BT-Drucksache 18/8917

a) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - Drucksache 18/8702 - Entwurf eines Gesetzes zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus b) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksache 18/8824, 18/8881 - Entwurf eines Gesetzes zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus

Vom 22. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8917
18. Wahlperiode 22.06.2016

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
– Drucksache 18/8702 –

Entwurf eines Gesetzes zum besseren Informationsaustausch bei der
Bekämpfung des internationalen Terrorismus

b) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksachen 18/8824, 18/8881 –

Entwurf eines Gesetzes zum besseren Informationsaustausch bei der
Bekämpfung des internationalen Terrorismus

A. Problem
Bei der Aufklärung des transnational operierenden und vernetzten Terrorismus
sind eine Vielzahl von Behörden – national und insbesondere auch international
– tätig, deren Erkenntnisse zusammengeführt und übergreifend analysiert werden
müssen.

B. Lösung
Dies wird durch zeitgemäßen IT-Einsatz mit der Einrichtung gemeinsamer Da-
teien unterstützt. Hierzu erhält das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) spe-
zielle Befugnisse zur Einrichtung gemeinsamer Dateien mit Partnerdiensten. Zu-
dem sollen bereits auf nationaler Ebene gemeinsame Projektdateien der Sicher-
heitsbehörden verlängert eingerichtet werden können. Bei der Gelegenheit wer-
den weitere Regelungen zur verbesserten Terrorismusbekämpfung aufgenom-
men.

Drucksache 18/8917 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Zu Buchstabe a

Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/8702 in geänderter Fassung
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe b

Einvernehmliche Erledigterklärung des Gesetzentwurfs auf Drucksachen
18/8824, 18/8881.

C. Alternativen
Beibehaltung des jetzigen Rechtszustandes.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürger entsteht kein Erfüllungsaufwand.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Durch die in Artikel 9 vorgenommene Änderung des Telekommunikationsgeset-
zes ist eine dauerhafte, zusätzliche Belastung der Telekommunikationsdienstean-
bieter zu erwarten, die sich derzeit nicht ermitteln lässt. Eine Bewertung kann
gegebenenfalls erst nach Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung vorgenommen
werden. Eine erste Nacherfassung erfolgt vor Abschluss der parlamentarischen
Befassung.

Weitere Belastungen für die Wirtschaft entstehen nicht.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Mit der Einführung gemeinsamer Dateien mit ausländischen Partnerdiensten ent-
stehen dem BfV jährliche Personal- und Sachkosten in Höhe von rund 2,9 Milli-
onen Euro sowie einmalige Sachkosten in Höhe von rund 2,9 Millionen Euro.

Mit der Änderung des Bundespolizeigesetzes entstehen der Bundespolizei jährli-
che Personal- und Sachkosten in Höhe von rund 1,4 Millionen Euro sowie einma-
lige Sachkosten in Höhe von rund 700 000 Euro.

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hat mit-
geteilt, insbesondere die Errichtung gemeinsamer Dateien mit ausländischen
Nachrichtendiensten sowie die Befugniserweiterungen zugunsten der Bundespo-
lizei führten bei ihr zu einem Mehrbedarf an Personalmitteln verbunden mit jähr-
lichen Personalkosten in Höhe von rund 350 000 Euro.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8917
Der Bedarf an Sach- und Personalmitteln sowie Planstellen und Stellen soll finan-
ziell und stellenmäßig im jeweiligen Einzelplan eingespart werden.

Weiterer Aufwand für die Verwaltung der Länder und Kommunen entsteht nicht.

F. Weitere Kosten
Keine.

Drucksache 18/8917 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/8702 mit folgenden Maßgaben, im
Übrigen unverändert anzunehmen:

1. Artikel 1 wird wie folgt geändert:

a) Der Nummer 1 wird folgende Nummer 1 vorangestellt:

‚1. § 11 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) In den Sätzen 1 und 2 wird jeweils die Angabe „16“
durch die Angabe „14“ ersetzt.

bb) Satz 3 wird aufgehoben.

b) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) In Dateien oder zu ihrer Person geführten Ak-
ten gespeicherte Daten über Minderjährige vor Vollen-
dung des 16. Lebensjahres sind spätestens nach zwei
Jahren zu löschen, es sei denn, dass weitere Erkennt-
nisse nach § 3 Absatz 1 angefallen sind. In Dateien oder
zu ihrer Person geführten Akten gespeicherte Daten
über Minderjährige ab Vollendung des 16. Lebensjahres
sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Spei-
cherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren
zu löschen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljäh-
rigkeit weitere Erkenntnisse nach § 3 Absatz 1 angefal-
len sind.“ ʻ

b) Die bisherige Nummer 1 wird Nummer 1a.

2. In Artikel 9 Nummer 6 Absatz 15 Satz 2 wird das Wort „achtzehnten“
durch das Wort „zwölften“ ersetzt.;

b) den Gesetzentwurf auf Drucksachen 18/8824, 18/8881 für erledigt zu erklä-
ren.

Berlin, den 22. Juni 2016

Der Innenausschuss

Ansgar Heveling
Vorsitzender

Clemens Binninger
Berichterstatter

Uli Grötsch
Berichterstatter

Frank Tempel
Berichterstatter

Dr. Konstantin von Notz
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8917
Bericht der Abgeordneten Clemens Binninger, Uli Grötsch, Frank Tempel und Dr.
Konstantin von Notz

I. Überweisung

Zu Buchstabe a
Der Gesetzentwurf auf Drucksache 18/8702 wurde in der 176. Sitzung des Deutschen Bundestages am
9. Juni 2016 an den Innenausschuss federführend sowie an den Auswärtigen Ausschuss, den Ausschuss für Recht
und Verbraucherschutz, den Ausschuss für Wirtschaft und Energie, den Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union und den Ausschuss Digitale Agenda zur Mitberatung überwiesen.
Zu Buchstabe b
Der Gesetzentwurf auf Drucksache 18/8824 sowie die Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellung-
nahme des Bundesrates auf Drucksache 18/8881 wurden in der 178. Sitzung des Deutschen Bundestages am
22. Juni 2016 an den Innenausschuss federführend sowie an den Auswärtigen Ausschuss, den Ausschuss für
Recht und Verbraucherschutz, den Ausschuss für Wirtschaft und Energie, den Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union und den Ausschuss Digitale Agenda zur Mitberatung überwiesen. Ebenso beteiligte sich
der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung gutachtlich (Ausschussdrucksache 18(4)590).

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a
Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 72. Sitzung am 22. Juni 2016 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die Annahme des Gesetzentwurfs empfohlen.
Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat in seiner 104. Sitzung am 22. Juni 2016 mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen empfohlen, den Gesetzentwurf in der Fas-
sung des Änderungsantrags anzunehmen.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat in seiner 81. Sitzung am 22. Juni 2016 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN empfohlen, den Gesetzentwurf in der Fassung des Änderungsantrags anzunehmen.
Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union hat in seiner 65. Sitzung am 22. Juni 2016
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung des Änderungsantrags empfohlen.
Der Ausschuss Digitale Agenda hat in seiner 67. Sitzung am 22. Juni 2016 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die An-
nahme des Gesetzentwurfs in der Fassung des Änderungsantrags empfohlen.
Zu Buchstabe b
Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 72. Sitzung am 22. Juni 2016 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen die Annahme des Gesetzentwurfs empfohlen.
Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, der Ausschuss für Wirtschaft und Energie, der Ausschuss
für die Angelegenheiten der Europäischen Union und der Ausschuss Digitale Agenda haben jeweils in ihrer
Sitzung am 22. Juni 2016 empfohlen, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/8824 für erle-
digt zu erklären.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat in seiner 83. Sitzung am 8. Juni 2016 einvernehmlich beschlossen, eine öffentliche An-
hörung zu der Vorlage auf Drucksache 18/8702 durchzuführen. Die öffentliche Anhörung hat der Innenausschuss

Drucksache 18/8917 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
in seiner 84. Sitzung am 20. Juni 2016 durchgeführt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung, an der sich sechs
Sachverständige beteiligt haben, wird auf das Protokoll der 84. Sitzung des Innenausschusses vom 20. Juni 2016
verwiesen (Protokoll 18/84). Sowohl bei der Anhörung als auch bei den anschließenden Beratungen lag die gut-
achtliche Stellungnahme des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung auf Ausschussdrucksache
18(4)590 vor.

Der Innenausschuss hat die Vorlagen auf den Drucksachen 18/8702 und 18/8824 in seiner 85. Sitzung am 22. Juni
2016 abschließend beraten. Den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/8702 in der Fassung des Änderungsantrags
der Koalitionsfraktionen auf Ausschussdrucksache 18(4)605 empfiehlt der Innenausschuss mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN anzunehmen. Die Änderungen entsprechen dem Änderungsantrag auf Ausschussdrucksache 18(4)605,
der zuvor von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD in den Innenausschuss eingebracht und mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen wurde. Den Gesetzentwurf
auf Drucksache 18/8824 empfiehlt der Innenausschuss einvernehmlich für erledigt zu erklären.

IV. Begründung

Zur Begründung allgemein wird auf Drucksache 18/8702 verwiesen. Die vom Innenausschuss vorgenommenen
Änderungen auf Grundlage des Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen auf Ausschussdrucksache 18(4)605
begründen sich wie folgt:

Zu Nummer 1 (Änderung § 11 BVerfSchG)

Nach Auswertung der Sicherheitsbehörden sind unter den Personen, die nach Syrien reisen, um sich dort terroris-
tischen Vereinigungen anzuschließen, auch Minderjährige, die jünger als 16 Jahre sind. Teils bestehen dabei Vor-
läufe in inländischen Bestrebungen, speziell der salafistischen „Lies!“-Kampagne. Gerade in jugendlichem Alter
vollziehen sich Radikalisierungsverläufe unter Umständen rasch, so dass Bezüge zu „legalistischen“ Bestrebun-
gen beschleunigt zu gewaltorientierten Einstellungsentwicklungen führen können, zumal wenn solche Bestrebun-
gen als „Durchlauferhitzer“ wirken und von Gewalttätern zur Kontaktanbahnung als Rekrutierungspool genutzt
werden. So ist beispielsweise ein Fall bekannt, in dem ein 15-Jähriger zunächst im Zusammenhang der „Lies!“-
Kampagne auffiel und noch im selben Jahr wahrscheinlich in Syrien in Kampfhandlungen ums Leben kam (wurde
in der salafistischen Szene mit Fotos seiner Leiche als „Märtyrer“ gefeiert).

Mit der neuen Regelung können extremistische Bestrebungen nicht nur in Bezug auf Minderjährige (der Alters-
gruppe von 14 bis 16 Jahren), sondern auch hinsichtlich der Netzwerkstrukturen, zu denen Bezüge – etwa durch
Rekrutierungsbemühungen oder Logistiker (Syrien-Schleuser) – bestehen, verbessert aufgeklärt werden und zu-
dem das Umfeld der Minderjährigen, speziell die Eltern, zielgerichteter unterstützt werden, um Radikalisierungs-
verläufen entgegenzuwirken.

Kompensatorisch zur erweiterten Speicherung vor Vollendung des 16. Lebensjahres wird in den besonderen Prüf-
und Löschungsvorschriften des Absatzes 2 die Löschungsfrist für Verhalten in einem Alter unter 16 Jahren auf
2 Jahre verkürzt (gegenüber bisher 5 Jahren nach § 11 Absatz 2 und grundsätzlich 10 Jahren allgemein nach § 12
Absatz 3), um dem oftmals auch lediglich episodenhaften Charakter von Devianz in jugendlichem Alter erweitert
Rechnung zu tragen.

Zu Nummer 2 (Änderung § 150 TKG)

Mit den Neuregelungen wird der Diensteanbieter verpflichtet, die Richtigkeit der erhobenen Daten durch geeig-
nete Verfahren zu überprüfen und Angaben zu dem Überprüfungsvorgang zu speichern. Die ursprünglich vorge-
sehene Übergangsfrist von 18 Monaten sollte den Unternehmen ermöglichen, ihre Geschäftsprozesse entspre-
chend anzupassen. Unter Berücksichtigung des massenhaften Missbrauchs und in Anbetracht der daraus resultie-
renden Gefahren ist jedoch eine möglichst zügige Umsetzung erforderlich. In Abwägung dieser Interessen ist eine
Übergangsfrist von 12 Monaten angemessen.

Die Fraktion der CDU/CSU betont die enorme Wichtigkeit des Gesetzentwurfs für die Bekämpfung des inter-
nationalen Terrorismus. Der Unmut der Oppositionsfraktionen an der Art und Weise des Gesetzgebungsverfah-
rens sei nachvollziehbar. Die besondere Eilbedürftigkeit des Vorhabens bestehe aber, dies hätten die durch die
Koalitionsfraktionen geladenen Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung anschaulich belegt. Die öffentli-
che Anhörung habe insgesamt einen enormen Erkenntnisgewinn gebracht. In der Sache führe der Entwurf mit

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/8917
drei zentralen Punkten zu einer umfassenden Verbesserung der Möglichkeiten im Kampf gegen den internationa-
len Terrorismus. Der Terrorismus halte sich nicht an nationale Grenzen, sondern arbeite in internationalen Struk-
turen zusammen. Wenn der Terror international funktioniere, müsse dies gleichermaßen für den Kampf gegen
den Terror gelten. Der Entwurf ermögliche die Verknüpfung der einzelstaatlichen Erkenntnisse und gerade in
diesem Punkt bestehe eine besondere Eilbedürftigkeit. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz
habe in der öffentlichen Anhörung darauf hingewiesen, dass die Counter Terrorism Group unter niederländischem
Vorsitz die Schaffung einer gemeinsamen EU-Datenbank vorangetrieben habe, die bereits am 1. Juli 2016 in den
Probebetrieb gehen werde. Je schneller die Bundesrepublik Deutschland hieran teilnehmen könne, desto besser.
Zum zweiten ermögliche der Entwurf mit der Verpflichtung der Telekommunikationsanbieter, beim Verkauf von
Prepaidkarten Identitätsnachweise zu verlangen, die Identität der Nutzenden eindeutig festzustellen. Dies werde
innerhalb der Europäischen Union uneinheitlich gehandhabt; die deutsche Regelung bedeute jedoch einen Anfang
in der Erleichterung der Verfolgung und Festnahme von Tätern. Die auch aus dem NSU-Komplex bekannte Straf-
verfolgungspraxis zeige, wie oft aufwändige Ermittlungen ins Leere liefen, da sich die Identität der Nutzer von
Mobilfunknummern nicht feststellen lasse. Schließlich sehe der Entwurf die Möglichkeit des Einsatzes verdeckter
Ermittler auch bei der Bundespolizei vor. Die Bundespolizei nehme seit nunmehr 20 Jahren zentrale polizeiliche
Aufgaben wahr, für deren Erfüllung der Einsatz von verdeckten Ermittlern unerlässlich und längst überfällig sei.
Auch der durch die Koalitionsfraktionen eingebrachte Änderungsantrag sei wichtig. Er senke die zunächst für die
Speicherung von Daten vorgesehene Altersgrenze von 16 auf 14 Jahre; diese Notwendigkeit habe ebenfalls die
öffentliche Anhörung bestätigt. Des Weiteren sei mit dem Änderungsantrag die Übergangsfrist für die Umsetzung
der Verpflichtung der Identitätsüberprüfung für Mobilfunkanbieter von 18 auf 12 Monate gesenkt worden.

Die Fraktion der SPD betont, Terroranschläge hätten in den vergangenen anderthalb Jahren mehr als 1000 Tote
und Verletzte innerhalb Europas gefordert. Der IS agiere mit organisierter, international übergreifender Kom-
mando- und Befehlsstruktur grenzüberschreitend in ganz Europa. Der Grad dieser Vernetzung sei in diesem Aus-
maß erst seit den Anschlägen von Paris im November 2015 bekannt. Die klare Reaktion hierauf müsse eine ent-
sprechend adäquate Vernetzung der Europäischen Sicherheitsbehörden sein, und diese Antwort werde mit dem
vorliegenden Gesetzentwurf gegeben. Die durch die Opposition geäußerte Kritik am sehr zügigen Abschluss des
parlamentarischen Verfahrens sei zwar nicht unverständlich. Die Eilbedürftigkeit sei aber gerade dieser besonde-
ren Situation und der außergewöhnlichen Bedrohungslage geschuldet. Angesichts dieser Bedrohungslage wäre es
unverantwortlich, den Gesetzentwurf erst nach der Sommerpause zu verabschieden. Die mit dem Änderungsan-
trag vorgesehene Herabsenkung des Mindestalters für die Speicherung personenbezogener Daten von 16 auf 14
Jahre sei angesichts des bereits in diesen jungen Jahren immer stärker werdenden Radikalisierungsgrades erfor-
derlich. Die erste und nachhaltigste Strategie zum Kampf gegen derartig frühzeitige Radikalisierungen müsse die
Präventionsarbeit sein. Die nunmehr vorgesehene Senkung des Mindestalters bedeute jedoch nicht, dass hier
nichts unternommen werde. Dies zeige die Gründung der Koordinierungsstelle für Prävention, die die Arbeit zu
einem gemeinsamen Programm verbinde. 20 Prozent der von Deutschland nach Syrien ausreisenden Personen
seien jedoch Minderjährige und teilweise erst 14 bis 16 Jahre alt. Es gebe den feststehenden Begriff des Kinder-
Dschihad. Im Übrigen sei 14 Jahre auch die Altersgrenze der Strafmündigkeit.

Die Fraktion DIE LINKE. stellt voran, der Gesetzentwurf beinhalte eine Fülle enormer Verschärfungen von
Grundrechtseingriffen, angesichts derer der Bundestag gegenüber den Bürgern die Pflicht habe, seinen Inhalt in
einem sachlichen, angemessenen parlamentarischen Verfahren zu diskutieren und zu prüfen. Nicht nur die Oppo-
sition habe erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber den in dem Entwurf vorgesehenen Neurege-
lungen, die gründlich debattiert werden müssten. Angesichts dessen dürfe es nicht entscheidend sein, ob der Ge-
setzentwurf zwei oder drei Monate früher oder später in Kraft trete. Die von der Koalition beschriebene besondere
Eilbedürftigkeit sei – wenn überhaupt – im Zusammenhang mit der Einführung gemeinsamer Antiterrordateien
nachvollziehbar; insgesamt aber nicht ersichtlich. Die Einführung der verpflichtenden Identitätsfeststellung beim
Verkauf von Prepaidkarten werde in der Praxis keine Verbesserungen bringen: Der anonyme Erwerb von Pre-
paidkarten sei nach wie vor in den meisten europäischen Nachbarländern möglich und gerade innerhalb von
Strukturen der Organisierten Kriminalität sei es ein Leichtes, die verpflichtenden Identitätsnachweise zu umge-
hen. Die Neuregelung führe lediglich zu einer neuen Datenflut und einem polizeilichen Mehraufwand, dem kein
adäquater Nutzen gegenüberstehe. Die bessere Bekämpfung des internationalen Terrorismus sei ein legitimes
Ziel; der Gesetzentwurf sei hierauf jedoch nicht beschränkt. Die Formulierung der Terrorbekämpfung müsse auf
bestimmte, staatsrelevante Straftaten eingegrenzt und nicht auf alle Bereiche der Organisierten Kriminalität oder
der Schleuserkriminalität ausgeweitet werden. Bei der internationalen Zusammenarbeit begrenze der Entwurf den

Drucksache 18/8917 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Datenaustausch nicht adäquat auf Staaten, in denen rechtsstaatliche Verhältnisse gölten. Die Bildung einer ge-
meinsamen Datei mit NATO-Staaten erfordere nach dem Entwurf lediglich die Genehmigung des Bundesminis-
teriums des Innern, wonach auch ein regelmäßiger, automatisierter Austausch mit Staaten wie der Türkei nicht
ausgeschlossen werden könne. Die mit dem Änderungsantrag vorgesehene Absenkung der Mindestaltersgrenze
für die Zulässigkeit der Speicherung personenbezogener Daten von 16 auf 14 Jahre sei unverhältnismäßig und
sende das falsche Signal. Gerade innerhalb dieser Altersgruppe sei das zentralste und effektivste Mittel zur Be-
kämpfung des Terrorismus die Präventionsarbeit. Angesichts der mit dem Gesetz einhergehenden umfassenden
Verschärfungen und intensiven Grundrechtseingriffe wäre es notwendig gewesen, in einer öffentlichen Anhörung
mit tatsächlich externem Sachverstand den Inhalt zu diskutieren. Die durch die Koalitionsfraktionen erfolgte La-
dung der Sachverständigen, die allesamt Behördenvertreter gewesen seien, habe diesen externen Sachverstand in
keiner Weise sicherstellen können. Der Gesetzentwurf werde während einer Bindung der Aufmerksamkeit der
Öffentlichkeit durch die EM und die Abstimmung über den Ausstieg Großbritanniens aus der EU durch das Par-
lament gejagt. So entstehe ein Bild in der Öffentlichkeit von einer parlamentarischen Arbeit, die sich selbst ent-
machte und schlicht Vorhaben der Bundesregierung abnicke, ohne auf ein ordentliches parlamentarisches Ver-
fahren Wert zu legen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßt, dass sich die Koalitionsfraktionen der geäußerten Kritik an
der Art und Weise dieses Gesetzgebungsvorhabens nicht versage. Das übereilte parlamentarische Verfahren de-
legitimiere das möglicherweise durchaus berechtigte, hinter dem Entwurf stehende Interesse. Der Bundestag
müsse seine Position als zentrales Gesetzgebungsorgan insbesondere gegenüber der Exekutive stärken und sich
nicht zum bloßen Ausführungsorgan der Interessen der Bundesregierung machen. Angesichts des in dieser Legis-
laturperiode schon häufig geübten Vorgehens in der eiligen Art und Weise der Verabschiedung von Gesetzesent-
würfen sei eine dies rügende Klage vor dem Bundesverfassungsgericht absehbar. In der öffentlichen Anhörung
habe sich gezeigt, dass der Änderungsantrag den durch die Koalitionsfraktionen geladenen Sachverständigen be-
reits bekannt gewesen sei, bevor er in das Parlament eingebracht worden sei. Zudem hätten die Koalitionsfrakti-
onen in der öffentlichen Anhörung ausschließlich Sachverständige aus dem Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums des Innern geladen, die schon aufgrund ihrer Stellung keine unabhängige Stellungnahme hätten abgeben
können. Die entsprechende Ladung sei unseriös und verdeutliche die Fehlerhaftigkeit des parlamentarischen Ver-
fahrens. Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus sei eine bessere länderübergreifende Kooperation ohne
Zweifel notwendig. Der vorliegende umfangreiche Entwurf ermögliche jedoch weit über den Kampf gegen den
Terrorismus hinaus eine internationale Zusammenarbeit durch internationalen Datenaustausch. Es sei notwendig,
den Austausch auf das zu beschränken, was er zu bekämpfen vorgebe, nämlich auf den Kampf gegen den inter-
nationalen Terrorismus. Eine entsprechende Begrenzung fehle auch bei der Auflistung der Zusammenarbeit mit
anderen Ländern; nach dem derzeitigen Gesetzeswortlaut sei auch der Austausch von Daten mit Algerien oder
Syrien möglich. Auch sei nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht ersichtlich, wie sichergestellt werden könne, dass
Daten nicht dem NATO-Staat Türkei übermittelt würden. Inhaltlich stehe der Entwurf für einen Paradigmenwech-
sel der nachrichtendienstlichen Überwachung, erstmalig würden dauerhafte Dateien eingeführt, in die automati-
siert Dateien eingespeist würden. Das verfassungsrechtlich vorgeschriebene Trennungsgebot zwischen Polizei
und Nachrichtendiensten werde trotz der Erkenntnisse entsprechender Problematik aus der NSU-Affäre weiter
aufgeweicht. Der nunmehr vorgesehene Einsatz verdeckter Ermittler auch in der Bundespolizei werde zwar mit
der Notwendigkeit im Kampf gegen die Schleuserkriminalität begründet, sei aber dem Wortlaut des Gesetzes
nach nicht auf den entsprechenden Einsatz zum Kampf gegen Schleuser beschränkt. Auch die verpflichtende
Identitätsfeststellung beim Verkauf von Prepaidkarten sei grundsätzlich nachvollziehbar, in ihrer Umsetzung aber
zu weit gehend und unverhältnismäßig. Die Einführung der verpflichtenden Identitätsfeststellung führe auch zu
keiner Verbesserung; die Verpflichtung können unproblematisch durch Käufe im Ausland umgangen werden.
Auch die pauschal vorgenommene Absenkung der Altersgrenze sei unverhältnismäßig; ihrem Zweck gemäß
könne auch sie auf konkrete Ausnahmefälle begrenzt werden.

Berlin, den 22. Juni 2016

Clemens Binninger
Berichterstatter

Uli Grötsch
Berichterstatter

Frank Tempel
Berichterstatter

Dr. Konstantin von Notz
Berichterstatter

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