BT-Drucksache 18/7071

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksache 18/6489, 18/7038 - Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes

Vom 15. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7071
18. Wahlperiode 15.12.2015

Änderungsantrag
der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Dr. Rosemarie Hein,
Ralph Lenkert, Cornelia Möhring, Norbert Müller (Potsdam), Harald
Petzold (Havelland), Dr. Petra Sitte, Katrin Werner, Jörn Wunderlich
und der Fraktion DIE LINKE.

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung

– Drucksachen 18/6489, 18/7038 –

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des
Wissenschaftszeitvertragsgesetzes

Der Bundestag wolle beschließen:

Artikel 1 Nummer 2 wird wie folgt geändert:

1. Buchstabe a wird wie folgt geändert:

a) Satz 3 wird wie folgt gefasst:

„Die vereinbarte Befristungsdauer ist jeweils so zu bemessen, dass sie der
Zeitdauer entspricht, die in dem betreffenden Fach üblicherweise für das
Qualifizierungsziel aufgewendet wird, und darf drei Jahre nicht unter-
schreiten.“

b) Nach Satz 3 wird folgender Satz eingefügt:

„Eine Vereinbarung über das Qualifizierungsziel, die Qualifizierungs-
dauer und den Umfang der für Qualifizierungszwecke verfügbaren Ar-
beitszeit, die nicht unter 50 vom Hundert sowie weniger als 20 Stunden
pro Woche betragen darf, ist in den Arbeitsvertrag aufzunehmen.“

c) In dem neuen Satz 6 wird die Angabe „Satz 4“ durch die Angabe „Satz 5“
ersetzt.

2. Buchstabe b Doppelbuchstabe aa wird wie folgt gefasst:

,aa) In Satz 1 wird der Punkt am Ende durch die Wörter „die vereinbarte Be-
fristungsdauer muss mindestens die Zeitdauer des aus Mitteln Dritter fi-
nanzierten Projekts entsprechen und darf 24 Monate nicht unterschreiten.“
ersetzt.ʻ

Berlin, den 15. Dezember 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Drucksache 18/7071 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Begründung

§ 2 Absatz 1 WissZeitVG ermöglicht die sachgrundlose Befristung von wissenschaftlichem und künstlerischem
Personal im Umfang von bis zu sechs Jahren vor der Promotion sowie weiteren sechs – in der Medizin neun –
Jahren nach der Promotion. Aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergibt sich, dass sich der Zeitraum von
sechs plus sechs bzw. sechs plus neun Jahren an der großzügig bemessenen Dauer der wissenschaftlichen Qua-
lifizierung in der Promotions- bzw. Postdoc-Phase orientierte. Ob die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
ler in diesem Zeitraum tatsächlich die Gelegenheit zur wissenschaftlichen Qualifizierung bekommen, spielt je-
doch bei der Ausgestaltung der Befristungsregelungen de lege lata keine Rolle. Das führt häufig dazu, dass
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Höchstbefristungsdauer nach § 2 Absatz 1 erreichen, ohne dass
sie tatsächlich die Chance hatten, ihr Qualifizierungsziel zu erreichen. Dass das vorliegende Änderungsgesetz
dieses Strukturdefizit aufzulösen versucht, ist zu begrüßen. Wissenschaftliches und künstlerisches Personal soll
nur noch unter der Voraussetzung befristet beschäftigt werden können, dass arbeitsvertraglich geregelt wird,
dass das befristete Beschäftigungsverhältnis der Qualifizierung dient.

Höchst problematisch ist allerdings die im Gesetz vorgesehene Formulierung einer „der angestrebten Qualifi-
kation angemessenen“ Befristungsdauer. Diese Formulierung birgt für die Betroffenen, sowohl Beschäftigten
als auch Arbeitgeber, keine Rechtssicherheit, wie diese im Einzelfall zu bemessen ist. Damit wird ein zentrales
Problem, nämlich dass die Arbeitgeberseite die bestehenden Regelungen des WissZeitVG vollkommen unver-
hältnismäßig auslegen und anwenden kann, in keiner Weise angegangen.

Ganz im Gegenteil, denn gleichzeitig wird in der Begründung zu dieser Formulierung auf die rechtlich unver-
bindlichen Kodizes und Selbstverpflichtungen der Wissenschaftsorganisationen verwiesen, wodurch eine ein-
seitige Auslegung dieser Formulierung durch die Arbeitgeber impliziert wird. Dies alleine ist bereits grundsätz-
lich abzulehnen, weil es die Beschäftigten vollkommen rechtlos stellt und fast keine Möglichkeit mehr lässt,
sich gegen die einseitig vom Arbeitgeber festgelegte Befristungsdauer für ein Qualifikationsziel zu wehren.

Dieses Problem wird durch die sehr weite Auslegung des Begriffs der wissenschaftlichen Qualifizierung durch
die Bundesregierung erheblich verstärkt. Denn es besteht auch weiterhin die Möglichkeit, die Praxis der sehr
kurzen Laufzeiten von befristeten Beschäftigungen sowie weitere Möglichkeiten zur Befristung von nicht-wis-
senschaftlichen Beschäftigten aufrechtzuerhalten. Obwohl es in der Begründung zum Gesetz lautet, dass man
diese Praxis beenden wolle. Mit der Möglichkeit, wissenschaftliche Qualifikation beispielsweise als Erwerb
von Kenntnissen und Fähigkeiten im Projektmanagement zu reduzieren, ist dies sehr realistisch. Teilqualifika-
tionen, die sich Promovierende im Verlauf ihrer Dissertation aneignen, lassen sich in der Regel innerhalb von
wenigen Monaten vermitteln. Ebenso sind die Anwendungsbereiche dieser Teilqualifikation fließend, so dass
unter dem Deckmantel der wissenschaftlichen Dienstleistung nichtwissenschaftliches Personal weiterhin über
lange Zeiträume befristet beschäftigt werden kann.

Darüber hinaus ist die Argumentation, ein Erwerb von Teilqualifikationen sei ein sinnvolles Instrument, um
wissenschaftliche Beschäftigte für eine erfolgreiche Karriere außerhalb der Wissenschaft zu qualifizieren, un-
redlich und unehrlich. Die verstärkte Vermittlung von Teilqualifikationen wird das genaue Gegenteil erreichen.
Wie sowohl von Arbeitsgebern und Gewerkschaften bereits im Fall der beruflichen Bildung hervorgebracht,
können Teilausbildungen keine ganzheitliche Ausbildung, die Theorie und Praxis verbindet, ersetzen. Die Be-
troffen werden nicht besser, sondern schlechter auf das Berufsleben vorbereitet. Dies gilt in deutlich stärkerem
Maße für Beschäftigte, die beispielsweise komplexe Aufgaben im Forschungsmanagement wahrnehmen sollen.

Hinzu kommt, dass der Anteil der Erwerbslosen, die eine Promotion erfolgreich abgeschlossen haben, deutlich
unterhalb der durchschnittlichen Erwerbslosenquote liegt. Nach Abschluss der Promotion wechseln bereits heu-
te fast zwei Drittel aller Promovierten in die Wirtschaft. Die Promotion ist eine gute Grundlage für ein Karriere,
sowohl in der Wissenschaft als auch außerhalb.

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