BT-Drucksache 18/7027

Festnahme eines Waffentransporteurs in Bayern und mögliche Verbindungen nach Frankreich

Vom 10. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7027
18. Wahlperiode 10.12.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Frank Tempel, Annette Groth, Dr. André Hahn,

Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Harald Petzold (Havelland), Martina Renner,

Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Festnahme eines Waffentransporteurs in Bayern und mögliche Verbindungen
nach Frankreich

Am 5. November 2015 haben Rosenheimer Polizisten in Bayern einen Autofahrer
aus Montenegro auf der A8 Salzburg – München kontrolliert und festgenommen.
Bei einer Kontrolle im Rahmen der sogenannten Schleierfahndung, d. h. der er-
eignis- und anlasslosen Kontrollmöglichkeiten durch die Polizei, fanden die Be-
amten Pistolen und Handgranaten. Herbeigezogene Spezialisten des Landeskri-
minalamtes sollen dann in dem Auto insgesamt acht Kalaschnikows, zwei Pisto-
len, einen Revolver, zwei Handgranaten und 200 Gramm Sprengstoff sicherge-
stellt haben. Die Untersuchung des Navigationsgeräts im Auto habe ergeben, dass
das Ziel der Fahrt Paris war (www.br.de vom 14. November 2015 und SPIEGEL
ONLINE vom 17. November 2015).

Nach den Anschlägen in Paris am 12. November 2015 wurde in der Öffentlichkeit
schnell spekuliert, ob die Waffen ebenfalls für diese Anschläge gedacht waren
und der Fahrer somit Terrorhelfer sein könnte.

Unter diesem Gesichtspunkt spielen eine Reihe ungeklärter Fragen im Zusam-
menhang eine Rolle, die sowohl die Ermittlungstätigkeit als auch die in der Öf-
fentlichkeit gehandelten Fakten betreffen.

So soll bei der Anmietung des Autos am 2. November 2015 weder ein Navigati-
onsgerät im Wagen gewesen sein, noch habe der Mieter des Wagens ein solches
angefordert (TV-Magazin Fakt vom 17. November 2015). Auffällig ist, dass nach
Auskunft des Landeskriminalamts Bayern (LKA Bayern) das Bundeskriminalamt
(BKA) sofort am 5. November 2015 informiert worden sein soll und das BKA
selbst Interpol schon am 6. November 2015 informiert haben will, in der familiä-
ren und sonstigen Umgebung des Fahrers aber auch knapp zehn Tage nach seiner
Festnahme keinerlei polizeiliche Ermittlungen durchgeführt wurden (TV-Maga-
zin Fakt vom 17. November 2015).

Gravierender aber scheint zu sein, dass nach Aussagen des LKA Bayern das BKA
zwar sofort die französischen Behörden über „Details des Falls“ informiert habe,
die Reaktionen aus Paris seien aber „zurückhaltend gewesen: die deutsche Polizei
möge ein Rechtshilfeersuchen stellen, falls sie aus Frankreich Informationen be-
nötige“ (www.br.de Stand: 14. November 2015).

Selbst wenn berücksichtigt wird, dass nach den Anschlägen Ereignisse vor den-
selben anders bewertet werden können oder müssen, scheint der Umgang der Si-
cherheitsbehörden mit einem Auto voller Waffen und einem klaren Zielort doch
der immer festgestellten zwar abstrakten, aber gleichwohl hohen Bedrohung der
Sicherheit nicht angemessen gewesen zu sein. Aus dieser Perspektive ergeben

Drucksache 18/7027 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

sich auch Fragen, zu von verschiedenen Medien (u. a. SPIEGEL ONLINE vom
27. November 2015) gemeldeten Ermittlungsverfahren gegen einen Waffenhänd-
ler aus Baden-Württemberg, der verdächtigt wird, auch die Attentäter von Paris
mit Waffen versorgt zu haben. Bei dem Verdächtigen Sascha W. sollen Ermittler
auf dessen beschlagnahmten Computer u. a. auch die Bestellung einer halbauto-
matischen Waffe an eine Bonner Packstation gefunden haben. Der Besteller ver-
wendete dabei denselben Nachnamen wie W.s mutmaßlicher Auftraggeber aus
Paris (vgl. hierzu SPIEGEL ONLINE vom 4. Dezember 2015).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung konkrete Erkenntnisse eines unmittelbaren Zusam-
menhangs zwischen dem am 5. November 2015 vereitelten Waffenschmug-
gel und den Anschlägen in Paris am 13. November 2015?

Wenn ja, welche?

2. Wieso wurden nach Kenntnis der Bundesregierung auch knapp zehn Tage
nach der Festnahme des Autofahrers aus Montenegro keinerlei polizeiliche
Ermittlungen in der familiären und sonstigen Umgebung des Fahrers durch-
geführt?

3. Wurden inzwischen polizeiliche Ermittlungen in der familiären und sonsti-
gen Umgebung des Fahrers durchgeführt, und wenn ja, führten diese zu kon-
kreten Anhaltspunkten über eine Verbindung zu den Attentätern von Paris
oder anderen islamistischen Kreisen?

4. Wie viele Waffenschmuggel-Ereignisse in einer annähernd ähnlichen Di-
mension wurden von der bayerischen Polizei im Rahmen von Schleierfahn-
dungsaktivitäten seit dem Jahr 2005 festgestellt, und welche Regeln gelten
für die Information welcher Bundessicherheitsbehörden in solchen Fällen?

5. In welchen Fällen übernimmt das BKA die Ermittlungen selbst, und in wel-
cher Form ist das BKA derzeit in die Ermittlungen des aktuellen Falles ein-
gebunden?

6. Welche Fälle von Waffenhandel bzw. -schmuggel wurden seit 2005 von der
Generalbundesanwaltschaft geführt?

7. Wann wurden die französischen und montenegrinischen Sicherheitsbehör-
den von wem über die Festnahme und die Funde in Bayern informiert und
wurden über die bloße Informationsweitergabe hinaus bis zum 17. November
2015 weitere Maßnahmen zwischen dem LKA Bayern, dem BKA, französi-
schen Sicherheitsbehörden und den Sicherheitsbehörden Montenegros ver-
abredet bzw. eingeleitet?

Wenn ja, welche, wann, und auf wessen Veranlassung hin zwischen wem?

Wenn nein, warum nicht?

8. Welche französischen Sicherheitsbehörden haben welchen deutschen Behör-
den die Auskunft gegeben, bei weiterem Informationsbedarf ein Rechtshilfeer-
suchen stellen zu können, und wurde dieser Aufforderung durch deutsche Be-
hörden inzwischen nachgekommen (www.br.de Stand: 14. November 2015)?

9. Welche deutschen und anderen Nachrichtendienste wurden bis zum
17. November 2015 zwecks Aufklärung des persönlichen, sozialen und poli-
tischen Hintergrunds des Festgenommenen mit welchen Ergebnissen um In-
formationen gefragt?

10. Konnten aus den Daten des Navigationsgerätes und des Mobiltelefons wei-
tere Erkenntnisse, z. B. über seinen Besitzer, andere mögliche Waffentrans-
porte, regelmäßige Auslandsaufenthalte etc. gewonnen werden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7027

 

11. Wurde nach bisherigen Erkenntnissen das Navigationsgerät nur einmal oder
schon mehrmals mit dem Ziel Paris eingesetzt?

12. In welcher räumlichen Beziehung steht der im Navigationsgerät als Ziel an-
gegebene öffentliche Parkplatz in Paris (www.br.de Stand: 14. November
2015) zu den Anschlagsorten vom 12. und 13. November 2015?

13. Konnten aus Daten des Handys des Verhafteten Hinweise über Hintergründe,
Lieferquellen und Ziele des Waffenschmuggels erlangt werden?

Wenn ja, welche?

14. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Entwicklung des
Waffenschmuggels aus Südost- und Osteuropa seit dem Jahr 2000, und wel-
chen Anteil sieht sie dabei in dem von deutschen Sicherheitsbehörden defi-
nierten terroristischen Bereich?

15. Haben sich bei der „eingehenden Prüfung“ mit negativem Ergebnis der Frage
durch die Bundesanwaltschaft, ob Zusammenhänge zu „den Anschlägen in
Paris“ beständen, gleichwohl Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Waffen
für ein terroristisches Milieu bestimmt waren (SPIEGEL ONLINE vom
4. Dezember 2015)?

16. Was bedeutet „Waffenhändler“ als Berufsbezeichnung im Falle des im Zu-
sammenhang mit Waffenverkäufen nach Paris genannten Mannes aus Ba-
den-Württemberg, und wann genau wurde das Ermittlungsverfahren gegen
ihn wegen Verdachts auf welche Straftaten eingeleitet, und befindet sich der
Mann immer noch in Untersuchungshaft (vgl. hierzu SPIEGEL ONLINE
vom 27. November 2015)?

17. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass der Mann schon Anfang 2015
„ins Visier“ der Ermittlungsbehörden, in diesem Fall dem Zollfahndungsamt
Frankfurt am Main und der dortigen Generalstaatsanwaltschaft, geraten ist
(Bild vom 27. November 2015), und was bedeutet „ins Visier geraten“ in
diesem Fall konkret?

18. Wurden europäische Sicherheitsbehörden, insbesondere die Frankreichs und
Belgiens, über diese Verfahren unterrichtet, um Unterstützung gebeten oder
anderweitig in die Verfahren einbezogen?

Wenn nein, warum nicht, und wie sind die regulären Meldewege zwischen
den Mitgliedstaaten der EU in Fällen von (innereuropäischem) Waffenhan-
del?

19. In welcher Form wurden seit „Anfang 2015“ wann weitere deutsche Sicher-
heitsbehörden − BKA, Landeskriminalämter (hier insbesondere das ba-
den-württembergische LKA) − in die Verfahren einbezogen?

20. Wie viele Ermittlungsverfahren werden wegen Waffenhandels derzeit in der
Bundesrepublik Deutschland von dem Zollfahndungsamt und/oder dem
BKA gegen wie viele Personen geführt?

21. Hält die Bundesregierung sogenannte kontrollierte Lieferungen im Falle von
Waffenhandel für ein geeignetes Instrument zur Überführung von Einzeltä-
tern, Netzwerken oder Endabnehmern (bitte begründen)?

Berlin, den 10. Dezember 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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