BT-Drucksache 18/9918

Bedenken zur EU-Terrorismusbekämpfung und mögliche Überprüfungsmechanismen

Vom 4. Oktober 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9918
18. Wahlperiode 04.10.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Annette Groth, Inge Höger,
Ulla Jelpke, Jan Korte, Harald Petzold (Havelland), Kathrin Vogler, Jörn
Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Bedenken zur EU-Terrorismusbekämpfung und mögliche
Überprüfungsmechanismen

Das 2013 beendete EU-Sicherheitsforschungsprojekt SECILE versuchte eine Be-
standsaufnahme der EU-Terrorismusbekämpfungspolitik und Überprüfungsme-
chanismen (Abschlussbericht und Zusammenfassung unter www.statewatch.org/
projects/secile). Ziel des Projekts war die Erstellung eines ausführlichen Katalo-
ges von Rechtsakten der Europäischen Union zur Terrorismusbekämpfung seit
dem 11. September 2001. Ein Rechtsakt oder Strategiepapier der EU wird dort
als eine Maßnahme der EU zur Terrorismusbekämpfung angesehen, wenn sie zu
einem bestimmten Zeitpunkt Bestandteil der EU-Agenda zur Terrorismusbe-
kämpfung gewesen sind oder von einer EU-Institution oder einem EU-Organ ver-
abschiedet oder gebilligt wurden bzw. auf andere Weise der offiziellen EU-Poli-
tik entsprechen. Hierzu gehören insbesondere Maßnahmenpläne und Strategiedo-
kumente, Verordnungen, Richtlinien, Rahmenbeschlüsse, Beschlüsse, Gemein-
same Aktionen, Gemeinsame Standpunkte, Empfehlungen, Resolutionen,
Schlussfolgerungen, internationale Vereinbarungen. Nicht berücksichtigt wurden
Entwürfe, die schließlich aufgegeben oder umgewandelt wurden, oder auch EU-
Abkommen mit Drittländern. Verabschiedete Rechtsvorschriften müssen von den
Mitgliedstaaten, EU-Einrichtungen oder privaten Akteuren umgesetzt werden.
Die Europäische Kommission kann eine Überprüfung vornehmen.
Festgestellt wurden 239 separate Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung („eine
Zahl die auf 264 ansteigt, wenn man Entwürfe für Rechtsvorschriften berücksich-
tigt“). Von diesen 239 verabschiedeten Maßnahmen seien 88 rechtlich bindend
und verlangen von den Mitgliedstaaten eine Umsetzung. Viele weitere Maßnah-
men bewegen sich jedoch im Bereich des „soft law“ des Rates der Europäischen
Union bzw. ihrer Mitgliedstaaten, und können deshalb schwer parlamentarisch
kontrolliert werden.
Die SECILE-Studie überprüfte auch die Beratungs-, Legislativ- und Überprü-
fungsverfahren der EU, die jedoch laut dem Abschlussbericht bei vielen der Maß-
nahmen nicht zur Anwendung kamen. Das Gleiche gilt für öffentliche Konsulta-
tionen oder Folgenabschätzungen. Zwar wurden von den 88 rechtsverbindlichen
Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung seit September 2001 bis zum Jahr 2013
70 „in der einen oder anderen Form“ im Europäischen Parlament behandelt, nur
in 44 Fällen fanden diese Beratungen jedoch im Rahmen des Konsultationsver-
fahrens statt. Die daraus resultierende Stellungnahme der EU-Abgeordneten kann
von den Mitgliedstaaten im Rat ignoriert werden. Eine faktische Mitentscheidung
kam laut SECILE nur bei 23 der 88 Maßnahmen vor.

Drucksache 18/9918 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

An SECILE beteiligt war die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch, die
eine Zusammenfassung der Ergebnisse formuliert. Demnach gibt der Bericht An-
lass zu „gewichtigen Bedenken“ (die SECILE-Zusammenfassung in der Überset-
zung des Deutschen Bundestages auf deutsch: http://gleft.de/1t7).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Grundverordnungen und Durchführungsverordnungen hat die Euro-

päische Union seit 2013 (nach Ende der SECILE-Studie) im Bereich der Ter-
rorismusbekämpfung erlassen, und für welche dieser Verordnungen hat die
Bundesregierung Durchführungsbestimmungen verabschiedet?

2. Welche Richtlinien hat die Europäische Union seit 2013 (nach Ende der SE-
CILE-Studie) im Bereich der Terrorismusbekämpfung erlassen, und auf wel-
che Weise wurden diese Richtlinien durch die Bundesregierung in innerstaat-
liches Recht umgesetzt?

3. Hinsichtlich welcher dieser Verordnungen oder Richtlinien hat die Europäi-
sche Kommission Mahnverfahren oder vor dem Europäischen Gerichtshof
rechtliche gerichtliche Schritte wegen der Nichtumsetzung gegen die Bun-
desregierung eingeleitet?

4. Welche Beschlüsse, die entweder „allgemeine Geltung“ haben oder sich an
bestimmte Adressaten richten, hat die Europäische Union seit 2013 (nach
Ende der SECILE-Studie) im Bereich der Terrorismusbekämpfung erlassen,
wann wurden diese im Amtsblatt der EU veröffentlicht, und auf welche
Weise wurden diese Beschlüsse durch die Bundesregierung erfüllt (bitte nach
„legislativen“ und „nichtlegislativen“ Beschlüssen unterscheiden)?

5. Welche Maßnahmenpläne und Strategiedokumente hat die Europäische
Union seit 2013 (nach Ende der SECILE-Studie) im Bereich der Terroris-
musbekämpfung nach Kenntnis der Bundesregierung beschlossen, und auf
welche Weise wurden diese Maßnahmenpläne und Strategiedokumente im
Rahmen innerstaatlicher deutscher Einzelmaßnahmen befolgt?

6. Für welche der seit 2013 (nach Ende der SECILE-Studie) im Bereich der
Terrorismusbekämpfung erlassenen oder beschlossenen Verordnungen,
Richtlinien, Beschlüsse, Maßnahmenpläne und Strategiedokumente hat die
Europäische Union nach Kenntnis der Bundesregierung Überprüfungsver-
fahren durch die Europäische Kommission oder den Rat vorgesehen, und in-
wiefern wurden diese Überprüfungen aus Sicht der Bundesregierung für die
einzelnen Maßnahmen im Einklang mit der in den Rechtsvorschriften vorge-
sehenen Frist eingeleitet?

7. Welche der vorgesehenen Überprüfungen befassten sich nach Kenntnis der
Bundesregierung auch mit der Frage, wie effektiv diese Rechtsvorschriften
im Verhältnis zu den gesteckten Zielen gewesen sind?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die auf Ebene der Europäischen Union
zur Verfügung stehenden Beratungs-, Legislativ- und Überprüfungsverfah-
ren von der Konzeption über die Planung bis hin zur Verabschiedung und
Umsetzung von Rechtsakten und Maßnahmen im Bereich der Terrorismus-
bekämpfung, und für welche dieser Maßnahmen sollten aus Sicht der Bun-
desregierung robustere Verfahren geschaffen werden?

9. Inwiefern und durch welche Maßnahmen wäre es aus Sicht der Bundesregie-
rung erforderlich oder nicht erforderlich, die Zahl der öffentlichen Konsulta-
tionen zu Rechtsakten oder Maßnahmen zur EU-Terrorismusbekämpfung
von 3,4 Prozent (SECILE-Studie) auf ein höheres Maß zu steigern?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9918

10. Inwiefern und durch welche Maßnahmen wäre es aus Sicht der Bundesregie-

rung erforderlich oder nicht erforderlich, die Zahl der Folgenabschätzungen
für rechtsverbindliche EU-Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung von
25 Prozent (SECILE-Studie) auf ein höheres Maß zu steigern?

11. Inwiefern und durch welche Maßnahmen wäre es aus Sicht der Bundesregie-
rung erforderlich oder nicht erforderlich, die Zahl der Beratungen rechtsver-
bindlicher EU-Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung durch das Europäi-
sche Parlament (SECILE-Studie) auf ein höheres Maß zu steigern und diese
Beratungen nicht nur im Konsultationsverfahren, sondern als Mitentschei-
dung durchzuführen?

12. Inwiefern und mit welchem Ergebnis wurde die im Jahr 2011 vom Europäi-
schen Parlament geforderte „vollständige und detaillierte Bewertung“ der
EU-Terrorismusbekämpfungspolitik (2010/2311(INI)) vom 14. Dezem-
ber 2011) aus Sicht der Bundesregierung inzwischen durchgeführt, und wel-
che Ergebnisse liegen dazu vor?

Berlin, den 4. Oktober 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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