BT-Drucksache 18/8181

Bundesprogramm "Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung" weiterentwickeln und seine Fortführung jetzt vorbereiten

Vom 20. April 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8181
18. Wahlperiode 20.04.2016
Antrag
der Abgeordneten Sigrid Hupach, Dr. Rosemarie Hein, Nicole Gohlke,
Cornelia Möhring, Norbert Müller (Potsdam), Harald Petzold (Havelland),
Dr. Petra Sitte, Katrin Werner, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Bundesprogramm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“
weiterentwickeln und seine Fortführung jetzt vorbereiten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Kulturelle Bildung fördert die Persönlichkeitsentwicklung eines jeden Einzelnen,
seine Kreativität, seinen Zugang zur Welt und deren Aneignung, schafft Erfolgser-
lebnisse auch und gerade in Gemeinschaft, vermittelt die Erfahrung des Mitgestal-
tenkönnens und belebt die Auseinandersetzung mit kultureller Vielfalt und dem ei-
genen kulturellen Hintergrund. Kulturelle Bildung befähigt so, das eigene Leben und
die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse kritisch zu reflektieren und selbstbe-
stimmt mitzugestalten. Kulturelle Bildung kann in diesem Verständnis Bildungsbe-
nachteiligung entgegenwirken und Teilhabechancen erhöhen. Es meint aber eben
auch, „die spezifischen Stärken der Künste für das Zusammenleben im Alltag zu
nutzen, ihre Fähigkeit, kommunikative Prozesse in Gang zu setzen, die Wahrneh-
mung auf das Gewohnte zu verrücken, zu zeigen, dass alles auch ganz anders sein
könnte“ (Birgit Mandel: Kulturvermittlung. Zwischen kultureller Bildung und Kul-
turmarketing, in: dies.: Kulturvermittlung – zwischen kultureller Bildung und Kul-
turmarketing. Eine Profession mit Zukunft, Bielefeld 2005, S. 16).
Der Nationale Bildungsbericht 2010 hatte den Anteil der Kinder und Jugendlichen
unter 18 Jahren, die in sogenannten Risikolagen – bedingt durch Erwerbslosigkeit,
schlechte finanzielle Lage oder niedrigen Bildungsabschluss der Eltern – aufwach-
sen, mit 29 % angegeben. Auch der Nationale Bildungsbericht 2012, der sich
schwerpunktmäßig der kulturellen Bildung widmete, konnte keine Verbesserung
dieses Anteils feststellen.
Vor diesem Hintergrund schrieb 2012 das Bundesministerium für Bildung und For-
schung das bisher größte Förderprogramm des Bundes zur kulturellen Bildung aus.
„Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ rückte bildungsbenachteiligte Kinder
und Jugendliche im Alter von 3 bis 18 Jahren in den Fokus und stellt über den Pro-
jektträger, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V., für die Jahre 2013
bis 2017 die Summe von 230 Mio. Euro für „außerschulische Bildungsmaßnahmen“
insbesondere auf dem Gebiet der kulturellen Bildung zur Verfügung, die der kon-
kreten Unterstützung der Kinder und Jugendlichen dienen.
163 bundesweit tätige Verbände und bundesländerübergreifend tätige Initiativen der
außerschulischen Bildung hatten 2012 innerhalb einer sehr kurzen Bewerbungsfrist

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von nur zwei Monaten Konzepte erarbeitet, die entsprechend den Förderrichtlinien
mit Hilfe kultureller Bildungsangebote Bildungsarmut sowie den Zusammenhang
von Bildungserfolg und sozialer Herkunft verringern, mehr Teilhabe für bildungs-
benachteiligte Kinder und Jugendliche gewährleisten und die Vernetzung zivilge-
sellschaftlicher Akteure vorantreiben sollten. Zentral war dabei für viele, die Bil-
dungspotentiale von Kunst und Kultur für die Persönlichkeitsentwicklung eines je-
den Einzelnen auszuloten.
Eine Jury wählte daraufhin 35 Programmpartner aus – aktuell sind es 23 Verbände
und neun Initiativen –, wobei die Verbände die Fördermittel an die aus mindestens
drei Akteuren bestehenden lokalen Bündnisse für Bildung weitergeben, die Initiati-
ven dagegen selbst Bündnisakteure sind. Durch den dem Programm „Kultur macht
stark“ zugrunde gelegten weiten Kulturbegriff sind neben bildender Kunst, darstel-
lender Kunst, Musik und Literatur, Sprach- und Leseförderung auch Medien- und
Alltagskultur, Jugendkultur, Spiel oder Sport mit angesprochen.
Die bundesweit tätigen Verbände haben jeweils eigene, für ihre Sparte passende, auf
ihre bisherigen Erfahrungen aufbauende und an den lokalen Bedürfnissen orientierte
Programme ausgeschrieben, die den Bündnissen unterschiedlich viel Gestaltungs-
freiraum lassen und eine große Vielfalt an kulturellen Bildungsangeboten im Rah-
men von „Kultur macht stark“ gewährleisten. So konnte an unterschiedlichste Be-
dürfnisse und Interessen der Zielgruppe und an Erfolgsfaktoren kultureller Bildungs-
arbeit wie Niedrigschwelligkeit, Partizipation, Alltagsbezug und Stärkenorientie-
rung angeknüpft werden.
Entsprechend der Auswertung der Programmdatenbank Kumasta haben bis zum
1. März 2016 rund 360.000 Kinder und Jugendliche zwischen 3 und 18 Jahren an
über 11.500 Angeboten teilgenommen (vgl. BMBF: „Kultur macht stark“ in Zahlen,
online unter: www.buendnisse-fuer-bildung.de/media/con-
tent/160330_BMBF_KMS_Zahlen_Stand_1_Maerz_2016.pdf [14.4.2016]).
Laut der Zwischenevaluation der Prognos AG fanden 60 % der Angebote in zwei
oder mehr Sparten statt, wobei die meisten Angebote im Bereich Musik (35 %) und
kulturelle Bildung allgemein (33 %) unterbreitet wurden, gefolgt von Bewegung und
Tanz (30 %), Erkunden und Erfahren (26 %), Theater (24 %), Bildende Kunst
(21 %), Literatur/Lesen (20 %), Neue Medien (17 %), Jugendkultur (16 %),
Film (13 %), Museum (11 %) und Zirkus (8 %) (vgl. Prognos AG: Evaluation des
Bundesprogramms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“, Zwischenbericht
anlässlich der Zwischenbegutachtung, 5. Mai 2015, online unter: www.buendnisse-
fuer-bildung.de/media/content/150917_Prognos_AG_Evaluation.pdf [8.3.2016],
S. 30).
Dem Engagement und der Erfahrung der Programmpartner ist es zu verdanken, dass
einige der zu Programmbeginn bestehenden Schwierigkeiten behoben oder abgemil-
dert werden konnten. Insbesondere bei der Aktivierung der lokalen Ebene, der Suche
nach geeigneten Bündnispartnern und der breitenwirksamen Umsetzung des Pro-
gramms, bei der aufwändigen Beantragung und Abwicklung von Bundesmitteln und
bei der Projektbegleitung sind die Verbände aufgrund ihrer Strukturen, ihrer Profes-
sionalität und ihrer Rolle als Mittler eine unverzichtbare Größe geworden.
Die Programmpartner trugen vor allem auch dazu bei, dass die Zielgruppe der bil-
dungsbenachteiligten Kinder und Jugendlichen durch den sozialräumlichen Bezug
der Bündnisvorhaben tatsächlich und im gesamten Bundesgebiet erreicht werden
konnte, ohne sie zu stigmatisieren. Die Programmpartner haben dafür sensibilisiert,
vornehmlich niedrigschwellige integrative Angebote in heterogenen Gruppen zu för-
dern, die auch nachweislich deutlich bessere Bildungseffekte haben.
Die von der Prognos AG durchgeführte Zwischenevaluation hat denn auch ergeben,
dass 43 % der Befragten auch Kinder und Jugendliche aus Familien ohne Risikola-
gen erreichen wollen, um nicht ausgrenzend, sondern inklusiv zu wirken (vgl. Prog-

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nos AG: Evaluation des Bundesprogramms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bil-
dung“, Zwischenbericht anlässlich der Zwischenbegutachtung, 5. Mai 2015, online
unter: www.buendnisse-fuer-bildung.de/media/content/150917_Prognos_AG_Eva-
luation.pdf [8.3.2016], S. 23).
Die Zwischenevaluation benennt ebenso wie verschiedene Programmpartner in ihrer
Zwischenauswertung (vgl. z. B. Dossier des Deutschen Kulturrats „Es geht voran!
Kultur macht stark“, Beilage der Zeitschrift Politik & Kultur 3/2014; Themenheft
„Kultur macht stark. Drei Jahre Bündnisse für Bildung“; infodienst. Das Magazin
für Kulturelle Bildung 116, Juli 2015; Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und
Jugendbildung: Künste öffnen Welten – Im Fokus. Struktur und Wirksamkeit der
Bündnisse und Projekte, Berlin 2016) Korrekturbedarf bei der Definition der Ziel-
gruppe und fordert eine klare Bestimmung außerunterrichtlicher Bildungsmaßnah-
men.
In der Förderrichtlinie ist aktuell von „außerschulischen Bildungsmaßnahmen“ die
Rede, lediglich in einer Fußnote wird erklärt, dass der Begriff auch Projekte außer-
schulischer Akteure an Schulen umfasst, die außerhalb des Unterrichts stattfinden.
Vor allem in ländlichen Räumen kommt den Schulen angesichts einer ausgedünnten
kulturellen Infrastruktur eine große Bedeutung als kulturelles Zentrum zu. Das ist
auch im Zusammenhang mit dem Ausbau der Ganztagsschule von besonderer Be-
deutung. Und: Kinder und Jugendliche sind, so zeigt die Erfahrung, vor allem dort
zu erreichen, wo sie ohnehin den Großteil des Tages verbringen und wo sie mit Kin-
dern und Jugendlichen anderer sozialer, ethnischer oder kultureller Herkunft aufei-
nandertreffen: in den Kindertagesstätten, in den Schulen. Jedoch muss der Grundsatz
gelten, dass die kulturellen Bildungsprojekte auf keinen Fall den regulären Fachun-
terricht ersetzen können und nicht ersetzen dürfen. Für den Erfolg der kulturellen
Bildungsprojekte ist es zudem zentral, dass Kinder und Jugendliche freiwillig und
ohne Leistungsdruck daran teilnehmen können.
So sehr man eine Einbeziehung der Länder und Kommunen in die Vorbereitung von
„Kultur macht stark“ 2012 versäumt hat, so sehr ist ihre frühzeitige Einbindung zu-
künftig notwendig – um vorhandene Förderprogramme besser aufeinander abstim-
men, eine Verbesserung der Rahmenbedingungen kultureller Bildung und eine nach-
haltige Sicherung der kulturellen Infrastruktur erreichen zu können.
Neben den Programmpartnern haben sich die von einigen Bundesländern eingerich-
teten Servicestellen als ausgesprochen hilfreich erwiesen, die vor allem auch dieje-
nigen Menschen beraten, die nicht in Verbands- oder Vereinsstrukturen zu Hause
sind und Mitstreiter und Hilfe bei der Umsetzung ihrer Ideen für kulturelle Bildungs-
projekte suchen. Die Servicestellen vernetzen Akteure und vermitteln potentielle
Bündnispartner. Sie fühlen sich zudem – wie die Programmpartner auch – der Qua-
litätssicherung verpflichtet.
Nach den Angaben in der Programmdatenbank haben die bisherigen Angebote im
Bundesprogramm „Kultur macht stark“ 95 % der Landkreise abgedeckt. Allerdings
zeigt ein genauerer Blick auf die Zahlen, dass fast drei Viertel aller Angebote in
Großstädten oder Landkreisen mit eher städtischem Charakter stattfinden und nur
jedes achte in ländlichen Kreisen angesiedelt ist (vgl. BMBF: „Kultur macht stark“
in Zahlen, online unter: www.buendnisse-fuer-bildung.de/media/con-
tent/160330_BMBF_KMS_Zahlen_Stand_1_Maerz_2016.pdf [14.4.2016]).
Hier bestätigt sich ein zentraler Kritikpunkt: Das Programm wirkt nur dort, wo es
noch kulturelle Einrichtungen und Vereine gibt – und in vielen ländlich geprägten
Regionen ist gerade dies häufig nicht mehr der Fall oder die vorhandenen Bibliothe-
ken, Musik- und Kunstschulen, Theater, Volkshochschulen, Museen, soziokulturel-
len Zentren, Kinos oder Sportvereine stehen aufgrund prekärer Finanz- und Perso-
nalsituation bereits unter einem großen Belastungsdruck, der einer Beteiligung am
verwaltungstechnisch sehr aufwändigen Bundesprogramm entgegensteht, so dass sie
sich nicht als Andockstelle für lokale Bündnisse und als Unterstützung ehrenamtlich

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Aktiver erweisen können. Häufig mangelt es gerade nicht an der grundsätzlichen
Bereitschaft, dem Engagement oder der Professionalität, sondern an Möglichkeiten
aufgrund struktureller Defizite und nicht zuletzt an Zeit.
Auch wenn dies in einigen Fällen dazu führte, dass neue, für den Bereich der Kul-
tur-, Bildungs- und Jugendarbeit eher ungewöhnliche Akteure als Bündnispartner
ins Blickfeld gerieten, konnte das Programm gerade in benachteiligten ländlichen
und kleinstädtischen Räumen noch nicht wie erhofft wirken. Eine Ausweitung der
Zielgruppe auf junge Erwachsene und insbesondere auch unter Berücksichtigung
weiterer Risikolagen, eine Lockerung der Anforderungen an die Bündnisstruktur
und eine nachhaltige Stärkung der kulturellen Infrastruktur, so auch die Einbindung
von Schulen, könnten hier Abhilfe schaffen.
Zwar kann man, wie es auch das Bundesprogramm maßgeblich tut, auf das Ehrenamt
setzen. Laut Befragung der Prognos AG sind in rund 90 % der Bündnisse ehrenamt-
liche Akteure beteiligt, als Antragsteller, Projektverantwortliche, Bündniskoordina-
toren, Durchführende, Unterstützende oder bei der Ansprache von Kindern und Ju-
gendlichen. Bei der konkreten Umsetzung der Angebote sind es etwa 70 %
(vgl. Prognos AG: Evaluation des Bundesprogramms „Kultur macht stark. Bünd-
nisse für Bildung“, Zwischenbericht anlässlich der Zwischenbegutachtung,
5. Mai 2015, online unter: www.buendnisse-fuer-bildung.de/media/con-
tent/150917_Prognos_AG_Evaluation.pdf [8.3.2016], S. 16 und 39).
Jedoch hat das Bundesprogramm in vielen Fällen gerade auch die Grenzen ehren-
amtlichen Engagements deutlich gemacht. So zeigten sich insbesondere kleine Ver-
eine und Einrichtungen von den hohen formalen und administrativen Anforderungen
des Bundesprogramms enorm belastet und manchmal auch entmutigt. Dies gilt umso
mehr in strukturschwachen Regionen, für die das Programm eigentlich eine nied-
rigschwellige Förderung für kulturelle Bildungsangebote versprach. Dieser Auf-
wand wird durch die – in Verhandlungen immerhin erreichte – Verwaltungspau-
schale von 5 % keineswegs abgedeckt, insbesondere nicht bei geringen Fördersum-
men. Zwar sind die Antragsteller den Anforderungen gewachsen, der administrative
Aufwand ist aber aufgrund personeller und finanzieller Ressourcen dauerhaft nicht
zu leisten, ohne zulasten der inhaltlichen Arbeit zu gehen. Es bedarf hier einer Ver-
einfachung der Verfahren und Auflagen, um das Programm praxisnah umsetzen zu
können, einer höheren Verwaltungspauschale, die zusätzlich zur beantragten Förder-
summe auszureichen ist, sowie einer spezifischen Anpassung des Zuwendungsrechts
an die Besonderheiten kultureller Bildungsprojekte und ihrer Akteure.
Die Programmpartner konnten bisher zwar häufig ausgleichend und unterstützend
eingreifen, jedoch bedeutete dies eben auch zusätzlichen Aufwand. Auch die von
einigen Bundesländern eingerichteten Servicestellen haben sich bei der Begleitung
Ehrenamtlicher als sinnvoll erwiesen.
Gerade bei der Vermittlung von künstlerischem Fachwissen, bei der Umsetzung par-
tizipativer Methoden oder beim professionellen pädagogischen Umgang insbeson-
dere mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen ist der Einsatz von – ange-
messen bezahlten – Fachkräften unerlässlich. Ehrenamt kann hier unterstützen, aber
keineswegs die Expertise von Künstlerinnen und Künstlern, von Pädagoginnen und
Pädagogen ersetzen.
Das Bundesprogramm hat das Thema der kulturellen Bildung im Allgemeinen und
ihre Potentiale für eine gerechte Gestaltung der Bildungs- und Teilhabechancen im
Besonderen enorm ins Licht der Öffentlichkeit gestellt, umso wichtiger ist es, dass
die in diesem Rahmen angebotenen Projekte für bildungsbenachteiligte Kinder und
Jugendliche auch den Qualitätsstandards genügen. Für die Qualitätssicherung enga-
gieren sich – in aller Regel weit über das Bundesprogram hinaus – die Programm-
partner, die Servicestellen in den Ländern und auch der programmbegleitende Qua-
litätsverbund „Kultur macht stark“, der von der Akademie Remscheid für kulturelle
Bildung und der Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel getragen

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wird. Sie bieten den Bündnisakteuren eine fachpädagogische Begleitung zu Fragen
der kulturellen Bildung wie der Jugendarbeit an und führen Fortbildungen, Schu-
lungsmaterialien, Online-Seminare, Praxisworkshops oder Regionalkonferenzen
durch.
Als Plattform für den Erfahrungsaustausch und die Interessensartikulation versteht
sich auch die ständige Konferenz „Kultur macht stark“, die ursprünglich von der
Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung für ihre am Bundespro-
gramm beteiligten Mitglieder initiiert worden ist, sich mittlerweile jedoch als unab-
hängige Plattform aller das Programm durchführenden Verbände und Initiativen
etabliert hat.
Die bisherigen Ergebnisse der Evaluation und der programmpartnerspezifischen
Auswertungen belegen, dass sich das Bundesprogramm „Kultur macht stark“ im
Großen und Ganzen sehr gut entwickelt hat und dank des Engagements der Pro-
grammpartner und der Bündnisakteure in vielen Fällen erfolgreich und nahezu flä-
chendeckend umgesetzt werden konnte. Jedoch stellt sich grundsätzlich die Frage,
wie die gut funktionierenden Bündnisse für Bildung und die zum Teil modellhaften
Projekte kultureller Bildung über den Ablauf der Förderung fortgeführt werden kön-
nen.
Auch allgemein ist für kulturelle Bildungsprojekte eine kontinuierliche Arbeitsmög-
lichkeit nötig, um überhaupt eine pädagogische Wirkung entfalten und Vertrauen
zwischen allen Beteiligten schaffen zu können. Dazu braucht es Verlässlichkeit
durch langfristige Planungsmöglichkeiten, finanziell gesicherte Strukturen, auf die
eine Projektförderung aufsetzen kann, und eine Wertschätzung, die sich auch in der
gemeinsamen Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen widerspiegelt.
Dementsprechend muss diese Aufgabe ressortübergreifend, zwischen den politi-
schen Ebenen abgestimmt und unter Einbeziehung von zivilgesellschaftlichen Ak-
teuren – also mit vereinten Kräften – angegangen werden.
Das Bundesprogramm ist bis Ende 2017 gesichert, seine Fortführung ist von den
Beteiligten gewünscht und von der Bundesbildungsministerin auf der Konferenz
„Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung – Engagement. Erfahrungen. Perspekti-
ven“ am 6. April 2016 angekündigt worden. Die Lehren aus 2012 ziehend, sollte die
Vorbereitung und Weiterentwicklung des Programms mit zeitlichem Vorlauf und
auf breiter Basis schon jetzt angegangen werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

1. das Bundesprogramm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ über das Jahr
2017 fortzuführen und zu verstetigen und bereits jetzt mit den Vorbereitungen
dafür zu beginnen;

2. in den kommenden Haushaltsverhandlungen bereits Vorsorge für eine Fortfüh-
rung bzw. Verstetigung des Programms mit einer bedarfsgerechten, aber mindes-
tens gleich hohen Ausstattung wie bisher zu treffen;

3. die Expertise der Programmpartner anzuerkennen und sie bei der Fortführung
und qualitativen Weiterentwicklung des Programms als konstitutiven Teil von
Beginn an einzubeziehen;

4. ressortübergreifend den Diskurs mit Verantwortlichen verschiedener Förderpro-
gramme für den Bereich der kulturellen Kinder- und Jugendbildung, mit Ländern
und Kommunen sowie mit den Programmpartnern über Chancen kultureller Bil-
dung zu führen, um Gelingensfaktoren für mehr gesellschaftliche Teilhabe zu
identifizieren und aus den konkreten Erfahrungen des bisherigen Bundespro-
gramms „Kultur macht stark“ Schlussfolgerungen für eine Überarbeitung der bis-
herigen Förderrichtlinien zu ziehen, und dabei insbesondere

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a. den Begriff der kulturellen Bildung zu schärfen und dabei den bisher zu-
grunde gelegten weiten Kulturbegriff beizubehalten;

b. die Zielgruppe auf junge Erwachsene auszuweiten;
c. die Definition von Bildungsbenachteiligung auf andere Risikolagen auszu-

dehnen und dabei die sozialräumlichen Gegebenheiten und den inklusiven
Charakter zu beachten;

d. die Grundsätze von Barrierefreiheit und die Belange von Kindern und Jugend-
lichen mit Behinderungen zu berücksichtigen;

e. die Realität in den Flächenländern und ländlichen Regionen zu berücksichti-
gen und strukturschwache Räume als weiteres Kriterium für Bildungsbenach-
teiligung zu definieren;

f. die Einbeziehung der Kommunen mit ihrer Expertise zu befördern, um so un-
ter anderem zu gewährleisten, dass geförderte Projekte Ziele und Strategien
der Jugendhilfe- und Kulturentwicklungspläne unterstützen;

g. dafür Sorge zu tragen, dass Kommunen mit ihren Einrichtungen als Partner
in Bündnissen für Bildung aktiv werden können;

h. klarzustellen, unter welchen Voraussetzungen die Zusammenarbeit mit Schu-
len im außerunterrichtlichen Bereich möglich ist;

i. die Option einer überjährigen Projektförderung beizubehalten und dabei die
Möglichkeit einzuräumen, nicht verwendete Fördermittel ins folgende Haus-
haltsjahr übertragen zu können (z. B. durch die Zuweisung als Selbstbewirt-
schaftungsmittel);

j. die administrativen Anforderungen des Programms so einfach und praxisnah
wie möglich zu gestalten;

k. den Verwaltungsaufwand anzuerkennen und ihn durch eine Verwaltungspau-
schale von 10 % zusätzlich zu der für das kulturelle Bildungsprojekt bean-
tragten Fördersumme zu entschädigen;

l. Ressourcen einzuplanen, um Ehrenamtliche durch professionelle Anleitung
und Beratung bei der Projektbegleitung zu unterstützen;

m. die Partizipation von Kindern und Jugendlichen bei der Entwicklung der kul-
turellen Bildungsangebote einzufordern;

n. den Projekten weiterhin Raum zum Ausprobieren und zum „Scheitern-Dür-
fen“ in den Abrechnungsmodalitäten zuzugestehen;

5. die programmbegleitende Evaluation zu stärken und auf eine wissenschaftliche
Basis zu stellen;

6. die Strukturen nachhaltig zu stärken, die den spartenübergreifenden Austausch
der Programmträger, ihre Vernetzung und eine starke gemeinsame Interessenar-
tikulation befördern;

7. die Strukturen zu sichern, die die fachliche Begleitung und Qualitätssicherung
der am Programm Beteiligten und in den Bündnissen Aktiven gewährleisten;

8. die Länder anzuregen, nach dem Beispiel von Niedersachsen, Sachsen-Anhalt
oder Schleswig-Holstein Servicestellen zur Beratung und Vernetzung von mög-
lichen Partnern für das Programm „Kultur macht stark“ einzurichten und diese
entsprechend personell und finanziell auszustatten und diese Servicestellen von
Seiten des Bundes systematisch mit Informationen zu versorgen und in ihrer Ar-
beit zu unterstützen sowie

9. die Forschung zur Nachhaltigkeit kultureller Bildungsprozesse zu stärken.

Berlin, den 20. April 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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