BT-Drucksache 18/9868

Sogenanntes Malta Inkasso bei Richterinnen und Richter und Justizangestellten

Vom 26. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9868
18. Wahlperiode 26.09.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Harald Petzold (Havelland), Annette Groth,
Inge Höger, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Jan Korte, Katrin Kunert, Stefan Liebich,
Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Sogenanntes Malta Inkasso bei Richterinnen und Richtern und Justizangestellten

In jüngster Zeit wurde bekannt, dass sogenannte Reichsbürger insbesondere von
Richterinnen und Richtern und Justizangestellten horrende Geldsummen über ein
maltesisches Inkassounternehmen einzutreiben versuchen (vgl. www.rbb-online.
de/politik/beitrag/2016/08/reichsbuerger-malta-inkasso-richter.html). Dabei soll
es sich um die „Pegasus International Incasso Limited“ handeln. Allein in Bran-
denburg sollen 15 Richterinnen und Richter betroffen sein. Geltend gemacht wer-
den fingierte Schadensersatzforderungen.
Das sogenannte Malta Inkasso funktioniert dergestalt, dass die sogenannten
Reichsbürger Schulden erfinden und diese in das Online-Handelsregister
Uniform Comercial Code (UCC) eintragen. Dort muss nur angegeben werden,
dass der Schuld bislang nicht widersprochen wurde. Anschließend werden die
Forderungen an ein von sogenannten Reichsbürgern gegründetes Inkassounter-
nehmen abgetreten. Das Inkassounternehmen bekommt dann von einem Gericht
in Malta ungeprüft die Berechtigung, die erfundenen Schulden in Deutschland
einzutreiben. Dies soll einem Versäumnisurteil ähnlich sein. Zwischen dem
15. und dem 30. Tag nach der Zustellung müssen Betroffene in Malta erscheinen
und die Ansprüche bestreiten. Dafür wird jedoch eine in Malta zugelassene An-
wältin/ein in Malta zugelassener Anwalt benötigt. Soweit dies nicht passiert,
ergeht ein in Deutschland vollstreckbares Urteil.
Das brandenburgische Justizministerium hat nach dem zitierten Pressebericht
den Betroffenen vier maltesische Anwälte genannt und eine Kostenübernahme
erklärt. Die Länder Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sol-
len in der Vergangenheit mit ähnlichen Problemen konfrontiert worden sein.
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz soll eine Hand-
lungsempfehlung an Gerichts- und Behördenleiterinnen und -leiter herausgege-
ben haben (vgl. www.svz.de/regionales/brandenburg/reichsbuerger-bedrohen-
justiz-id14610676.html).
Nach Ansicht der fragestellenden Fraktion dürfte § 794 Nummer 7 der Zivilpro-
zessordnung (ZPO) Rechtsgrundlage der Vollstreckung in Deutschland sein. Die-
ser verweist auf die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 (Europäischer Vollstre-
ckungstitel für unbestrittene Forderungen). Nach dem Erwägungsgrund 6 der
Verordnung liegt ein fehlender Widerspruch seitens des Schuldners auch vor,
wenn dieser nicht zur Gerichtsverhandlung erscheint oder einer Aufforderung des
Gerichts, schriftlich mitzuteilen, ob er sich zu verteidigen beabsichtigt, nicht
nachkommt. Nach dem Erwägungsgrund 8 soll eine Entscheidung, die vom Ge-
richt des Ursprungsmitgliedstaates als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt
worden ist, im Hinblick auf die Vollstreckung so behandelt werden, als wäre sie

Drucksache 18/9868 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

im Ursprungsland ergangen. Nach Artikel 10 der Verordnung wird die Bestäti-
gung als Europäischer Vollstreckungstitel auf Antrag an das Ursprungsgericht
berichtigt, wenn die Entscheidung und die Bestätigung aufgrund eines materiellen
Fehlers voneinander abweichen (Absatz 1 Buchstabe a), und widerrufen, wenn
sie hinsichtlich der in der Verordnung festgelegten Voraussetzungen eindeutig zu
Unrecht erteilt wurde (Absatz 1 Buchstabe b). Artikel 19 Absatz 2 sieht die Mög-
lichkeit der Mitgliedstaaten vor, eine Überprüfung der Entscheidung unter groß-
zügigeren Bedingungen als nach Absatz 1 zu ermöglichen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was steht in der Handlungsempfehlung des Bundesministeriums der Justiz

und für Verbraucherschutz an Gerichts- und Behördenleiterinnen und -leiter,
welche nach Presseberichten im Hinblick auf das sog. Malta Inkasso heraus-
gegeben wurde?

2. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über die Anzahl der betroffenen
Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Justizange-
stellten und anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor (wenn ja, bitte
nach Ländern aufschlüsseln)?

3. Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung unternommen, um die mal-
tesischen Behörden auf das Problem aufmerksam zu machen?

4. Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung unternommen, um die ame-
rikanischen Behörden auf die Eintragung der Forderungen durch sog.
Reichsbürger in das UCC aufmerksam zu machen?

5. Sieht die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den maltesischen Behör-
den eine Möglichkeit, dem offensichtlich von sog. Reichsbürgern gegründe-
ten Inkassounternehmen die Zulassung zu entziehen?

6. Sieht die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den amerikanischen Be-
hörden eine Möglichkeit, zukünftig Eintragungen von fingierten Schadens-
ersatzansprüchen zu unterbinden?

7. Ist der Bundesregierung bekannt, ob es schon zu Vollstreckungen oder Voll-
streckungsversuchen bei Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und
Staatsanwälten, Justizangestellten und anderen Betroffenen gekommen ist
(wenn ja, bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)?

8. Sieht die Bundesregierung eine Rechtsgrundlage für die Zuständigkeit mal-
tesischer Gerichte?
a) Wenn nein, was hat die Bundesregierung unternommen, um diese Auf-

fassung den Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern und den
maltesischen Behörden deutlich zu machen?

b) Wenn ja, welche Rechtsgrundlage sieht die Bundesregierung, und wird
sie auf eine Änderung der Rechtsgrundlage hinwirken?

9. Sieht die Bundesregierung in Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe a oder Buch-
stabe b der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 eine Möglichkeit für Betroffene,
im Fall einer (versuchten) Vollstreckung vorzugehen?
Wenn nein, warum nicht?

10. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, von der Möglichkeit des Ar-
tikels 19 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 in Fällen des sog.
Malta Inkasso Gebrauch zu machen?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9868

11. Ist es nach Ansicht der Bundesregierung möglich, mit der Erinnerung nach

§ 766 ZPO gegen einen Vollstreckungstitel eines maltesischen Gerichts vor-
zugehen, auch wenn diese nur eine Überprüfung auf Verfahrensfehler er-
möglicht?

Berlin, den 26. September 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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