BT-Drucksache 18/7489

Einsatz von Drohnen der USA und der NATO zum Ausspähen Russlands

Vom 5. Februar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7489
18. Wahlperiode 05.02.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, Annette Groth, Heike Hänsel,
Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Harald Petzold (Havelland),
Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Einsatz von Drohnen der USA und der NATO zum möglichen
Ausspähen Russlands

Die US-Luftwaffe hat mit der drohnengestützen Aufklärung an der NATO-Ost-
grenze begonnen, zum Einsatz kam eine Riesendrohne des Typs „Global Hawk“
(www.bundeswehr.de vom 28. Januar 2016). Nach Angaben der Bundeswehr
fand die Mission über der Ostsee statt. Die mit optischen und radarbasierten Sen-
soren zur Überwachung kleiner, beweglicher Ziele bestückte Drohne startete auf
Sizilien. In einem eigens eingerichteten Korridor flog die „Global Hawk“ über
Italien, Frankreich und Deutschland. Der Flug erfolgte im Rahmen der „European
Reassurance Initiative“, mit der die USA mehr Truppenpräsenz gegenüber Russ-
land demonstrieren wollen. Wie nahe die Drohne dabei der russischen Grenze
kam, ist unklar. Das US-Militär operiert derzeit mit zwei „Global Hawk“ von
Sizilien. Sie bilden die Vorhut einer Drohnenflotte der NATO, die ebenfalls fünf
„Global Hawk“ auf dem Militärstützpunkt Sigonella stationieren will. Alle be-
stellten Drohnen sollen noch in diesem Jahr nach Italien überführt werden (De-
fense News vom 25. Januar 2016). Die erste vom US-Rüstungskonzern
NORTHROP GRUMMAN CORPORATION bereits fertiggestellte Drohne trägt
die militärische Kennung „NATO 1“ und wird auf der US-Luftwaffenbasis
Edwards Air Force Base in Kalifornien für das Zulassungsverfahren in Italien
getestet. Die NATO-Drohnen gehören zum Programm „Alliance Ground Sur-
veillance“ (AGS). Die Bandbreite der Aufklärungsdaten ist enorm und erfordert
breitbandige Satellitenverbindungen.
Die geplante NATO-Drohnenflotte und die bereits auf Sigonella stationierten
„Global Hawk“ der US-Luftwaffe sind zu 95 Prozent baugleich (Defense News
vom 25. Januar 2016). Laut einem Sprecher der Herstellerfirma
NORTHROP GRUMMAN CORPORATION ergeben sich durch die gemein-
same Stationierung auf Sizilien Synergieeffekte. So würden die Drohnen der US-
Luftwaffe helfen, Überflugverfahren für das bald beginnende NATO-Programm
zu entwickeln. Die US-Drohnen waren bereits für die NATO-Manöver „Unified
Vision“ und „Trident Juncture“ in europäischen Lufträumen unterwegs. Auch das
deutsche Bundesministerium der Verteidigung hatte hierfür Genehmigungen er-
teilt (Bundestagsdrucksache 18/6978). Die Freigabe für die neuerlichen Über-
flüge durch die US-Luftwaffe war eigentlich bis Januar 2016 befristet und wurde
zunächst bis Ende April 2016 verlängert. Der nun erstmals genutzte Korridor ver-
läuft über den Bundesländern Saarland, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen,
Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vor-
pommern. Laut der Bundeswehr hielt sich die „Global Hawk“ dabei auf dem Hin-

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und Rückflug jeweils 85 Minuten im deutschen Luftraum auf. Zukünftig sollen
monatlich bis zu fünf Überflüge stattfinden. Für etwaige Notlandungen sind die
Militärflugplätze Nörvenich und Schleswig vorgesehen.
Nach Angaben des Bundesministeriums der Verteidigung wurde der Betrieb der
Aufklärungstechnik beim Transit über Deutschland „strikt untersagt“, überprüfen
wolle die Bundesregierung dies jedoch nicht. Da die „Global Hawk“ in Höhen
von bis zu 15 Kilometern fliegen, könnte die US-Luftwaffe von der Ostsee aus
aus Sicht der Fragesteller nicht nur Russland, sondern auch die übrigen Anrainer-
staaten ausspähen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Flüge der Riesendrohne des Typs „Global Hawk“ hat die US-Luft-

waffe nach Kenntnis der Bundesregierung bereits im Rahmen der „European
Reassurance Initiative“ von Sigonella Richtung Russland vorgenommen
(Bundestagsdrucksache 18/6978; bitte Datum und Route der Flüge ange-
ben)?

2. Inwiefern fanden die Flüge in dem vom Bundesministerium der Verteidi-
gung eingerichteten Korridor in Deutschland statt, und welche Störungen
oder Abweichungen sind der Bundesregierung bekannt?

3. Wann, durch wen, und bei welcher Stelle wurden die jeweiligen Flüge durch
den deutschen Korridor angemeldet?

4. Inwiefern wurde dabei die Frist von mindestens 72 Stunden vor einem ge-
planten Überflug eingehalten (Bundestagsdrucksache 18/6978)?

5. Welche weiteren Flüge hat die US-Luftwaffe derzeit angekündigt (bitte Da-
tum und Route der Flüge angeben)?

6. Was ist der Bundesregierung über die durchschnittlichen Flugzeiten bzw. die
Flugdauer der Einsätze von Sigonella zur Ostsee und zurück bekannt und
welche Rückschlüsse lassen sich zur Dauer der Präsenz über der Ostsee
durch die jeweils bekannt gemachte Durchquerung des deutschen Luftraums
ziehen?

7. Über welchen Gebieten der Ostsee wurde durch die mit optischen und radar-
basierten Sensoren zur Überwachung kleiner, beweglicher Ziele bestückte
Drohne nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils aufgeklärt, und wie nahe
kam die Drohne der russischen Grenze?

8. Wann hat die Bundesregierung erstmals Kenntnis über ein Ersuchen der
US-Luftwaffe zur Verlängerung der eigentlich bis Ende Januar 2016 befris-
teten Genehmigung von Flügen durch den deutschen Korridor erlangt, und
bei welcher Behörde ging dieses ein (Bundestagsdrucksache 18/6978)?

9. Inwieweit hat die US-Regierung bereits deutlich gemacht, nach Ende April
2016 eine Verlängerung der erteilten Überfluggenehmigung beantragen zu
wollen?

10. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung hierzu, bzw. unter welchen Vo-
raussetzungen würde die Bundesregierung einer solchen Verlängerung zu-
stimmen?

11. Was ist der Bundesregierung mittlerweile darüber bekannt, inwiefern die
US-Regierung weitere Operationen der „Global Hawk“ in Europa plant
(Bundestagsdrucksache 18/6978)?

12. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, aus welchen Gründen das
Genehmigungsverfahren der französischen Regierung längere Zeit nicht ab-
geschlossen werden konnte (Bundestagsdrucksache 18/6978)?

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13. Welche Informationen wurden hierzu im Rahmen des „regelmäßig“ vorge-
nommen Informationsaustauschs übermittelt, und inwiefern flossen diese in
die Flugsicherheit zur Durchführung des militärischen Flugbetriebes ein?

14. Auf welche Weise können die bei den Aktivitäten der „Global Hawk“ über
der Ostsee erlangten Aufklärungsdaten aus Sicht der Bundesregierung „zur
Unterstützung der baltischen Staaten sowie zur Stärkung der NATO-Verbün-
deten“ dienen (Bundestagsdrucksache 18/6978)?

15. Welche konkreten Aktivitäten wurden nach Kenntnis der Bundesregierung
bei den Flügen aufgeklärt, und welche Daten oder Analysen hat die Bundes-
regierung durch die USA oder die NATO diesbezüglich erhalten?

16. Inwiefern wurden nach Kenntnis der Bundesregierung überhaupt Rohdaten
oder aufbereitete Daten der entsprechenden Aufklärungsdaten an die NATO
übermittelt?

17. Wie flossen diese Daten oder Analysen in die Außen- und Sicherheitspolitik
der Bundesregierung ein, um dadurch „eine Destabilisierung in Zentral- und
Osteuropa zu verhindern“ (Bundestagsdrucksache 18/6978)?

18. Welche Angaben enthält das Betriebsabkommen des Bundesministeriums
der Verteidigung, des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infra-
struktur, der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, der Europäischen Organi-
sation zur Sicherung der Luftfahrt (EUROCONTROL) sowie der United Sta-
tes Air Force (USAF) zum genauen Zeitpunkt und Ort der versprochenen
Abschaltung der an Bord befindlichen Überwachungs- und Aufklärungs-
sensoren während des Überflugs des deutschen Staatsgebiets?

19. Inwiefern wurde die versprochene Abschaltung bei der Anmeldung der
Überflüge jeweils einzeln mitgeteilt?

20. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die technischen
Fähigkeiten der signalerfassenden Sensoren sowie sonstiger Überwachungs-
technik der „Global Hawk“ es ermöglichen, auch beim Betrieb außerhalb
deutscher Hoheitsgewässer über der Ostsee Aktivitäten in Deutschland auf-
zuklären?

21. Welche Angaben enthält das Betriebsabkommen zur Frage, inwiefern die
deutschen Behörden bei der Durchquerung des Korridors in Deutschland je-
weils unterrichtet werden müssen, durch welche Missionskontrollelemente
die Drohnen gesteuert werden?

22. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die „Global Hawk“
der US-Luftwaffe bei den Flügen durch den deutschen Korridor wie im Be-
triebsabkommen festgelegt, durch das Missionskontrollelement in Beale Air
Force Base, Kalifornien gesteuert wurden (Bundestagsdrucksache 18/6978)?

23. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, von welchen Bodenstationen
oder Missionskontrollelementen die „Global Hawk“ nach ihrem Transit
durch Deutschland über der Ostsee gesteuert wurden?

24. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, ob eine Steuerung der „Global
Hawk“ über der Ostsee bzw. die Nutzung erlangter Daten auch über die
US-Basis in Ramstein erfolgte bzw. erfolgen kann?

25. Inwiefern liegen der Bundesregierung mittlerweile Erkenntnisse vor, auf
welche Weise, und mithilfe welcher Satelliten die aufgeklärten Daten an die
Bodenstationen übermittelt werden (Bundestagsdrucksache 18/6978)?

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26. Mithilfe welcher „Datenrelaissatelliten“ welcher Länder, Organisationen
oder privater Konzerne werden die aufgeklärten Daten der in der NATO-
Initiative „Alliance Ground Surveillance“ (AGS) eingesetzten „Global
Hawk“ nach Kenntnis der Bundesregierung übertragen (Bundestagsdrucksa-
che 18/5538)?
a) Inwiefern kommen dabei auch optische Laserknoten zum Einsatz, und um

welche Systeme zur Weiterleitung und Verarbeitung handelt es sich da-
bei?

b) Welche Übertragungsraten werden durch die Systeme erreicht?
27. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern auch die in Zelten

oder Fahrzeugen untergebrachten mobilen Bodenstationen („Transportable
General Ground Stations“) des AGS für den Empfang von Daten von opti-
sche Laserknoten geeignet sind (Defense News vom 25. Januar 2016)?

28. Wie viele Soldaten werden nach Kenntnis der Bundesregierung für das AGS
auf Sizilien stationiert?

29. Wie viele Arbeitsplätze für „Operatoren“ von Drohnen werden in den Bo-
denstationen eingerichtet, und wie viele Drohnen können gleichzeitig von
Sigonella aus gesteuert werden?

30. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die „Gloabl Hawk“
der NATO und die bereits auf Sigonella stationierten „Global Hawk“ der
US-Luftwaffe zu 95 Prozent baugleich sind, und worin bestehen demnach
die 5 Prozent Abweichung (Defense News vom 25. Januar 2016)?

31. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche US-Behörden, Unter-
nehmen oder Institute an welchen Sicherheitsforschungsprogrammen der
Europäischen Union teilnehmen?

Berlin, den 5. Februar 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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