BT-Drucksache 18/9612

Langfristige Sicherung der Stiftung Humanitäre Hilfe zur Entschädigung von durch verunreinigte Blutprodukte HIV-Infizierten

Vom 9. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9612
18. Wahlperiode 09.09.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Katja Kipping, Ralph Lenkert, Norbert Müller, Harald Petzold (Havelland),
Harald Weinberg, Birgit Wöllert, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Langfristige Sicherung der Stiftung Humanitäre Hilfe zur Entschädigung von
durch verunreinigte Blutprodukte HIV-Infizierten

Ende der siebziger und während der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhun-
derts wurden Tausende Bluter durch verseuchte Blutkonserven mit HIV, dem
Erreger der AIDS-Krankheit, infiziert. In der Bundesrepublik Deutschland wa-
ren es mehr als 1 500. Ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages
sprach 1994 von einem schuldhaften Verhalten der Behörden, der Pharma-
konzerne sowie der Blutspendedienste des Deutschen Roten Kreuzes (vgl.
www.zeit.de/1994/50/vorlaeufig-sprachlos) und stellte fest, dass das Infekti-
onsrisiko zumindest ab Anfang 1983 der Industrie bekannt war (vgl. www.
sueddeutsche.de/politik/hiv-verseuchte-blutkonserven-eiskalte-abwicklung-
eines-skandals-1.68006). Aufgrund der Gefahr der Übertragung von Hepatiti-
den hatten einige Unternehmen bereits in den siebziger Jahren Virusinaktivie-
rungsverfahren entwickelt, so dass schon Ende der siebziger Jahre virusinakti-
vierte Präparate zur Verfügung standen. Dennoch wurden weitere Patienten in-
fiziert.
Erst im Jahr 1995 wurde endlich ein Gesetz zur Errichtung der „Stiftung Huma-
nitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“ erlassen. Die Finan-
zierung erfolgte zunächst auf freiwilliger Basis durch den Bund (40 Prozent), die
Bundesländer (20 Prozent), sechs (durch Übernahmen/Konzentration auf dem
Markt heute nur noch drei) Pharmakonzernen (36,3 Prozent) und die Blutspende-
dienste des Deutschen Roten Kreuzes (3,7 Prozent) (vgl. https://de.wikipedia.org/
wiki/Stiftung_Humanit%C3%A4re_Hilfe_f%C3%BCr_durch_Blutprodukte_
HIV-infizierte_Personen).
Als Skandal wird dabei (vgl. www.spiegel.de/panorama/justiz/bluter-skandal-
wie-hiv-infizierte-abgespeist-wurden-a-930103.html) nicht nur die trotz Wissens
um die Gefahr erfolgte Auslieferung von möglicherweise infizierten Blutproduk-
ten angesehen, sondern auch die schleppende und unzureichende Leistung von
Entschädigung an die Betroffenen und ihre Hinterbliebenen.
Ebenfalls beklagt wird, dass der Stiftung die Geldmittel auszugehen drohen.
Schon in den Jahren 2002 und 2010 gab es eine ähnliche Situation. Ursache ist,
dass es bei der Lebenserwartung der mit dem HI-Virus-Infizierten und an AIDS
Erkrankten zu Fehleinschätzungen kam.
Darüber hinaus mahnt die Deutsche Hämophiliegesellschaft zur Bekämpfung von
Blutungskrankheiten e.V. (DHG) an, dass seit Beginn der Zahlungen im Jahr

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1995 die Entschädigungsleistungen trotz Kaufkraftverlust nicht angepasst wur-
den und fordert nun sowohl einen einmaligen Aufschlag um 26 Prozent sowie
eine jährliche Anpassung (vgl. www.dhg.de).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die momentane finanzielle

Ausstattung der Stiftung Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infi-
zierte Personen, die für die Entschädigungszahlungen zuständig ist?

2. In welcher Höhe und von wem fließen dieser Stiftung nach Kenntnis der
Bundesregierung derzeit jährlich Mittel zu?

3. Wie entwickelte sich die finanzielle Situation der Stiftung nach Kenntnis der
Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren (bitte detailliert Ausgaben
und Einnahmen für jedes Jahr auflisten)?

4. Wie entwickelte sich nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergange-
nen zehn Jahren die Beteiligung durch die verursachende Industrie (absolut
und prozentual)?

5. Für welchen Zeitraum wird die Stiftung nach Einschätzung der Bundesregie-
rung noch ausreichend finanziert sein, um den Betroffenen zumindest auf
dem heutigen Niveau Zahlungen zu leisten?

6. Wie viele durch verunreinigte Blutprodukte HIV-Infizierte erhalten nach
Kenntnis der Bundesregierung derzeit Entschädigungsleistungen, und falls
bekannt, wie viel Euro durchschnittlich im Monat?

7. Wie viele der Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger erhalten
nach Kenntnis der Bundesregierung als HIV-Infizierte nach § 16 des HIV-
Hilfegesetzes (HIVHG) eine monatliche Entschädigung von 766,94 Euro,
wie viele als AIDS-erkrankte Personen eine Leistung von 1 533,88 Euro?
Wie viele Kinder erhalten nach dem Tod der infizierten Person Entschädi-
gungen?

8. Wie entwickelte sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil derjeni-
gen, die aufgrund der Schädigung erwerbsunfähig und daher vollständig auf
Zuwendungen aus der Stiftung angewiesen sind, in den vergangenen zehn
Jahren (bitte pro Jahr auflisten)?

9. Erhalten Erwerbsunfähige bzw. diejenigen, die nur bedingt erwerbsfähig
sind, einen Aufschlag?
Wenn nein, warum nicht, wo diese doch in höherem Maße auf die Entschä-
digung angewiesen sind als diejenigen, die durch Berufstätigkeit ein eigenes
Einkommen erzielen können?

10. Stimmt die Bundesregierung der Sichtweise der DHG zu, dass den durch
verunreinigte Blutprodukte Infizierten eine dauerhafte Absicherung der Ent-
schädigung bis zum Lebensende und nicht nur für einen begrenzten Zeitraum
zustehen sollte?
Falls nein, warum nicht?

11. Stimmt die Bundesregierung der DHG zu, dass die monatliche Entschädi-
gung um 26 Prozent erhöht werden muss, da seit Zahlungsbeginn noch keine
Dynamisierung stattfand?
Wenn nein, welche Argumente sprechen aus Sicht der Bundesregierung da-
gegen?

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12. Welche Position hat die Bundesregierung bezüglich einer Regelung für eine

zukünftige Dynamisierung der monatlichen Entschädigungsleistung, in de-
ren Berechnung ein Ausgleich der Inflation sowie mit dem Alter steigender
Hilfebedarf eingehen müssten?

13. Warum hat sich das Bundesministerium für Gesundheit zu diesen Forderun-
gen der Betroffenen bisher noch nicht geäußert?

Berlin, den 9. September 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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