BT-Drucksache 18/7971

Leistungsversagungen, Sanktionen bzw. Leistungseinschränkungen und Ersatzansprüche gegenüber Anspruchsberechtigten im Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch

Vom 21. März 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7971
18. Wahlperiode 21.03.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Matthias W. Birkwald, Cornelia Möhring, Azize Tank, Kathrin Vogler,
Harald Weinberg, Birgit Wöllert, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Leistungsversagungen, Sanktionen bzw. Leistungseinschränkungen und
Ersatzansprüche gegenüber Anspruchsberechtigten im Zweiten und Zwölften
Buch Sozialgesetzbuch

Der grundrechtliche Anspruch auf ein Existenz- und Teilhabeminimum ist vom
Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09) aus dem
Grundgesetz abgeleitet und beschrieben.
In § 66 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) ist geregelt, dass diejenigen,
die Sozialleistungen erhalten oder beantragen und ihre Mitwirkungspflichten
nicht erfüllen oder die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschweren, die
Leistungen versagt oder entzogen werden können. Das trifft zum Beispiel auch
bei der Weigerung zu, an angeordneten ärztlichen oder psychologischen Unter-
suchungsmaßnahmen teilzunehmen.
In den §§ 31, 31a, 31b und 32 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) ist
das Sanktionsregime dieses Sozialgesetzbuches bestimmt.
In § 34 SGB II wird geregelt, dass derjenige, der vorsätzlich oder grob fahrlässig
nach Vollendung des 18. Lebensjahres Leistungen nach diesem SGB ohne wich-
tigen Grund herbeigeführt hat („sozialwidriges Verhalten“), zum Ersatz der des-
wegen gezahlten Leistungen verpflichtet ist.
In § 26 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) wird geregelt, dass
demjenigen, der Einkommen und Vermögen vermindert hat in der Absicht, die
Gewährung oder Erhöhung der Sozialleistung herbeizuführen oder der ein un-
wirtschaftliches Verhalten fortsetzt, der Lebensunterhalt auf das Unerlässliche
eingeschränkt bzw. eine Rückerstattung durch Verrechnung geltend gemacht
wird.
In § 39a SGB XII wird das Sanktionsregime dieses Sozialgesetzbuches bestimmt
(Leistungseinschränkungen wegen Nichtaufnahme einer Tätigkeit oder die Nicht-
teilnahme an einer erforderlichen Vorbereitung).
In allen genannten Fällen ist die Folge, dass das grundrechtliche Existenz- und
Teilhabeminimum entweder unterschritten oder vollkommen verwehrt wird.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie vielen Antragstellenden bzw. wie vielen Beziehenden von Leistungen

nach dem SGB II wurden in den Jahren 2013, 2014 und 2015 dauerhaft bzw.
vorübergehend Leistungen nach § 66 SGB I versagt bzw. entzogen (bitte ein-
zeln nach Gründen und nach Größe der Bedarfsgemeinschaft auflisten)?

Drucksache 18/7971 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

2. In welchen Größenordnungen wurden Leistungen durch die Versagung oder
den Entzug von Leistungen aufgrund des § 66 SGB I in den genannten Jah-
ren im Rechtsbereich des SGB II nicht ausgegeben?

3. Wie viele Personal- und Sachkosten entstanden in den genannten Jahren den
zuständigen Trägern im Rechtsbereich des SGB II, um Versagungen bzw.
den Entzug von Leistungen gemäß § 66 SGB I durchzuführen?

4. Wie viele Widersprüche bzw. wie viele Klagen erfolgten in den genannten
Jahren gegen die Versagung bzw. den Entzug von Leistungen gemäß § 66
SGB I im Rechtsbereich des SGB II, und wie viele davon wurden teilweise
oder vollständig zugunsten der Betroffenen entschieden (bitte nach Gründen
der Versagung bzw. des Entzugs auflisten)?

5. Wie viele Personal- und Sachkosten entstanden in den genannten Jahren den
zuständigen Trägern im Rechtsbereich des SGB II, um Widersprüche und
Klagen gegen die Versagung oder den Entzug von Leistungen gemäß § 66
SGB I zu bearbeiten?

6. Wie viele Anspruchsberechtigte auf Leistungen nach dem SGB II wurden in
den Jahren 2013, 2014 und 2015 insgesamt gemäß den §§ 31 bis 32 sanktio-
niert (bitte nach einzelnen Gründen auflisten), wie hoch war der durch-
schnittliche Bestand im Jahr an Sanktionierten (bitte nach Gründen der Sank-
tion auflisten), und wie hoch war der durchschnittliche Sanktionsbetrag pro
Sanktion in den genannten Jahren (bitte gesondert nach Anspruchsberechtig-
ten unter und über 25 Jahren auflisten)?

7. In welchen Größenordnungen wurden Leistungen nach dem SGB II durch
die Sanktionen gemäß der o. g. Paragraphen in den genannten Jahren nicht
ausgegeben?

8. Wie viele Personal- und Sachkosten entstanden in den genannten Jahren den
zuständigen Trägern im Rechtsbereich des SGB II, um Sanktionen durchzu-
führen?

9. Wie viele Widersprüche bzw. wie viele Klagen erfolgten in den genannten
Jahren gegen Sanktionen, wie viele davon wurden teilweise oder vollständig
zugunsten der Betroffenen entschieden (bitte nach Gründen der Sanktionen
auflisten)?

10. Wie viele Personal- und Sachkosten entstanden den zuständigen Trägern im
Rechtsbereich des SGB II in den genannten Jahren, um Widersprüche und
Klagen gegen Sanktionen zu bearbeiten?

11. Gegen wie viele Leistungsbeziehende wurden in den Jahren 2013, 2014, und
2015 nach § 34 SGB II Ersatzansprüche geltend gemacht, wie hoch sind die
Ersatzansprüche durchschnittlich, und wie lange wurden sie durchschnittlich
geltend gemacht (bitte Gründe der Geltendmachung auflisten und Angaben
nach Gründen differenzieren)?

12. In welchen Größenordnungen wurden Leistungen nach dem SGB II durch
Ersatzansprüche nach § 34 SGB II in den genannten Jahren zurückgefordert?

13. Wie viele Personal- und Sachkosten entstanden in den genannten Jahren den
zuständigen Trägern im Rechtsbereich des SGB II, um Ersatzansprüche nach
§ 34 SGB II geltend zu machen?

14. Wie viele Widersprüche bzw. wie viele Klagen erfolgten in den genannten
Jahren gegen Ersatzansprüche nach § 34 SGB II, und wie viele davon wur-
den teilweise oder vollständig zugunsten der Betroffenen entschieden (bitte
nach Gründen der Ersatzansprüche auflisten)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7971
 

15. Wie viele Personal- und Sachkosten entstanden in den genannten Jahren den
zuständigen Trägern im Rechtsbereich des SGB II, um Widersprüche und
Klagen gegen Ersatzansprüche nach § 34 SGB II zu bearbeiten?

16. Wie vielen Anspruchsberechtigten auf Leistungen nach dem SGB XII wur-
den in den Jahren 2013, 2014 und 2015 gemäß § 26 SGB XII Leistungen auf
das „Unerlässliche“ eingeschränkt bzw. wurden Rückerstattungsansprüche
bis auf dieses Niveau mit der Leistung verrechnet (bitte nach einzelnen Grün-
den auflisten)?

17. Wie hoch ist der Leistungsbetrag, der als unerlässlich gilt, und wie wird diese
Höhe begründet?
Wird diese Höhe als verfassungsrechtlich vertretbar eingeschätzt?

18. Wie hoch war der durchschnittliche Bestand an Personen bzw. Einsatzge-
meinschaften mit Leistungseinschränkungen bzw. Verrechnungen nach § 26
SGB XII (bitte nach einzelnen Gründen auflisten) in den genannten Jahren,
und wie hoch war der durchschnittliche Einschränkungs- bzw. Verrech-
nungsbetrag?

19. In welchen Größenordnungen wurden Leistungen nach dem SGB XII durch
Leistungseinschränkungen bzw. Verrechnungen nach § 26 SGB XII in den
genannten Jahren eingespart bzw. zurückgefordert?

20. Wie viele Personal- und Sachkosten entstanden den zuständigen Trägern im
Rechtsbereich des SGB XII in den genannten Jahren, um diese Leistungsein-
schränkungen geltend zu machen bzw. Verrechnungen durchzuführen?

21. Wie viele Widersprüche bzw. wie viele Klagen erfolgten in den genannten
Jahren gegen Leistungseinschränkungen und Verrechnungen nach § 26
SGB XII, und wie viele davon wurden teilweise oder vollständig zugunsten
der Betroffenen entschieden (bitte nach Gründen der Leistungseinschränkun-
gen bzw. Verrechnungen auflisten)?

22. Wie viele Personal- und Sachkosten entstanden den zuständigen Trägern im
Rechtsbereich des SGB XII in den genannten Jahren, um Widersprüche und
Klagen gegen Leistungseinschränkungen und Verrechnungen nach § 26
SGB XII zu bearbeiten?

23. Wie vielen Anspruchsberechtigten auf Leistungen nach dem SGB XII wur-
den in den Jahren 2013, 2014 und 2015 gemäß § 39a SGB XII Leistungen
eingeschränkt (bitte nach einzelnen Gründen der Sanktionierung durch Leis-
tungseinschränkung auflisten), wie hoch war der durchschnittliche Bestand
im Jahr an betroffenen Personen (bitte nach Gründen der Leistungseinschrän-
kungen auflisten), und wie hoch war der durchschnittliche Betrag der Leis-
tungseinschränkung (bitte gesondert nach Altersgruppen angeben)?

24. In welchen Größenordnungen wurden in den genannten Jahren Leistungen
durch Leistungseinschränkungen nach § 39a SGB XII eingespart?

25. Wie viele Personal- und Sachkosten entstanden den zuständigen Trägern im
Rechtsbereich des SGB XII in den genannten Jahren, um diese Leistungsein-
schränkungen geltend zu machen?

26. Wie viele Widersprüche bzw. wie viele Klagen erfolgten in den genannten
Jahren gegen Leistungseinschränkungen nach § 39a SGB XII, und wie viele
davon wurden teilweise oder vollständig zugunsten der Betroffenen entschie-
den (bitte nach Gründen der Leistungseinschränkungen auflisten)?

Drucksache 18/7971 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

27. Wie viele Personal- und Sachkosten entstanden den zuständigen Trägern im
Rechtsbereich des SGB XII in den genannten Jahren, um Widersprüche und
Klagen gegen Leistungseinschränkungen nach § 39a SGB XII zu bearbei-
ten?

Berlin, den 18. März 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.