BT-Drucksache 18/7023

Vorgelagerte US-Einreisekontrollen an europäischen Flughäfen

Vom 10. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7023
18. Wahlperiode 10.12.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,

Christine Buchholz, Annette Groth, Dr. André Hahn, Inge Höger, Ulla Jelpke,

Jan Korte, Harald Petzold (Havelland), Dr. Petra Sitte, Alexander Ulrich,

Kathrin Vogler, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Vorgelagerte US-Einreisekontrollen an europäischen Flughäfen

Die Regierung in Washington plant Medienberichten zufolge eine Verschärfung
ihrer Einreisebestimmungen (Onlineausgabe der Frankfurter Rundschau vom
1. Dezember 2015). Hierzu gehört der Plan, bereits beim Abflug von Mitglied-
staaten der Europäischen Union sogenannte vorgelagerte Einreisekontrollen vor-
zunehmen. Die US-Regierung verhandelt demnach mit mindestens sieben Län-
dern, darunter Belgien und die Niederlande. Ein ähnlicher Vorstoß erfolgte be-
reits im letzten Jahr, Vertreterinnen und Vertreter der Niederlande hatten den US-
Vorschlag in den zuständigen EU-Ratsarbeitsgruppen vorgestellt (Bundestags-
drucksachen 18/2472, 18/3236). Eine entsprechende Anfrage für Kontrollen auf
dem Flughafen Amsterdam-Schiphol wurde von der Regierung in Den Haag ge-
prüft. Auch die Regierungen Großbritanniens, Frankreichs, Schwedens sowie das
deutsche Bundesministerium des Innern waren im vergangenen Jahr angefragt
worden, zunächst jedoch inoffiziell auf Ebene der Innenministerien.

Schon jetzt werden Passagiere an deutschen Flughäfen von US-Behörden kon-
trolliert. Solche „Last-Gate-Checks“ werden durch Bedienstete der U. S. Customs
and Border Protection (CBP) vorgenommen und gelten nicht als Luftsicherheits-
kontrollen. Die Behörde hat lediglich das Recht, die in die USA verkehrenden
Luftfahrtunternehmen „in grenzpolizeilicher Hinsicht“ zu beraten. Die Airlines
bekommen unter Umständen einen Hinweis, ob sich zu befördernde Personen auf
einer Flugverbotsliste der USA befinden. Ihre Mitnahme wäre zwar erlaubt, je-
doch erhielte die Fluglinie keine Überflugs- und Landeerlaubnis aus den USA.
Sofern für die Passagiere ein Flugverbot gilt, dürfen die US-Behörden keine wei-
teren Zwangsmaßnahmen ergreifen. Eingehende Kontrollen, Durchsuchungen
oder Festnahmen können bislang lediglich von der gastgebenden Bundespolizei
vorgenommen werden. Die Betroffenen könnten dies aus Sicht der Fragesteller
aber wie eine Amtshandlung der US-Bediensteten empfinden.

Mit den vorgelagerten Einreisekontrollen erhielten die US-Behörden das Recht,
Reisende zu befragen und sogar zu durchsuchen. Das Bundesministerium des
Innern (BMI) hatte sich im letzten Jahr noch „äußerst zurückhaltend“ zu der
Übernahme hoheitlicher Befugnisse von US-Behörden in Deutschland gezeigt
(Bundestagsdrucksache 18/2472). Auch „die Luftfahrtbranche“ habe grenzpoli-
zeiliche Ein- und Ausreisekontrollen durch US-Bedienstete „kritisch hinterfragt“.
Hingegen habe Großbritannien „Vorteile in einer Zulassung des Verfahrens“ ge-
sehen. Die Niederlande prüften demnach die rechtliche und organisatorische
Machbarkeit, Frankreich habe eine Beteiligung der USA an der Finanzierung ge-

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fordert. Auch Schweden habe den Vorschlag geprüft, sich aber „in erster Reak-
tion“ skeptisch gezeigt und um Prüfung hinsichtlich der Auswirkungen auf die
Schengen-Regelungen und die Menschenrechtskonvention gebeten. Diese Prü-
fung sollte durch den Juristischen Dienst des Rates der Europäischen Union er-
folgen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern US-Behörden meh-
reren EU-Mitgliedstaaten erneut vorgeschlagen haben, sogenannte vorgela-
gerte US-Einreisekontrollen auf deren Hoheitsgebiet durchzuführen, die
nach Kenntnis der Fragesteller sogar das Recht zur Befragung und Durchsu-
chung vorsehen?

2. Worin unterscheidet sich der neuerliche Vorstoß nach Kenntnis der Bundes-
regierung gegenüber einer Initiative vom vergangenen Jahr, etwa in der Ver-
bindlichkeit oder rechtlichen Konsequenzen bei Nichtumsetzung?

3. Welche Mitgliedstaaten haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung zu
dem neuen Vorstoß wie positioniert?

4. Inwiefern handelt es sich dabei um offizielle Anträge von US-Behörden?

5. Inwiefern und mit welcher Begründung äußern sich Schweden und Großbri-
tannien weiterhin skeptisch?

6. Wo wurden die neuerlichen Vorschläge nach Kenntnis der Bundesregierung
auf EU-Ebene bzw. in internationalen Zusammenarbeitsformen bereits vor-
gestellt oder beraten?

7. Sofern diese noch nicht auf EU-Ebene bzw. in internationalen Zusammenar-
beitsformen vorgestellt oder beraten wurden, inwieweit steht dies auf der Ta-
gesordnung welcher zukünftigen Treffen?

8. An welche weiteren Forderungen oder Bedingungen (etwa die weitere Teil-
nahme am Visa-Waiver-Programm nur bei Erfüllung der Forderung nach
vorgelagerten Einreisekontrollen) ist der Vorstoß nach Kenntnis der Bundes-
regierung geknüpft?

9. Welche Vergünstigungen werden nach Kenntnis der Bundesregierung im
Fall der Umsetzung vorgelagerter Grenzkontrollen nach Kenntnis der Bun-
desregierung versprochen?

10. Welche Angaben enthält der Vorschlag hinsichtlich der Finanzierung ent-
sprechender Infrastruktur sowie laufender Kosten?

11. Sofern auch die Bundesregierung einen solchen neuerlichen Vorschlag er-
hielt, wann traf dieser bei welcher Behörde ein, und wann hat die Bundesre-
gierung den Deutschen Bundestag hierzu informiert?

12. Wie wird sich die Bundesregierung dazu positionieren?

13. Sofern der Vorschlag nicht grundsätzlich abgelehnt wird, aus welchen Grün-
den hat die Bundesregierung ihre Haltung vom vergangenen Jahr aufgege-
ben, wonach sie „dem US-Ansinnen gleichwohl äußerst zurückhaltend ge-
genüber[steht], da die Ausübung hoheitlicher Befugnisse innerhalb des Bun-
desgebietes grundsätzlich den jeweils zuständigen Behörden des Bundes und
der Länder auf der Grundlage deutschen und/oder unmittelbar geltenden
Rechts der Europäischen Union obliegt“?

14. Mit welchen internationalen oder bilateralen Verträgen und Konventionen
könnten die vorgelagerten US-Einreisekontrollen aus Sicht der Bundesregie-
rung in Konflikt kommen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7023

 

15. Inwiefern hätten die vorgelagerten US-Einreisekontrollen aus Sicht der Bun-
desregierung Auswirkungen auf Schengen-Regelungen?

16. Inwiefern hätten die vorgelagerten US-Einreisekontrollen aus Sicht der Bun-
desregierung Auswirkungen auf die Europäische Menschenrechtskonven-
tion?

17. Was ist der Bundesregierung über eine Prüfung zu vorgelagerten US-Einrei-
sekontrollen durch den Juristischen Dienst des Rates der Europäischen
Union bekannt?

18. Wer gab die Prüfung wann in Auftrag, und wann lag ein Ergebnis vor?

19. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?

20. Welche Stellungnahmen welcher Angehörigen der „Luftfahrtbranche“ sind
der Bundesregierung hinsichtlich vorgelagerter US-Einreisekontrollen be-
kannt, und zu welchem Schluss kommen diese jeweils?

21. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus diesen Stellungnah-
men?

22. Wie viele als „No-Fly-Empfehlungen“ bezeichnete Flugverbote hat das am
Flughafen Frankfurt am Main schon jetzt stationierte US-Heimatschutzmi-
nisterium nach Kenntnis der Bundesregierung ab 2014 ausgesprochen
(bitte – wenn möglich – nach Monaten darstellen)?

23. Sofern die Bundesregierung hierüber weiterhin keine Kenntnis hat, inwiefern
würde sie nach Zustimmung zu „vorgelagerten Grenzkontrollen“ zur Zahl
der in Deutschland verhängten Flugverbote unterrichtet werden, bzw. inwie-
fern wird sie dies gegenüber den USA für ihre Zustimmung zu vorgelagerten
Grenzkontrollen zur Bedingung machen?

24. Wie viele der in Deutschland für das US-Heimatschutzministerium arbeiten-
den Angestellten entfallen nach Kenntnis der Bundesregierung auf die CBP,
das U. S. Immigration and Customs Enforcement (ICE), die Transportation
Security Administration (TSA), den United States Secret Service (USSS),
die United States Coast Guard (USCG), die U. S. Citizenship and Immigra-
tion Services (USCIS), das Office of Policy, die Federal Emergency Manage-
ment Agency (FEMA), die Federal Law Enforcement Training Centers
(FLETC) und das National Protection and Programs Directorate?

25. Welche weiteren neuen Verschärfungen der US-Einreisebestimmungen sind
der Bundesregierung bekannt, und hinsichtlich welcher Verfahren wäre sie
davon betroffen?

26. Auf welche Weise müsste auch die Beteiligung Deutschlands am „Visa-
Waiver“-Programm hinsichtlich der verschärften US-Einreisebestimmungen
angepasst oder neu verhandelt werden?

27. Was ist der Bundesregierung über US-Pläne zur „bessere[n] Nutzung bio-
metrischer Daten, etwa Fingerabdrücke“ bekannt, und welche Maßnahmen
oder Programme sind hiermit gemeint?

28. Welche Maßnahmen oder Programme sind nach Kenntnis der Bundesregie-
rung gemeint, wenn die USA ankündigen, die „Geldstrafe für Fluggesell-
schaften, die Passdaten ihrer Passagiere nicht ausreichend überprüfen“, zu
erhöhen?

29. Wie hat sich die Bundesregierung in entsprechenden Diskussionen zur EU-
PNR-Richtlinie (PNR – Fluggastdatensätze) hinsichtlich der Frage positio-
niert, inwiefern Europol Zugriff auf die dort gespeicherten Daten zu gewäh-
ren ist?

Drucksache 18/7023 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

30. Wie sollte aus Sicht der Bundesregierung in diesem Fall sichergestellt sein,
dass die Zentralstellen der Mitgliedstaaten nicht mit „Treffermeldungen“ Eu-
ropols zu Übereinstimmungen von Daten des Europol Informationssystems
und des EU-PNR beschickt werden, die dort längst bekannt sind?

31. Inwiefern und durch wen wurde dem „Erläuterungsbedarf“ der Bundesregie-
rung zur Frage, ob die Einbeziehung von „non-carrier economic operators“
in den Anwendungsbereich der EU-PNR-Richtlinie tatsächlich einen Sicher-
heitsgewinn bringt und vor dem Hintergrund der mit der Einbeziehung ver-
bundenen Belastungen für die Betroffenen und dem erheblich vergrößerten
Datenaufkommen verhältnismäßig und damit vertretbar ist, mittlerweile Ge-
nüge getan (Plenarprotokoll 18/129)?

32. Für wann hat oder hatte die Europäische Kommission zu einer entsprechen-
den „Veranstaltung mit den betroffenen Unternehmen“ eingeladen, und wel-
che Unternehmen und Branchenverbände nahmen bzw. nehmen teil?

33. Inwiefern und mit welchem Ergebnis kann die Bundesregierung „die recht-
lichen und wirtschaftlichen Folgen einer Einbeziehung dieser Unternehmen“
nun besser abschätzen?

34. Wie hat sich die Bundesregierung in entsprechenden Diskussionen zur EU-
PNR-Richtlinie hinsichtlich der Frage positioniert, inwiefern die Einbezie-
hung innereuropäischer Flüge verpflichtend oder aber als Option geregelt
werden sollte, und auf welche Weise soll dies in Deutschland umgesetzt wer-
den?

35. Nach welcher Maßgabe sollte die EU-PNR-Richtlinie aus Sicht der Bundes-
regierung auch zur Verfolgung oder Verhinderung grenzüberschreitender
Kriminalität genutzt werden können?

36. Was ist der Bundesregierung über Pläne oder Diskussionen der Europäischen
Kommission oder des Europäischen Rates bekannt, das Europäische Strafre-
gisterinformationssystem um die Einbeziehung von Drittstaatsangehörigen
zu erweitern, und welche eigene Position vertritt sie in dieser Frage?

37. Wie beurteilt die Bundesregierung den Stand der Verhandlungen mit der US-
Regierung bezüglich der Neufassung eines Abkommens über Rechtshilfe mit
der Europäischen Union?

38. Sofern die Verhandlungen derzeit verzögert verlaufen, welche Gründe sind
der Bundesregierung hierzu bekannt?

Berlin, den 10. Dezember 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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