BT-Drucksache 18/7907

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/7219, 18/7454, 18/7902 - Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der prüfungsbezogenen Regelungen der Richtlinie 2014/56/EU sowie zur Ausführung der entsprechenden Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 im Hinblick auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (Abschlussprüfungsreformgesetz - AReG)

Vom 16. März 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7907
18. Wahlperiode 16.03.2106
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke,
Ekin Deligöz, Dr. Tobias Lindner, Beate Müller-Gemmeke, Corinna Rüffer
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/7219, 18/7454, 18/7902 –

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der prüfungsbezogenen Regelungen
der Richtlinie 2014/56/EU sowie zur Ausführung der entsprechenden Vorgaben
der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 im Hinblick auf die Abschlussprüfung bei
Unternehmen von öffentlichem Interesse
(Abschlussprüfungsreformgesetz – AReG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesregierung verpasst es, die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer zu ge-
währleisten und die Qualität der Abschlussprüfung zu verbessern. Beides wäre drin-
gend notwendig gewesen.
Die mangelnde Qualität der Abschlussprüfung und die fehlende Unabhängigkeit der
Wirtschaftsprüfer haben erheblich zur Finanzkrise beigetragen. Die Prüfvermerke
erwiesen sich in der Krise als wertlos. Zahlreiche Banken verzeichneten von 2007
bis 2009 sowohl bei Bilanzposten als auch bei außerbilanziellen Positionen gewal-
tige Verluste, obwohl namhafte Prüfgesellschaften den Banken für diese Zeiträume
ein Prüfsiegel ausgestellt hatten.
Eine unabhängige und solide Abschlussprüfung schützt Eigentümer, Investoren und
das Gemeinwesen vor zu hohen Kosten einer Insolvenz. Ohne eine unabhängige und
solide Abschlussprüfung kann der Finanzmarkt nicht funktionieren. Es kommt zu
Fehlallokationen des Kapitals.
Die hohe Konzentration auf dem Abschlussprüfungsmarkt und die Verbreitung von
prüfungsfremden Beratungsleistungen durch Abschlussprüfer schaden der Qualität
der Abschlussprüfung erheblich. Der Markt für Wirtschaftsprüfungen ist geprägt
von dem Oligopol der sogenannten „Big Four“. Die Marktkonzentration in Kern-
wirtschaftssektoren ist noch höher. So besteht im Beratungsmarkt für Kreditinstitute
ein Duopol aus KPMG und PwC, welche zusammen über 80 Prozent sämtlicher ge-

Drucksache 18/7907 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
zahlter Prüfungshonorare auf sich vereinen.1 Nach einer noch vorläufigen und un-
veröffentlichten Untersuchung des Lehrstuhls für Wirtschaftsprüfungs- und Bera-
tungswesen der Universität Würzburg kommt KPMG bei Versicherungsunterneh-
men sogar auf einen Marktanteil von 72 Prozent.2
Die mit der dargestellten Marktsituation einhergehende ohnehin enge Verflechtung
von Prüfern und Geprüften ist umso brisanter, weil sich die „Big Four“ zunehmend
als „Full-Service“-Anbieter aufstellen, die ihren Mandanten abseits der klassischen
Wirtschaftsprüfung nun auch als Steuerberater, Rechtsanwälte und durch Bewer-
tungsleistungen zur Seite stehen. Die Prüfer definieren sich also zunehmend als
„ganzheitliche“ Dienstleister für die Geprüften.
Eine unabhängige Abschlussprüfung durch eine externe Prüfungsgesellschaft dient
der Nachvollziehbarkeit und Richtigkeit von Unternehmensbilanzen und nimmt
dadurch sowohl für das geprüfte Unternehmen selbst wie für den Markt insgesamt
eine unverzichtbare Kontroll- und Warnfunktion wahr. Diese Funktion wird gestört,
wenn die Objektivität und Unabhängigkeit der Prüfung im Laufe von jahrzehntelang
andauernden Mandatierungen einem Gentlemen’s Agreement weichen, wonach das
Mandat für das Folgejahr dem prüferlichen Wohlwollen im Abschlussjahr folgt und
umgekehrt.
Rechtsanwälte und Steuerberater sind zuvorderst Interessenvertreter ihrer Mandan-
ten. Weil von der Steuer- und Rechtsberatung eine objektive Information gegenüber
dem Markt weder erwartet noch verlangt wird, bauen die entsprechenden Dienstleis-
ter ihre Reputation nicht durch größtmögliche Objektivität und Unabhängigkeit, son-
dern im Gegenteil durch eine möglichst erfolgreiche einseitige Interessendurchset-
zung auf. Hierin liegt der fundamentale Interessenkonflikt zwischen der Abschluss-
prüfung und den prüfungsfremden Leistungen. Leidtragende dieses Konfliktes sind
letztlich der Staat und seine Bürger, wie die Finanzkrise eindrucksvoll unter Beweis
gestellt hat.
Die EU-Kommission veröffentlichte 2010 ein Grünbuch, das die Lehren aus der
Krise im Hinblick auf die rechtlichen Vorgaben für Wirtschaftsprüfer zusammen-
fasste. Jahrzehntelange Mandatierungen wurden darin als ein Grundübel der man-
gelnden Unabhängigkeit der Abschlussprüfer erkannt. Im ersten Verordnungsent-
wurf der Kommission war deshalb eine maximale Laufzeit der Mandate von sechs
Jahren vorgesehen; für den Fall des Joint Audits sah der Entwurf eine Obergrenze
von neun Jahren vor. Die von der EU tatsächlich verabschiedete Abschlussprüferver-
ordnung – (EU) Nr. 537/2014 – schreibt als maximale Obergrenze nicht mehr sechs
Jahre, sondern zehn Jahre vor. Die Bundesregierung nutzt eine Wahlklausel in der
Verordnung, um die maximale Laufzeit der Abschlussprüfungsmandate bei kapital-
marktorientierten Unternehmen, die keine Kreditinstitute oder Versicherungen sind,
auf 20 Jahre und im Fall von Gemeinschaftsprüfungen (Joint Audit) auf 24 Jahre zu
erhöhen.
Die Bundesregierung verpasst die Möglichkeit, Joint Audits vorzuschreiben. Ver-
pflichtende Gemeinschaftsprüfungen sind ein probates Mittel, um der Konzentration
auf Abschlussprüfungsmärkten entgegenzuwirken und die Qualität der Abschluss-
prüfung zu verbessern.
Die Verordnung sieht eine Begrenzung des Gesamthonorars für Nichtprüfungsleis-
tungen des Abschlussprüfers beim selben Unternehmen von maximal 70 Prozent des
durchschnittlichen Abschlussprüfungshonorars vor. Die Bundesregierung übt auch
hier eine Wahlklausel aus, wonach die Aufsichtsstelle für Abschlussprüfer die
Schwelle auf Antrag auf 140 Prozent erhöhen kann. Noch schwerer wiegt, dass sich

1 Leidner, Jacob Justus & Lenz, Hansrudi (2013): Kreditinstitute und die Konzentration des deutschen
Marktes für Abschlussprüferleistungen, In: Die Betriebswirtschaft (DBW), Jg. 73, Heft 5, S. 379
bis 400.

2 Lenz, Hansrudi: Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Abschlussprüfungsreformgesetzes für
den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages, S. 4.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7907
die Begrenzung des Honorars für prüfungsfremde Leistungen nur auf den Ab-
schlussprüfer bzw. die Prüfgesellschaft selbst bezieht. Die Honorargrenze ist daher
für die Wirtschaftsprüfer leicht zu umgehen, indem sie prüfungsfremde Leistungen
auf Tochtergesellschaften verlagern. Das gilt auch für die wichtige Grenze in Art. 4
Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 537/2014, die eine zu hohe Mandantenabhängigkeit
verhindern soll. Für beide fehlt es an der dringend notwendigen Zurechnung von
Honoraren, die auf Tochtergesellschaften und Netzwerkunternehmen der Prüfgesell-
schaft entfallen, was durch Ausübung des Wahlrechts in Artikel 4 Absatz 4 der Ver-
ordnung (EU) Nr. 537/2014 möglich wäre.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Höchstdauer von Abschlussprüfungsmandaten für Unternehmen von öf-
fentlichem Interesse bei zehn Jahren zu belassen, wie es die Abschlussprü-
ferverordnung vorsieht;

2. Joint Audits vorzuschreiben, um der hohen Marktkonzentration entgegenzuwir-
ken;

3. das von der Abschlussprüfungsverordnung vorgesehene Verbot von Nichtprü-
fungsleistungen unangetastet zu lassen;

4. bei der Berechnung der Honorargrenzen in Artikel 4 Absatz 2 und Absatz 3 der
Verordnung (EU) Nr. 537/2014 eine Zurechnung von Honoraren vorzusehen,
die auf Tochtergesellschaften oder Netzwerkunternehmen des Abschlussprü-
fers bzw. der Prüfgesellschaft entfallen.

Berlin, den 15. März 2016

Katrin Göring-Eckhardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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