Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.12.2011, Az. VIII ZR 157/11

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 125

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 157/11
Verkündet am:

21. Dezember 2011

Ring,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§ 204, 242 Cb; ZPO §§ 690, 691
Die Berufung auf eine durch Erlass eines Mahnbescheids eingetretene Verjährungs-hemmung kann im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, wenn der [X.] die bewusst wahrheitswidrige Erklärung enthält, dass die Gegenleistung bereits erbracht sei.

[X.], Urteil vom 21. Dezember 2011 -
VIII ZR 157/11 -
LG [X.] I

AG [X.]

-
2 -
Der VIII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
21. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden [X.], [X.]
Frellesen, die Richterin [X.] sowie [X.] [X.] und Dr.
Schneider
für Recht erkannt:

Die Revision der
Klägerin gegen
das Urteil
der 31. Zivilkammer des [X.]s [X.] I vom 17. März 2011 wird [X.].
Die Klägerin
hat die Kosten
des
Revisionsverfahrens
zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die
Beklagte bestellte am 5. Mai 2005 bei der Klägerin, die in M.

Möbelhäuser betreibt,
telefonisch zu einem Gesamtpreis von 1.

verschie-dene Möbelstücke. Deren Artikelnummern listete sie am folgenden Tage in [X.] E-Mail, welche sie unter ihrer bei ihrem damaligen Arbeitgeber bestehenden E-Mail-Adresse versandte, noch einmal auf. Die Klägerin verlangt die Bezah-lung dieser bei ihr nicht abgeholten Möbelstücke Zug um Zug gegen deren Übergabe. Unter dem 22. Dezember 2008
hat sie einen Mahnbescheid über den [X.] nebst Zinsen
beantragt, der am 23. Dezember 2008 erlas-sen und der Beklagten am 13. Februar 2009 zugestellt worden ist. In dem von ihrem Prozessbevollmächtigten eingereichten Antragsformular war angegeben, dass der Anspruch von einer Gegenleistung abhänge, diese aber erbracht sei.

1

-
3 -
Das Amtsgericht hat
der Klage
stattgegeben.
Das [X.] hat auf die Berufung
der Beklagten
die Klage abgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren
nebst Zin-sen, Zug um Zug gegen Übergabe der näher bezeichneten Möbelstücke, wei-ter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung
im We-sentlichen ausgeführt:
Es
sei zwar, wie erstinstanzlich festgestellt, davon auszugehen, dass die Beklagte Vertragspartnerin der Klägerin geworden sei. Die Klägerin könne sich aber entgegen der Auffassung des Amtsgerichts
nicht auf eine durch den Mahnbescheid bewirkte Hemmung der Verjährung berufen. Denn sie habe
in dem [X.] nicht nur versehentlich, sondern bewusst wahrheitswidrig er-klärt, dass die
Gegenleistung bereits erbracht
sei, um sich dadurch,
ohne die Klage sofort
begründen zu müssen,
schnell einen Titel zu verschaffen. Diese Fallgestaltung könne auch nicht mit einer Verjährungshemmung bei Zurückwei-sung eines unzulässigen [X.]es gleichgesetzt werden, da das [X.] keine Möglichkeit gehabt habe, die Angabe zur Erbringung der Gegenleis-tung zu überprüfen und den Antrag aus diesem Grunde
als unzulässig zurück-zuweisen. Bei einem solchen Vorgehen sei -
wie bereits das Oberlandesgericht [X.] in einem Urteil vom 4. Dezember 2007 (5 U 3479/07) entschieden habe -
ein Berufen der Klägerin auf die durch den (fehlerhaft) erlassenen 2
3
4
5

-
4 -
Mahnbescheid eingetretene Verjährungshemmung wegen des [X.] seines Erlasses durch falsche Angaben als rechtsmissbräuchlich anzusehen.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revi-sion zurückzuweisen ist.
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsge-richts, gegen die die Revision nichts Erhebliches vorbringt, hat die Klägerin die von ihr im [X.] gemäß §
690 Abs.
1 Nr.
4 ZPO geforderte Erklärung, dass der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhänge oder die Gegenleis-tung erbracht sei, bewusst falsch abgegeben. Das Berufungsgericht
hat des-halb zu Recht angenommen, dass die Klägerin
wegen Rechtsmissbrauchs (§
242 BGB) gehindert ist,
sich auf die durch Einreichung des [X.]es vor Ablauf der Verjährungsfrist (§ 195, §
199 Abs. 1 BGB) gemäß §
204 Abs.
1 Nr.
3 BGB, §
167 ZPO eingetretene Hemmung der von der Beklagten geltend gemachten Verjährung
des erhobenen Kaufpreisanspruchs (§
433
Abs.
2, §
214 Abs. 1 BGB)
zu berufen.
1. Allerdings kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts-hofs
für den Eintritt
der Hemmungswirkung
nach
§
204 Abs.
1 Nr. 3 BGB nicht auf die Zulässigkeit, sondern allein auf die Wirksamkeit des auf den [X.] erlassenen und zugestellten Mahnbescheides an, so dass bei [X.] Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs dessen Verjährung auch dann
gehemmt wird, wenn der [X.] an Mängeln leidet oder sogar unzulässig ist oder wenn für die darin
erhobene Forderung -
von der Sachbe-fugnis abgesehen
-
noch nicht sämtliche Anspruchsvoraussetzungen vorliegen ([X.], Urteile
vom 24. Januar 1983 -
VIII ZR 178/81, [X.]Z 86, 313, 322 ff.;
vom 5. Mai 1988 -
VII
ZR 119/87, [X.]Z 104, 268, 273; vom 8. Mai 1996 6
7
8

-
5 -
-
XII
ZR 8/95, NJW 1996, 2152 unter 2 [X.]; vom 12. April 2007 -
VII
ZR 236/05, [X.]Z 172, 42 Rn. 43; ähnlich zur verjährungshemmenden Wirkung der Zustellung eines Antrages im selbstständigen Beweisverfahren [X.], Urteil vom 22.
Januar 1998 -
VII
ZR 204/96, [X.], 1305 unter II
1).
Davon geht auch das Berufungsgericht aus.
2.
Dies schließt es jedoch
-
wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei an-nimmt
-
nicht aus, dass sich bei
Erschleichen
eines Mahnbescheides durch [X.] falsche Angaben, die seinem Erlass entgegengestanden hätten, das Be-rufen auf
eine
derart verjährungshemmende Wirkung im Einzelfall als rechts-missbräuchlich darstellen kann.
a) Von dieser grundsätzlich bestehenden Möglichkeit
ist bereits
der Ge-setzgeber bei Schaffung des § 204 BGB ausgegangen. Denn er hat sich in
der
Gesetzesbegründung zu dem Hinweis veranlasst gesehen, dass die zur Ver-hinderung der missbräuchlichen Erlangung einer Verjährungshemmung ge-troffenen Regelungen nicht als abschließend zu verstehen seien, und seiner Erwartung Ausdruck gegeben, dass die Gerichte rechtsmissbräuchlichen Rechtsverfolgungsmaßnahmen keine Hemmungswirkung zubilligen würden (BT-Drucks. 14/6857, S. 44).
Dementsprechend geht auch die Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs dahin, dass Fallgestaltungen, in denen
ein Gläubiger im Einzelfall mit Hilfe unzulässiger oder unbegründeter Anträge in missbräuchli-cher Weise versuchen sollte, die Hemmung der Verjährung herbeizuführen, durch Anwendung von §
242 BGB begegnet werden kann ([X.], Urteile
vom
28. September 2004 -
IX
ZR 155/03, [X.]Z 160, 259, 264 ff.
mwN; vom 6. Juli 1993 -
VI
ZR 306/92, [X.]Z 123, 337,
345).
b) Soweit in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum neben der Frage, ob ein aufgrund objektiv falscher Angaben des Antragstellers erlassener Mahnbescheid zur Herbeiführung einer Verjährungshemmung geeignet ist (vgl. 9
10
11

-
6 -
OLG [X.], [X.] 2005, 1997,
1999; Musielak/Voit, ZPO, 8. Aufl., § 693 Rn.
4; [X.]/Schüler, 3. Aufl., §
688 Rn.
12), auch die Frage erör-tert wird, wie es sich etwa bei einer vorsätzlich falschen Erklärung des [X.] zu den von § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO geforderten Umständen verhält, wird die Auffassung vertreten, dass eine Berufung des Antragstellers auf die verjährungshemmende Wirkung eines zugestellten Mahnbescheids
rechtsmiss-bräuchlich sei.
Denn
bei wahrheitsgemäßen Angaben im [X.] hätte das Mahngericht den Antrag gemäß § 691 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 ZPO als unzulässig zurückweisen müssen, so dass dem Antragsteller
lediglich die Möglichkeit der
verjährungshemmenden Klageerhebung geblieben wäre. [X.] ein Kläger in einem derartigen Fall gleichwohl den Weg des Mahnverfahrens in der nahe liegenden Absicht, die Klage nicht sofort begründen zu müssen, nutzte er [X.] eine formale Rechtsposition aus, wenn er sich auf die verjährungshem-mende Wirkung des zugestellten Mahnbescheids berufe (OLG [X.], Urteil vom 4. Dezember 2007 -
5
U 3479/07, juris Rn. 86; ähnlich Wagner, [X.] 2005, 856, 858 f.; vgl. ferner
OLG Oldenburg, [X.], 1098 für den unter [X.] der Vermögensverhältnisse bewusst falschen Prozesskostenhilfe-antrag).
c) Das Berufungsgericht hat sich dem unter Zugrundelegung der rechts-fehlerfreien Feststellung angeschlossen, die Klägerin habe bewusst wahrheits-widrig erklärt, dass die Gegenleistung bereits erbracht sei, um sich dadurch
schnell einen Titel zu verschaffen, ohne die Klage sofort begründen zu müssen.
Die getroffene
Wertung, die Klägerin nutze ihre durch diese [X.] erschlichene formale Rechtsposition treuwidrig aus, wenn sie sich auf die

12

-
7 -
verjährungshemmende Wirkung des zugestellten Mahnbescheids berufe, lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
Ball
Dr. Frellesen
[X.]

[X.]
Dr. Schneider
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 15.06.2010 -
191 C 23390/09 -

LG [X.] I, Entscheidung vom 17.03.2011 -
31 [X.] -

Meta

VIII ZR 157/11

21.12.2011

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.12.2011, Az. VIII ZR 157/11 (REWIS RS 2011, 125)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 125

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