BT-Drucksache 18/7306

Soziale Menschenrechte von Menschen mit Behinderung und Diskriminierungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt

Vom 14. Januar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7306
18. Wahlperiode 14.01.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Azize Tank, Katrin Werner, Annette Groth, Katja Kipping,
Sabine Zimmermann (Zwickau), Jutta Krellmann, Ralph Lenkert,
Cornelia Möhring, Norbert Müller (Potsdam), Kathrin Vogler, Harald Weinberg,
Birgit Wöllert, Jörn Wunderlich, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Soziale Menschenrechte von Menschen mit Behinderung und
Diskriminierungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt

Vielfältige Fähigkeiten und die unterschiedlichsten Behinderungen oder Beein-
trächtigungen sind Bestandteil des menschlichen Daseins. Die Anerkennung so-
zialer Rechte auf Selbstbestimmung und Teilhabe am kulturellen, sozialen und
wirtschaftlichen Leben bilden eine unabdingbare Vorbedingung für einen gesell-
schaftlichen Struktur- und Kulturwandel hin zu einer inklusiven Gesellschaft.
Während soziale Rechte des UN-Sozialpaktes im Rang einfachen Bundesrechts
in die deutsche Rechtsordnung übernommen wurden, konkretisiert und spezifi-
ziert die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) die universellen Men-
schenrechte aus der Perspektive von Menschen mit Beeinträchtigungen vor dem
Hintergrund ihrer Lebenslagen und bekräftigt die Notwendigkeit, diese gesamt-
gesellschaftlich in der Praxis umzusetzen. Eine Anerkennung dieser Rechte be-
deutet nicht lediglich die Pflicht zum Abbau von Zugangsbeschränkungen zu die-
sen Rechten, sondern ist vielmehr Ausdruck einer substanziellen Neuausrichtung
menschenrechtlicher Begriffe im Verständnis von staatlichen Menschenrechts-
verpflichtungen. Menschen mit Behinderungen soll als handelnden Akteuren und
Rechtsträgern, unter Wahrung ihrer individuellen Autonomie, einschließlich der
Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie ihrer Unabhängigkeit und
Nichtdiskriminierung, die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und
Einbeziehung in die Gesellschaft ermöglicht werden.
Gemäß Artikel 27 (Arbeit und Beschäftigung) der UN-Behindertenrechtskonven-
tion wird „das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit [aner-
kannt]; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch
Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, inklusiven und für Menschen mit Be-
hinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder an-
genommen wird“. Diskriminierungen aufgrund von Behinderungen in allen An-
gelegenheiten im Zusammenhang mit einer Beschäftigung gleich welcher Art,
einschließlich der Auswahl-, Einstellungs- und Beschäftigungsbedingungen, der
Weiterbeschäftigung, des beruflichen Aufstiegs sowie sicherer und gesunder Ar-
beitsbedingungen sind verboten.
Am 2. Juli 2009 stellte der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Rechte (UN-Sozialausschuss, CESCR), der als Überwachungsorgan für den
UN-Sozialpakt eingesetzt wurde, in einer Allgemeinen Bemerkung (die in auto-
risierter Form die Standards für die Auslegung des Paktes kommentieren und Hin-
weise auf die allgemeine Staatenpraxis geben) fest, dass Diskriminierung einer

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der größten Hinderungsgründe für den Genuss von Menschenrechten darstellt
(General Comment Nr. 20: Artikel 2 Absatz 2 und die Nichtdiskriminierung bei
den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten – E/C.12/GC/20). Aus der
Allgemeinen Bemerkung Nummer 20 folgt, dass die Bundesrepublik Deutsch-
land als Vertragsstaat verpflichtet ist, Maßnahmen zu treffen, um jegliche Diskri-
minierung bei der Gewährleistung sozialer Rechte – einschließlich einer Diskri-
minierung in der privaten Sphäre – zu verhindern und bezieht dabei explizit auch
Menschen mit einer Beeinträchtigung oder Behinderung ein, welche direkt oder
indirekt benachteiligt werden könnten. Der UN-Sozialausschuss stellte darüber
hinaus auch klar, dass die Rechte aus dem UN-Sozialpakt gegenüber allen Men-
schen auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland Anwendung genie-
ßen, einschließlich Ausländern, Flüchtlingen, Asylsuchenden, Staatenlosen,
Wanderarbeitnehmerinnen und Wanderarbeitern sowie Opfern von Menschen-
handel und zwar unabhängig von ihrem rechtlichen Status oder Vorlage sonstiger
Dokumente (vgl. Punkt 30 der Allgemeinen Bemerkung).
Der UN-Sozialausschuss konkretisierte bereits zuvor im General Comment
Nummer 18: Artikel 6 und das Recht auf Arbeit des Internationalen Paktes über
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (E/C.12/GC/18) vom 6. Februar
2006, dass die einzelnen Rechte des UN-Sozialpaktes die Staaten nicht bloß zu
Leistungen gegenüber den Menschen verpflichten, sondern ebenso zu Maßnah-
men, um die Paktrechte gegenüber Eingriffen von Seiten Dritter zu schützen. Bei
der Gewährleistung des Rechts auf Arbeit seien Vertragsstaaten des UN-Sozial-
pakts gehalten, den gleichen und diskriminierungsfreien Zugang zur Arbeit in der
Privatwirtschaft zu gewährleisten. Staatliche Leistungspflichten bestünden dar-
über hinaus insbesondere für Personen, welche etwa infolge einer Behinderung
nicht in der Lage sind, das Recht auf Arbeit selbständig wahrzunehmen.
Der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD) hat
die Umsetzung der UN-BRK in der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der
Staatenprüfung März 2015 kritisch untersucht. Der Ausschuss zeigt sich in seinen
abschließenden Bemerkungen über den ersten Staatenbericht Deutschlands vom
17. April 2015 hinsichtlich der Bemühungen einen inklusiven Arbeitsmarkt zu
schaffen, besorgt über die Segregation (Absonderung) auf dem Arbeitsmarkt,
über beim Eintritt oder Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt hinderliche
finanzielle Fehlanreize sowie darüber, dass Werkstätten für behinderte Menschen
(WfbM) weder auf den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorbereiten
noch diesen fördern (vgl. Punkt 49, CRPD/C/DEU/CO/1). Der UN-Ausschuss
empfiehlt der Bundesrepublik Deutschland durch entsprechende Vorschriften
wirksam u. a. einen inklusiven, in Übereinstimmung mit der UN-Behinderten-
rechtskonvention stehenden Arbeitsmarkt zu schaffen (vgl. Punkt 50).
Die Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Insti-
tuts für Menschenrechte e. V. (DIMR) stellte anlässlich der Prüfung des ersten
Staatenberichts Deutschlands in ihrem Parallelbericht an den CRPD-Ausschuss
fest, dass ein abgestimmtes Handeln der politischen Verantwortlichen des Bun-
des, der Länder und der Kommunen sowie in vielen Aktivitäten der menschen-
rechtliche Ansatz fehlt. Die Monitoring-Stelle regte eine Empfehlung des zustän-
digen Ausschusses an die Bundesrepublik Deutschland (Bund und Länder) an,
„[ihre] Anstrengungen zu verstärken, den ersten Arbeitsmarkt inklusiv zu gestal-
ten. Der Trend zu wachsenden Beschäftigtenzahlen in Werkstätten soll zugunsten
von Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt deutlich umge-
kehrt werden. Der Vertragsstaat sollte sich weiter in Richtung Inklusion und Par-
tizipation bewegen, einen diskriminierungsfreien Zugang sowie eine auskömmli-
che Entlohnung gewähren und wo immer möglich Menschen – unter Bereitstel-
lung notwendiger Unterstützungs- beziehungsweise Assistenzleistungen – in den
ersten Arbeitsmarkt überführen“ (vgl. Punkt 143 des Parallelberichts).

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In den Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und
Hauptfürsorgestellen (BIH) GbR mit dem Titel „Arbeitsassistenz – ein wichtiger
Baustein zur Teilhabe am Arbeitsleben“ gemäß § 102 Absatz 4 des Neunten Bu-
ches Sozialgesetzbuch (SGB IX) vom 2. April 2014 wird hingegen formuliert,
dass für Berechtigte „in der Regel ein Unterstützungsbedarf von bis zu höchstens
4 Stunden“ also der Hälfte ihrer täglichen, regelmäßigen Arbeitszeit ausreichend
sei und „[e]in darüber hinausgehender Unterstützungsbedarf besonders begründet
werden“ muss.
Die Regierungskoalition zwischen CDU, CSU und SPD hat in ihrem Koalitions-
vertrag festgeschrieben, dass: „Zentrales Element der sozialen Inklusion eine ak-
tive Arbeitsmarktpolitik [ist]. Wir wollen die Integration von Menschen mit Be-
hinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt begleiten und so die Beschäfti-
gungssituation nachhaltig verbessern. Dazu gehört auch die Anerkennung und
Stärkung des ehrenamtlichen Engagements der Schwerbehindertenvertretungen.
[...] Wir wollen den Übergang zwischen Werkstätten für Menschen mit Behinde-
rungen und dem ersten Arbeitsmarkt erleichtern, Rückkehrrechte garantieren und
die Erfahrungen mit dem ‚Budget für Arbeit‘ einbeziehen.“ Bis auf einige wenige
Initiativen und Modelle blieben jedoch konkrete strukturelle Veränderungen sei-
tens der Bundesregierung bisher aus. Erfreulich ist demgegenüber, dass nationale
Gerichte immer stärker bei der Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten im Zusam-
menhang von Rechten von Menschen mit Behinderung zu einer völkerrechts-
freundlichen Auslegung der sozialrechtlichen Bestimmungen neigen.
Auf Grundlage des Fakultativprotokolls zur UN-Behindertenrechtskonvention,
welches nach Ausschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges die Einleitung ei-
nes Individualbeschwerdeverfahrens vorsieht, wurde gegen die Bundesrepublik
Deutschland bereits ein erstes Verfahren vor dem UN-Behindertenrechtsaus-
schuss verhandelt. Gegenstand der Beschwerde „Gröninger vs. Deutschland“ (Nr.
2/2010, CRPD/C/11/D/2/2010) waren die Vorschriften zum Eingliederungszu-
schuss, aus dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (§§ 88 bis 92 SGB III). Der Aus-
schuss stellte Verletzungen der Artikel 27 Absatz 1 (h) UN-BRK (Arbeit und Be-
schäftigung) in Verbindung mit Artikel 3 Buchstaben a, b, c und e (Allgemeine
Grundsätze), Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a (Allgemeine Verpflichtungen) und
Artikel 5 Absatz 1 (Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung) fest. Der Aus-
schuss kritisierte, dass die gesetzlichen Regelungen das gleiche soziale Men-
schenrecht auf Arbeit von Menschen mit Behinderungen nicht angemessen ge-
währleisten. Die geltenden Vorschriften würden es potenziellen Arbeitgebern er-
schweren, Zuschüsse für die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmern mit Behinderung zu erhalten. Dies würde sich nachteilig auf die Bewer-
berchancen von Menschen mit Behinderungen auswirken. Der Ausschuss hob da-
bei hervor, dass in dem konkreten Fall die eigenständigen Bemühungen des Be-
troffenen seine Berufsqualifikationen zu erhöhen sowie seine Bereitschaft zur
Aufnahme einer kurzfristigen Beschäftigung paradoxerweise dazu führten, dass
diese als Hindernis in der Zuerkennung von Unterstützungsleistungen zur Ar-
beitsmarktintegration bewertet wurden (vgl. S. 17, CRPD/C/D/2/2010). Der Aus-
schuss stellte deshalb fest, dass die Maßnahmen in der Bundesrepublik Deutsch-
land zur Integration in den Arbeitsmarkt nicht dem Standard seiner Staatsver-
pflichtungen aus Artikel 27 UN-BRK genügten und forderte die Bundesrepublik
Deutschland auf, zukünftig ähnliche Diskriminierung zu unterlassen, insbeson-
dere die Funktionsweise und Anerkennungsrichtlinien bei Leistungen an dauer-
haft beeinträchtigten Personen zu überprüfen und mit der UN-BRK in Einklang
zu bringen.

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Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche konkreten Maßnahmen im Hinblick auf strukturelle Veränderungen

der gesetzlichen Grundlagen bzw. der Rechtspraxis oder sonstige Schluss-
folgerungen hat die Bundesregierung vor dem Hintergrund der in den Emp-
fehlungen des UN-Ausschusses, formulierten Sorgen, die dieser in seinen
o. g. abschließenden Bemerkungen insbesondere zum Themenbereich Arbeit
und Beschäftigung (Artikel 27 UN-BRK) der Bundesrepublik Deutschland
zugesandt hat, implementiert?

2. Welche konkreten Maßnahmen im Hinblick auf strukturelle Veränderungen
der gesetzlichen Grundlagen bzw. der Rechtspraxis oder sonstige Schluss-
folgerungen hat die Bundesregierung umgesetzt, und welche plant sie zu er-
greifen, um für Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen mehr
Beschäftigungsmöglichkeiten an barrierefreien Arbeitsplätzen zu schaffen,
insbesondere auch für Frauen mit Behinderungen?

3. Welche konkreten Maßnahmen im Hinblick auf strukturelle Veränderungen
der gesetzlichen Grundlagen bzw. der Rechtspraxis oder sonstige Schluss-
folgerungen hat die Bundesregierung umgesetzt, und welche plant sie, um
Daten und Informationen über barrierefreie Arbeitsplätze am allgemeinen
Arbeitsmarkt zu sammeln und auszuwerten?

4. Welche konkreten Maßnahmen im Hinblick auf strukturelle Veränderungen
der gesetzlichen Grundlagen bzw. der Rechtspraxis oder sonstige Schluss-
folgerungen hat die Bundesregierung aus der Empfehlung des UN-Ausschus-
ses, die „schrittweise Abschaffung der Behindertenwerkstätten durch sofort
durchsetzbare Ausstiegsstrategien und Zeitpläne sowie durch Anreize für die
Beschäftigung bei öffentlichen und privaten Arbeitgebern im allgemeinen
Arbeitsmarkt“ zu fördern, umgesetzt?

5. Wie müssten aus Sicht der Bundesregierung Integrationsunternehmen, Ab-
teilungen und Projekte finanziell und strukturell ausgestattet werden, damit
sie die in der Unterrichtung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
„Chancen eröffnen – soziale Teilhabe sichern – Konzept zum Abbau der
Langzeitarbeitslosigkeit“ (Ausschussdrucksache 18(11)234) formulierte zu-
sätzliche Aufgabe der Aufnahme von langzeitarbeitslosen Menschen gerecht
werden zu können und Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigun-
gen, die dort arbeiten, nicht verdrängt werden?

6. Welche konkreten Maßnahmen im Hinblick auf strukturelle Veränderungen
der gesetzlichen Grundlagen bzw. der Rechtspraxis hat die Bundesregierung
umgesetzt, und welche plant sie zu ergreifen, um die Anzahl von langzeitar-
beitslosen Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen deutlich
zu senken?

7. Welche konkreten Maßnahmen im Hinblick auf strukturelle Veränderungen
der gesetzlichen Grundlagen bzw. der Rechtspraxis hat die Bundesregierung
umgesetzt und welche plant sie zu ergreifen, um Menschen mit Behinderun-
gen, insbesondere Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, welche
bisher einen Platz in einer Werkstatt für behinderte Menschen angeboten be-
kommen haben, zukünftig verstärkt in Integrationsunternehmen, Abteilun-
gen und Projekten zu beschäftigen?

8. Welche konkreten Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den
Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und
Hauptfürsorgestellen (BIH) GbR mit dem Titel „Arbeitsassistenz – ein wich-
tiger Baustein zur Teilhabe am Arbeitsleben“ vom 2. April 2014, insbeson-
dere hinsichtlich der Formulierung, dass für Berechtigte in der Regel ein Un-
terstützungsbedarf von maximal der Hälfte ihrer täglichen, regelmäßigen Ar-
beitszeit ausreichend sein soll und dass ein darüber hinausgehender Bedarf
besonders begründet werden muss?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7306
 

9. Inwieweit teil die Bundesregierung die Auffassung, dass eine pauschale Be-
darfsfeststellung ohne Einbeziehung der anspruchsberechtigten Menschen
mit den Bestimmungen der UN-Behindertenrechtskonvention (namentlich:
Präambel Buchstabe o); Allgemeine Grundsätze in Artikel 3 Buchstabe a so-
wie Allgemeine Verpflichtungen in Artikel 4 Absatz 3) nicht in Einklang zu
bringen ist und vielmehr im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention eine
bedarfsgerechte Förderung der notwendigen Arbeitsassistenz im Rahmen ei-
nes partizipativen, diskriminierungsfreien Verfahrens unter Beteiligung der
Leistungsberechtigten sowie der Arbeitgeber vereinbart werden sollte?

10. Erachtet die Bundesregierung in Abstimmung mit den Ländern die finanzi-
elle Ausstattung der Integrationsämter als ausreichend, um den menschen-
rechtlichen Verpflichtungen – beispielsweise zur Erstattung einer bedarfsge-
rechten Arbeitsassistenz – gerecht zu werden, und in welcher Form sieht sie
hier Handlungsbedarf, zum Beispiel bei der Erhöhung der Ausgleichsabgabe
oder mittels Zuschüssen aus Bundeshaushaltsmitteln?

11. Welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung in Kooperation
mit den Ländern sowie den Integrationsämtern ergreifen, um die Empfehlun-
gen des zuständigen UN-Ausschusses und der Monitoring-Stelle unter men-
schenrechtlichen Gesichtspunkten zu diskutieren und zu überarbeiten sowie
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Integrationsämter im Sinne der
UN-Behindertenrechtskonvention bewusstseinsbildende Fort- und Weiter-
bildungen anzubieten?

12. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung zur Erreichung der
in der Erklärung der Beauftragten des Bundes und der Länder für Menschen
mit Behinderungen vom 20. und 21. Mai 2015 zugesicherten Absicht der
Stärkung der Schwerbehindertenvertretungen bislang ergriffen, bzw. wann
ist mit der Durchsetzung welcher konkreten Maßnahmen zu rechnen?

13. Mittels welcher Maßnahmen will die Bundesregierung die Mitbestimmungs-
rechte für Werkstatträte gesetzlich festschreiben, und wann ist mit der Durch-
setzung welcher konkreten Maßnahmen zu rechnen?

14. Welche konkreten Maßnahmen im Hinblick auf strukturelle Veränderungen
der gesetzlichen Grundlagen bzw. der Rechtspraxis hat die Bundesregierung
umgesetzt, und welche plant sie zu ergreifen, um Geflüchteten bzw. Asylsu-
chenden, die körperlich oder seelisch behindert bzw. beeinträchtig sind, eine
angemessene und menschenwürdige Unterbringung und Versorgung in der
Bundesrepublik Deutschland im Einklang mit der UN-Behindertenrechts-
konvention zu gewährleisten?

15. Welche konkreten Maßnahmen im Hinblick auf strukturelle Veränderungen
der gesetzliche Grundlagen bzw. der Rechtspraxis hat die Bundesregierung
umgesetzt, und welche plant sie zu ergreifen, um Geflüchteten bzw. Asylsu-
chenden, die körperlich oder seelisch behindert bzw. beeinträchtig sind, über
die gesamte Dauer des Asylverfahrens den Zugang zu ihrem Grundrecht auf
Asyl nach menschenwürdigen Gesichtspunkten zu gewährleisten und so den
Bestimmungen der UN-Behindertenrechtskonvention gerecht zu werden
(vgl. z. B. die Forderung von Caritas einen gesonderten Zugang von Flücht-
lingen mit Behinderung am Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales
– LaGeSo zu ermöglichen, www.rbb-online.de/politik/thema/fluechtlinge/
berlin/Fluechtlingsversorgung-vor-Lageso-Caritas-fordert-Hilfe-vom-Senat.
html)?
a) Welche Hinweise hat die Bundesregierung über die tatsächlichen Bedin-

gungen und Umstände unter denen Flüchtlinge mit Behinderungen bzw.
Beeinträchtigungen ihr Grundrecht auf Asyl in Anspruch nehmen können
(bitte nach Ländern auflisten)?

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b) Welche Hinweise hat die Bundesregierung über die bundesweite Gewähr-
leistung eines barrierefreien Zugangs von Flüchtlingen zu deutschen Be-
hörden u. a. zwecks der Registrierung?

c) Welche Hinweise hat die Bundesregierung über die Anzahl von Kindern
mit Behinderungen und Beeinträchtigungen die als Flüchtlinge nach
Deutschland kommen, und welche Kenntnis hat die Bundesregierung
über ihre Unterbringung und gesundheitliche Versorgung (wie viel der
genannten Kinder können Rehabilitationsleistungen, psychosoziale The-
rapien oder medizinische Unterstützung und in welcher Form in Anspruch
nehmen)?

16. Wann und wo hat bzw. wann und wo wird die Bundesregierung im Einklang
mit Artikel 5 des UN-Fakultativprotokolls zur UN-Behindertenrechtskon-
vention in Verbindung mit Regel Nummer 75 der einschlägigen Geschäfts-
ordnung eine schriftliche Erwiderung auf die Stellungnahme und Empfeh-
lungen des zuständigen UN-Ausschusses im Rahmen des Individualbe-
schwerdeverfahrens „Gröninger vs. Deutschland“ veröffentlichen, und wenn
nein, warum nicht?

17. Wann, wo und in welcher Form ist die Bundesregierung der Aufforderung
des zuständigen UN-Ausschusses nachgekommen, die Stellungnahme des
Ausschusses im Individualbeschwerdeverfahren „Gröninger vs. Deutsch-
land“ in einer offiziellen Sprache zu veröffentlichen und „breit in zugängli-
chen Formaten zu zirkulieren, um alle Bereiche der Bevölkerung zu errei-
chen“ (vgl. Punkt 8, „Consideration of the merits“ der Stellungnahme des
zuständigen UN-Ausschusses)?

18. Welche konkreten Maßnahmen im Hinblick auf strukturelle Veränderungen
der gesetzlichen Grundlagen bzw. der Rechtspraxis hat die Bundesregierung
ergriffen oder welche sonstigen Schlussfolgerungen zieht die Bundesregie-
rung aus dem Hinweis des UN-Ausschusses im Verfahren „Gröninger vs.
Deutschland“, dass die gegenwärtigen Regelungen bezüglich der Arbeits-
marktintegration von Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen
diskriminierend sind, da sie lediglich anwendbar sind auf Personen, deren
Minderung der Arbeitsfähigkeit innerhalb von 36 Monaten wiederhergestellt
werden kann und diese Regelungen keine Rechte vorsehen für solche Perso-
nen, da das Recht zur Beantragung von Fördermitteln in der exklusiven Ver-
antwortung des Arbeitgebers liegt und die Richtlinien bei der Vergabe dieser
Fördermittel weitere Diskriminierungen herstellt?

19. Welche konkreten Maßnahmen im Hinblick auf strukturelle Veränderungen
der gesetzlichen Grundlagen bzw. der Rechtspraxis hat die Bundesregierung
ergriffen oder welche sonstigen Schlussfolgerungen zieht die Bundesregie-
rung aus dem Hinweis des UN-Ausschusses im Verfahren „Gröninger vs.
Deutschland“ auf eine inklusive Umgestaltung der gesellschaftlichen Bedin-
gungen betreffend der gegenwärtigen Richtlinien zur Vergabe von Förder-
mitteln zur Arbeitsmarktintegration gegenüber Menschen mit Behinderun-
gen oder Beeinträchtigungen?

20. Welche konkreten Maßnahmen im Hinblick auf strukturelle Veränderungen
der gesetzlichen Grundlagen bzw. der Rechtspraxis hat die Bundesregierung
ergriffen oder welche sonstigen Schlussfolgerungen zieht die Bundesregie-
rung aus dem Hinweis des UN-Ausschusses im Verfahren „Gröninger vs.
Deutschland“ in Bezug auf die bisherige Definition von Behinderungen und
Beeinträchtigungen im Sozialrecht und der Gewährleistung eines inklusiven
Zuganges zum Arbeitsmarkt?

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21. Welche konkreten Maßnahmen im Hinblick auf strukturelle Veränderungen
der gesetzlichen Grundlagen bzw. der Rechtspraxis hat die Bundesregierung
ergriffen oder welche sonstigen Schlussfolgerungen zieht die Bundesregie-
rung aus dem Hinweis des UN-Ausschusses im Verfahren „Gröninger vs.
Deutschland“ in Bezug auf die bisherigen Maßnahmen, die keine Wirkung
bei der Ermutigung der Arbeitgeber zur Einstellung von Menschen mit Be-
hinderungen bzw. Beeinträchtigungen entfalten?

22. Welche konkreten Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung, um das
Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt unverzüglich zu unterzeichnen und
dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur Ratifizierung vorzule-
gen?

23. In wie vielen Fällen seit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention
am 26. März 2009 haben zuständige Bundes- und Landesgerichte nach
Kenntnis der Bundesregierung Normen des UN-Sozialpaktes bzw. der
UN-Behindertenrechtskonvention, bei denen Rechte von Menschen mit Be-
hinderungen oder Beeinträchtigungen streitentscheidend waren, unmittelbar
angewendet bzw. als alleinige Entscheidungsgrundlage herangezogen (bitte
nach Ländern, den betroffenen Normen und zuständigem Gericht auflisten)?

24. In wie vielen Fällen seit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention
am 26. März 2009 haben zuständige Bundes- und Landesgerichte nach
Kenntnis der Bundesregierung Normen des UN-Sozialpaktes bzw. der
UN-Behindertenrechtskonvention, bei denen Rechte von Menschen mit Be-
hinderungen oder Beeinträchtigungen streitentscheidend waren, in die
Rechts- und Entscheidungsfindung einbezogen, insbesondere zur Auslegung
von bundes- oder landesrechtlichen Bestimmungen, welche die Rechte von
Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen betreffen (bitte nach
Ländern, den betroffenen Normen und zuständigem Gericht auflisten)?

25. In wie vielen Fällen seit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention
am 26. März 2009 haben zuständige Bundes- und Landesgerichte nach
Kenntnis der Bundesregierung Normen des UN-Sozialpaktes bzw. der
UN-Behindertenrechtskonvention, bei denen Rechte von Menschen mit Be-
hinderungen streitentscheidend waren, die Rechte von Geflüchteten sowie
EU-Ausländern als auch Bürgern von Staaten, die nicht Mitglied der EU
sind, zum Gegenstand?

Berlin, den 14. Januar 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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