BT-Drucksache 18/9092

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksache 18/6985 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Vom 6. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9092
18. Wahlperiode 06.07.2016

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 18/6985 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sachverständigenrechts und
zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen
und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

A. Problem
Der Gesetzentwurf sieht Änderungen im Bereich des Sachverständigenrechts vor,
um das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Neutralität gerichtlich bestellter
Sachverständiger zu stärken und die Qualität von Gutachten zu verbessern sowie
die Verfahren zur Erstattung der Gutachten unter Beachtung der Verfahrensga-
rantien zu beschleunigen. Um diese Ziele zu erreichen, wird unter anderem vor-
geschlagen, die Beteiligungsrechte der Parteien bei der Auswahl des Sachverstän-
digen zu stärken und eine möglichst breite Entscheidungsgrundlage für das Ge-
richt zu schaffen, indem gesetzlich normiert wird, dass in der Regel eine Anhö-
rung der Parteien bzw. Beteiligten vor der Ernennung eines Sachverständigen zu
erfolgen habe. Zudem sollen Sachverständige zur Gewährleistung der Neutralität
künftig prüfen, ob Gründe vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen gegen seine
Unparteilichkeit zu rechtfertigen, und diese dem Gericht unverzüglich mitteilen.
In Kindschaftssachen sollen zur Verbesserung der Qualität der Gutachten Quali-
fikationsanforderungen für Sachverständige gesetzlich vorgegeben werden. Zur
Verfahrensbeschleunigung soll das Gericht schließlich dem Sachverständigen bei
Anordnung der schriftlichen Begutachtung künftig eine Frist zur Übermittlung
des Gutachtens setzen; bei Missachtung der Frist soll ein Ordnungsgeld festge-
setzt werden.

B. Lösung
Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung. Die Änderungen zielen ins-
besondere auf folgende Punkte:

− Über die Anhörung der Parteien zur Person des Sachverständigen entschei-
det das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen; von einer regelmäßigen An-
hörung wird abgesehen, um zusätzliche Flexibilität bei der Berücksichtigung
der Umstände des Einzelfalls zu gewährleisten.

Drucksache 18/9092 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
− Gegen einen Sachverständigen kann unter den Voraussetzungen des § 411

Absatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) ein Ordnungsgeld von bis zu 3.000
Euro statt bis zu 5.000 Euro festgesetzt werden. Dieser Ordnungsgeldrahmen
reicht aus, um den Sachverständigen zu einer fristgerechten Erstattung des
Gutachtens anzuhalten.

− In Umsetzung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschen-
rechte (EGMR) vom 15. Januar 2015 (Beschwerdenr. 62198/11) wird ein
neuer Rechtsbehelf in das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und
in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) aufge-
nommen. Der EGMR hatte entschieden, dass die Vertragsstaaten verpflichtet
seien, Maßnahmen zu ergreifen, die das Recht auf Achtung des Familienle-
bens sicherten. Diese Verpflichtung könne in Umgangssachen nicht erfüllt
werden, wenn der Beschwerdeführer bei überlanger Verfahrensdauer nur
eine finanzielle Entschädigung erhalte; hier müsse die Rechtsordnung
Rechtsbehelfe vorsehen, die sowohl eine präventive als auch eine kompen-
satorische Wirkung haben. Der vom EGMR in Verfahren über den Umgang
mit einem Kind geforderte präventiv wirkende Rechtsbehelf soll bereichs-
spezifisch für bestimmte Kindschaftssachen eingeführt werden.

− Eine Entschädigungsklage wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens
(§ 202 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – in Verbindung mit den
§§ 198 bis 201 des Gerichtverfassungsgesetzes – GVG) wird künftig erst
rechtshängig, wenn die Klage dem beklagten Land oder dem beklagten Bund
zugestellt wurde. Die Zustellung erfolgt gemäß den §§ 12a und 12 Absatz 1
des Gerichtskostengesetzes (GKG) erst nach Zahlung der Gebühr für das
Verfahren im Allgemeinen.

Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Einstimmige Annahme einer Entschließung der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD.

C. Alternativen
Unveränderte Annahme oder Ablehnung des Gesetzentwurfs.

D. Weitere Kosten
Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9092
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/6985 mit folgenden Maßgaben, im
Übrigen unverändert anzunehmen:

1. Die Überschrift wird wie folgt gefasst:

„Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sachver-
ständigenrechts und zur weiteren Änderung des Geset-
zes über das Verfahren in Familiensachen und in den
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie
zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes, der Verwal-
tungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und

des Gerichtskostengesetzes“.

2. Artikel 1 wird wie folgt geändert:

a) In Nummer 1 Buchstabe a wird in § 404 Absatz 2 das Wort „sol-
len“ durch das Wort „können“ ersetzt.

b) In Nummer 2 Buchstabe b wird dem § 407a Absatz 2 folgender
Satz angefügt:

„Unterlässt er dies, kann gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt
werden.“

c) In Nummer 3 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb wird in § 411 Ab-
satz 2 in dem neuen Satz 4 die Angabe „5 000“ durch die Angabe
„3 000“ ersetzt.

3. Artikel 2 wird wie folgt geändert:

a) Nummer 1 Buchstabe b wird durch die folgenden Buchstaben b
und c ersetzt:

‚b) Nach der Angabe zu § 155a werden die folgenden Angaben
eingefügt:

„§ 155b Beschleunigungsrüge

§ 155c Beschleunigungsbeschwerde“.

c) Die Angabe zu § 163 wird durch die folgenden Angaben er-
setzt:

„§ 163 Sachverständigengutachten

§ 163a Ausschluss der Vernehmung des Kindes“.‘

b) Nach Nummer 1 wird folgende Nummer 2 eingefügt:

‚2. Dem § 88 wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) Die Verfahren sind vorrangig und beschleunigt
durchzuführen. Die §§ 155b und 155c gelten entspre-
chend.“ ‘

c) Die bisherige Nummer 2 wird Nummer 3.

Drucksache 18/9092 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

d) Nach der neuen Nummer 3 wird folgende Nummer 4 eingefügt:

‚4. Nach § 155a werden die folgenden §§ 155b und 155c einge-
fügt:

㤠155b

Beschleunigungsrüge

(1) Ein Beteiligter in einer in § 155 Absatz 1 bestimm-
ten Kindschaftssache kann geltend machen, dass die bishe-
rige Verfahrensdauer nicht dem Vorrang- und Beschleuni-
gungsgebot nach der genannten Vorschrift entspricht (Be-
schleunigungsrüge). Er hat dabei Umstände darzulegen, aus
denen sich ergibt, dass das Verfahren nicht vorrangig und be-
schleunigt durchgeführt worden ist.

(2) Das Gericht entscheidet über die Beschleunigungs-
rüge spätestens innerhalb eines Monats nach deren Eingang
durch Beschluss. Hält das Gericht die Beschleunigungsrüge
für begründet, hat es unverzüglich geeignete Maßnahmen zur
vorrangigen und beschleunigten Durchführung des Verfah-
rens zu ergreifen; insbesondere ist der Erlass einer einstwei-
ligen Anordnung zu prüfen.

(3) Die Beschleunigungsrüge gilt zugleich als Verzö-
gerungsrüge im Sinne des § 198 Absatz 3 Satz 1 des Ge-
richtsverfassungsgesetzes.

§ 155c

Beschleunigungsbeschwerde

(1) Der Beschluss nach § 155b Absatz 2 Satz 1 kann
von dem Beteiligten innerhalb einer Frist von zwei Wochen
nach der schriftlichen Bekanntgabe mit der Beschwerde an-
gefochten werden. § 64 Absatz 1 gilt entsprechend. Das Ge-
richt ist zur Abhilfe nicht befugt; es hat die Akten unverzüg-
lich dem Beschwerdegericht nach Absatz 2 vorzulegen.

(2) Über die Beschleunigungsbeschwerde entscheidet
das Oberlandesgericht, wenn das Amtsgericht den Beschluss
nach § 155b Absatz 2 Satz 1 gefasst hat. Hat das Oberlandes-
gericht oder der Bundesgerichtshof den Beschluss gefasst, so
entscheidet ein anderer Spruchkörper desselben Gerichts.

(3) Das Beschwerdegericht entscheidet unverzüglich
nach Aktenlage; seine Entscheidung soll spätestens innerhalb
eines Monats ergehen. § 68 Absatz 2 gilt entsprechend. Das
Beschwerdegericht hat festzustellen, ob die bisherige Dauer
des Verfahrens dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des
§ 155 Absatz 1 entspricht. Stellt es fest, dass dies nicht der
Fall ist, hat das Gericht, dessen Beschluss angefochten wor-
den ist, das Verfahren unter Beachtung der rechtlichen Beur-
teilung des Beschwerdegerichts unverzüglich vorrangig und
beschleunigt durchzuführen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/9092

(4) Hat das Gericht innerhalb der Monatsfrist des
§ 155b Absatz 2 Satz 1 keine Entscheidung über die Be-
schleunigungsrüge getroffen, kann der Beteiligte innerhalb
einer Frist von zwei Monaten bei dem Beschwerdegericht
nach Absatz 2 die Beschleunigungsbeschwerde einlegen. Die
Frist beginnt mit Eingang der Beschleunigungsrüge bei dem
Gericht. Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend.“ ‘

e) Die bisherige Nummer 3 wird Nummer 5 und in Buchstabe b wird
dem Absatz 1 folgender Satz angefügt:

„Verfügt der Sachverständige über eine pädagogische oder sozial-
pädagogische Berufsqualifikation, ist der Erwerb ausreichender
diagnostischer und analytischer Kenntnisse durch eine anerkannte
Zusatzqualifikation nachzuweisen.“

f) Die bisherige Nummer 4 wird Nummer 6 und wie folgt gefasst:

‚6. Nach § 163 wird folgender § 163a eingefügt:

㤠163a

Ausschluss der Vernehmung des Kindes

Eine Vernehmung des Kindes als Zeuge oder als Betei-
ligter findet nicht statt.“ ‘

g) Die bisherigen Nummern 5 bis 8 werden die Nummern 7 bis 10.

4. Artikel 3 wird wie folgt gefasst:

‚Artikel 3

Änderung des Gesetzes, betreffend die Einführung der Zivilpro-
zessordnung

Dem Gesetz, betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung
in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 310-2, veröf-
fentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 4 des Geset-
zes vom 19. Februar 2016 (BGBl. I S. 254) geändert worden ist, wird
folgender § 41 angefügt:

㤠41

Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Änderung des Sachverständigen-
rechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in
Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts-
barkeit sowie zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes, der Verwal-
tungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und des Gerichts-

kostengesetzes

Wurde der Sachverständige vor dem … [einsetzen: Datum des In-
krafttretens nach Artikel 10 dieses Gesetzes] ernannt, ist § 411 Absatz 1
und 2 der Zivilprozessordnung in der bis zum … [einsetzen: Datum des

Drucksache 18/9092 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Inkrafttretens nach Artikel 10 dieses Gesetzes] geltenden Fassung an-
zuwenden.“ ‘

5. In Artikel 4 wird in § 13 die Angabe „Artikel 6“ durch die Angabe „Ar-
tikel 10“ ersetzt.

6. Dem Artikel 5 wird folgender Absatz 3 angefügt:

‚(3) In § 19 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 des Rechtsanwaltsvergü-
tungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 788), das zuletzt durch
Artikel 5 des Gesetzes vom 24. Mai 2016 (BGBl. I S. 1190) geändert
worden ist, wird nach dem Wort „Wertfestsetzung“ ein Komma und
werden die Wörter „die Beschleunigungsrüge nach § 155b des Gesetzes
über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der
freiwilligen Gerichtsbarkeit“ eingefügt.‘

7. Nach Artikel 5 werden die folgenden Artikel 6 bis 9 eingefügt:

‚Artikel 6

Änderung des Sozialgerichtsgesetzes

Das Sozialgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung
vom 23. September 1975 (BGBl. I S. 2535), das zuletzt durch Artikel 2
Absatz 2 des Gesetzes vom 17. Februar 2016 (BGBl. I S. 203) geändert
worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 94 wird wie folgt geändert:

a) Die Absatzbezeichnung „(1)“ wird gestrichen.

b) Folgender Satz wird angefügt:

„In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsver-
fassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens
wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshän-
gig.“

2. In § 104 Satz 1 wird der Punkt am Ende durch ein Semikolon und
werden die Wörter „in Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des
Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsver-
fahrens ist die Klage zuzustellen.“ ersetzt.

Artikel 7

Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung

Die Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), die zuletzt durch Artikel 3
des Gesetzes vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2490) geändert wor-
den ist, wird wie folgt geändert:

1. § 46 wird wie folgt geändert:

a) In Nummer 1 wird das Komma am Ende durch das Wort
„und“ ersetzt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/9092

b) In Nummer 2 wird das Wort „und“ durch einen Punkt ersetzt.

2. § 90 wird wie folgt geändert:

a) Die Absatzbezeichnung „(1)“ wird gestrichen.

b) Folgender Satz wird angefügt:

„In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsver-
fassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens
wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshän-
gig.“

3. In § 124 Absatz 2 Nummer 4 wird das Wort „gemeinsamen“ durch
das Wort „Gemeinsamen“ ersetzt.

Artikel 8

Änderung der Finanzgerichtsordnung

Dem § 66 der Finanzgerichtsordnung in der Fassung der Bekannt-
machung vom 28. März 2001 (BGBl. I S. 442, 2262; 2002 I S. 679), die
zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I
S. 2517) geändert worden ist, wird folgender Satz angefügt:

„In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsge-
setzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache
erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.“

Artikel 9

Änderung des Gerichtskostengesetzes

§ 12a des Gerichtskostengesetzes in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 27. Februar 2014 (BGBl. I S. 154), das zuletzt durch Arti-
kel 8 des Gesetzes vom 11. April 2016 (BGBl. I S. 720) geändert wor-
den ist, wird wie folgt geändert:

1. Die Angabe „§ 12 Absatz 1“ wird durch die Wörter „§ 12 Absatz 1
Satz 1 und 2“ ersetzt.

2. Folgender Satz wird angefügt:

„Wird ein solches Verfahren bei einem Gericht der Verwaltungs-,
Finanz- oder Sozialgerichtsbarkeit anhängig, ist in der Aufforde-
rung zur Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen
darauf hinzuweisen, dass die Klage erst nach Zahlung dieser Ge-
bühr zugestellt und die Streitsache erst mit Zustellung der Klage
rechtshängig wird.“ ‘

8. Der bisherige Artikel 6 wird Artikel 10.;

Drucksache 18/9092 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

b) folgende Entschließung anzunehmen:

„I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Ergänzend zu den Anforderungen an die berufliche Mindestqualifikation der
Gutachter im Gesetzentwurf haben Vertreter juristischer, psychologischer
und medizinischer Fachverbände, der Bundesrechtsanwalts- und der Bun-
despsychotherapeutenkammer unter Begleitung des Bundesministeriums der
Justiz und für Verbraucherschutz Mindestanforderungen für Gutachten im
Kindschaftsrecht erarbeitet (vgl. http://www.bmjv.de/SharedDocs/Down-
loads/DE/PDF/Themenseiten/FamilieUndPartnerschaft/Mindestanforderun-
genSachverstaendigengutachtenKindschaftsrecht.pdf?__blob=publication-
File&v=1). Diese Mindestanforderungen sollen handlungsleitend für die Er-
stellung entsprechender Sachverständigengutachten sein.

Da aber die Qualitätsverbesserungen bei der Begutachtung nur dann ausrei-
chende Wirkung zeigen können, wenn die Richterschaft in der Lage ist, die
gutachterlichen Ausführungen im Einzelnen nachzuvollziehen und daraus
rechtliche Schlussfolgerungen abzuleiten, ist es auch notwendig, die Quali-
fikationsanforderungen an die Familienrichterinnen und -richter zu erhöhen.

Während das Gerichtsverfassungsgesetz für Insolvenzrichter konkrete Qua-
lifikationsvoraussetzungen aufstellt, sieht das Gesetz für Familienrichter le-
diglich vor, dass ein Richter auf Probe im ersten Jahr der Ernennung entspre-
chende Geschäfte nicht wahrnehmen darf (§ 23b Absatz 3 Satz 2 des Ge-
richtsverfassungsgesetzes).

Zwar finden sich in der Praxis eine Vielzahl qualifizierter und sehr engagier-
ter Familienrichter und Familienrichterinnen. Desgleichen wird teilweise
aber auch Personal mit geringen richterlichen Erfahrungen, insbesondere auf
dem Gebiet des Kindschaftsrechts, in Familiengerichten eingesetzt. Den Fa-
milienrichterinnen und -richtern wird gleichwohl die Verantwortung für Ent-
scheidungen in komplexen Kinderschutzverfahren und hochkonflikthaften
Sorge- und Umgangsstreitigkeiten übertragen. Es ist dann ihre Aufgabe, zum
Teil hochemotionale Verfahren in der gebotenen Weise vorrangig und be-
schleunigt durchzuführen, teilweise traumatisierte Kinder anzuhören und un-
ter anderem darüber zu entscheiden, ob die Einholung eines Gutachtens
überhaupt geboten ist. Sie müssen Sachverständige sorgfältig auswählen, die
richtigen Fragen stellen und das Gutachten auf seine Verwertbarkeit hin
überprüfen.

Richterliches Problembewusstsein ist vor diesem Hintergrund insbesondere
für die betroffenen Kinder, aber auch für die übrigen Beteiligten von heraus-
ragender Bedeutung.

Die Präsidien der Gerichte sollten daher sensibilisiert werden, möglichst nur
solchen Richterinnen und Richtern ein familienrechtliches Dezernat zuzu-
weisen, die über belegbare Kenntnisse des materiellen Familienrechts und
des Familienverfahrensrechts sowie der damit verbundenen Querschnitts-
kompetenzen im kommunikativen und analytisch-diagnostischen Bereich
verfügen oder diese zumindest alsbald erwerben. Zumindest sollte für Fami-
lienrichterinnen und -richter eine längere Zeit der Berufserfahrung vorgege-
ben werden.

Angemessene Qualifikationsanforderungen sollten nach dem Vorbild der
Regelung für Insolvenzrichter möglichst auch gesetzlich verankert werden.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/9092
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung vor diesem Hin-

tergrund auf,

gemeinsam mit den Ländern einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, mit dem an-
gemessene Eingangsvoraussetzungen für Familienrichter eingeführt wer-
den.“

Berlin, den 6. Juli 2016

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

Renate Künast
Vorsitzende

Sebastian Steineke
Berichterstatter

Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Berichterstatterin

Dr. Johannes Fechner
Berichterstatter

Jörn Wunderlich
Berichterstatter

Katja Keul
Berichterstatterin
Drucksache 18/9092 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Sebastian Steineke, Dr. Sabine Sütterlin-Waack,
Dr. Johannes Fechner, Jörn Wunderlich und Katja Keul

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache 18/6985 in seiner 146. Sitzung am 17. Dezember 2015
beraten und an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zur federführenden Beratung und an den Aus-
schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahmen des mitberatenden Ausschusses

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat die Vorlage auf Drucksache 18/6985 in seiner
68. Sitzung am 6. Juli 2016 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die An-
nahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung. Der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
wurde mit dem gleichen Stimmverhältnis angenommen. Die Entschließung der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD wurde einstimmig angenommen.

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hat sich mit der Vorlage auf Bundesrats-Drucksa-
che 438/15 in seiner Sitzung am 15. Oktober 2016 befasst und festgestellt, dass eine Nachhaltigkeitsrelevanz des
Gesetzentwurfs gegeben sei. Der Bezug zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ergebe sich aus den Management-
regeln 6 (Energie-, Ressourcenverbrauch, Verkehr: Entkoppelung und Effizienz steigern - mithilfe von Forschung
und Entwicklung) und 7 (Öffentliche Haushalte generationengerecht aufstellen). Die Ausführungen zu den Nach-
haltigkeitsaspekten der Gesetzesfolgenabschätzung des Gesetzentwurfs seien plausibel; eine Prüfbitte daher nicht
erforderlich.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat die Vorlage auf Drucksache 18/6985 in seiner 81. Sitzung
am 13. Januar 2016 anberaten und beschlossen, eine öffentliche Anhörung durchzuführen, die er in seiner 94. Sit-
zung am 16. März 2016 durchgeführt hat. An dieser Anhörung haben folgende Sachverständige teilgenommen:

Eva Becker Deutscher Anwaltverein e. V., Berlin
Arbeitsgemeinschaft Familienrecht
Geschäftsführender Ausschuss
Vorsitzende und Fachanwältin für Familienrecht

Helmut Borth Präsident des Amtsgerichts Stuttgart a. D.

Prof. Dr. Stefan Heilmann Deutscher Familiengerichtstag e. V.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main
1. Senat für Familiensachen
Richter

Dr. jur. Anja Kannegießer Berufsverband Deutscher Psychologinnen und
Psychologen e.V., Berlin
Dipl. Psychologin und Rechtsanwältin

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/9092

Dipl.-Ing. Karl Erhard Kramme Gutachter für Brandschäden, Haftpflichtschäden, Transport-
und Maschinenschäden, Produkthaftung, Industriebewertun-
gen, Werther

Joachim Lüblinghoff Deutscher Richterbund e. V. (DRB)

Oberlandesgericht Hamm
Vorsitzender Richter

Brigitte Meyer-Wehage Amtsgericht Brake (Unterweser)
Direktorin

Dr. Harald Müller Amtsgericht Neumarkt i. d. OPf.
Direktor

Dr. Claudio Nedden-Boeger Bundesgerichtshof Karlsruhe
Richter

Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski Humboldt-Universität zu Berlin
Juristische Fakultät
Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handelsrecht, Wirtschafts-
recht und Europarecht.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der 94. Sitzung am 16. März 2016 mit den
anliegenden Stellungnahmen der Sachverständigen verwiesen.

Zu dem Gesetzentwurf lagen dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz außerdem mehrere Petitionen vor.

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat die Vorlage auf Drucksache 18/6985 in seiner 107. Sit-
zung am 6. Juli 2016 abschließend beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN die Annahme des Gesetzentwurfs in der aus der Beschlussempfehlung unter Buchstabe a ersichtlichen Fas-
sung. Die Änderungen entsprechen einem Änderungsantrag, den die Fraktionen der CDU/CSU und SPD in den
Ausschuss eingebracht haben. Dieser Änderungsantrag wurde mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN angenommen. Der Ausschuss empfiehlt außerdem einstimmig die Annahme der aus der Beschluss-
empfehlung unter Buchstabe b ersichtlichen Entschließung, die von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD ein-
gebracht wurde. Eine Entschließung, die die Fraktion DIE LINKE. in den Ausschuss für Recht und Verbraucher-
schutz eingebracht hat, wurde mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt; sie hatte fol-
genden Wortlaut:

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Es wird begrüßt, dass der Gesetzesentwurf der Bundesregierung die Reform des Sachverständigenrechts in An-
griff nimmt. So wird in dem Gesetzesentwurf zutreffend darauf verwiesen, dass in der Öffentlichkeit die Unabhän-
gigkeit und Neutralität der gerichtlich bestellten Sachverständigen in Frage gestellt wird und es werden im We-
sentlichen zwei Vorschläge gemacht, dies in Zukunft zu gewährleisten. So sollen die Parteien vor der Ernennung
zur Person des Sachverständigen gehört werden und der Sachverständige soll unverzüglich prüfen, ob ein Grund
vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Überparteilichkeit zu rechtfertigen, und diese bei Vorliegen
dem Gericht unverzüglich mitteilen.

Diese von der Bundesregierung geplanten Änderungen sind jedoch rein deklaratorischer Natur und verfestigen
lediglich den bisher bereits bestehenden Rechtszustand. Das von der Bundesregierung selbst formulierte Ziel, die

Drucksache 18/9092 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Neutralität gerichtlicher beigezogener Sachverständiger zu gewährleisten und die Qualität von Gutachten zu ver-
bessern, wird nicht erreicht. Die beiden Ziele werden durch die Neureglung nicht berührt, denn diese sind heute
schon im Großen und Ganzen geltendes Recht. Die Vorschläge der Bundesregierung erweisen sich mithin als
ziel-mittel-redundant, sie laufen folglich leer.

Weiterhin ist die Einführung obligatorischer Ordnungsgelder in § 411 ZPO kontraproduktiv zu dem erklärten
Ziel einer Verfahrensbeschleunigung und einer Qualitätsverbesserung. Vielmehr würde eine derartige Neurege-
lung von vornherein zu Verfahrensverzögerungen führen, weil die Sachverständigen hier lieber auf Nummer si-
cher gehen wollen und sich von vornherein großzügigere Gutachtenerstellungsfristen auserbitten werden. Dane-
ben besteht die Gefahr, dass sich die Einführung obligatorischer Ordnungsgelder negativ auf die Qualität der
Sachverständigengutachten auswirken können, da der Sachverständige das Gutachten zur Vermeidung von Ord-
nungsgeldern möglicherweise nicht gründlich genug erstellt.

Die Absicht des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, gesetzliche Mindestvorgaben zur Qualifikation der Sach-
verständigen in bestimmten Kindschaftssachen einzuführen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Die konkret aufge-
führten Berufsqualifikationen werfen allerdings Fragen auf. Der Begriff „ärztliche Berufsqualifikation ist zu weit
gefasst, und auch der Begriff „pädagogische Berufsqualifikation“ ist kritisch zu sehen. Stattdessen sollte der
notwendige Dreiklang aus Grundqualifikation, Berufserfahrung und einschlägiger Zusatzqualifikation im Geset-
zestext benannt sein. Anderenfalls würde der Anforderungskatalog des § 163 Abs. 1 FamFG-E nur den derzeit
ohnehin bestehenden Ist-Zustand abbilden und keine Verbesserung darstellen.

Ebenso ist es erforderlich, bzgl. der Auswahl der Richterinnen und Richter auch im Kindschaftsrecht zur Quali-
tätssicherung beizutragen. Es wäre rechtspolitisch ein fatales Signal, dass es dem Gesetzgeber in Verfahren von
wirtschaftlicher Brisanz gelungen ist, die Qualität richterlichen Handelns zu fördern, er hierzu jedoch dann nicht
dazu bereit ist, wenn es um Kinder geht. So stellt § 22 Abs. 6 GVG für die Tätigkeit als Richter in Insolvenzsachen
seit dem 01.01.2013 eine hohe Hürde auf, während § 23b Abs. 3 GVG bislang nicht reformiert wurde.
Die im Änderungsantrag 18(6)197 beabsichtigte Änderung der § 94 SGG, § 90 VwGO, § 66 FGO und § 12a GKG
dahingehend, dass bei überlangen Gerichtsverfahren die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig
werden soll, ist abzulehnen. Denn es kann nicht sein, dass der Staat Hürden aufbaut, um sich vor Ansprüchen
gegen sich selbst zu schützen. Die Rechtshängigkeit darf nicht von einem Kostenvorschuss abhängig gemacht
werden.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. eine den Staatshaushalt nicht belastende Gutachterkoordinierungsstelle analog zu § 342b HGB zu schaffen,
die die Aufgabe hat, Gutachtenaufträge an geeignete Persönlichkeiten vergeben, ohne offenzulegen, für wen diese
Persönlichkeiten begutachten;

2. hilfsweise § 406 ZPO um einen neuen Absatz 2 zu ergänzen, der wie folgt lautet: „Bestehen aus Sicht des
Prozessgerichtes Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Sachverständigen, so soll dieser im Regelfall nicht
beauftragt werden, es sei denn, ein besonderer, vom Prozessgericht genannter Sachgrund ist für die Beauftragung
leitend.“

3. den § 411 ZPO in seiner derzeitigen Fassung zu belassen,

4. den § 163 Abs. 1 FamFG-E so zu fassen, dass er folgende Formulierung enthält:

„(1) In dem Verfahren nach § 151 Nr. 1 – 5 soll der Sachverständige

- über eine psychologische Berufsqualifikation mit Erfahrung auf dem Gebiet der Rechtspsychologie, der Kinder-
und Jugendlichenpsychotherapie oder der psychologischen Psychotherapie,

- über eine ärztliche Berufsqualifikation mit Erfahrung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -
psychotherapie, der Psychiatrie und Psychotherapie oder der Rechtsmedizin oder

- über eine pädagogische, sozialpädagogische oder vergleichbare Berufsqualifikation mit familienpädagogischer
Berufserfahrung sowie einer kinder-, jugend- oder familientherapeutischen Zusatzqualifikation

verfügen.“

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/9092
5. den § 23b Abs. 3 GVG so zu fassen, dass er folgende Formulierung enthält:

„Die Abteilungen für Familiensachen werden mit Familienrichtern besetzt. Ein Richter auf Probe darf im ersten
Jahr nach seiner Ernennung Geschäfte des Familienrichters nicht wahrnehmen. Richter in Familiensachen sollen
über belegbare Kenntnisse auf dem Gebiet des Kindschaftsrechts sowie über Grundkenntnisse der für das fami-
liengerichtliche Verfahren notwendigen Teile des Kinder- und Jugendhilferechts und der Psychologie, Pädagogik
und sozialen Arbeit verfügen. Einem Richter, dessen Kenntnisse auf diesen Gebieten nicht belegt sind, dürfen die
Aufgaben eines Familienrichters nur zugewiesen werden, wenn der Erwerb der Kenntnisse alsbald zu erwarten
ist.“

6. § 94 SGG, § 90 VwGO, § 66 FGO und § 12a GKG so zu belassen, wie sie sind, insbesondere die Rechtshän-
gigkeit nicht von einem Kostenvorschuss abhängig zu machen.

Die Fraktion der CDU/CSU begrüßte den Gesetzentwurf und die eingebrachten Änderungen. Kernstück im Be-
reich des Sachverständigenrechts sei § 163 FamFG, in dem durch die Nennung von Berufsgruppen erstmals Qua-
lifizierungsvorgaben für die Sachverständigen gemacht würden. Insbesondere in Kindschaftssachen habe es bis-
lang keine gesetzlich ausformulierten Anforderungen an die Qualifizierung der Sachverständigen gegeben; dies
werde mit dem Gesetzesvorhaben geändert. Die öffentliche Anhörung habe weitere Impulse gebracht; man habe
in der Folge insbesondere bei der Frage, inwieweit pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikationen
einbezogen werden sollten, im Änderungsantrag nachgebessert. Wünschenswert wäre nach Auffassung der Frak-
tion auch, dass die Qualifizierung der Sachverständigen gegenüber den Parteien offengelegt werde. Neben § 163
FamFG seien drei weitere Punkte wichtig: Bei der Anschlussbeschwerde (§ 145 Absatz 3 FamFG) sei man zu
einem guten Ergebnis gekommen. Ziel der Regelung sei die Verhinderung von Doppelehen sowie die Aufrecht-
erhaltung des Scheidungsverbundes; dies sei gelungen. Ein zweiter Punkt seien die Beschleunigungsrüge und die
Beschleunigungsbeschwerde, die mit dem Änderungsantrag eingeführt würden. Diese Rechtsbehelfe dienten der
Umsetzung eines Urteils des EGMR; das Gericht habe festgestellt, dass die im deutschen Recht vorgesehene
Kompensationsrüge allein nicht ausreichend sei. Auch wenn die Begrifflichkeit nicht besonders glücklich gewählt
sei – das begrüßenswerte Ziel sei die Möglichkeit der Rüge einer Verzögerung – so sei jedenfalls die inhaltliche
Umsetzung der Vorgaben gelungen. Die gewünschte Beschleunigung in Kindschaftssachen könne damit erreicht
werden. Schließlich setze der Änderungsantrag einen dritten wichtigen Punkt um – die Änderung von Regelungen
zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in sozial-, verwaltungs- und finanzgerichtlichen Verfahren. Dies betreffe nur
die Entschädigungsklagen wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens; insoweit sei die an dem Regelungsvor-
schlag geübte generelle Kritik nicht nachvollziehbar. Man sorge für Vereinheitlichung und einen Gleichklang mit
anderen Gerichtszweigen, wo die Rechtshängigkeit auch erst mit Zustellung nach Zahlung eines Gerichtskosten-
vorschusses eintrete. Die Entschließung der Fraktionen der CDU/CSU und SPD habe die Qualifizierung von Fa-
milienrichterinnen und Familienrichtern im Blick. Die Bundesregierung werde aufgefordert, gemeinsam mit den
Ländern einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, in dem Eingangsvoraussetzungen für Familienrichter eingeführt wer-
den sollen, um die Qualität der gerichtlichen Verfahren weiter zu erhöhen. Dies sei in dem rechtlich und tatsäch-
lich äußerst komplizierten und speziellen Bereich des Familien- und Kindschaftsrechts nötig; etwa für Sorge-
rechts- und Aufenthaltsbestimmungsrechtsstreitigkeiten bedürfe es hinreichender Erfahrung und Weiterbildung.

Die Fraktion der SPD betonte, dass der Gesetzentwurf und der Änderungsantrag ihren zentralen Zielen Rech-
nung trage: Die Qualität der Gutachten werde erhöht und das Verfahren beschleunigt, wodurch auch eine höhere
Akzeptanz des Verfahrens bei allen Beteiligten erreicht werden könne. Im Hinblick auf die Neutralität der Sach-
verständigen habe man wichtige Regelungen getroffen. So gebe es künftig eine Pflicht der Sachverständigen,
mögliche Befangenheitsgründe zu prüfen und anzuzeigen. Der Beschleunigungsgrundsatz werde durch die Pflicht
zur Fristsetzung besser gewahrt, was vor allem in Schadensersatzprozessen wichtig sei. Und schließlich gebe es
verstärkte Sanktionsmöglichkeiten bei Fristverletzungen. Alles in allem liege ein sehr gut durchdachtes Gesetzes-
vorhaben vor.

Die Fraktion DIE LINKE. bezweifelte insbesondere mit Blick auf die Möglichkeit der Verhängung eines Ord-
nungsgeldes, dass ein höherer Druck auf die Sachverständigen zu einer besseren Qualität und zur Verfahrensbe-
schleunigung führe. Vielmehr stehe zu befürchten, dass vorsorglich Fristen länger angesetzt würden oder dass es
generell schwieriger werde, geeignete Sachverständige zu finden; darauf hätten auch einige Sachverständige in

Drucksache 18/9092 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
der öffentlichen Anhörung hingewiesen. Die mit dem Änderungsantrag eingeführte Beschleunigungsrüge in Um-
setzung des EGMR-Urteils sei zu begrüßen. Ablehnend stehe die Fraktion hingegen der Änderung im Bereich der
Rechtshängigkeit gegenüber. Es könne nicht sein, dass der Staat verfahrenstechnische Hürden einbaue, um sich
vor Klagen gegen sich selbst zu schützen. Hinsichtlich der Qualifizierungs- und Eingangsvoraussetzungen für
Familienrichterinnen und Familienrichtern enthalte die Entschließung der Fraktion DIE LINKE. konkrete Vor-
schläge, die in eine ähnliche Richtung wiesen wie die Entschließung der Fraktionen der CDU/CSU und SPD.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßte zunächst, dass Erkenntnisse und Anregungen aus der öf-
fentlichen Anhörung im Änderungsantrag Niederschlag fänden. Die Regelungen im Sachverständigenrecht gin-
gen grundsätzlich in die richtige Richtung; dem hätte man gerne zugestimmt. Dies scheitere indes an den – auch
im Änderungsantrag – enthaltenen Erweiterungen zur Umsetzung des Urteils des EGMR sowie die Änderung im
Bereich der Rechtshängigkeit von Entschädigungsklagen. Hinsichtlich der Umsetzung des EGMR-Urteils habe
nicht zuletzt die Anhörung deutlich gemacht, dass diese komplexe Materie besser in einem eigenen Gesetzge-
bungsverfahren hätte beraten werden sollen, um sich damit hinreichend intensiv auseinandersetzen zu können.
Diese Gelegenheit sei verpasst worden; deshalb könne die Fraktion dem nicht uneingeschränkt zustimmen. Die
Regelung zu den Gerichtskostenvorschüssen mit Blick auf die Rechtshängigkeit sei grundsätzlich abzulehnen,
weil die grundlegenden Unterschiede zwischen Zivil- und Verwaltungsgerichtbarkeit verkannt und zu Lasten der
Bürgerinnen und Bürger nivelliert würden. Trotz der grundsätzlichen Zustimmung zu den Änderungen im Sach-
verständigenrecht müsse sich die Fraktion daher insgesamt enthalten.

IV. Zur Begründung der Beschlussempfehlung

Im Folgenden werden lediglich die vom Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfohlenen Änderungen
gegenüber der ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfs erläutert. Soweit der Ausschuss die unveränderte An-
nahme des Gesetzentwurfs empfiehlt, wird auf die jeweilige Begründung in Drucksache 18/6985 verwiesen.

Zu Nummer 1 (Änderung der Bezeichnung)

Es handelt sich um eine durch die neu eingefügten Artikel 6 bis 9 erforderliche redaktionelle Anpassung der Be-
zeichnung.

Zu Nummer 2 (Artikel 1 – Änderung der Zivilprozessordnung – ZPO)

Zu Buchstabe a

Nach der Änderung in § 404 Absatz 2 ZPO in der Entwurfsfassung (ZPO-E) kann das Gericht im Rahmen des
pflichtgemäßen Ermessens entscheiden, ob es bereits vor der Ernennung des Sachverständigen die Parteien hört.
Insbesondere kann das Gericht zwischen dem Interesse der Parteien an der frühzeitigen Beteiligung bei der Aus-
wahl des Sachverständigen und der Vermeidung von Verzögerungen des Verfahrens abwägen. Dadurch wird dem
Gericht zusätzliche Flexibilität bei der Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles eingeräumt. Mit der Än-
derung wird auch den Stellungnahmen des Bundesrates und von Sachverständigen in der Anhörung im Deutschen
Bundestag Rechnung getragen, dass die regelmäßige Anhörung der Parteien zu einer Verzögerung des Verfahrens
führen könne.

Zu Buchstabe b

§ 407a Absatz 2 ZPO-E sieht vor, dass der Sachverständige unverzüglich zu prüfen hat, ob Gründe vorliegen, die
geeignet sind, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen, und dass er diese Gründe unverzüglich
dem Gericht mitzuteilen hat. Unterlässt er dies, kann nach der Änderung das Gericht gegen ihn – über die beste-
hende Sanktion des Wegfalls des Vergütungsanspruches gemäß § 8a Absatz 1 des Justizvergütungs- und -ent-
schädigungsgesetzes hinaus – ein Ordnungsgeld festsetzen. Der Sachverständige soll zusätzlich angehalten wer-
den, frühzeitig mögliche Interessenkonflikte offenzulegen. Dies dient der Förderung des Vertrauens der Parteien
in die Unabhängigkeit und Neutralität der Sachverständigen.

Zu Buchstabe c

§ 411a Absatz 2 Satz 4 ZPO-E wird dahingehend geändert, dass gegen einen Sachverständigen – unter den Vo-
raussetzungen des § 411 Absatz 2 ZPO – ein Ordnungsgeld von bis zu 3 000 Euro festgesetzt werden kann. Dieser

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/9092
Ordnungsgeldrahmen reicht aus, um den Sachverständigen zu einer fristgerechten Erstattung des Sachverständi-
gengutachtens anzuhalten. Dabei wird auch die Sorge des Bundesrates und von Sachverständigen in der Bundes-
tagsanhörung berücksichtigt, dass in Bereichen und Gegenden, in denen ein Mangel an Sachverständigen bestehe,
künftig diese Mangellage verstärkt würde.

Zu Nummer 3 (Artikel 2 – Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den An-
gelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – FamFG)

I. Allgemeines

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat mit Urteil vom 15. Januar 2015 (Beschwerde-
Nr. 62198/11) unter anderem eine Verletzung von Artikel 13 in Verbindung mit Artikel 8 der Europäischen Kon-
vention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) festgestellt, weil die deutsche Rechtsord-
nung keinen wirksamen innerstaatlichen Rechtsbehelf zur Verfahrensbeschleunigung von Umgangssachen vor-
sieht. Die in den §§ 198 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) vorgesehene Verzögerungsrüge mit anschlie-
ßender Entschädigungsklage genügt nach dem Urteil des EGMR in bestimmten Verfahren, in denen es um das
Recht auf Umgang mit einem (jungen) Kind geht, nicht den Anforderungen, die sich aus Artikel 13 in Verbindung
mit Artikel 8 EMRK ergeben.

Zur Begründung hat der Gerichtshof angeführt, dass den Vertragsstaaten nach Artikel 8 EMRK die positive Ver-
pflichtung obliege, Maßnahmen zu ergreifen, die das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Familien-
lebens sichern. Diese Verpflichtung könne in Umgangssachen aber nicht erfüllt werden, wenn der Beschwerde-
führer bei überlanger Verfahrensdauer nur eine finanzielle Entschädigung erhalte. Vielmehr müsse die Rechts-
ordnung in diesen Fällen Rechtsbehelfe vorsehen, die sowohl eine präventive als auch eine kompensatorische
Wirkung haben (vgl. EGMR a. a. O., Rn. 137 unter Verweis auf die Urteile vom 27. Oktober 2011, Nr. 8857/08
Rn. 45 bis 46 und vom 22. April 2010, Nr. 4824/06 u. 15512/08, Rn. 48).

Die Wirksamkeit der Rechtsbehelfe nach den §§ 198 ff. GVG für andere Verfahren, in denen allein eine Verlet-
zung von Artikel 6 Absatz 1 EMRK (Recht auf Verhandlung innerhalb angemessener Frist) im Raum steht, wurde
mit diesem Urteil hingegen nicht in Frage gestellt (vgl. EGMR a. a. O., Rn. 139).

Der vom EGMR in Verfahren über den Umgang mit einem Kind geforderte (zusätzliche) präventiv wirkende
Rechtsbehelf soll bereichsspezifisch für bestimmte Kindschaftssachen eingeführt werden. Von der Argumentation
des EGMR können neben Verfahren, die den Umgang mit einem Kind betreffen, auch sorgerechtliche Verfahren
betroffen sein. Darüber hinaus sind derzeit aber keine weiteren Verfahren erkennbar, die anderen (deutschen)
Verfahrensordnungen unterfallen und auf welche die Argumentation des EGMR ebenfalls zutreffen würde.

Da die Rechtsordnung in diesen Fällen nach den Vorgaben des EGMR einen präventiv wirkenden Rechtsbehelf
vorsehen muss, soll für die in § 155 Absatz 1 FamFG bestimmten kindschaftsrechtlichen Verfahren ein eigen-
ständiger präventiver Rechtsbehelf geschaffen werden, der an das bereits in § 155 Absatz 1 FamFG verankerte
Vorrang- und Beschleunigungsgebot anknüpft (Beschleunigungsrüge). Macht ein Beteiligter einen Verstoß gegen
das Vorrang- und Beschleunigungsgebot geltend, soll mithilfe eines besonderen Zwischenverfahrens im FamFG
sichergestellt werden, dass sich das Gericht bereits in dem konkreten Verfahren mit der Verfahrensdauer in einem
Beschluss auseinanderzusetzen hat; gegen diese Zwischenentscheidung steht dem Beteiligten die Beschwerde zu
(Beschleunigungsbeschwerde).

Die Beschleunigungsrüge soll zugleich als Verzögerungsrüge im Sinne des § 198 Absatz 3 Satz 1 GVG gelten.
Dadurch bleibt die Möglichkeit der Geltendmachung einer etwaigen Geldentschädigung auch in den besonderen
kindschaftsrechtlichen Verfahren unberührt.

II. Erfüllungsaufwand

Bürgerinnen und Bürgern, der Wirtschaft und der Verwaltung entsteht kein Erfüllungsaufwand.

III. Weitere Kosten

Mehrkosten, die aus der Erhöhung des Arbeitsaufwandes in Verfahren über die Beschleunigungsrüge und die
Beschleunigungsbeschwerde resultieren, betreffen den justiziellen Kernbereich und sind daher nicht dem Erfül-
lungsaufwand zuzurechnen.

Drucksache 18/9092 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Den Justizverwaltungen der Länder und dem Bund können durch die beabsichtigten Regelungen gewisse, jedoch
nicht genau quantifizierbare Mehrausgaben durch zusätzliche Personal- und Sachkosten entstehen, da das Vorha-
ben zu besonderen Verfahren in bestimmten Kindschaftssachen führen wird. Für die Bearbeitung der Beschleu-
nigungsrüge wird der Arbeitsaufwand der Amtsgerichte, der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs in
bestimmten Kindschaftssachen erhöht. Die Bearbeitung der Beschleunigungsbeschwerden verursacht einen zu-
sätzlichen Arbeitsaufwand bei den Oberlandesgerichten sowie dem Bundesgerichtshof. Die Zahl der von der Neu-
regelung betroffenen, gemäß § 155 Absatz 1 FamFG beschleunigt durchzuführenden Verfahren lässt sich nicht
näher beziffern, da statistische Daten hierzu nicht erhoben werden. In wie vielen dieser Verfahren wiederum die
Beteiligten von dem neu eingeführten präventiven Rechtsbehelf Gebrauch machen werden, lässt sich ebenfalls
nicht prognostizieren. Derzeit fallen hingegen Kosten wegen Entschädigungszahlungen durch Urteile und Ver-
gleiche in Verfahren vor dem EGMR gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen überlanger Verfahrensdauer
in bestimmten Kindschaftssachen an; mit diesen Kosten muss künftig nicht mehr gerechnet werden.

Auswirkungen auf Einzelpreise und das allgemeine Preisniveau, insbesondere auf die Verbraucherpreise, sind
nicht zu erwarten.

IV. Zu den einzelnen Regelungen

Zu Buchstabe a

Die Anpassung der Inhaltsübersicht ist Folge der Änderungen in den Buchstaben d und f.

Zu Buchstabe b (§ 88 Absatz 3 FamFG-E)

Aufgrund der systematischen Stellung des § 155 Absatz 1 FamFG sowie der Regelungen der §§ 155b und 155c
FamFG in der Entwurfsfassung (FamFG-E) ist es nicht eindeutig, ob die Regelungen für die Verfahren in Kind-
schaftssachen auch in den jeweiligen Vollstreckungsverfahren gelten. Soweit diese Frage überhaupt erörtert wird,
bejaht die Rechtsprechung im Bereich des § 155 Absatz 1 FamFG die Anwendbarkeit des Vorrang- und Beschleu-
nigungsgebots auch für das Vollstreckungsverfahren mit der Begründung, dass ein vorrangig und beschleunigt
ergangener Vollstreckungstitel nur dann sinnvoll ist, wenn er auch zeitnah durchgesetzt werden kann.

Da die Entscheidung des EGMR ein Vollstreckungsverfahren in einer Umgangsrechtssache betraf, erscheint es
notwendig, die Anwendbarkeit des zu schaffenden präventiven Rechtsbehelfs auch in den Vollstreckungsverfah-
ren nach den §§ 88 ff. FamFG klarstellend zu regeln. Daher wird bei diesen Vollstreckungsregelungen ein ent-
sprechender Satz aufgenommen, wonach diese Verfahren vorrangig und beschleunigt durchzuführen sind. Zudem
sollen die neuen Regelungen über die Beschleunigungsrüge und die Beschleunigungsbeschwerde gemäß den
§§ 155b und 155c FamFG-E auch in der Vollstreckung der in § 155 Absatz 1 FamFG genannten Verfahren gelten.

Zu Buchstabe c

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Buchstabe d (§§ 155b und 155c FamFG-E)

Zu § 155b FamFG-E

Zu Absatz 1

In den in § 155 Absatz 1 FamFG benannten kindschaftsrechtlichen Verfahren wird ein eigenständiger präventiver
Rechtsbehelf geschaffen, der an das bereits in derselben Vorschrift verankerte Vorrang- und Beschleunigungsge-
bot anknüpft (Beschleunigungsrüge). § 155b Absatz 1 FamFG-E normiert die Beschleunigungsrüge als eine Ver-
fahrenserklärung eines Beteiligten, in welcher der Rügende geltend macht, dass die bisherige Verfahrensdauer
nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot nach § 155 Absatz 1 FamFG entspricht. In der Beschleunigungs-
rüge muss er Umstände darlegen, aus denen sich ergibt, dass das bisherige Verfahren nicht vorrangig und be-
schleunigt durchgeführt worden ist.

Die Beschleunigungsrüge ist im Hauptsacheverfahren ebenso wie im Verfahren der einstweiligen Anordnung
statthaft, und zwar unabhängig von der Instanz, in der sich das Verfahren befindet. Dies korrespondiert mit der
Regelung des § 155 Absatz 1 FamFG, da das allgemeine Vorrang- und Beschleunigungsgebot in allen Rechtszü-
gen und in jeder Lage des Verfahrens gilt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 17 – Drucksache 18/9092
Die Beschleunigungsrüge muss nicht zwingend als solche bezeichnet sein; allerdings muss ihr mit hinreichender
Deutlichkeit zu entnehmen sein, dass der Beteiligte die Verfahrensdauer als dem Vorrang- und Beschleunigungs-
gebot nicht genügend rügt und über diese Rüge eine Entscheidung des Gerichts anstrebt.

Das Darlegungserfordernis des § 155b Absatz 1 Satz 2 FamFG-E ermöglicht dem Gericht die zielgerichtete Prü-
fung seiner Verfahrensführung im Hinblick auf die beanstandeten Umstände, ohne dass die Prüfung auf diese
Umstände begrenzt wäre. Die Darlegungspflicht dient zugleich der Verhinderung von möglichem Rechtsmiss-
brauch und der Verfahrensvereinfachung.

Für die Form der Beschleunigungsrüge gilt die allgemeine Regel des § 25 Absatz 1 FamFG, wonach die Einle-
gung schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle erfolgen kann, soweit die Vertretung durch einen
Rechtsanwalt nicht notwendig ist. In Verfahren, die dem Anwaltszwang unterliegen (§ 114 Absatz 1, 2 FamFG),
kann die Beschleunigungsrüge nur schriftlich und nur durch den bevollmächtigten Anwalt erhoben werden.

Die Beschleunigungsrüge kann nur bis zur Beendigung des Verfahrens eingelegt werden. Nach einer Verfahrens-
beendigung entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für das Rügeverfahren, weil der Verfahrenszweck der Beschleu-
nigung nicht mehr erreicht werden kann. Die Beschleunigungsrüge kann ferner wegen fehlenden Rechtsschutz-
bedürfnisses unzulässig sein, wenn diese wiederholt eingelegt wird, ohne dass neue Umstände im Sinne des
§ 155b Absatz 1 Satz 2 FamFG-E vorgetragen werden.

Bei rechtsmissbräuchlicher Einlegung der Beschleunigungsrüge kann das Gericht bei der Endentscheidung im
Ausgangsverfahren zudem die Kostenfolge des § 81 Absatz 2 Nummer 2 FamFG in Erwägung ziehen.

Zu Absatz 2

Das Gericht hat nach § 155b Absatz 2 Satz 1 FamFG-E spätestens innerhalb eines Monats nach Eingang der Be-
schleunigungsrüge über diese zu entscheiden. Das Wort „spätestens“ signalisiert, dass sowohl im Hauptsachever-
fahren als auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung in bestimmten, sehr eilbedürftigen Kindschaftssachen
(z. B. Herausgabe eines Kindes, Kindeswohlgefährdung) eine Entscheidung über die Beschleunigungsrüge deut-
lich vor Ablauf der Monatsfrist geboten sein kann.

Das Gericht hat seine Verfahrensführung im Hinblick auf die Einhaltung des Vorrang- und Beschleunigungsge-
bots zu überprüfen und darüber durch begründeten Beschluss zu entscheiden. Ergibt die Überprüfung im Hinblick
auf das Vorrang- und Beschleunigungsgebot eine unangemessen lange Verfahrensdauer, sind Maßnahmen zur
Verfahrensbeschleunigung zu ergreifen. Konkrete Vorgaben dafür sind aufgrund der möglichen verschiedenarti-
gen verfahrensrechtlichen Maßnahmen nicht geregelt. In Betracht kommen beispielsweise die Anberaumung ei-
nes zeitnahen Termins mit den Beteiligten, die zeitnahe persönliche Anhörung von Beteiligten, ein Beweisbe-
schluss mit Fristsetzung für eine Begutachtung, die weitere Ermittlung von entscheidungserheblichen Tatsachen
oder – bei Entscheidungsreife – die Entscheidung in der Sache selbst. Gleichzeitig ist das Gericht verpflichtet,
insbesondere den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu prüfen. Vergleichbare Regelungen gibt es in § 156
Absatz 3 Satz 1 und § 157 Absatz 3 FamFG. Damit soll unter Beachtung des Kindeswohls (z. B. zur Vermeidung
eines langandauernden Kontaktabbruchs zwischen dem Kind und einem Elternteil) eine Regelung in der Sache –
wenn auch nur vorläufig – getroffen werden.

Soweit erforderlich ist den Beteiligten zu den Maßnahmen rechtliches Gehör zu gewähren.

Hält das Gericht die Beschleunigungsrüge für unbegründet, ist dies ebenfalls durch Beschluss festzustellen, der
nach § 38 Absatz 3 Satz 1 FamFG zu begründen ist. Ursachen einer unbegründeten Rüge können zeitliche Ver-
zögerungen infolge des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten selbst sein, wie beispielsweise Überschreitung von
Fristvorgaben und unbegründete Befangenheitsanträge. Die Begründung kann zu einer größeren Akzeptanz der
Beteiligten für den Verfahrensablauf beitragen. Insbesondere wird der Rügende in die Lage versetzt, die Erfolg-
saussichten einer Beschleunigungsbeschwerde besser einschätzen zu können. Dem Beschwerdegericht wird die
Beurteilung der relevanten Verfahrensabläufe des Ausgangsverfahrens erleichtert.

Zu Absatz 3

§ 155b Absatz 3 FamFG-E enthält eine gesetzliche Fiktion: Die Beschleunigungsrüge gilt zugleich als Verzöge-
rungsrüge im Sinne des § 198 Absatz 3 Satz 1 GVG. Hierdurch ist gewährleistet, dass der Beteiligte neben der
präventiven Wirkung der Beschleunigungsrüge durch eine einzige Verfahrenshandlung zugleich die Möglichkeit
erhält, ggf. nachträglich eine Entschädigung geltend zu machen.

Drucksache 18/9092 – 18 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Hingegen sind die übrigen für die Verzögerungsrüge getroffenen Regelungen des § 198 GVG auf die Beschleu-
nigungsrüge im Verfahren nach § 155b FamFG-E nicht anwendbar. Dies gilt insbesondere für die in § 198 Ab-
satz 3 GVG vorgesehene Wiederholungsfrist von sechs Monaten. Für den bereichsspezifischen, speziellen Be-
schleunigungsrechtsbehelf des § 155b FamFG-E gelten vielmehr die allgemeinen Verfahrensgrundsätze.

Zu § 155c FamFG-E

Zu Absatz 1

Nach Absatz 1 Satz 1 ist die verfahrensrechtliche Zwischenentscheidung des Gerichts über die Beschleunigungs-
rüge in Ausnahme zu § 58 Absatz 1 Satz 1 FamFG anfechtbar. Die Beschleunigungsbeschwerde wird in § 155c
FamFG-E abschließend geregelt.

Nur der Beteiligte, der die Beschleunigungsrüge eingelegt hat, kann binnen einer Frist von zwei Wochen ab
schriftlicher Bekanntgabe des Beschlusses an ihn Beschwerde einlegen. Da auch das Beschleunigungsbeschwer-
deverfahren der gebotenen Beschleunigung des Ausgangsverfahrens nicht zuwiderlaufen darf, ist eine besondere,
kurze Beschwerdefrist von zwei Wochen bestimmt. Die Frist beginnt, wie in der Regel (§§ 16 Absatz 1, 63 Ab-
satz 3 Satz 1 FamFG), mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Die Frist ist als gesetzliche Frist (§ 17 Absatz 1
FamFG) ausgestaltet und einer Notfrist (§ 16 Absatz 2 FamFG, § 224 Absatz 2 der Zivilprozessordnung) ver-
gleichbar, so dass sie weder durch Verfügung des Gerichts noch durch Vereinbarung der Beteiligten verkürzt oder
verlängert werden kann. Bei Versäumung ist die Beschwerde unzulässig, eine Wiedereinsetzung nach § 17 Ab-
satz 1 FamFG ist möglich.

Auch die Beschleunigungsbeschwerde kann nur bis zur Beendigung des Ausgangsverfahrens zulässig eingelegt
werden. Wird das Ausgangsverfahren durch eine Sachentscheidung oder in sonstiger Weise beendet, entfällt das
Rechtsschutzbedürfnis für das Beschleunigungsbeschwerdeverfahren.

Nach § 155c Absatz 1 Satz 2 FamFG-E in Verbindung mit § 64 Absatz 1 FamFG ist die Beschleunigungsbe-
schwerde bei dem Gericht, bei dem die Beschleunigungsrüge erhoben wurde und dessen Beschluss mit der Be-
schleunigungsbeschwerde angefochten wird (Ausgangsgericht) einzulegen. Im Übrigen gilt § 25 Absatz 1 Fa-
mFG, wonach die Einlegung schriftlich und auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle möglich ist, soweit die
Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht notwendig ist. Dies entspricht grundsätzlich auch dem § 64 Absatz 2
Satz 1 FamFG. In Verfahren, die dem Anwaltszwang unterliegen (§ 114 Absatz 1 und 2 FamFG), kann die Be-
schleunigungsbeschwerde nur schriftlich und nur durch den bevollmächtigten Anwalt erhoben werden.

Die Form- und Fristanforderungen des Beschleunigungsbeschwerdeverfahrens dienen dazu, etwaigem Miss-
brauch vorzubeugen und die Sachprüfung auf zulässige Beschwerden zu begrenzen.

Das Ausgangsgericht ist nicht zur Abhilfe befugt, da es über die Beschleunigungsrüge bereits selbst entschieden
hat und eine weitere Verzögerung zu vermeiden ist. Die Akte muss demzufolge unmittelbar dem Beschwerdege-
richt zugeleitet werden, damit dort die Durchführung des Verfahrens im Hinblick auf das Gebot des § 155 Ab-
satz 1 FamFG umgehend überprüft werden kann. Die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage der Akten an das Be-
schwerdegericht soll den Zeitverlust durch die Aktenanforderung vermeiden.

Das Ausgangsgericht ist hierdurch nicht zwangsläufig gehindert, das Ausgangsverfahren – etwa unter Anlegung
eines Aktendoppels – fortzuführen und insbesondere bereits begonnene Maßnahmen durchzuführen. Das Be-
schwerdeverfahren soll daher nicht zu einem Stillstand des Ausgangsverfahrens führen.

Zu Absatz 2

Absatz 2 regelt die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Beschleunigungsbeschwerde. Das in § 155c Fa-
mFG-E bezeichnete Beschwerdegericht ist stets das mit der Beschleunigungsbeschwerde befasste Gericht, nicht
hingegen das mit der Sache befasste Gericht zweiter Instanz. Über eine Beschleunigungsbeschwerde gegen einen
Beschluss des Amtsgerichts entscheidet in Anlehnung an § 119 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a GVG das Ober-
landesgericht. Auch in Verfahren vor dem Oberlandesgericht oder dem Bundesgerichtshof kann eine Beschleuni-
gungsrüge eingelegt werden. Zuständiges Beschwerdegericht für die Entscheidung über eine gegen den Beschluss
des Oberlandesgerichts nach § 155b Absatz 2 Satz 1 FamFG-E eingereichte Beschleunigungsbeschwerde ist ein
anderer Spruchkörper dieses Oberlandesgerichts. Wurde in einem Rechtsbeschwerdeverfahren beim Bundesge-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 19 – Drucksache 18/9092
richtshof eine Beschleunigungsrüge eingelegt, entscheidet über die Beschleunigungsbeschwerde gegen einen Be-
schluss des Bundesgerichtshofs nach § 155b Absatz 2 Satz 1 FamFG-E ein anderer Spruchkörper des Bundesge-
richtshofs.

Zu Absatz 3

Absatz 3 sieht zur Vermeidung einer Verfahrensverzögerung beim Beschwerdegericht vor, dass das Beschwerde-
gericht unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats nach Eingang der Akten beim Beschwerdegericht ent-
scheiden soll. Insoweit kann auf die Begründung zu § 155b Absatz 2 Satz 1 FamFG-E verwiesen werden. Die
Entscheidung des Beschwerdegerichts ergeht nach Aktenlage, also ohne Termin und ohne Anhörungen. Dies
schließt nicht aus, dass den übrigen Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren sein kann.

Mit der Verweisung auf § 68 Absatz 2 FamFG wird klargestellt, dass das Beschwerdegericht zunächst prüfen
muss, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Beschleunigungsbeschwerde gegeben sind; hierzu zählt über
den Wortlaut hinaus auch das Rechtsschutzbedürfnis, das bei rechtsmissbräuchlicher Einlegung fehlt. Erweist
sich die Beschwerde als unzulässig, ist sie ohne sachliche Prüfung als unzulässig zu verwerfen.

Den Inhalt der Entscheidung bei zulässiger Beschleunigungsbeschwerde regeln Satz 3 und 4. Eine generelle Fest-
legung, ab wann ein Verfahren nicht beschleunigt durchgeführt wurde, ist nicht möglich. Ein Maßstab für diese
Frage ist die Orientierung am Kindeswohl, welches das Beschleunigungsgebot sowohl prägt als auch begrenzt.
Beschleunigung ist kein Selbstzweck, sondern dient dazu, dass die Entscheidung in der Sache nicht durch bloßen
Zeitablauf faktisch präjudiziert wird. Diese Gefahr besteht, weil sich während des Verfahrens Bindungs- und
Beziehungsverhältnisse – einschließlich der Kontaktabbruch – verfestigen oder verändern können und eine zu
späte gerichtliche Entscheidung sich den geänderten tatsächlichen Bindungen und Beziehungen nur noch be-
schreibend anpassen, diese aber nicht mehr im Sinne des ursprünglichen Kindeswohls gestalten kann.

Das Beschwerdegericht wird unter Zugrundelegung dieser Faktoren darüber zu entscheiden haben, ob die Dauer
des bisherigen Verfahrens den Anforderungen des Vorrang- und Beschleunigungsgebotes entspricht, insbeson-
dere ob das Ausgangsgericht die notwendigen verfahrensfördernden Maßnahmen getroffen hat. Dabei ist nicht
von dem Maßstab eines idealen Richters auszugehen, sondern es ist anhand des konkreten Einzelfalles ein objek-
tiver Maßstab anzulegen.

Um das konkrete Verfahren zu beschleunigen, bedarf es nicht nur der bloßen Feststellungsentscheidung des Be-
schwerdegerichts. Wenn das Beschwerdegericht überprüft und festgestellt hat, dass das Verfahren des Ausgangs-
gerichts nicht oder nicht ausreichend vorrangig und beschleunigt durchgeführt wurde, ist das Ausgangsgericht an
diese rechtliche Beurteilung des Beschwerdegerichts gebunden. In seiner rechtlichen Beurteilung soll das Be-
schwerdegericht insbesondere darauf eingehen, ob die notwendigen Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts
und zur Entscheidung in der Sache zeitnah getroffen wurden.

Das Beschwerdegericht kann hingegen das Ausgangsgericht mit Rücksicht auf dessen richterliche Unabhängig-
keit (Artikel 97 Absatz 1 des Grundgesetzes) weder zum Erlass einer einstweiligen Anordnung noch zum Treffen
einer anderweitigen verfahrensbeschleunigenden Maßnahme anweisen oder ihm eine verbindliche Frist zum Tref-
fen bestimmter Entscheidungen im Ausgangsverfahren setzen. In § 155c Absatz 3 Satz 4 FamFG-E ist daher die
Pflicht zur vorrangigen Bearbeitung nicht als Folge einer „Weisung“ des Beschwerdegerichts ausgestaltet. Das
Beschwerdegericht führt lediglich in den Gründen seiner Entscheidung aus, welche Verfahrensschritte aus seiner
Sicht zeitlich notwendig oder überfällig sind.

Die Feststellung des Beschwerdegerichts über die unangemessene Dauer des Verfahrens hat für die Entschädi-
gungsklage nach § 198 GVG keine Bindungswirkung, weil es dort auf eine Gesamtbetrachtung der Verfahrens-
dauer ankommt.

Zu Absatz 4

Nach Absatz 4 kann der Beteiligte, der die Beschleunigungsrüge eingelegt hat, direkt beim Beschwerdegericht
Beschleunigungsbeschwerde einlegen, wenn das Ausgangsgericht in der Frist des § 155b Absatz 2 Satz 1 FamFG-
E keine Entscheidung über die Beschleunigungsrüge getroffen hat.

Auch diese Beschleunigungsbeschwerde ist aus Gründen der Parallelität zur Fristregelung des § 155c Absatz 1
FamFG-E nicht unbefristet zulässig. Im Hinblick auf die bei dem Beteiligten bestehende Unsicherheit, ob ein

Drucksache 18/9092 – 20 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
fristgemäß erlassener Beschluss des Ausgangsgerichts bei der Geschäftsstelle vorliegt, ihm aber noch nicht be-
kannt gegeben ist, muss diese Frist länger bemessen sein als die Frist des § 155b Absatz 2 Satz 1 FamFG-E.
Anderenfalls wäre der Beteiligte gehalten, sich zwecks Wahrung der Beschwerdefrist nach Ablauf der Monatsfrist
bei der Geschäftsstelle des Ausgangsgerichts über das Vorliegen eines Beschlusses zu erkundigen.

Satz 3 stellt klar, dass die Zuständigkeitsvorschriften des Absatzes 2 entsprechend gelten, d. h. zuständig für die
Beschleunigungsbeschwerde bei Ausbleiben einer Zwischenentscheidung auf eine beim Familiengericht einge-
legte Beschleunigungsrüge ist das Oberlandesgericht, beim Oberlandesgericht und beim Bundesgerichtshof je-
weils ein anderer, geschäftsplanmäßig bestimmter Spruchkörper desselben Gerichts. Aus dem Verweis auf Ab-
satz 3 folgt, dass das Beschwerdegericht auch im Beschwerdeverfahren des Absatzes 4 grundsätzlich unverzüg-
lich, spätestens innerhalb eines Monats nach Eingang der Akten beim Beschwerdegericht eine Entscheidung zu
treffen hat. Da die Akten hier nicht unverzüglich mit Eingang der Beschwerde beim Ausgangsgericht dem Be-
schwerdegericht zugeleitet werden können, hat das Beschwerdegericht die Akten anzufordern.

Zu Buchstabe e (§ 163 FamFG-E)

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt den Feststellungen des Sachverständigengut-
achtens in Fällen der Kindeswohlgefährdung eine entscheidende Funktion für die Gefahrenfeststellung des Ge-
richts zu. Das Gutachten muss auf mögliche Defizite hinsichtlich der Erziehungsfähigkeit der Eltern eingehen,
insbesondere auf die Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit der befürchteten Beeinträchtigungen des Kindes
(BVerfG FamRZ 2015, 112 – Rn. 25 nach juris). Die pädagogische und sozialpädagogische Berufsqualifikation
kann unter Umständen auch in anderen Kindschaftssachen für ein den verfassungsrechtlichen Anforderungen ge-
nügendes Gutachten nicht ausreichen, wenn erforderliche diagnostische und analytische Kenntnisse fehlen. Der
neu angefügte Satz 2 stellt sicher, dass zur pädagogischen oder sozialpädagogischen Mindestqualifikation des
Sachverständigen eine entsprechende Zusatzqualifikation nachzuweisen ist. Diese hat sich auf den Bereich der
psychologischen Diagnostik und Methodenlehre (z.B. Kenntnisse psychodiagnostischer Methoden und Verfah-
ren, Fachwissen in multimodalem Vorgehen, hypothesenorientierter Diagnostik und Prozessdiagnostik) sowie
Analyse (z.B. Fähigkeit prognostischen Einschätzens, diagnostischen Urteilens) zu beziehen.

Zu Buchstabe f (§ 163a FamFG-E)

Der Vorschlag des Bundesrates, den Ausschluss der Vernehmung des Kindes als Zeuge auf dessen Vernehmung
als Beteiligter auszudehnen (Drucksache 18/6985, S. 24 f.), soll – wie auch in der Gegenäußerung der Bundesre-
gierung angekündigt – umgesetzt werden.

Zu Buchstabe g

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Nummer 4 (Artikel 3 – Änderung des Gesetzes, betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung im Hinblick auf die Anpassung der Gesetzesbezeichnung
und das Aufrücken der Inkrafttretensregelung (Umnummerierung von Artikel 6).

Zu Nummer 5 (Artikel 4 – Änderung des Einführungsgesetzes zu dem Gesetz über die Zwangsversteige-
rung und die Zwangsverwaltung)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung im Hinblick auf das Aufrücken der Inkrafttretensregelung
(Umnummerierung von Artikel 6).

Zu Nummer 6 (Artikel 5 – Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes)

Die vorgeschlagene Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) dient der Klarstellung, dass die an-
waltliche Tätigkeit im Rahmen einer gemäß § 155b Absatz 1 FamFG-E eingelegten Beschleunigungsrüge mit den
Gebühren für das Verfahren, in dem die Rüge erhoben wird, abgegolten ist.

Für die Beschleunigungsbeschwerde nach § 155c FamFG-E, die vergütungsrechtlich eine weitere Angelegenheit
ist (§ 17 Nummer 1 RVG), erhält der Rechtsanwalt Gebühren nach Teil 3 Abschnitt 5 des Vergütungsverzeich-
nisses zum RVG.

Zusätzliche Gerichtsgebühren sollen für das Verfahren über die gemäß § 155b Absatz 1 FamFG-E eingelegte
Beschleunigungsrüge nicht entstehen. Dies entspricht der üblichen Regelungssystematik, dass Zwischenstreite

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 21 – Drucksache 18/9092
und Ähnliches mit der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen abgegolten sind. Für die erfolglose Beschleu-
nigungsbeschwerde entsteht eine Gerichtsgebühr in Höhe von 60 Euro nach Nummer 1912 des Kostenverzeich-
nisses zum Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen.

Zu Nummer 7 (Artikel 6 – 9 -neu-)

Zu Artikel 6 (Änderung des Sozialgerichtsgesetzes – SGG)

Zu Nummer 1 (Änderung des § 94 SGG)

Zu Buchstabe a

Mit der Streichung der Absatzbezeichnung erfolgt eine redaktionelle Bereinigung, die berücksichtigt, dass die
Absätze 2 und 3 bereits durch Artikel 5 Nummer 1 des Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809) aufgehoben wurden.

Zu Buchstabe b

Mit dieser Änderung wird erreicht, dass eine Entschädigungsklage wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens
(§ 202 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG] in Verbindung mit den §§ 198 bis 201 GVG) erst rechtshängig
wird, wenn die Klage dem beklagten Land oder dem beklagten Bund zugestellt wurde. Die Zustellung erfolgt
gemäß den §§ 12a und 12 Absatz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) erst nach Zahlung der Gebühr für das
Verfahren im Allgemeinen.

Hintergrund dieser Änderung ist folgender:

Mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfah-
ren vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) wurde für Entschädigungsklagen wegen überlanger Verfahrens-
dauer in § 12a GKG geregelt, dass § 12 Absatz 1 GKG entsprechend anzuwenden ist, wonach die Klage erst nach
Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen zugestellt werden soll. Mit dieser Regelung wollte der
Gesetzgeber Entschädigungsklagen wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens in allen Gerichtsbarkeiten von
der vorherigen Gebührenzahlung abhängig machen (Drucksache 17/3802, S. 29). In dem von der Bundesregie-
rung im Oktober 2014 vorgelegten Erfahrungsbericht über die Anwendung des Gesetzes über den Rechtsschutz
bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (Drucksache 18/2950) wurde festge-
stellt, dass diese Vorauszahlungsverpflichtung in den öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten, insbesondere in
der Sozialgerichtsbarkeit, Probleme aufwirft, wenn der Entschädigungskläger seiner Vorauszahlungspflicht nicht
nachkommt. Anders als im zivilgerichtlichen Verfahren, in dem eine bei Gericht eingegangene Klage zunächst
nur anhängig und erst mit Zustellung der Klageschrift rechtshängig wird (§ 253 Absatz 1, § 261 Absatz 1 der
Zivilprozessordnung), wird im sozialgerichtlichen Verfahren eine Klage nach bisheriger Rechtslage bereits mit
ihrem Eingang bei Gericht rechtshängig (§§ 90, 94 Absatz 1 SGG). Die Rechtshängigkeit bewirkt, dass ein Pro-
zessrechtsverhältnis entsteht. Daraus ergibt sich für das Gericht die Notwendigkeit, das Klageverfahren zunächst
zu betreiben, wenn sich die Sache nicht anders erledigt. Andererseits soll aber bei Entschädigungsklagen wegen
eines überlangen Gerichtsverfahrens gemäß den §§ 12a und 12 Absatz 1 GKG zunächst die Gebühr für das Ver-
fahren im Allgemeinen entrichtet werden. Zwar hat die Rechtsprechung zu dem Problem Lösungsmöglichkeiten
aufgezeigt (vgl. etwa LSG Niedersachsen-Bremen, L 10 SF 12/13 EK KA WA), es ist aber letztlich offen, welche
Rechtsfolgen eintreten, wenn der Entschädigungskläger die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen nicht ent-
richtet.

Mit der Änderung wird für die Sozialgerichtsbarkeit in Bezug auf die Rechtshängigkeit von Entschädigungskla-
gen wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens die gleiche Rechtslage geschaffen, wie sie in der Zivilgerichts-
barkeit besteht. Damit wird gewährleistet, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in Entschädigungsklagen
wegen überlanger Gerichtsverfahren erst tätig werden müssen, wenn die Vorauszahlung nach den §§ 12a und 12
Absatz 1 GKG erfolgt ist.

Zu Nummer 2 (Änderung des § 104 Satz 1 SGG)

Mit dieser Änderung wird geregelt, dass Entschädigungsklagen wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens zu-
zustellen sind. Diese Regelung ergänzt die Änderung des § 94 SGG.

Nach § 63 Absatz 2 Satz 1 SGG wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung zugestellt.

Drucksache 18/9092 – 22 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Zu Artikel 7 (Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO)

Zu Nummer 1 (Änderung des § 46 Nummer 1 und 2 VwGO)

Mit diesen Änderungen wird ein Redaktionsversehen im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Bereinigung des
Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3987) korrigiert.

Zu Nummer 2 (Änderung des § 90 VwGO)

Zu Buchstabe a

Mit der Streichung der Absatzbezeichnung erfolgt eine redaktionelle Bereinigung, die berücksichtigt, dass die
Absätze 2 und 3 bereits durch Artikel 1 Nummer 19 des Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809) aufgehoben wurden.

Zu Buchstabe b

Mit dieser Ergänzung wird – parallel zur Änderung in § 94 SGG – für das verwaltungsgerichtliche Verfahren
erreicht, dass bei Entschädigungsklagen wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens nach dem Siebzehnten Titel
des Gerichtsverfassungsgesetzes die Rechtshängigkeit erst mit Zustellung der Klage eintritt. So wird klargestellt,
dass in diesen Verfahren ein Tätigwerden des Gerichts erst nach Zahlung der Gebühr für das Verfahren im All-
gemeinen gemäß den §§ 12a und 12 Absatz 1 GKG erforderlich ist.

Zu Nummer 3 (Änderung des § 124 Absatz 2 Nummer 4 VwGO)

Mit dieser Änderung wird ein Redaktionsversehen im Zusammenhang mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung
der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 1. November 1996 (BGBl. I S. 1626) korrigiert.

Zu Artikel 8 (Änderung des § 66 der Finanzgerichtsordnung – FGO)

Mit dieser Ergänzung des § 66 wird – parallel zur Änderung in § 94 SGG und § 90 VwGO– für das finanzgericht-
liche Verfahren erreicht, dass bei Entschädigungsklagen wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens nach dem
Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes die Rechtshängigkeit erst mit Zustellung der Klage eintritt. So
wird klargestellt, dass in diesen Verfahren ein Tätigwerden des Bundesfinanzhofs erst nach Zahlung der Gebühr
für das Verfahren im Allgemeinen gemäß den §§ 12a und 12 Absatz 1 GKG erforderlich ist.

Zu Artikel 9 (Änderung des § 12a des Gerichtskostengesetzes – GKG)

Zu Nummer 1

Dem § 12 Absatz 1 GKG ist durch Artikel 4 Nummer 3 des Gesetzes zur Reform des Kapitalanleger-Musterver-
fahrensgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften vom 19. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2182) ein neuer Satz 3
angefügt worden. Da dieser ausschließlich die Anmeldung zum Musterverfahren betrifft und folglich für Verfah-
ren wegen überlanger Gerichtsverfahren und strafrechtlicher Ermittlungsverfahren keine Bedeutung hat, wird die
Verweisung in § 12a entsprechend angepasst, so dass § 12 Absatz 1 Satz 3 GKG künftig nicht mehr von ihr erfasst
ist.

Zu Nummer 2

Mit der Einführung einer Hinweispflicht wird gewährleistet, dass Kläger, die vor den öffentlich-rechtlichen Ge-
richtsbarkeiten Entschädigungsansprüche wegen überlanger Gerichtsverfahren nach dem Siebzehnten Titel des
Gerichtsverfassungsgesetzes geltend machen, über die verfahrensmäßigen Besonderheiten bei diesen Entschädi-
gungsklagen gegenüber den übrigen Verfahren in der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit informiert
werden.

Vorgesehen sind zwei Hinweise: Zum einen soll der Kläger wissen, dass seine Entschädigungsklage wegen eines
überlangen Gerichtsverfahrens bei bestehender Vorauszahlungspflicht erst nach Zahlung der Gebühr für das Ver-
fahren im Allgemeinen zugestellt wird. Dies entspricht zwar der Rechtslage im Zivilprozess, nicht aber derjenigen
in allen anderen Verfahren vor den Gerichten der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten. Zum anderen wird der
Kläger darauf hingewiesen, dass die Rechtshängigkeit seiner Entschädigungsklage wegen eines überlangen Ge-
richtsverfahrens erst mit deren Zustellung eintritt, was ebenfalls eine Abweichung von der für alle anderen Ver-
fahren vor den Gerichten der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten geltenden Rechtslage darstellt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23 – Drucksache 18/9092
Durch die Hinweise wird einem Kläger zudem deutlicher als bisher vor Augen geführt, dass mit der gerichtlichen
Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs wegen überlanger Verfahrensdauer ein Kostenrisiko entsteht.
Dies ist besonders für Entschädigungsklagen in der Sozialgerichtsbarkeit bedeutsam, da in sozialgerichtlichen
Verfahren für den in § 183 SGG genannten Personenkreis grundsätzlich Gerichtskostenfreiheit besteht.

Zu Nummer 8 (Umnummerierung von Artikel 6)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Berlin, den 6. Juli 2016

Sebastian Steineke
Berichterstatter

Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Berichterstatterin

Dr. Johannes Fechner
Berichterstatter

Jörn Wunderlich
Berichterstatter

Katja Keul
Berichterstatterin
Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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