BT-Drucksache 18/7414

Gute Ausbildung - Gute Arbeit - Gute Pflege

Vom 28. Januar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7414
18. Wahlperiode 28.01.2016
Antrag
der Abgeordneten Pia Zimmermann, Harald Weinberg, Sabine Zimmermann
(Zwickau), Matthias W. Birkwald, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, Katja
Kipping, Dr. Petra Sitte, Azize Tank, Kathrin Vogler, Birgit Wöllert und der
Fraktion DIE LINKE.

Gute Ausbildung – Gute Arbeit – Gute Pflege

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Gute Pflege setzt gute Arbeit voraus und diese wiederum eine gute Ausbildung, gute
Löhne und ein attraktives Arbeitsumfeld. Mehr Personal, gute Arbeitsbedingungen
und eine bessere Bezahlung sind überfällig. Vor allem in der Altenpflege ist eine Auf-
wertung der Tätigkeit der Fachkräfte nötig. Das sollte sich in der Vergütung, aber auch
in der Qualifikation niederschlagen. Eine zeitgemäße Ausbildung muss das Berufsbild
so weiterentwickeln, dass den Ansprüchen an eine qualitativ hochwertige Versorgung
und neuesten pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung getragen wird. Denn
die Ausbildung in den Pflegeberufen stellt das Fundament für eine gute Versorgung
der Patientinnen und Patienten und Pflegebedürftigen dar. Eine umfassende und hoch-
wertige Pflegeausbildung kann die Attraktivität der Pflegeberufe steigern und dadurch
dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Dies ist auch im Interesse der zu Pflegenden.
Vor diesem Hintergrund ist eine Reform der Pflegeausbildungen überfällig. Derzeit
bestehen drei voneinander losgelöste Ausbildungen für Pflegeberufe: Gesundheits-
und Krankenpfleger/in, Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/in sowie Altenpfle-
ger/in. Diese müssen besser miteinander verbunden und zugleich neuen Entwicklun-
gen angepasst werden. Viele Inhalte und Anforderungen sind allen Pflegeberufen ge-
meinsam (Kommunikation, Organisation des Pflegeprozesses, pflegewissenschaftli-
che, medizinische und psychosoziale Kenntnisse) und können auch gemeinsam ver-
mittelt werden. In der Altenpflege erweisen sich zunehmend Qualifikationen aus der
Krankenpflege als unerlässlich. Und umgekehrt werden in der Krankenpflege verstärkt
Qualifikationen aus der Altenpflege unentbehrlich, da die Krankenhauspflege immer
mehr vom Umgang mit älteren Menschen geprägt ist.
Dennoch ist ein gewisser Grad an Spezialisierung erforderlich. Die Bedürfnisse von
Säuglingen, Kindern oder älteren Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, oder von
Menschen in der Sterbephase, sind sehr unterschiedlich. Für die Spezialisierung in den
einzelnen Feldern müssen genügend Ausbildungsstunden und eine intensive Praxisan-
leitung durch qualifizierte Fachkräfte vorgesehen werden. Deshalb ist eine integrierte
Pflegeausbildung innerhalb einer mindestens dreijährigen dualen Ausbildung zielfüh-
rend, wie sie auch von der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem
Deutschen Gewerkschaftsbund gefordert wird. Durch eine mindestens einjährige

Drucksache 18/7414 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Schwerpunktsetzung in allgemeiner Pflege, Kinderkrankenpflege oder Altenpflege in-
nerhalb der Ausbildung können die spezifischen Fachkenntnisse für die verschiedenen
Versorgungsbereiche erworben werden.
Die Bundesregierung möchte eine generalistische Ausbildung einführen. Diese muss
notwendigerweise breit angelegt sein zu Lasten der spezialisierten Ausbildungsquali-
tät. Denn sie müsste für alle Altersgruppen sowie Versorgungsbereiche gleichermaßen
qualifizieren und auf präventive, kurative, rehabilitative und palliative Strategien pfle-
gerischen Handelns ausgerichtet sein. Ob das in drei Jahren gelingen kann und ob es
genügend qualifizierte Ausbildungsplätze geben wird, ist vor allem in der Säuglings-
und Kinderkrankenpflege und der Altenpflege fraglich. Das von der Bundesregierung
vorgesehene Modell einer Pflegeausbildung wird somit den gestiegenen Anforderun-
gen an den Pflegeberuf nicht in einem für die Praxis tauglichen Maße gerecht und
überfordert die vorhandenen Ausbildungskapazitäten.
Parallel zur beruflichen Pflegeausbildung plant die Bundesregierung eine primärqua-
lifizierende hochschulische Ausbildung, ebenfalls mit dem Abschluss zur Pflegefach-
frau/zum -mann. Studienabschlüsse sollen neben Berufsabschlüssen in einem einheit-
lichen Berufsbild existieren. Dabei ist ungeklärt, wie sich die unterschiedlichen Ab-
schlüsse in den Stellenprofilen oder in der Vergütung voneinander unterscheiden. Jede
Pflegefachkraft muss in der Lage sein, komplexe Pflegeprozesse selbstständig und
dem Stand der Pflegewissenschaft entsprechend zu planen und zu strukturieren. Es
besteht sonst die Gefahr, dass in der Praxis indirekt dem Versuch einer „Taylorisie-
rung“, also einer Zerstückelung der Pflegearbeit, Vorschub geleistet wird, bei der aka-
demisch ausgebildete Fachkräfte die Pflege planen und strukturieren und Pflege- oder
Assistenzkräfte die Pflege am Menschen unter Aufsicht der akademisch ausgebildeten
Fachkräfte ausführen. Dabei steht eine ökonomische Sichtweise im Vordergrund und
die Pflege wird aus ihrem sozialen und persönlichen Zusammenhang herausgelöst.
Stattdessen sollte die akademische Ausbildung an Hochschulen Studiengänge vorse-
hen, die die Studierenden für besondere Funktionen in Pflegemanagement, Lehre oder
Pflegewissenschaften qualifizieren und deren Abschlüsse sich sinnvoll zur beruflichen
Ausbildung abgrenzen lassen. So werden eine eigenständige Wissensbasis im Bereich
Pflege geschaffen sowie weitergehende Qualifikationen, die an sich ändernde Bedin-
gungen und Bedarfe anknüpfen und Pflegekräften Entwicklungs- und Aufstiegsper-
spektiven eröffnen. Bisher gibt es zu wenig qualifizierte Medizin- und Pflegepädago-
ginnen und Pädagogen.
Es ist ein Unding, dass derzeit viele Auszubildende in der Altenpflege Schulgeld zah-
len müssen, obwohl dringend Fachkräfte benötigt werden. Deshalb muss die Finanzie-
rung der schulischen und betrieblichen Ausbildung dauerhaft und flächendeckend ge-
sichert sein und die Gesamtkosten der Pflegeausbildung vollständig umfassen. Dazu
gehören neben der Ausbildungsvergütung auch die Ausbildungsmittel (z. B. aktuelle
Fachbücher) für den theoretischen und praktischen Unterricht bzw. die praktische Aus-
bildung (Kleidung, Schuhe), die Kosten der Pflegeschulen, einschließlich der Kosten
des Lehrpersonals, die Aus- und Fortbildung von Praxisanleiterinnen und -anleitern
sowie deren Freistellung für die Praxisanleitung. Finanziert werden kann das wie in
der Krankenpflege über eine Ausbildungsumlage, denn alle Pflegeeinrichtungen pro-
fitieren von gut ausgebildeten Kräften. Demzufolge zahlen alle Pflegeeinrichtungen in
einen Ausgleichsfonds ein. Wer ausbildet, erhält hieraus Unterstützung. So wird eine
solidarische Finanzierung der Ausbildung ermöglicht, zu der alle Pflegeeinrichtungen
nach ihren Möglichkeiten beitragen. Schulgelder, Studiengebühren und Prüfungsge-
bühren müssen abgeschafft werden.
Anders als in der Krankenpflege gibt es in der Altenpflege nur eine Teilkostendeckung.
Die Umlage der Ausbildungskosten auf die Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste
würde sich preiserhöhend für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen auswirken,
also die Eigenanteile erhöhen. Wichtig ist deshalb, von der Teilkostendeckung abzu-
weichen und zumindest die Kosten der Pflegeausbildung vollständig über die soziale
Pflegeversicherung zu refinanzieren.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7414
Um eine weitergehende Aufwertung der Pflegeberufe zu erreichen, ist eine grundsätz-
liche Neuordnung der Gesundheits- und Pflegeberufe anzustreben, vor allem unter
dem Gesichtspunkt der Heilkundeübertragung, also die Erweiterung der Tätigkeit der
Pflege- und Gesundheitsberufe (früher: „Substitution und Delegation“). Eine Übertra-
gung vieler, bisher Ärztinnen und Ärzten vorbehaltener Tätigkeiten ist sinnvoll und
verbessert die Versorgungssituation. Hierzu zählen u. a. die venöse Blutentnahme, in-
travenöse Medikamentengabe, Verbandswechsel, Wundversorgung und Schmerzma-
nagement. Die erforderlichen Qualifikationen müssen Gegenstand der Aus-, Fort- und
Weiterbildung werden. Die Haftungsfragen sind zu klären und die Akzeptanz durch
die abgebenden Berufe ist zu fördern.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen gesetzlichen Rah-
men zur Reform der Ausbildung der Pflegeberufe zu schaffen, der folgende Anfor-
derungen erfüllt:

1. Die Ausbildungen zum/zur Gesundheits- und Krankenpfleger/in, Gesundheits- und
Kinderkrankenpfleger/in sowie Altenpfleger/in sind zu einer integrierten Pflege-
ausbildung zusammenzuführen. Im Rahmen einer mindestens dreijährigen Ausbil-
dung erfolgen innerhalb von zwei Jahren eine gemeinsame Grundausbildung sowie
eine einjährige Schwerpunktsetzung. Die Abschlüsse lassen eine Spezialisierung in
allgemeiner Pflege, Kinderkrankenpflege oder Altenpflege erkennen. Die Wech-
selmöglichkeit während der Ausbildungszeit muss gegeben sein.

2. Die Ausbildung soll unmittelbar die Berufsfähigkeit der Absolventinnen sicherstel-
len. Da der praktischen Ausbildung in den Pflegeberufen eine besondere Bedeu-
tung zukommt, sind die betriebliche Anbindung und die Praxiseinsätze verbindlich
zu regeln. Dazu gehören Ausbilderinnen und Ausbilder mit berufspädagogischer
Qualifikation für die praktische Ausbildung in ausreichender Anzahl. Bundesein-
heitliche, verbindliche Vorgaben zum Umfang der Praxisanleitung sind vorzuse-
hen. Mindestens zehn Prozent der praktischen Ausbildungszeit sollen durch Pra-
xisanleiterinnen und -anleiter gemeinsam mit den Auszubildenden durch geplante
und strukturierte Anleitungssituationen stattfinden. Auszubildende sind nicht auf
Planstellen anzurechnen, damit die Ausbildung im Mittelpunkt steht.

3. Qualitätsstandards sind durch verbindliche Rahmenlehrpläne und Rahmenausbil-
dungspläne analog zum Berufsbildungsgesetz (BBiG) zu entwickeln, damit eine
gut strukturierte und überprüfbare Ausbildung durchgeführt werden kann. Dies um-
fasst eine Ausbildungsordnung, die Fertigkeiten und Kenntnisse festlegt, die Ge-
genstand der Berufsausbildung sind (Ausbildungsberufsbild), eine Anleitung zur
sachlichen und zeitlichen Gliederung der Fertigkeiten und Kenntnisse (Ausbil-
dungsrahmenplan) sowie eine Prüfungsordnung. Die Fachkommissionen zur Ent-
wicklung der Ausbildungspläne, der Ausbildungs- und Prüfungsordnung sollen
sich wie bei den Ausbildungsberufen nach dem BBiG paritätisch aus Arbeitgeber-
und Arbeitnehmerverbänden zusammensetzen, die Berufsverbände sind einzube-
ziehen.

4. Die Qualität der theoretischen Ausbildung ist zu gewährleisten. Dazu ist ein ver-
bindliches Verhältnis von Lehrkräften zu Auszubildenden von 1 zu 15 zu schaffen.
Lehrkräfte an Pflegeschulen sind den Lehrkräften der anderen berufsbildenden
Schulen gleichzustellen. Unter Wahrung des Vertrauensschutzes der vorhandenen
Lehrkräfte sind Pflegelehrerinnen und Pflegelehrer mit einem abgeschlossenen
pflegepädagogischen Hochschulabschluss auf Masterniveau bzw. den an Berufs-
schulen üblichen Abschlüssen und Qualifikationen einzusetzen. Die Ausbildung
von Lehrkräften ist qualitativ und quantitativ zu verbessern.

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
Drucksache 18/7414 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
5. Der Zugang zur Ausbildung in den Pflegeberufen soll wie bisher nach erfolgrei-

chem Abschluss einer zehnjährigen allgemeinen Schulbildung möglich sein. Die
Ausbildung selbst muss die Berufsfähigkeit herstellen, unabhängig von der schuli-
schen Ausbildung zuvor. Unnötige Zugangshürden sind abzubauen.

6. Mit einem erfolgreichen Abschluss der dreijährigen Pflegeausbildung soll der Zu-
gang zu einschlägigen Studiengängen in Pflegewissenschaften, Pflegemanagement
oder Lehrtätigkeit ohne zusätzliche Hochschulzugangsberechtigung erworben wer-
den. Eine Anrechnung erworbener Qualifikationen und Berufserfahrungen auf wei-
tergehende Qualifizierung ist zu gewährleisten. Als wesentliche Voraussetzung für
die Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollte der Studienab-
schluss mit vergleichbaren internationalen Abschlüssen und Qualifikationsniveaus
vereinbar sein.

7. Die Finanzierung ist auf eine zukunftsfeste und stabile Grundlage zu stellen. Wie
in der Krankenpflege ist eine Ausbildungsumlage einzuführen, die auch von nicht-
ausbildenden Betrieben entrichtet wird. Die Refinanzierung der schulischen und
betrieblichen Ausbildung erfolgt wie bisher in der Krankenpflege durch die zustän-
digen Kostenträger. Die Kosten der Pflegeausbildung sind über das Elfte Buch So-
zialgesetzbuch (SGB XI) vollständig zu refinanzieren.

Berlin, den 27. Januar 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch

Begründung

Die Pflegeausbildung ist zeitgemäß und nach wissenschaftlichen Standards weiterzuentwickeln, um den Ansprü-
chen einer qualitativ hochwertigen Versorgung gerecht zu werden und den Handlungsradius der Pflegeberufe zu
erweitern. Eine integrierte Pflegeausbildung ist dazu der richtige Weg.
Für eine professionelle und eigenständige Pflege ist ein umfassenderes Pflegeverständnis zu entwickeln, welches
sich an einem Gesamtkonzept orientiert. Erlernte Qualifikationen müssen in der Praxis zur Anwendung kommen
und nicht auf Betreuungs- oder Servicekräfte ausgelagert werden. Damit würde den aktuellen pflegewissenschaft-
lichen Erkenntnissen – auch im europäischen/internationalen Kontext – Rechnung getragen.
Neben der Qualität der Pflege sind die Lebenslage und die Zukunftschancen der Beschäftigten in den Mittelpunkt
zu rücken. Das umfasst zum Beispiel die Frage der Durchlässigkeit bei Schwerpunktwechseln oder die Mobilität
der Beschäftigten innerhalb von Europa. In erster Linie muss es dabei um die Beschäftigtenperspektive gehen,
nicht nur um die Verwertbarkeit der Pflegefachkräfte durch die Arbeitgeber.
Die Ausbildung ist so zu gestalten, dass es den Auszubildenden ermöglicht wird, sie erfolgreich abzuschließen.
Die Politik muss Verantwortung dafür übernehmen, dass gerade sozial Benachteiligte durch geeignete Maßnah-
men unterstützt werden und eine vollqualifizierte und anerkannte Ausbildung abschließen können. Insbesondere
müssen die Ausbildungsbedingungen verbessert werden. Hierzu gehört es, die Verhältniszahl von Auszubilden-
den zu Lehrkräften zu verbessern und die Klassengröße zu verringern, aber auch familienfreundliche Rahmenbe-
dingungen.
Die integrierte Pflegeausbildung bietet eine hochwertige Basisqualifikation bzw. ausbaufähige Grundlagen für
eine pflegerische Handlungskompetenz. Eine weitere Vertiefung und Differenzierung etwa in psychiatrischer
Pflege, Geriatrie, Palliativpflege, Familiengesundheitspflege usw. kann in Form von Weiterbildungen oder in
Pflegestudiengängen erfolgen. Auf diese Weise können spezifische Qualifikationen durch Schwerpunktsetzung
erhalten, Weiterbildungsabschlüsse standardisiert und bundeseinheitlich geregelt werden. Die Freistellung der
Pflegekräfte und die Finanzierung der Weiterbildung müssen durch den Arbeitgeber abgesichert werden.

Drucksache 18/7414 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
5. Der Zugang zur Ausbildung in den Pflegeberufen soll wie bisher nach erfolgrei-

chem Abschluss einer zehnjährigen allgemeinen Schulbildung möglich sein. Die
Ausbildung selbst muss die Berufsfähigkeit herstellen, unabhängig von der schuli-
schen Ausbildung zuvor. Unnötige Zugangshürden sind abzubauen.

6. Mit einem erfolgreichen Abschluss der dreijährigen Pflegeausbildung soll der Zu-
gang zu einschlägigen Studiengängen in Pflegewissenschaften, Pflegemanagement
oder Lehrtätigkeit ohne zusätzliche Hochschulzugangsberechtigung erworben wer-
den. Eine Anrechnung erworbener Qualifikationen und Berufserfahrungen auf wei-
tergehende Qualifizierung ist zu gewährleisten. Als wesentliche Voraussetzung für
die Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollte der Studienab-
schluss mit vergleichbaren internationalen Abschlüssen und Qualifikationsniveaus
vereinbar sein.

7. Die Finanzierung ist auf eine zukunftsfeste und stabile Grundlage zu stellen. Wie
in der Krankenpflege ist eine Ausbildungsumlage einzuführen, die auch von nicht-
ausbildenden Betrieben entrichtet wird. Die Refinanzierung der schulischen und
betrieblichen Ausbildung erfolgt wie bisher in der Krankenpflege durch die zustän-
digen Kostenträger. Die Kosten der Pflegeausbildung sind über das Elfte Buch So-
zialgesetzbuch (SGB XI) vollständig zu refinanzieren.

Berlin, den 27. Januar 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch

Begründung

Die Pflegeausbildung ist zeitgemäß und nach wissenschaftlichen Standards weiterzuentwickeln, um den Ansprü-
chen einer qualitativ hochwertigen Versorgung gerecht zu werden und den Handlungsradius der Pflegeberufe zu
erweitern. Eine integrierte Pflegeausbildung ist dazu der richtige Weg.
Für eine professionelle und eigenständige Pflege ist ein umfassenderes Pflegeverständnis zu entwickeln, welches
sich an einem Gesamtkonzept orientiert. Erlernte Qualifikationen müssen in der Praxis zur Anwendung kommen
und nicht auf Betreuungs- oder Servicekräfte ausgelagert werden. Damit würde den aktuellen pflegewissenschaft-
lichen Erkenntnissen – auch im europäischen/internationalen Kontext – Rechnung getragen.
Neben der Qualität der Pflege sind die Lebenslage und die Zukunftschancen der Beschäftigten in den Mittelpunkt
zu rücken. Das umfasst zum Beispiel die Frage der Durchlässigkeit bei Schwerpunktwechseln oder die Mobilität
der Beschäftigten innerhalb von Europa. In erster Linie muss es dabei um die Beschäftigtenperspektive gehen,
nicht nur um die Verwertbarkeit der Pflegefachkräfte durch die Arbeitgeber.
Die Ausbildung ist so zu gestalten, dass es den Auszubildenden ermöglicht wird, sie erfolgreich abzuschließen.
Die Politik muss Verantwortung dafür übernehmen, dass gerade sozial Benachteiligte durch geeignete Maßnah-
men unterstützt werden und eine vollqualifizierte und anerkannte Ausbildung abschließen können. Insbesondere
müssen die Ausbildungsbedingungen verbessert werden. Hierzu gehört es, die Verhältniszahl von Auszubilden-
den zu Lehrkräften zu verbessern und die Klassengröße zu verringern, aber auch familienfreundliche Rahmenbe-
dingungen.
Die integrierte Pflegeausbildung bietet eine hochwertige Basisqualifikation bzw. ausbaufähige Grundlagen für
eine pflegerische Handlungskompetenz. Eine weitere Vertiefung und Differenzierung etwa in psychiatrischer
Pflege, Geriatrie, Palliativpflege, Familiengesundheitspflege usw. kann in Form von Weiterbildungen oder in
Pflegestudiengängen erfolgen. Auf diese Weise können spezifische Qualifikationen durch Schwerpunktsetzung
erhalten, Weiterbildungsabschlüsse standardisiert und bundeseinheitlich geregelt werden. Die Freistellung der
Pflegekräfte und die Finanzierung der Weiterbildung müssen durch den Arbeitgeber abgesichert werden.

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