BT-Drucksache 18/7237

Zusatzbeiträge abschaffen - Parität wiederherstellen

Vom 12. Januar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7237
18. Wahlperiode 12.01.2016
Antrag
der Abgeordneten der Abgeordneten Harald Weinberg, Sabine
Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, Katja Kipping, Azize Tank,
Kathrin Vogler, Birgit Wöllert, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Zusatzbeiträge abschaffen ‒ Parität wiederherstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Millionen Versicherte müssen 2016 mehr Geld für ihre Krankenversicherung ausge-
ben. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag steigt um 0,2 Prozentpunkte. Schon 2015
lagen die Zusatzbeiträge, die die Versicherten allein zahlen müssen, im Durchschnitt
bei 0,9 Prozent. Dadurch wurden sie mit gut 11 Milliarden Euro höher belastet als
die Arbeitgeber. 2016 werden es über 14 Milliarden sein. Für die Arbeitgeber bleibt
der Beitrag konstant. Ihre Beitragssätze hat die Koalition auf 7,3 Prozent festge-
schrieben.
Die gesetzlichen Krankenversicherungen gehen davon aus, dass die Zusatzbeiträge
in den nächsten 3 Jahren auf 1,4 bis 1,8 Prozent steigen werden (www.nwzon-
line.de/interview/zusatzbeitraege-steigen-in-naechsten-jahren-noch-deut-
lich_a_30,0,3770015632.html) Bei 2.500 Euro Monatseinkommen summieren sich
dann die Zusatzbeiträge auf bis zu 45 Euro im Monat, 540 Euro im Jahr. Da Bezie-
herinnen und Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen jeden Euro ihres Einkom-
mens benötigen, werden sie durch Zusatzbeiträge stärker belastet als Gutverdienen-
de. Zusatzbeiträge vertiefen daher die soziale Ungleichheit.
Die einseitige Belastung der Versicherten und die Entlastung der Arbeitgeber in der
gesetzlichen Krankenversicherung durch Zusatzbeiträge sind ungerecht. Deshalb
muss die Parität, das Prinzip „halbe-halbe“, zwischen Beschäftigten und Arbeitge-
bern wiederhergestellt werden. Schließlich profitieren die Arbeitgeber von gesunden
und arbeitsfähigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Die Wiedereinführung der Parität verringert den Preiswettbewerb der Kassen um
junge, gesunde und gut verdienende Mitglieder, der durch die Zusatzbeiträge bislang
gesetzt wird. Um Wettbewerbselemente weiter zu reduzieren, kann der morbiditäts-
orientierte Risikostrukturausgleich (morbi-RSA) so weiterentwickelt werden, dass
die unterschiedlichen Gesundheitsausgaben und Verwaltungskosten für die Mitglie-
der der verschiedenen Krankenkassen aufgrund der unterschiedlichen Versicherten-
struktur passgenauer abgebildet werden. Hierzu können beispielsweise auch Sozial-
indikatoren genutzt werden wie in den Niederlanden.
Durch die Wiedereinführung der Parität wird auch der jährliche Beitragsanstieg für
die Versicherten reduziert. Dieser kommt zustande, da regelmäßig die Ausgaben der
Krankenkassen stärker steigen als ihre Einnahmen. Hinzu kommt die Tendenz, ge-
samtgesellschaftliche Aufgaben zunehmend über die Krankenkassen zu finanzieren,

http://www.nwzonline.de/interview/zusatzbeitraege-steigen-in-naechsten-jahren-noch-deutlich_a_30,0,3770015632.html
http://www.nwzonline.de/interview/zusatzbeitraege-steigen-in-naechsten-jahren-noch-deutlich_a_30,0,3770015632.html
http://www.nwzonline.de/interview/zusatzbeitraege-steigen-in-naechsten-jahren-noch-deutlich_a_30,0,3770015632.html
Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
Drucksache 18/7237 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
z. B. beim Präventionsgesetz. Auch der Innovationsfonds aus dem Versorgungsstär-
kungsgesetz und der mit dem Krankenhausstrukturgesetz beschlossene Struktur-
fonds zielen auf Struktur- und Innovationsförderung und sollten aus Steuermitteln
finanziert werden, nicht wie nun beschlossen aus Versichertenbeiträgen.
Ein Grund dafür, dass die Einnahmen hinter den Ausgaben zurückbleiben und Bei-
tragserhöhungen nötig werden, liegt darin, dass die Beiträge zur gesetzlichen Kran-
ken- und Pflegeversicherung überwiegend aus den gemessen am Bruttoinlandspro-
dukt sinkenden Lohn- und Gehaltsanteilen gezahlt werden. Die Bedeutung anderer
Einkommensarten, vor allem Kapitalerträge wie Zinsen und Aktiengewinne, steigt
im langfristigen Trend. Doch die am schnellsten wachsenden Einkommen (Gewinne
und Kapitalerträge) sowie Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze
werden nicht zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung herangezogen.
Hintergrund sind Veränderungen in der Erwerbstätigkeit, wie zunehmende Teilzeit-
arbeit, der Ausbau des Niedriglohnsektors und zu geringe Lohnzuwächse.
In der Pflegeversicherung gab es die paritätische Finanzierung schon immer nur auf
dem Papier. Denn bei ihrer Einführung wurde zur Entlastung der Arbeitgeber der
Buß- und Bettag als gesetzlicher Feiertag abgeschafft. Sachsen wollte diesen Feier-
tag behalten, deshalb zahlen dort die Versicherten einen höheren Beitragssatz als die
Arbeitgeber. Wie die Krankenversicherung sollte aber auch die Pflegeversicherung
paritätisch finanziert werden.
Um die Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung zu lösen, sind
Beitragserhöhungen keineswegs unvermeidlich. Es gibt eine gerechte Alternative:
die Einführung der solidarischen Gesundheitsversicherung (Bürgerinnen- und Bür-
gerversicherung).
Nur ein solidarisch finanziertes Gesundheitssystem kann zukunftssicher sein. Der
Ausgleich zwischen Armen und Reichen sowie zwischen Gesunden und Kranken
trifft auch in der Bevölkerung auf breite Zustimmung. Es wird Zeit, das Rad der
Entsolidarisierung zurückzudrehen und neue Wege in Richtung einer gerechten und
zukunftssicheren Finanzierung zu gehen. Die solidarische Gesundheitsversicherung
schafft eine dauerhaft stabile Finanzierungsgrundlage, indem alle Einkommen und
Einkommensarten einbezogen werden. Die Wiedereinführung der paritätischen Fi-
nanzierung und die Abschaffung der Zusatzbeiträge, wie in diesem Antrag gefordert,
ist ein erster Schritt zu einer gerechten Finanzierung der Kranken- und Pflegeversi-
cherung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die paritätische Finanzierung
der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung wieder hergestellt
wird.
Die Arbeitgeber tragen die Hälfte der Krankenversicherungsbeiträge auf Löhne und
Gehälter ihrer Beschäftigten. Alle Rentnerinnen und Rentner zahlen künftig nur den
halben Beitragssatz, die andere Hälfte wird von der Rentenversicherung getragen.
Zusatzbeiträge werden abgeschafft. Zur Herstellung der paritätischen Finanzierung
in der Pflegeversicherung wird der zur Entlastung der Arbeitgeber abgeschaffte Fei-
ertag wieder eingeführt oder eine andere Maßnahme ergriffen, welche die Parität
zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern herstellt. Für Sachsen ist aufgrund der
Beibehaltung des Buß- und Bettages eine Sonderregelung vorzusehen.

Berlin, den 12. Januar 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.