BT-Drucksache 18/6934

Strafverfolgung von IS-Mitgliedern wegen Verbrechen gegen die jesidische Bevölkerungsgruppe in Shengal

Vom 30. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6934
18. Wahlperiode 30.11.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,

Christine Buchholz, Annette Groth, Katrin Kunert, Niema Movassat,

Harald Petzold (Havelland), Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak und

der Fraktion DIE LINKE.

Strafverfolgung von IS-Mitgliedern wegen Verbrechen gegen die jesidische
Bevölkerungsgruppe in Shengal

Im August 2014 griff die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) die mehrheitlich
von Angehörigen der jesidischen Glaubensgemeinschaft besiedelte Region Shen-
gal (Sindjar) im Nordirak an. Tausende Jesidinnen und Jesiden wurden dabei von
den Dschihadisten als vermeintlich „Ungläubige“ massakriert, vor allem Frauen
und Mädchen gerieten in die Sklaverei des IS. 80 Prozent der Jesidinnen und
Jesiden aus Shengal wurden vertrieben und leben heute außerhalb ihrer ange
stammten Gebiete in Flüchtlingslagern im Nordirak, in Nordsyrien und der Türkei
(derstandard.at/2000022757647/Yeziden-fordern-IStGH-zu-Ermittlungen-gegen-
Jihadisten-auf).

Gemäß dem Bericht A/HRC728/18 vom 13. März 2015 des Büros des Hohen
Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) liegen An-
zeichen vor, dass der IS den Tatbestand des Völkermordes an der Bevölkerungs-
gruppe der Jesiden erfüllt haben könnte sowie auch die Tatbestände Verbrechen
gegen die Menschlichkeit (Mord, Versklavung, Vertreibung, Vergewaltigung
u. a. im Zuge weitverbreiteter und systematischer Attacken gegen die Zivilbevöl-
kerung) und Kriegsverbrechen. Das OHCHR empfiehlt in diesem Bericht, dass
der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN-Sicherheitsrat) eine Überstellung
an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Betracht ziehen solle.

Die Bundesregierung hatte erklärt, sie werde sich, „wie stets in Fällen eines Vor-
wurfs auf Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbre-
chen, dafür einsetzen, dass sich die Täter in einem fairen Verfahren vor einem
unabhängigen oder internationalen Gericht für ihre Taten verantworten müssen“
(Bundestagsdrucksache 18/5723).

Auch Interessenvertretungen der Jesiden im Irak wollen erreichen, dass der
IStGH Ermittlungen gegen den IS wegen Völkermordes und sexueller Verskla-
vung aufnimmt. Zwar haben weder der Irak noch Syrien das Statut des IStGH
unterzeichnet. Doch die jesidischen Interessensvertretungen übergaben Chefan-
klägerin Fatou Bensouda im September 2015 Dokumente von 20 IS-Kämpfern
aus IStGH-Staaten, gegen die Ermittlungen aufgenommen werden könnten
(derstandard.at/2000022757647/Yeziden-fordern-IStGH-zu-Ermittlungen-gegen-
Jihadisten-auf).

Drucksache 18/6934 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung gemäß ihrer Antwort auf
Bundestagsdrucksache 18/5723 bislang wann und in welcher Form und mit
welchem Ergebnis unternommen oder gedenkt sie wann und in welcher Form
zu unternehmen, damit „sich die Täter in einem fairen Verfahren vor einem
unabhängigen oder internationalen Gericht für ihre Taten verantworten müs-
sen“?

Sollte die Bundesregierung in dieser Angelegenheit bislang nicht tätig ge-
worden sein, warum nicht?

2. Inwieweit haben nach Kenntnis der Bundesregierung deutsche Gerichte Er-
mittlungen wegen der von Seiten des IS in Shengal begangenen Verbrechen
aufgenommen?

3. Auf welche unabhängigen nationalen oder internationalen Gerichte im Ein-
zelnen bezieht sich die Bundesregierung in ihrer Antwort zu Frage 3 auf
Bundestagsdrucksache 18/5723?

a) Welche besonderen Voraussetzungen bestehen nach Kenntnis der Bun-
desregierung jeweils, um ein entsprechendes Verfahren bei diesen Gerich-
ten einzuleiten?

b) Inwieweit liegen diese Voraussetzungen im gegebenen Fall jeweils vor?

c) Welche konkreten Schritte von welcher Seite müssten jeweils unternom-
men werden, damit es vor den jeweiligen Gerichten zu entsprechenden
Verfahren kommt?

4. Inwieweit und in welchem Ausmaß wurden nach Kenntnis der Bundesregie-
rung bislang im Irak einschließlich der Region Kurdistan Ermittlungen be-
züglich der Vorwürfe des Völkermordes, der Verbrechen gegen die Mensch-
lichkeit oder Kriegsverbrechen gegen den IS wegen seiner Taten insbeson-
dere gegen die Jesidinnen und Jesiden, aber auch gegen andere Bevölke-
rungsgruppen eingeleitet?

5. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung im Irak Überlegungen, das Rö-
mische Statut des IStGH zu unterzeichnen und zu ratifizieren?

Wenn ja, wie weit sind diese Überlegungen fortgeschritten?

Wenn nein, was ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Hinderungs-
grund?

6. Ist der Bundesregierung bekannt, ob die irakische Regierung geprüft hat bzw.
gegenwärtig prüft, die Verbrechen des IS an den Jesidinnen und Jesiden dem
IStGH gemäß Artikel 12 Absatz 3 des Römischen Statuts vorzulegen?

Wenn ja, wie sieht das Ergebnis aus?

Wenn nein, warum nicht?

7. Verfolgt der UN-Sicherheitsrat nach Kenntnis der Bundesregierung Überle-
gungen, die Verbrechen des IS gegen die jesidische Bevölkerung von Shen-
gal dem IStGH nach Artikel 13b des Römischen Statuts vorzulegen?

Wenn ja, wie weit sind derartige Überlegungen fortgeschritten, von welchen
Regierungen gehen entsprechende Initiativen aus, und welche konkreten
Schritte wurden diesbezüglich bereits eingeleitet?

Wenn nein, inwieweit besteht bei der Bundesregierung die Bereitschaft, dem
UN-Sicherheitsrat einen entsprechenden Antrag vorzulegen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6934

8. Welche rechtlichen, völkerrechtlichen und politischen Konsequenzen hätte
nach Kenntnis der Bundesregierung eine mögliche Einstufung der IS-Ver-
brechen gegen die jesidische Bevölkerung von Shengal als Genozid durch
den UN-Sicherheitsrat oder die Generalversammlung der UNO?

Berlin, den 26. November 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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