BT-Drucksache 18/6944

Tätigkeiten der Bundeswehr im Bereich der Flüchtlingshilfe

Vom 30. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6944
18. Wahlperiode 30.11.2015

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,

Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, Annette Groth, Andrej Hunko,
Niema Movassat, Harald Petzold (Havelland), Kathrin Vogler, Jörn Wunderlich

und der Fraktion DIE LINKE.

Tätigkeiten der Bundeswehr im Bereich der Flüchtlingshilfe

Die Bundesministerin der Verteidigung Dr. Ursula von der Leyen hat in einer
Weisung an die Truppe die Grundlagen für die langfristige Verpflichtung von
Bundeswehrpersonal in der Flüchtlingshilfe gelegt (Pressemitteilung des Bundes-
ministeriums der Verteidigung – BMVg – vom 4. November 2015). Derzeit sind
nach Angaben der Bundeswehr mehr als 6 000 Angehörige der Bundeswehr zum
Teil im Schichtbetrieb eingesetzt, einige weitere hundert Soldaten stehen „auf
Abruf“ bereit.

In der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. zu Amtshilfe-
leistungen durch die Bundeswehr im dritten Quartal 2015 (Bundestagsdrucksache
18/6518) hat die Bundesregierung 182 durchgeführte Amtshilfemaßnahmen auf-
geführt, von denen der größte Teil im Bereich der Flüchtlingshilfe geleistet
wurde. Am Zentrum für Innere Führung werden mittlerweile Kurse durchgeführt,
an denen bis zu 40 (militärische) Lehrgangsteilnehmer wöchentlich für Leitungs-
fähigkeiten im Bereich der Flüchtlingshilfe ausgebildet werden.

Bei den Unterstützungsleistungen durch die Bundeswehr solle „maximale Ku-
lanz“ gelten, hatte die Bundesministerin der Verteidigung bereits Ende Juli erklärt
(MDR vom 28. Juli 2015).

Unterstützung durch jedwede Behörde bei Aufnahme, Unterbringung und Ver-
sorgung von Flüchtlingen ist zweifellos ein begrüßenswertes Unterfangen. Den
Fragestellern ist es auch lieber, dass die Bundeswehr beim Aufbau von Unter-
künften hilft, als dass sie anderswo auf der Welt Krieg führt und damit zur Schaf-
fung weiterer Fluchtursachen beiträgt. Dennoch haben die Fragesteller eine
grundsätzliche Skepsis, was Aktivitäten der Bundeswehr im Inneren angeht, zu-
mal wenn die sogenannte Amtshilfe im Bereich hoheitlicher Aufgaben geleistet
wird, zu denen etwa Maßnahmen wie Registrierung und Verteilung von Flücht-
lingen gehören. Einer dauerhaften Amtshilfe durch die Bundeswehr wäre eine
Aufstockung der Kapazitäten ziviler Behörden und Hilfsorganisationen vorzuzie-
hen.

Die „maximale Kulanz“ bei der Unterstützung für Länder und Kommunen bedeu-
tet zudem nicht, dass diese umsonst geleistet wird. Aus der Antwort der Bundes-
regierung auf die oben erwähnte Anfrage geht hervor, dass die Kosten für die
erbrachte Unterstützung jeweils von den Antragstellern zu tragen sind. Auf die
Mündliche Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke vom 11. November 2015 (vgl.
Plenarprotokoll 18/135) präzisierte die Bundesregierung, dass Länder und Kom-

Drucksache 18/6944 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

munen die Auslagen zu erstatten hätten. Lediglich hinsichtlich der (Selbst-)Ver-
pflichtung der Bundeswehr zur Bereitstellung zusätzlicher 40 000 Unterbrin-
gungsplätze in Erstaufnahmeeinrichtungen und Wartezentren habe sich der Bund
zur Kostenübernahme verpflichtet. Außerdem seien die Regelungen zur Inrech-
nungstellung von Amtshilfeleistungen nicht gegenüber anderen Bundesbehörden
verpflichtend.

Wir fragen die Bundesregierung:

Wie viele Amtshilfemaßnahmen hat die Bundeswehr in diesem Jahr insge-
samt im Bereich der Flüchtlingshilfe (inklusive Aufnahme, Registrierung,
Verteilung, Unterbringung, Versorgung usw.) durchgeführt?

Wie oft handelte es sich bei den Antragstellern um

a) Kommunen,

b) Kreisverwaltungsbehörden,

c) Länder und

d) Bundesbehörden (hier bitte angeben, um welche es sich handelt)?

In welchen Bundesländern wurden bisher wie viele Unterstützungsleistun-
gen durchgeführt?

In welchen Bundesländern finden derzeit wie viele Unterstützungsleistungen
statt?

Wie viele Soldatinnen und Soldaten erfüllen derzeit Unterstützungsleistun-
gen?

a) Wie gliedert sich diese Zahl pro Bundesland auf?

b) Wie gliedert sich diese Zahl in Maßnahmen auf für Kommunen, Kreis-
verwaltungsbehörden, Länder und Bundesbehörden?

Welche Gesamtkosten sind der Bundeswehr bei den durchgeführten Amts-
hilfeleistungen insgesamt entstanden (bitte gegebenenfalls schätzen)?

Wie hoch war der Anteil der bis heute bereits berechneten Kosten der Leis-
tungen für

a) Kommunen,

b) Kreisverwaltungsbehörden,

c) Länder und

d) Bundesbehörden?

Bis wann strebt die Bundeswehr an, die Kosten jeweils in Rechnung gestellt
zu haben?

Verzichtet die Bundeswehr auf eine Kostenerstattung der Unterstützungs-
leistungen für andere Bundesbehörden oder behält sie sich vor, diese in
Rechnung zu stellen?

Berechnet die Bundeswehr auch Personalkosten für den Einsatz von Solda-
tinnen und Soldaten bei den Amtshilfeleistungen, und wenn ja, mit welchen
Sätzen kalkuliert sie dabei (bitte gegebenenfalls Stundensatz in Abhängigkeit
von Dienstgrad bzw. erbrachter Leistung angeben)?

a) In welcher Höhe sind bisher tatsächlich Personalkosten berechnet wor-
den?

b) Inwiefern sollen auch Personalkosten für „auf Abruf“ bereitstehende Sol-
datinnen und Soldaten vor ihrem tatsächlichen Einsatz berechnet werden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6944

 

Welches und wie viel Material hat die Bundeswehr bislang im Zusammen-
hang mit der Flüchtlingshilfe verwendet oder zur Verfügung gestellt, und
welchen Wert hatte dieses?

Wird bei der Inrechnungstellung von verbrauchtem Material gegenüber Län-
dern und Kommunen jeweils der ursprüngliche Kaufwert, der Wiederbe-
schaffungswert oder der (geschätzte) Gebrauchswert angesetzt?

a) Welche Regelungen gelten für den Einsatz von Material, das nach Ablauf
der Unterstützungsmaßnahme wieder durch die Bundeswehr verwendet
werden kann, sofern es unbeschädigt blieb (wie etwa Zelte, Decken, Bet-
ten usw.)?

Welcher Kostensatz wird hierbei angesetzt?

b) In welcher Höhe sind bislang tatsächlich Materialkosten berechnet wor-
den?

Inwiefern wird für den (zeitweiligen) Einsatz technischer Gerätschaften oder
Apparaturen durch die Bundeswehr Kostenerstattung verlangt, und wie wer-
den diese Kosten berechnet?

In welcher Höhe sind bislang tatsächlich Kosten berechnet worden?

Inwiefern wird der Betrieb von Feldküchen abgerechnet, und welche Sätze
werden dabei berechnet?

In welcher Höhe sind bislang tatsächlich Kosten berechnet worden?

Inwieweit werden Transportkosten abgerechnet, und welche Sätze berechnet
die Bundeswehr dabei?

In welcher Höhe sind bislang tatsächlich Kosten berechnet worden?

In welchen Tätigkeitsbereichen leistet die Bundeswehr schwerpunktmäßig
Unterstützung?

Welches sind die 83 Dauerprojekte (Stellungnahme BMVg vom 4. Novem-
ber 2015, bitte gegebenenfalls die Zahl aktualisieren), in denen Soldatinnen
und Soldaten eingesetzt werden (bitte die Zahl eingesetzter Soldaten, ihren
Einsatzort und ihre Tätigkeiten einzeln anführen)?

Welche konkreten Tätigkeiten bei Aufnahme und Registrierung von Asylsu-
chenden übernehmen Soldatinnen und Soldaten, und wie viele sind derzeit
mit diesen Tätigkeiten jeweils beauftragt?

Wie müssen sich Soldatinnen und Soldaten verhalten, wenn ein Flüchtling
sich weigert, von sich die Fingerabdrücke nehmen zu lassen?

Wie viele Soldatinnen und Soldaten sind derzeit an das Bundesamt für Mi-
gration und Flüchtlinge abgeordnet, und welche Tätigkeiten erfüllen sie dort?

Inwiefern werden sie bei der Bearbeitung von Asylanträgen eingesetzt?

Inwiefern werden Soldatinnen und Soldaten bei der Umsetzung von Ent-
scheidungen zur Verteilung von Flüchtlingen (Zuweisung von Aufenthalts-
orten, Verbringung in Busse usw.) eingesetzt?

Welche konkreten Tätigkeiten wurden bislang in Erfüllung von Amtshilfeer-
suchen für die Bundespolizei vorgenommen?

Wie sind konkret die Unterstellungsverhältnisse beim Einsatz von Bundes-
wehrangehörigen zur Unterstützung ziviler Behörden oder Organisationen
geregelt?

 

Drucksache 18/6944 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

Inwiefern werden Soldatinnen und Soldaten zur Unterstützung von Ord-
nungsämtern eingesetzt, und welche Befugnisse habe sie dabei?

Wie viele der vom Bund zugesagten 40 000 Plätze in Erstaufnahmeeinrich-
tungen und Wartezentren sind derzeit tatsächlich bereitgestellt, und wie viele
davon werden genutzt?

a) Welche Gesamtkosten sind für den Betrieb dieser Einrichtungen bislang
angefallen (bitte möglichst pro Monat sowie nach den wesentlichen Kos-
tenpunkten aufschlüsseln)?

b) Übernimmt der Bund sämtliche Kosten für diese Einrichtungen, und wenn
nicht, welche stellt er den Bundesländern in Rechnung?

Welchem genauen Zweck dienen die Lehrgänge am Zentrum für Innere Füh-
rung?

a) Inwiefern sollen Soldatinnen und Soldaten als „Leitungspersonal“ in der
Flüchtlingshilfe eingesetzt werden?

b) Warum wird die Übernahme von Leitungsfunktionen für Soldatinnen und
Soldaten für sinnvoll oder notwendig erachtet?

c) Warum werden hierfür nicht bevorzugt nichtmilitärische Angestellte oder
Beamte des Bundes ausgebildet?

d) Welche anderen Möglichkeiten zur Entlastung des Leitungspersonals von
Hilfsorganisationen sind geprüft worden?

e) Inwiefern ist eine Aufstockung der Mittel von Hilfsorganisationen zwecks
Ausbildung geeigneten Personals geprüft worden?

Welche finanziellen Mittel wären hierfür nach Kenntnis der Bundesregie-
rung erforderlich?

Inwiefern sind andere Alternativen geprüft worden?

In welchen, mit Registrierung, Versorgung und Verteilung von Flüchtlingen
befassten Gremien ist die Bundeswehr vertreten?

Welche grundsätzliche Bedeutung hat die Zusammenarbeit mit zivilen Hilfs-
organisationen und Behörden im Inland für die Bundeswehr?

Inwiefern sind aus Sicht der Bundesregierung die Erfahrungen und Lernpro-
zesse im Zusammenhang mit der intensiven Zusammenarbeit der Bundes-
wehr mit zivilen Hilfsorganisationen und Behörden im Inland geeignet, auch
Planung und Durchführung von Auslandseinsätzen (etwa hinsichtlich der Zi-
vil-Militärischen Kooperation) zu erleichtern?

Inwiefern sind in die Unterstützungsleistungen im Bereich der Flüchtlings-
hilfe die Strukturen der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit sowie der Regi-
onalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte integriert?

Inwiefern kann die Bundeswehr tatsächlich ein „dauerhaftes“ Engagement in
der Flüchtlingshilfe zusichern, und wie ist der Begriff der „Dauerhaftigkeit“
genau zu verstehen?

Bedeutet dies auch, dass das hierfür abgestellte Personal in der jetzigen Höhe
keinesfalls abgezogen wird, um etwa in Auslandseinsätzen oder zu deren Un-
terstützung eingesetzt zu werden?

Inwiefern ist nach Auffassung der Bundesregierung ein „dauerhafter“ Ein-
satz von Soldatinnen und Soldaten mit dem Grundsatz der Subsidiarität bei
Amtshilfemaßnahmen überhaupt vereinbar?

 

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/6944

 

Inwiefern wird erwogen, die Bundeswehr im Zusammenhang mit Abschie-
bungen tätig werden zu lassen, und welche etwaigen Planungen gibt es
hierzu?

Berlin, den 27. November 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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