BT-Drucksache 18/961

Position der Bundesregierung zu Energierohstoffimporten aus Russland

Vom 1. April 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/961
18. Wahlperiode 01.04.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Kerstin Andreae, Dr. Julia Verlinden,
Jürgen Trittin, Marieluise Beck (Bremen), Katharina Dröge, Annalena Baerbock,
Dr. Thomas Gambke, Matthias Gastel, Anja Hajduk, Bärbel Höhn, Dieter Janecek,
Stephan Kühn (Dresden), Peter Meiwald, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Markus Tressel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Position der Bundesregierung zu Energierohstoffimporten aus Russland

Angesichts der aktuellen politischen Spannungen auch zwischen Russland und
der Europäischen Union, der hohen strategischen Bedeutung einer sicheren und
zunehmend auf nachhaltigen Energiequellen aufbauenden Energieversorgung
und den im deutschen Außenwirtschaftsrecht vorhandenen Möglichkeiten zur
Prüfung, Einschränkung oder Untersagung von bestimmten Unternehmensüber-
nahmen, werden insbesondere zwei aktuelle Unternehmenserwerbe öffentlich
debattiert.
So hat die Energieversorgerin RWE AG kürzlich angekündigt, ihre Öl- und Gas-
tochter RWE Dea AG an die Luxemburger Investmentgesellschaft LetterOne
Group unter Führung des russischen Oligarchen Michail Fridman zu verkaufen.
Die RWE Dea AG steuert von ihrem Hamburger Firmensitz aus zahlreiche Öl-
und Gasförderprojekte im In- und Ausland. Hintergrund ist der dringende Kapi-
talbedarf von der RWE AG. Der Konzern ist mit rund 30 Mrd. Euro verschuldet.
LetterOne (Sitz in Luxemburg) soll 5,1 Mrd. Euro für das Unternehmen mit
Hauptsitz in Hamburg bezahlen.
Der größte westeuropäische Erdgasspeicher in Rehden bei Bremen soll dem-
nächst durch ein russisches Unternehmen (Gazprom) komplett übernommen
werden. Der Gasspeicher umfasst allein 20 Prozent der deutschen Speicher-
kapazität und weist eine Kapazität von rund 4,4 Milliarden Kubikmeter Erdgas
auf, genug, um 2,2 Millionen Einfamilienhäuser ein Jahr lang mit Gas zu versor-
gen. Er wird bislang vom deutsch-russischen Joint-Venture Astora gemeinsam
von der BASF-Tochter Wintershall Holding GmbH und Gazprom betrieben.
Zusätzlich erhält Gazprom Beteiligungen an Erdgasspeichern im niedersäch-
sischen Jemgum und im österreichischen Haidach. Mit einer Kapazität von
2,6 Milliarden Kubikmetern gehört Letzterer ebenfalls zu den größten Gasspei-
chern Westeuropas. Gazprom hätte damit erstmals Zugriff auf die Gasinfrastruk-
tur in Deutschland. Am Unternehmen Gazprom hält der russische Staat 50 Pro-
zent und eine Aktie und besitzt im Aufsichtsrat die Mehrheit. Über die Speicher-
transaktion hinaus überträgt die in Kassel ansässige Wintershall Holding GmbH
auch das bislang gemeinsam betriebene Erdgashandelsgeschäft in Deutschland
vollständig an Gazprom. Damit erschließt sich Gazprom einen Marktanteil am
Erdgashandel von rund 20 Prozent. Von der Europäischen Kommission wurde
diese Transaktion im Dezember 2013 ohne zusätzliche Auflagen genehmigt. Sie
soll bis Mitte des Jahres 2014 vollzogen werden.

Drucksache 18/961 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Schon heute ist der Einfluss von Gazprom auf den deutschen Gasmarkt enorm.
So wird der Großteil des Gasimports aus Russland über die Nord-Stream-Pipe-
line durch die Ostsee direkt aus Russland nach Deutschland geleitet. An dieser
Pipeline sind neben Gazprom vier große europäische Gaskonzerne beteiligt,
darunter E.ON und BASF/Wintershall Holding GmbH.
Die im deutschen Außenwirtschaftsrecht vorhandenen Möglichkeiten, be-
stimmte Unternehmenserwerbe zu prüfen, einzuschränken oder zu untersagen,
können nur in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen und auch nur als eine kurz-
fristige Übergangslösung genutzt werden. Mittel- bis langfristig kann Energie-
sicherheit nur über mehr Energieeffizienz, mehr erneuerbare Energien und eine
leistungsfähige und intelligente Energieinfrastruktur gesichert werden. Deshalb
richten wir diese Kleine Anfrage an die Bundesregierung.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über Inhalt und Zeitplan

der Verhandlungen zwischen RWE AG und der LetterOne Group zum Ver-
kauf von RWE Dea AG vor?

2. Welche Position vertritt die Bundesregierung bezüglich der Übernahme von
RWE Dea AG an die LetterOne Group?

3. Hat die Bundesregierung die Übernahme im Rahmen der außenwirtschafts-
rechtlichen Bestimmungen geprüft?
Falls nein, warum nicht, und falls ja, mit welchen Ergebnissen?

4. Welche rechtliche Handhabe sieht die Bundesregierung, diese Übernahme
– etwa nach dem Außenwirtschaftsgesetz – einzuschränken oder zu unter-
binden, und wird sie davon Gebrauch machen?

5. Geht die Bundesregierung durch den Verkauf der RWE Dea AG von mög-
lichen Einschränkungen der Versorgungssicherheit aus (bitte begründen)?

6. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über Inhalt und Zeitplan
der Verhandlungen zwischen der BASF-Tochter Wintershall Holding
GmbH und Gazprom zum Verkauf von Gasspeicherkapazitäten vor?

7. Welche Position vertritt die Bundesregierung bezüglich der Übernahme
durch Gazprom?

8. Hat die Bundesregierung die Übernahme im Rahmen der außenwirtschafts-
rechtlichen Bestimmungen geprüft?
Falls nein, warum nicht, und falls ja, mit welchen Ergebnissen?

9. Welche rechtliche Handhabe sieht die Bundesregierung, diese Übernahme
– etwa nach dem Außenwirtschaftsgesetz – einzuschränken oder zu unter-
binden, und wird sie davon Gebrauch machen?

10. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über weitere Verkäufe
bzw. Joint-Ventures von Energierohstoff-Unternehmen oder Infrastrukturen
zwischen deutschen und russischen Unternehmen bzw. von russischen In-
vestoren dominierten Unternehmen vor?

11. Welche Position vertritt die Bundesregierung diesbezüglich?
12. Welche rechtliche Handhabe sieht die Bundesregierung, diese Übernah-

men/Joint-Ventures – etwa nach dem Außenwirtschaftsgesetz – einzu-
schränken oder zu unterbinden, und wird sie davon Gebrauch machen?

13. Wird die Bundesregierung in absehbarer Zeit in einen Dialog mit deutschen
Unternehmen treten, um über die Einschränkung oder den Stopp solcher
Transaktionen zu sprechen, und falls nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/961
14. Welche Schlussfolgerungen bzw. Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus den Äußerungen des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk
(s. DIE WELT vom 12. März 2014), wonach Deutschland seine Abhängig-
keit vom russischen Erdgas verringern müsse, da ansonsten die europäische
Souveränität eingeschränkt würde?

15. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Schlussfolgerun-
gen des Europäischen Rates vom 20. und 21. März 2014, die Gasabhängig-
keit Europas zu verringern?

16. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Abhängigkeit
Deutschlands von russischem Erdgas durch eine Beschleunigung der Ener-
giewende – aufgeschlüsselt nach Wärme- und Stromsektor – zu verringern,
und welche konkreten Maßnahmen plant sie dazu, beispielsweise im Rah-
men der aktuellen Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes?

17. Welche konkreten Schritte zur Diversifizierung von Erdgasbezugsquellen
hat die Bundesregierung bisher unternommen, und was plant sie dem-
nächst?

18. Wie bewertet die Bundesregierung mögliche alternative Erdgaslieferanten
jenseits der Russischen Föderation mit Blick auf die Sicherheit der Liefe-
rungen und geostrategischen Abhängigkeiten?

19. Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung bezüglich lang-
fristiger Verträge mit Russland bzw. russischen Unternehmen über Erdgas-
lieferungen, und gedenkt die Bundesregierung, an diesen Verträgen fest-
zuhalten (bitte begründen)?

20. Welche Menge an Erdgas und welchen prozentualen Anteil ihres gesamten
Erdgasbedarfs hat die Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen vier
Jahren aus Russland importiert, und wie werden sich diese Werte nach
Schätzungen der Bundesregierung zukünftig entwickeln (bitte nach Jahren
aufschlüsseln)?

21. Welche Menge an Erdöl und welchen prozentualen Anteil ihres gesamten
Erdölbedarfs hat die Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen vier
Jahren aus Russland importiert, und wie werden sich diese Werte nach
Schätzungen der Bundesregierung zukünftig entwickeln (bitte nach Jahren
aufschlüsseln)?

22. Welche Menge an Steinkohle und welchen prozentualen Anteil ihres ge-
samten Steinkohlebedarfs hat die Bundesrepublik Deutschland in den ver-
gangenen vier Jahren aus Russland importiert, und wie werden sich diese
Werte nach Schätzungen der Bundesregierung zukünftig entwickeln (bitte
nach Jahren aufschlüsseln)?

23. In welchen Sektoren, aufgeschlüsselt nach Privathaushalten (Heizung),
öffentlichen Einrichtungen, Industrie und Gewerbe, Stromerzeugung und
Verkehr, wird nach Kenntnis der Bundesregierung Erdgas in Deutschland
genutzt, und wie viel Erdgas wird in den jeweiligen Sektoren jährlich ver-
braucht?

24. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung in den letzten Jah-
ren unternommen, damit sich für das bei Wilhelmshaven seit langem fertig
geplante und genehmigte LNG-Terminal (LNG = Flüssigerdgas) ein Inves-
tor findet?

Berlin, den 1. April 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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