BT-Drucksache 18/6741

Stromkosten einkommensarmer Haushalte

Vom 11. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6741
18. Wahlperiode 11.11.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Dr. Julia Verlinden,
Markus Kurth, Bärbel Höhn, Brigitte Pothmer, Corinna Rüffer,
Beate Müller-Gemmeke, Dr. Thomas Gambke, Christian Kühn (Tübingen),
Annalena Baerbock, Matthias Gastel, Oliver Krischer, Steffi Lemke,
Peter Meiwald, Lisa Paus, Markus Tressel und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stromkosten einkommensarmer Haushalte

Steigende Stromkosten treffen Menschen mit niedrigen Einkommen härter als
Menschen mit höheren Einkommen. Aufgrund begrenzter finanzieller Mittel sind
einkommensarme Haushalte von wichtigen Möglichkeiten, ihren Energiever-
brauch und somit die Stromkosten zu senken, ausgeschlossen. So können sich
Menschen mit geringen Einkommen die Anschaffung energiesparender Geräte
oftmals nicht leisten. Zwar sind im Regelsatz Mittel für Neuanschaffungen ent-
halten, der Regelsatz ist jedoch so knapp bemessen, dass ein Ansparen für größere
Neuanschaffungen in der Regel nicht möglich ist. Zudem übersteigt die Strom-
rechnung bereits heute oft das dafür in den Regelsätzen vorgesehene Budget, da
die Strompreise schneller steigen als Regelsatzanpassungen vorgenommen wer-
den. Die Probleme sind schon lange bekannt, jedoch hat die Bundesregierung
nach Auffassung der Fragesteller immer noch keine Abhilfe geschaffen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung der durchschnittliche
Stromverbrauch und die durchschnittlichen Ausgaben für Strom der Haus-
halte, die ein Einkommen unterhalb der Armutsrisikoschwelle beziehen, und
wie haben sich der Stromverbrauch und die Ausgaben für Strom dieser Haus-
halte in den letzten zehn Jahren entwickelt?

2. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil des Nettoein-
kommens dieser Haushalte, der durchschnittlich für Strom ausgegeben wird,
und wie hat sich der Stromverbrauch dieser Haushalte in den letzten zehn
Jahren entwickelt (falls möglich bitte nach Einkommensdezilen aufglie-
dern)?

3. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die im Regelsatz vorgesehene
Erstattung von Stromkosten noch ausreichend ist?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

4. Wie hoch war in den letzten zehn Jahren jeweils die jährliche prozentuale
Steigerung der Stromkosten pro Kilowattstunden für private Kunden?

Drucksache 18/6741 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
5. Wie hoch war in den letzten zehn Jahren jeweils die jährliche prozentuale
Steigerung der im Regelsatz vorgesehenen Erstattung von Stromkosten, und
wie bewertet die Bundesregierung diese Entwicklung?

6. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass steigende Stromkosten dazu
beitragen können, dass mehr Haushalte auf Leistungen der Grundsicherung
oder andere bedarfsgeprüfte Leistungen angewiesen sind, und wenn ja, wa-
rum?

Wenn nein, warum nicht?

7. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem letzten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Regelsatz bezüg-
lich der Stromkosten (BVerfG v. 23.7.2014 – 1 BvL 10/12 u.a., RN 144),
nachdem die Entwicklung der Preise für Haushaltsstrom berücksichtigt wer-
den muss und der Gesetzgeber nicht auf die reguläre Fortschreibung der Re-
gelbedarfsstufen warten darf, wenn „eine existenzgefährdende Unterde-
ckung durch unvermittelt auftretende, extreme Preissteigerungen nicht aus-
zuschließen“ ist?

8. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus einer Studie im Auftrag von der CHECK24 Vergleichsportal für Versi-
cherungsprodukte GmbH, die zu dem Ergebnis kommt, dass Bezieherinnen
und Bezieher von Arbeitslosengeld II pro Monat durchschnittlich knapp
10 Euro – in Ostdeutschland sogar knapp 10,50 Euro – in anderen Bereichen
wie Nahrungsmittel oder Kleidung einsparen müssen, um ihre Stromrech-
nung bezahlen zu können (www.check24.de/files/p/2015/6/f/1/5074-2015-
02-16_check24_pm_stromkosten-hartz-iv.pdf)?

9. Wie begründet die Bundesregierung, dass Bezieherinnen und Bezieher von
Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und SGB XII
Heizkosten in tatsächlicher Höhe übernommen, Stromkosten hingegen nur
pauschal erstattet werden?

10. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag für Bezieherinnen und Be-
zieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)
und SGB XII die Stromkosten in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen, wie
er von Sozial- und Umweltverbänden im Rahmen der Charta zur sozial ge-
rechten Energiewende gemacht wurde (www.die-klima-allianz.de/charta-zur-
sozial-gerechten-energiewende-vorgestellt/)?

11. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag von Tacheles e.V. eine
zum Regelsatz zusätzliche, bedarfsorientierte Haushaltsenergiepauschale
einzuführen (tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/1756/)?

12. Ist die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Entwicklung bei den
Stromkosten der Ansicht, dass die Mehrbedarfe für dezentrale Warmwasser-
versorgung nach § 21 Absatz 7 SGB II und § 30 Absatz 7 SGB XII noch
ausreichend sind, und wenn ja, warum?

Und wenn nein, warum nicht, und welche Schlussfolgerungen und Konse-
quenzen zieht sie daraus?

13. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über den Stromverbrauch und die
Energieklassen der Elektrogeräte von Haushalten nach Einkommensgrup-
pen, und welche Kenntnis hat die Bundesregierung über den Stromverbrauch
und die Energieklassen der Elektrogeräte von Haushalten, die Grundsiche-
rungsleistungen oder Wohngeld beziehen?

14. Erwägt die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Urteils des Bundes-
verfassungsgerichts vom 23. Juli 2014 (1 BvL 10/12 ), nach dem „der Ge-
setzgeber […] in dem von ihm gewählten Modell sicherzustellen hat, dass

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6741
Unterdeckungen, die aufgrund des statistisch ermittelten, durch nachträgli-
che Kürzungen modifizierten monatlichen Pauschalbetrags entstehen, im
Wege eines internen Ausgleichs oder Ansparens auch tatsächlich gedeckt
werden können“ (Randnummer 147) die sogenannte weiße Ware, wie Kühl-
schrank und Waschmaschine, aus dem Regelsatz herauszunehmen und die
gesetzliche Möglichkeit zu schaffen diese auf Antrag zu bewilligen?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

Und welche anderen diesbezüglichen Maßnahmen erwägt die Bundesregie-
rung?

15. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag der Diakonie Deutschland
 Evangelischer Bundesverband Evangelisches Werk für Diakonie und Ent-
wicklung e. V. bei der Festlegung von Angemessenheitsgrenzen für die
Übernahme von Kosten der Unterkunft, die Energiebilanz des Gebäudes zu
berücksichtigen (www.diakonie.de/media/Texte-04_2014__Gewaehrleistung-
von-Wohnraum.pdf)?

16. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass steigende Energiekosten dazu
beitragen können, dass mehr Haushalte auf Leistungen der Grundsicherung
oder andere bedarfsgeprüfte Leistungen angewiesen sind, und wenn ja, wa-
rum?

Wenn nein, warum nicht?

17. Sind der Bundesregierung von der Grundsicherung unabhängige finanzielle
Kompensationsmodelle für Stromkosten bekannt, die dazu beitragen könn-
ten, dass weniger einkommensarme Menschen auf die Grundsicherung oder
andere bedarfsgeprüfte Leistungen angewiesen sind, und wenn ja, wie be-
wertet sie diese jeweils?

Berlin, den 11. November 2015

Katrin Göring-Eckardt, Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.