BT-Drucksache 18/9361

FinTechs in Deutschland

Vom 3. August 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9361
18. Wahlperiode 03.08.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Axel Troost, Klaus Ernst, Ulla Jelpke, Susanna
Karawanskij, Jutta Krellmann, Halina Wawzyniak und der
Fraktion DIE LINKE.

FinTechs in Deutschland

Die Digitalisierung von Finanzdienstleistungen gilt gegenwärtig als die zentrale
Herausforderung eines Strukturwandels, der seit einiger Zeit den sog. Finanzsek-
tor tief erfasst hat. Zwar ist die Digitalisierung für die Finanzdienstleistungsbran-
che an sich kein neues Phänomen. Bereits seit über 50 Jahren digitalisieren die
Banken und Sparkassen ihre Prozesse im Rahmen des technischen Fortschritts.
Dennoch haben die Durchdringung aller Lebensbereiche mit internet-basierten
Angeboten, eine weit verfügbare Breitbandabdeckung sowie die nahezu flächen-
deckende Verbreitung von Smartphones und Tablets in den vergangenen Jahren
zu einem weiteren Quantensprung in der Digitalisierung geführt. Der digitale
Strukturwandel führt zu Veränderungen am Markt und im Wettbewerb, aber auch
in den Kundenbeziehungen (vgl. institut für finanzdienstleistungen e. V. (iff), In-
ternationale Konferenz zu Finanzdienstleistungen 2016 in Hamburg, Reader zur
Konferenz mit Beiträgen von Prof. Lars Hornuf/Universität Trier, Andreas Kraut-
scheid/Bundesverband deutscher Banken e. V. et al.). Was beispielsweise die An-
bieterseite von Finanzdienstleistungen angeht, so sind durch die Nutzung dieser
Möglichkeiten die Eintrittsbarrieren in den Markt erheblich gesunken. Gleichzei-
tig sind Banken gefordert, ihre Angebote und Prozesse auf den digitalen Prüfstand
zu stellen (vgl. Ostdeutscher Bankenverband e. V., Infoport, Ausgabe 3/2016, 14.
Juli 2016). Für die Kunden kann der digitale Strukturwandel zu einer Stärkung
ihrer Marktmacht beitragen, etwa durch die Schaffung von Transparenz und die
Loslösung von Kaufentscheidungen an Standorte, aber auch durch den zuneh-
menden Wettbewerb und die Einschränkung von Preissetzungsmöglichkeiten der
Anbieter.
Eng verbunden mit dem Megatrend der Digitalisierung ist das Aufkommen von
sog. FinTechs, digitalen Finanzdienstleistern, die diesem Trend folgen und ihn
gleichzeitig weiter vorantreiben. Gemeinhin werden als „FinTech“ junge Finanz-
technologie-Unternehmen bezeichnet, „die auf Basis neuer, internetbasierter
Technologien und kundenzentrierter Ansätze Angebote in den klassischen Berei-
chen des Bankgeschäfts, wie Kreditgeschäft, Anlagestrategien und Zahlungsver-
kehr etablieren“ (zit. nach Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Ak-
tueller Begriff „FinTechs“). Die Geschäftsstrategie fast aller FinTechs zielt auf
Gebührensenkungen, mehr Transparenz und die Schaffung besonders nutzer-
freundlicher Anwendungen, wodurch sie das Geschäftsmodell der etablierten An-
bieter herausfordern. Eine klare Definition des Begriffs „FinTech“ existiert bis-
lang nicht.

Drucksache 18/9361 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele FinTech-Unternehmen agieren nach Kenntnis der Bundesregie-

rung aktuell auf dem deutschen Markt, und wie hat sich ihre Anzahl im Ver-
gleich zu den Vorjahren 2015 und 2014 entwickelt?

2. Wie viele Anträge auf Geschäftstätigkeit wurden von FinTech-Unternehmen
seit dem Jahr 2014 bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
(BaFin) erfolgreich gestellt (bitte nach Jahren und nach Geschäftsfeldern auf-
schlüsseln)?

3. Von wie vielen Einstellungen der Geschäftstätigkeit von FinTech-Unterneh-
men hat die Bundesregierung seit dem Jahr 2014 Kenntnis?

4. Welches sind die typischen Geschäftsfelder, die von Unternehmen der Fin-
Tech-Branche hierzulande nach Kenntnis der Bundesregierung angeboten
werden (bitte aufgliedern nach Marktsegmenten)?

5. Welches sind nach Kenntnis der Bundesregierung Geschäftszweige und
Dienstleistungen, die ausnahmslos von sog. FinTech-Unternehmen und nicht
von „traditionellen“ Banken, Finanzdienstleistungsunternehmen oder Versi-
cherungsunternehmen bereitgestellt werden?

6. Welches sind nach Kenntnis der Bundesregierung gegenwärtig die nach
Marktanteil 20 größten FinTech-Unternehmen in Deutschland (bitte nach
Marktanteil unter Angabe des jeweiligen Geschäftsbereichs aufschlüsseln)?

7. Welches sind nach Kenntnis der Bundesregierung gegenwärtig die nach
Marktanteil 20 größten FinTech-Unternehmen im Euroraum (bitte nach
Marktanteil unter Angabe des jeweiligen Geschäftsbereichs aufschlüsseln)?

8. Welches sind nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland die nach
Börsenwert wertvollsten (höchst dotierten) 20 FinTech-Unternehmen einer-
seits und die nach Börsenwert wertvollsten Banken andererseits (bitte jeweils
nach Börsenwert aufschlüsseln)?

9. Welches sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Euroraum die nach
Börsenwert wertvollsten (höchst dotierten) 20 FinTech-Unternehmen einer-
seits und die nach Börsenwert wertvollsten Banken andererseits?

10. Wer sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Anteilseigner (und insbe-
sondere die institutionellen Investoren) der nach Marktanteil 20 größten
FinTech-Unternehmen in Deutschland (bitte abbilden, beginnend mit dem
größten FinTech-Unternehmen, mit Angabe des jeweiligen Geschäftsbe-
reichs)?

11. Welche Geschäftsmodelle von FinTech-Unternehmen erfordern eine Erlaub-
nis, und wo ist jeweils die laufende Aufsicht angesiedelt (bitte nach Ge-
schäftsbereichen aufschlüsseln)?

12. Aus welchen Gründen gelten für FinTech-Unternehmen nicht die gleichen
regulatorischen Anforderungen, einschließlich Verbraucherschutzbestim-
mungen, wie für die „traditionellen“ Banken, Versicherungen und Finanz-
dienstleistungsunternehmen, wenn sie die gleichen Finanz- und Kreditdienst-
leistungen erbringen, und wie ist eine solche Handhabe zu vereinbaren mit
der Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen sowie eines Level-
Playing-Fields, bei der alle geltenden Verbraucher- und Anlegerschutzbe-
stimmungen Anwendung finden?

13. Welche Erfahrungen wurden von der Bundesregierung bisher mit den seit
dem Jahr 2015 bestehenden Regelungen zum Crowdinvesting nach dem
Kleinanlegerschutzgesetz gemacht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9361
 

14. Wie viele der registrierten Anbieter bzw. Plattformen mussten nach Kenntnis
der Bundesregierung einen Prospekt anfertigen, und wie viele Anbieter wur-
den von den Veröffentlichungspflichten ausgenommen, weil das eingeholte
Kapital nicht die Schwelle von 2,5 Mio. Euro überstieg?

15. Wie hat sich die Crowdinvesting-Branche weiterentwickelt, und sieht die
Bundesregierung Nachregelungsbedarf?

16. Inwiefern hat die BaFin ihre Prozesse angesichts der Fortentwicklung der
Digitalisierung angepasst, und welche weiteren Überlegungen bestehen dies-
bezüglich?

17. Welches sind aus Sicht der Bundesregierung die bestimmenden Kooperati-
ons- und Interaktionsformen zwischen Banken und FinTechs?

18. Aus welchen Gründen interagieren nach Auffassung der Bundesregierung
jeweils
a) beaufsichtigte Banken,
b) Finanzdienstleistungsinstitute und
c) Versicherer mit FinTechs,
und wie bewertet die Bundesregierung die jeweiligen Kooperationsmodelle?

19. Welche Geschäftsmodelle von FinTechs werden nach Auffassung der Bun-
desregierung ausschließlich dadurch ermöglicht, dass Banken, Versicherer
oder sonstige Finanzdienstleister mit ihnen eine Kooperation eingehen und
das lizenzpflichtige Geschäft übernehmen?

20. An welche Voraussetzungen ist eine Lizenzpartnerschaft in der Praxis ge-
knüpft, und welche aufsichts- und haftungsrechtlichen Implikationen sind
mit einer Lizenzpartnerschaft verbunden?

21. Welche Erfordernisse sieht die Bundesregierung hinsichtlich der Gestaltung
von Rahmenbedingungen beim Datenschutz und zur Gewährleistung von Si-
cherheit vor Cyber-Attacken auf Plattformen und Kundendaten?

22. Erwägt die Bundesregierung neue Regelungen und Auflagen zum Daten-
schutz und zur Sicherung von Datenrechten zu schaffen, um einer über das
notwendige Maß hinausgehenden Erfassung von Nutzerdaten und dem Ver-
kauf von Kundendaten an unbeteiligte Dritte vorzubeugen?

23. Werden von der Bundesregierung die Definition und Vorgabe technologi-
scher Mindeststandards für die Plattformen der FinTechs erwogen, um der
Cyberkriminalität zu begegnen?

24. Welche Anhaltspunkte und Faktoren sieht die Bundesregierung in Zusam-
menhang mit dem Brexit für die Verlagerung von FinTech-Niederlassungen
nach Kontinentaleuropa und jeweils nach Berlin oder Frankfurt?

Berlin, den 3. August 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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