BT-Drucksache 18/8750

Beiträge der Bundesregierung zur Stärkung der Bildungsgerechtigkeit

Vom 1. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8750
18. Wahlperiode 01.06.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Özcan Mutlu, Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer,
Katja Dörner, Dr. Franziska Brantner, Ulle Schauws, Doris Wagner,
Maria Klein-Schmeink, Tabea Rößner, Elisabeth Scharfenberg,
Kordula Schulz-Asche, Dr. Harald Terpe, Luise Amtsberg, Britta Haßelmann,
Sven-Christian Kindler, Renate Künast, Brigitte Pothmer, Claudia Roth (Augsburg),
Corinna Rüffer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Beiträge der Bundesregierung zur Stärkung der Bildungsgerechtigkeit

Im Mai 2016 hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung,
Prof. Dr. Johanna Wanka, im Rahmen der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz
mit den Landesministerinnen und Landesministern drei Vereinbarungen zur
Stärkung der Leistungsfähigkeit des Wissenschaftssystems auf den Weg ge-
bracht. Bei aller aus Sicht der Fragesteller berechtigten Kritik im Einzelnen ist
immerhin daraus das Bemühen erkennbar, das Wissenschaftssystem in Deutsch-
land zu stärken und zukunftsfähig zu machen.
In vielen anderen zentralen Bildungsbereichen sind solche Initiativen anderthalb
Jahre vor Ende der Legislaturperiode aber nicht erkennbar. Viele vereinbarte
Ziele des Bildungsgipfels von Dresden aus dem Jahr 2008 sind noch nicht er-
reicht. Ein starkes Wissenschaftssystem ruht allerdings auf einem tragfähigen und
leistungsstarken Bildungssystem. Gleichzeitig ist Bildungsgerechtigkeit eine tra-
gende Säule für eine zukunftsfähige und offene Gesellschaft. So müssen Bil-
dungszugänge für alle Menschen gleichermaßen und gut erreichbar sein. Damit
das funktioniert, muss Deutschland aus Sicht der Fragesteller nachlegen: Bil-
dungsungerechtigkeit ist, wie von zahlreichen Studien belegt, die Achillesferse
des deutschen Bildungssystems. Um Bildungsgerechtigkeit herzustellen, müssen
alle staatlichen Ebenen ihre Verantwortung wahrnehmen und ihren Beitrag leis-
ten, anstatt sich hinter Zuständigkeitsdebatten zu verstecken.
Schon im Jahr 2011 stellte die Expertenkommission Forschung und Innovation
in ihrem Jahresgutachten fest: „Nach Ansicht der Expertenkommission hat der
Wegfall der Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung Folgen, die dem Aufbau ei-
nes leistungsfähigen Bildungssystems abträglich sind. Der Bereich der For-
schungsförderung zeigt, dass ein kooperativer Föderalismus bei gleichzeitiger
Leistungs- und Effizienzsteigerung möglich ist. Die Expertenkommission emp-
fiehlt daher die Rücknahme des Kooperationsverbots und ein Anknüpfen an den
vor der Föderalismusreform erreichten Status eines kooperativen Föderalismus
im Bildungsbereich“ (Bundestagsdrucksache 17/8226, S. 22). Dieser Empfehlung
schließt sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an, wie sie es auch in
ihrem Antrag „Mehr Bildungsgerechtigkeit für die Einwanderungsgesellschaft –
Damit Herkunft nicht über Zukunft bestimmt“ (Bundestagsdrucksache 18/7049)
gefordert hat.

Drucksache 18/8750 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Durch welche Maßnahmen und mit welchem Erfolg hat die Bundesregierung
seit ihrem Amtsbeginn im Bereich der frühkindlichen Bildung, Betreuung
und Erziehung die Bildungsgerechtigkeit erhöht mit Blick auf
a) Menschen mit Migrationshintergrund,
b) Menschen mit Behinderung?

2. Wie wird sich die Bundesregierung an den erforderlichen Schritten beteili-
gen, um die Betreuung von Kindern mit unterschiedlichen Lebenslagen im
Kita-Bereich durch adäquat geschultes Personal, das angemessen vergütet
werden muss, zu gewährleisten?

3. Hat die Bundesregierung zu den Bedarfen von Kindern, die einen erhöhten
Förderbedarf wahrscheinlich in einem Betreuungsverhältnis von 1 zu 2 be-
nötigen, Daten erhoben?
a) Wenn ja, welche, und welche Schlussfolgerungen zieht sie hieraus?
b) Wenn nein, wird sie dazu Daten erheben und die notwendigen finanziel-

len Mittel bereitstellen?
4. Was plant die Bundesregierung, damit wenigstens die Empfehlungen der EU

für einen adäquaten Personalschlüssel in den Kindertageseinrichtungen in
Deutschland erfüllt werden?

5. Welche Gesetzentwürfe hat die Bundesregierung seit Amtsbeginn in den
Deutschen Bundestag eingebracht, um die Qualität der Kindertagesbetreu-
ung weiter voranzutreiben?
Inwieweit wurden dabei Fragen der Personalausstattung, Qualifikation und
Weiterbildung der Fachkräfte, des Fachkräfteangebots sowie der Sprachbil-
dung geregelt?

6. Wenn keine derartigen Gesetzentwürfe eingebracht wurden, warum nicht
(Frage bitte getrennt beantworten)?

7. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Bedarf von Kindern
an ganztägigen Betreuungsangeboten, und inwieweit wird diesem Bedarf ge-
genwärtig entsprochen (bitte differenziert nach Kindern zwischen einem und
drei Jahren und Kindern über drei Jahren bis zum Schuleintritt auflisten;
Frage bitte getrennt beantworten)?

8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Bedarf von Eltern
von schulpflichtigen Kindern an ganztägigen Angeboten, und inwieweit wird
diesem gegenwärtig entsprochen?

9. Durch welche Schritte hat die Bundesregierung seit Amtsbeginn den Ausbau
der Ganztagsbetreuung in Kindertageseinrichtungen ausgebaut?

10. Durch welche Maßnahmen und mit welchem Erfolg hat die Bundesregierung
seit ihrem Amtsbeginn im Bereich der allgemeinbildenden Schulen die Bil-
dungsgerechtigkeit erhöht, v. a. mit Blick auf
a) Menschen mit Migrationshintergrund,
b) Menschen mit Behinderung,
c) männliche Kinder und Jugendliche?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8750

11. Durch welche Maßnahmen und mit welchem Erfolg hat die Bundesregierung

seit ihrem Amtsbeginn im Bereich der nonformalen Lernwelten im Schulal-
ter die Bildungsgerechtigkeit erhöht, v. a. mit Blick auf
a) Kinder und Jugendliche aus sogenannten Risikolagen,
b) Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund,
c) Kinder und Jugendliche mit Behinderung?

12. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung einleiten, damit Kinder, die
Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket beziehen, nicht weiterhin
stigmatisiert werden, wie u. a. vom Kinderschutzbund kritisiert?

13. Durch welche Maßnahmen und mit welchem Erfolg hat die Bundesregierung
seit ihrem Amtsbeginn im Bereich der beruflichen Ausbildung die Bildungs-
gerechtigkeit erhöht, v. a. mit Blick auf
a) Jugendliche und junge Erwachsene aus sogenannten Risikolagen,
b) Jugendliche und junge Erwachsene aus ökonomisch schwächeren Regio-

nen,
c) Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund,
d) Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderung?

14. Warum hat die Bundesregierung auf die Einführung einer Ausbildungsga-
rantie, die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom Dezem-
ber 2013 vereinbart wurde, bislang verzichtet?

15. Warum ist das Instrument der Assistierten Ausbildung auf betriebliche Aus-
bildungen beschränkt und wird nicht für Auszubildende in vollzeitschuli-
schen Ausbildungen geöffnet?

16. Warum hat die Bundesregierung das Instrument der Assistierten Ausbildung
nicht, wie in der Erklärung der Allianz für Aus- und Weiterbildung angekün-
digt, verstetigt, sondern plant diese weiterhin nur als Modellprojekt bis zum
Jahr 2018?

17. Wie viele der angekündigten 10 000 Plätze für Assistierte Ausbildung wird
die Bundesregierung nach derzeitigem Stand bis zum Jahr 2018 jährlich tat-
sächlich bereitstellen?

18. Welche konkreten Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus einer Studie
der Bertelsmann-Stiftung, wonach immer noch für Deutschland gilt: „Je hö-
her die Bildungsstufe, desto geringer sind die Chancen auf Inklusion. Ge-
meinsames Lernen und Spielen ist in Kitas bereits weit verbreitet. Auch die
Grundschulen nehmen immer mehr Förderschüler auf. Doch sobald Kinder
mit und ohne Handicap eine weiterführende Schule besuchen, müssen sie
in der Regel getrennt lernen“ (Quelle: www.bertelsmann-stiftung.de/de/
themen/aktuelle-meldungen/2015/september/inklusion-bleibt-an-vielen-
weiterfuehrenden-schulen-ein-fremdwort/cit/36152/; dazu auch verglei-
chend Bildungsbericht 2014, S. 175)?

19. Wird die Bundesregierung sich nach Veröffentlichung der Studie der Ber-
telsmann-Stiftung zu Ganztagschulen für einheitliche bundesweite Standards
für Ganztagsschulen einsetzen, damit Chancengerechtigkeit in Deutschland
nicht von Regionen oder einzelnen Schulen abhängt?
a) Wenn ja, wie?
b) Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 18/8750 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

20. Durch welche Maßnahmen und mit welchem Erfolg hat die Bundesregierung

seit ihrem Amtsbeginn im Bereich des Studiums die Bildungsgerechtigkeit
erhöht, v. a. mit Blick auf
a) junge Erwachsene aus sogenannten Risikolagen,
b) junge Erwachsene aus ökonomisch schwächeren Regionen,
c) junge Erwachsene mit Migrationshintergrund,
d) junge Erwachsene mit Behinderung?

21. Welche Auswirkung auf die Bildungsgerechtigkeit in Deutschland hat nach
Auffassung der Bundesregierung die Erhöhung der Freibeträge und Förder-
sätze im Bundesausbildungsförderungsgesetz zum 1. August 2016 im Ver-
gleich zu einem Inkrafttreten der Erhöhung am 1. Januar 2015, als die Geset-
zesnovelle in Kraft trat?

22. Durch welche Maßnahmen und mit welchem Erfolg hat die Bundesregierung
seit ihrem Amtsbeginn im Bereich der Weiterbildung und des Lernens im
Erwachsenenalter die Bildungsgerechtigkeit erhöht, v. a. mit Blick auf
a) Menschen über 50 Jahre,
b) Menschen mit Migrationshintergrund,
c) Menschen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen,
d) Menschen mit Behinderung,
e) Frauen nach der Familienphase?

23. Welche Rolle hat dabei nach Auffassung der Bundesregierung die Nationale
Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener gespielt?

24. Durch welche Maßnahmen und mit welchem Erfolg hat die Bundesregierung
seit ihrem Amtsbeginn in allen Bildungsbereichen die Förderung besonders
begabter junger Menschen vorangebracht und so die Bildungsgerechtigkeit
erhöht, v. a. mit Blick auf
a) Kinder und Jugendliche mit Behinderung,
b) Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund,
c) geflüchtete Kinder und Jugendliche,
d) junge Erwachsene, die ohne Schul- oder Berufsabschluss sind?

25. Wird die Bundesregierung – im Sinne der „Abschließenden Bemerkungen“
des Ausschusses zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen
(Committee on the Rights of Persons with Disabilities – CRPD) der Verein-
ten Nationen – gemeinsam mit den Bundesländern eine sofortige Strategie
zur Weiterentwicklung des Bildungssystems zu einem inklusiven Bildungs-
system in hoher Qualität mit Zeitzielen entwickeln und einleiten?
a) Wenn ja, wann und in welchem zeitlichen Rahmen?
b) Wenn nein, warum nicht?

26. Inwiefern sieht die Bundesregierung die Ziele des Bildungsgipfels 2008 –
höhere Bildungsausgaben, frühkindliche Bildung und Betreuung, die Zahl
der Schul- und Ausbildungsabbrecher verringern, leichteren Übergang zwi-
schen Schule und Universität schaffen – umgesetzt?

27. Wie wird die Bundesregierung die Empfehlungen der Schulbuchstudie Mi-
gration und Integration, „diversitätssensible Schulbücher und andere Bil-
dungsmedien zu produzieren, die migrationsbedingte Vielfalt als Normalität
widerspiegeln und deren Chance für die Gesellschaft in den Mittelpunkt stel-
len“ im Einvernehmen mit den Bundesländern umsetzen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8750

28. Worauf führt die Bundesregierung es zurück, dass der für 2015 angestrebte

Anteil der Forschungs- und Bildungsausgaben vom Bruttoinlandsprodukt
von 10 Prozent (Quelle: Statistisches Bundesamt) um 0,8 Prozent unter-
schritten wurde?

Berlin, den 1. Juni 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.