BT-Drucksache 18/9278

Unvollständige Tatsachengrundlage für Arbeitsplatzsicherung im Ministererlaubnisverfahren EDEKA und Kaiser's Tengelmann

Vom 22. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9278
18. Wahlperiode 22.07.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Renate Künast,
Nicole Maisch, Dr. Thomas Gambke, Dieter Janecek, Luise Amtsberg,
Dr. Tobias Lindner, Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Brigitte Pothmer
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Unvollständige Tatsachengrundlage für Arbeitsplatzsicherung im
Ministererlaubnisverfahren EDEKA und Kaiser’s Tengelmann

Am 12. Juli 2016 hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf die Erlaubnis des
Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, zur Übernahme von
Kaiser’s Tengelmann durch EDEKA zunächst außer Kraft gesetzt. Die Richter
beanstanden, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel den Gemeinwohl-
belang der Arbeitsplatz- und Beschäftigungssicherung bei Kaiser’s Tengelmann
nicht unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte bewertet habe.
Den Gründen der Ministererlaubnis sei nicht zu entnehmen, ob und in welchem
Umfang die Möglichkeit eines fusionsbedingten Stellenabbaus bei EDEKA in die
Abwägungsentscheidung einbezogen wurde. Diese Möglichkeit habe aber bei
den Abwägungsüberlegungen berücksichtigt werden müssen, so das OLG Düs-
seldorf (vgl. OLG Düsseldorf, Pressemitteilung Nr. 25/2016).
Auch auf mehrfache Nachfrage von Abgeordneten der Bundestagsfraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des
Deutschen Bundestages konnten die Vertreter des Bundesministeriums für Wirt-
schaft und Energie (BMWi) nicht darlegen, ob und auf welche Weise der Bun-
deswirtschaftsminister negative Arbeitsplatzeffekte bei Wettbewerbern und Zu-
lieferern durch eine Fusion von EDEKA und Kaiser’s Tengelmann in seine Ent-
scheidung einbezogen hat.
Dieser Aspekt ist nach Auffassung der Fragesteller von besonderer Bedeutung.
Die Ablehnung einer Fusion von EDEKA und Kaiser’s Tengelmann durch die
Monopolkommission basiert vor allem auf dem Zweifel daran, mit der Fusion
16 000 Arbeitsplätze erhalten zu können. Der zurückgetretene Vorsitzende der
Monopolkommission, Prof. Dr. Daniel Zimmer, sagte, es sei auf lange Sicht sogar
davon auszugehen, dass die Ministererlaubnis der Beschäftigung schade. Auch
der neue Chef der Monopolkommission, Prof. Achim Wambach, erneuerte diese
Kritik an der Argumentation von Sigmar Gabriel. Vollbeschäftigung sei zwar Ziel
der Wirtschaftspolitik, dies ist aber nicht gleichzusetzen mit dem Erhalt von Ar-
beitsplätzen bei einem bestimmten Unternehmen, so Prof. Achim Wambach.
Das Verfahren zur Erteilung der Ministererlaubnis gibt dem Bundeswirtschafts-
minister eine hohe Verantwortung. Er allein entscheidet, ob die vorliegenden
Wettbewerbsbeschränkungen durch Allgemeinwohlgründe aufgewogen werden
können. Weder das Bundeskabinett noch der Deutsche Bundestag sind an der
Entscheidung beteiligt. Daher ist es nach Auffassung der Fragesteller von hoher

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Bedeutung, Transparenz über die Abwägungsgründe der Entscheidung herzustel-
len. Der Bundeswirtschaftsminister muss darüber aufklären, wie er geprüft hat,
ob und in welchem Umfang ein Stellenabbau bei EDEKA die Folge sein könnte
und ob durch die gesteigerte Marktmacht von EDEKA Arbeitsplätze bei Zuliefe-
rern und Wettbewerbern in Gefahr geraten könnten und zu welchem Ergebnis
diese Prüfung führte.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche alternativen Übernahmeszenarien von Kaiser’s Tengelmann sind

dem BMWi bekannt?
2. Hat das BMWi geprüft, welche Arbeitsplatzeffekte durch die verschiedenen

alternativen Übernahmeszenarien von Kaiser’s Tengelmann entstehen?
a) Auf welchen Annahmen und Modellen beruhte diese Prüfung?
b) Zu welchem Ergebnis führte diese Prüfung?
c) Wurden die Berechnungen und Ergebnisse dokumentiert?

3. Warum hat sich der Bundeswirtschaftsminister im Rahmen seiner ausführli-
chen Darstellung auf der Pressekonferenz vom 13. Juli 2016 nicht zum drit-
ten Punkt der Urteilsbegründung des OLG Düsseldorf geäußert, in dem das
Gericht festhält, dass im Rahmen der Begründung zur Ministererlaubnis
nicht zu erkennen ist, ob und in welchem Umfang ein möglicher Arbeits-
platzabbau bei EDEKA im Rahmen der Fusion in die Abwägungsentschei-
dung einbezogen wurde?

4. Teilt das BMWi die bis zum Ende des Verhandlungstermins am 16. Novem-
ber 2015 vertretene Auffassung EDEKAs, wonach der geplante Unterneh-
menszusammenschluss bei kaufmännisch vernünftigem Handeln mit einem
erheblichen Personalabbau verbunden sein müsse?
Wenn nein, auf welchen Erkenntnissen basiert das BMWi die Auffassung,
dass ein solcher Personalabbau nicht notwendig ist?

5. Warum erwartet das BMWi nicht, dass Synergien durch einen Zusammen-
schluss doppelt vorhandener zentraler Strukturen, etwa bei Produktion,
Logistik und Verwaltung, genutzt werden?

6. Wie viele Doppelstandorte, also Filialen von EDEKA und Kaiser’s Tengel-
mann in unmittelbarer Nähe gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung?
Warum erwartet das BMWi nicht, dass diese Standorte langfristig zusam-
mengelegt werden?

7. Hat das BMWi im Vorfeld der Erteilung der Ministererlaubnis geprüft, ob
und in welchem Umfang ein erhöhter Preisdruck und in Folge dessen ein
Stellenabbau bei Zulieferern die Folge sein könnte?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht?

8. Hat das BMWi im Vorfeld der Erteilung der Ministererlaubnis geprüft, ob
und in welchem Umfang von einem erhöhten Preisdruck, insbesondere Land-
wirte, betroffen sein könnten?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht?

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9. Hat das BMWi im Vorfeld der Erteilung der Ministererlaubnis geprüft, ob
und in welchem Umfang ein erhöhter Wettbewerbsdruck und in Folge dessen
ein Stellenabbau bei Wettbewerbern die Folge sein könnte?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht?

10. Wie kommt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel zu der Aussage im
Rahmen der Pressekonferenz am 13. Juli 2016, dass eine Zerschlagung des
Kaiser’s Tengelmann Konzerns, das heißt anteiliger Verkauf an verschie-
dene Unternehmen, zu einem Verlust von 8 000 Arbeitsplätzen gegenüber
einem Verkauf des Unternehmens an einen Konzern führen würde?
Welche Berechnungen gibt es hierzu im BMWi, und warum fanden diese
nicht Eingang in die Begründung zur Ministererlaubnis?
Sind diese Berechnungen dokumentiert?

11. Hat das BMWi im Vorfeld der Erteilung der Ministererlaubnis geprüft, ob
und in welchem Umfang ein fusionsbedingter Stellenabbau bei EDEKA
möglich wäre?
Wenn nein, warum nicht?

12. Welche Annahmen hat der Bundeswirtschaftsminister ggf. über die fusions-
bedingten Auswirkungen auf die Beschäftigten bei EDEKA getroffen?

13. Warum wurden im Rahmen der Ministererlaubnisentscheidung keine Krite-
rien formuliert, die einen fusionsbedingten Stellenabbau bei EDEKA verhin-
dern sollten?

14. Ist es zutreffend, dass im Rahmen der Ministererlaubnis keine Auflage for-
muliert wurde, die festschreibt, dass tatsächlich alle 16 000 Arbeitsplätze von
Kaiser’s Tengelmann nach der Fusion erhalten bleiben müssen?

15. Wäre ein Stellenabbau von 10 Prozent bei Kaiser’s Tengelmann mit den Auf-
lagen der Ministererlaubnis, wie Sigmar Gabriel sie formuliert hat, verein-
bar?

16. Ist die Darstellung des OLG Düsseldorf im Rahmen der Urteilsbegründung
(2.1.1) nach Auffassung der Bundesregierung zutreffend, dass bis zur münd-
lichen Verhandlung am 16. November 2015 von EDEKA nur ein Übernah-
meangebot für Kaiser’s Tengelmann vorlag, das einen signifikanten Arbeits-
platzabbau und eine verhältnismäßig begrenzte Absicherung der Arbeitneh-
merrechte vorsah?

17. Ist die Darstellung des OLG Düsseldorf in seiner Urteilsbegründung (2.1.2)
nach Auffassung der Bundesregierung zutreffend, dass REWE im Rahmen
der mündlichen Verhandlung ein Angebot vortrug, das den Erhalt aller
16 000 Arbeitsplätze bei Kaiser’s Tengelmann vorsah?

18. Vor dem Hintergrund der Antworten zu den Fragen 16 und 17, warum hat
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel nicht das Angebot von REWE in
die Überlegungen zur Erteilung der Ministererlaubnis miteinbezogen, ob-
wohl es nicht zu relevant besseren Wettbewerbsergebnissen, aber zu relevant
besseren Arbeitsplatzeffekten geführt hätte?

Berlin, den 22. Juli 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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