zwar nicht festgestellt werden kann, dass für diese ein Ausfuhrverbot besteht, nachträgliche Ermittlungen das aber immerhin als möglich erscheinen lassen, musste eine solche Rechtsauslegung doch zumindest von Anfang an in Betracht gezogen werden.

Ob im Übrigen das Urteil des [X.] vom 24. April 2008 [X.]/07 ([X.], [X.]. 2008, [X.], Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2008, 158) sogar dahin verstanden werden muss, dass eine Ausfuhranmeldung unabhängig von irgendwelchen mit ihr verbundenen falschen tatsächlichen Angaben eine Sanktion auslöst, wenn sich herausstellt, dass Ausfuhrerstattung nicht zu gewähren ist (so [X.] in Dorsch, Zollrecht, D 2 [X.] Art. 51 Rz 4), kann hier dahinstehen, da diese Frage jedenfalls in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden könnte, weil die Sanktion, wie ausgeführt, schon dadurch verwirkt worden ist, dass die Klägerin angegeben hat, ihre Ware habe handelsübliche Qualität, was nicht der Fall war.

Meta

VII B 187/09

30.07.2010

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG Hamburg, 25. Juni 2009, Az: 4 K 85/08, Urteil

Art 11 EWGV 3665/87

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30.07.2010, Az. VII B 187/09 (REWIS RS 2010, 4333)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4333

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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