BT-Drucksache 18/6191

Wissenschaftsfreiheit und Wissenschaftsverantwortung sicherstellen

Vom 29. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6191

18. Wahlperiode 29.09.2015

Antrag

der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Dr. Rosemarie Hein, Ulla

Jelpke, Jan Korte, Jutta Krellmann, Ralph Lenkert, Cornelia Möhring, Norbert

Müller (Potsdam), Petra Pau, Harald Petzold (Havelland), Dr. Petra Sitte,

Frank Tempel, Katrin Werner, Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich und

der Fraktion DIE LINKE.

Wissenschaftsfreiheit und Wissenschaftsverantwortung sicherstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Wissenschaftsfreiheit ist ein hohes Gut, das aus gutem Grund in Artikel 5 Abs.
3 Satz 1 des Grundgesetzes verankert wurde. Gerade die deutsche Vergangenheit, in
der die Wissenschaft selbst sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch
von Seiten des Staates instrumentalisiert wurden, macht dies deutlich. So hat bei-
spielsweise die Indienstnahme von Wissenschaft für Kriegszwecke eine lange und
unrühmliche Tradition: Ohne die Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wis-
senschaftlern an militärischen Projekten wären der Erste und Zweite Weltkrieg in
dieser Form nicht möglich gewesen – allzu bereitwillig stellten sich manche in den
Dienst der NS-Diktatur und einer imperialistisch-chauvinistischen Politik.

Gleichwohl kann es die absolute Freiheit oder Neutralität der Wissenschaft nicht
geben. Wissenschaft bewegt sich seit jeher innerhalb eines durch gesellschaftliche
und soziale Strukturen vorgegebenen und sich durch politische Interessen sowie ge-
sellschaftliche Kräfteverhältnisse stetig verändernden Spannungsfeldes.

Das Bundesverfassungsgericht erlaubt eine Einschränkung der Freiheit von For-
schung und Lehre an öffentlich finanzierten Hochschulen und außeruniversitären
Forschungseinrichtungen nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe, wie z. B. der
Verletzung oder Bedrohung anderer grundgesetzlich geschützter Rechte. Der Schutz
der Freiheit der Wissenschaft erstreckt sich sowohl auf Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler als auch auf weitere am Wissenschaftsprozess Beteiligte, wie z. B.
Studierende. Darüber hinaus beeinflusst Wissenschaftsfreiheit die Rechte und
Pflichten von Organisationen, in denen Lehre und Forschung betrieben wird, sowie
deren Entscheidungsstrukturen.

Das Gleichgewicht von Wissenschaftsfreiheit und Wissenschaftsverantwortung
droht zunehmend außer Balance zu geraten, was bereits von verschiedenen Organi-
sationen im Bereich der Wissenschaftspolitik, beispielsweise vom Wissenschaftsrat
[Empfehlungen zu wissenschaftlicher Integrität (2015)] oder dem Bundesverfas-
sungsgericht angemahnt wurde. Die Mehrheit der Professorinnen und Professoren in
Deutschland klagt über einen Verlust an Entscheidungsfreiheit und Mitbestim-

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mungsmöglichkeiten sowie über einen zunehmenden Druck von Seiten der Hoch-
schulleitungen [vgl. Leischner, Franziska/Rüthemann, Julia (2015): Schaffung eines
förderlichen Arbeitsumfeldes an Hochschulen, S. 70]. Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler wünschen sich wieder mehr eigene Zeit- und Themen- Souveränität.
Dass nahezu alle bedeutenden wissenschaftspolitischen Organisationen in Deutsch-
land ihre Richtlinien oder Empfehlungen zum Thema wissenschaftliche Integrität
und Wissenschaftsverantwortung überarbeitet bzw. eigene erstellt haben, unter-
streicht die Dringlichkeit, im Wissenschaftssystem Änderungen herbeizuführen
[z. B. Wissenschaftsrat (2015): Empfehlungen zu wissenschaftlicher Integrität so-
wie Leopoldina und DFG (2015): Freiheit und Verantwortung der Wissenschaft].

Dies gilt ebenso für den Bereich der Lehre: Die Vermittlung des selbstbestimmten
wissenschaftlichen Arbeitens wird zunehmend durch eine Orientierung an den kurz-
fristigen Bedarfen des Arbeitsmarktes überlagert. Insbesondere in den Bachelor-
studiengängen besteht kaum noch Wahlfreiheit für die Studierenden. Strikte Modul-
und Prüfungsordnungen haben zu einer „Verschulung des Studiums“ geführt. Die
Möglichkeit für Studierende, über den „Tellerrand“ ihres Studienfaches hinaus zu
sehen, besteht kaum noch.

Begrüßenswert ist, dass sich die Zahl der Studierenden und der Anteil der Studien-
anfängerinnen und -anfänger an den jeweiligen Altersgruppen deutlich erhöht haben.
Die 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes (2013) belegt jedoch eine
soziale Selektivität: Der Anteil der jungen Menschen, der aus einem akademischen
Elternhaus kommt und ein Studium aufnimmt, ist immer noch etwa drei Mal so hoch
wie bei jungen Menschen, die aus einem nichtakademischen Elternhaus kommen.
Die seit 2010 stagnierenden BAföG-Sätze und -Freibeträge sind hierfür mitverant-
wortlich. Die Ende 2014 beschlossene Erhöhung der Höchstsätze und Freibeträge
für das Wintersemester 2016 werden die seit 2010 angefallene Preissteigerung nicht
kompensieren. Der Anteil der Studierenden, er eine Förderung durch das BAföG
erhält, liegt aktuell bei nur 16 Prozent. In den Jahren 2013 und 2014 ist die Anzahl
der BAföG-Empfängerinnen und -Empfänger gesunken, obwohl im gleichen Zeit-
raum ein deutlicher Anstieg der Studierendenzahlen erfolgte. Trotz allem wird wei-
terhin eine Debatte über die erneute Einführung von Studienbeiträgen befördert und
durch Instrumente wie das Deutschlandstipendium weiter vorbereitet. Ebenso ver-
stärken nicht-monetäre Zulassungsbeschränkungen zu Studiengängen, insbesondere
bei Master-Programmen, den Ausschluss von jungen Menschen, die aus einem
nichtakademischen Elternhaus kommen.

Die Gründe für die beschriebenen Entwicklungen sind in der seit etwa 15 Jahren
andauernden Umsetzung des sogenannten New Public Management und der damit
verbundenen Ökonomisierung der öffentlichen Verwaltungen zu sehen. Die Grund-
annahme dieser Theorie, der Wettbewerb sei die bestmögliche Organisationsform,
wurde bereits vielfach widerlegt [z. B. Club of Rome (2006): Grenzen der Privati-
sierung]. Die sich hieraus ergebenden massiven Fehlentwicklungen und Nebenwir-
kungen werden nicht nur im Wissenschaftssystem seit Jahren diskutiert und zu Recht
kritisiert. So ergab beispielsweise eine vom Senat der Vereinigten Staaten von Ame-
rika in Auftrag gegebene Studie aus dem Jahr 2012, dass die im Wettbewerb um
Finanzmittel stehenden privaten, profitorientierten Hochschulen einen größeren
Teil ihres Budgets für Marketing oder Ausschüttungen an ihre Eigentümer
aufwendeten als für die Lehre (Personal, Unterrichtsmaterialien, Gebäude usw.)
(http://www.help.senate.gov/imo/media/for_profit_report/PartI-PartIII-SelectedAp-
pendixes.pdf).

In Deutschland wurde ein Wettbewerb zwischen den Hochschulen erzeugt, indem
ihre bereits unzureichende Grundfinanzierung weiter beschnitten wurde. Die hier-
durch eingesparten Gelder werden seither in Form von sogenannten Erfolgs- oder
Leistungsbudgets, die die Unterfinanzierung nur zu einem Teil kompensieren kön-
nen und sollen, als Belohnung an die im Wettbewerb erfolgreichen Hochschulen
ausgeschüttet. Anhand sehr umstrittener Indikatoren, wie z. B. veröffentlichter Arti-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6191
kel in Peer-Review-Zeitschriften und eingeworbenen Drittmitteln, werden diese Er-
folgs- und Leistungsbudgets an Hochschulen verteilt. Die Verwendung dieser Indi-
katoren hat bei den Hochschulleitungen sowie bei den Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern eine Veränderung des Verhaltens bewirkt: Sie sind zunehmend auf
ein erfolgreiches Abschneiden im Indikatorensystem orientiert, die Generierung von
Erkenntnisfortschritten rückt dabei in den Hintergrund [z. B. Münch, Richard
(2011): Akademischer Kapitalismus, S. 135 ff. und Wissenschaftsrat (2015): Emp-
fehlungen zu wissenschaftlicher Integrität, S. 25].

Fast jeder zweite an den Hochschulen für Forschung verausgabte Euro stammt aus
Drittmitteln. Die großen Drittmittelgeber erhalten so einen zunehmenden Einfluss
auf Inhalt, Methodik, Ausrichtung und Zweck der an Hochschulen betriebenen For-
schung und der sich daraus ableitenden Lehre. Es entstehen Durchgriffsmöglichkei-
ten von Seiten des Drittmittelgebers, die bis zu strukturellen Veränderungen
innerhalb der Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen
reichen, wie z.B. im Falle der Exzellenzinitiative (vgl. Kleiner, Matthias
http://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/reden_stellungnahmen/2012/state-
ment_kleiner_exin_120615.pdf).

Die Bundesregierung befördert diese Tendenz durch den massiven Ausbau ihrer Pro-
jektförderung (vgl. www.bmbf.de/press/3451.php), deren Ausgestaltung sie zuneh-
mend Beratungs- und Expertengremien (z. B. Bioökonomierat oder Plattform Elekt-
romobilität) überlässt, die sich zu einem großen Teil aus Vertreterinnen und Vertre-
tern von Unternehmen zusammensetzt [vgl. Ober, Steffi (2014): Partizipation in der
Wissenschaft, S. 8], die dadurch an Einfluss gewinnen.

Diese Finanzierungsarchitektur beeinflusst die Personalstrukturen der deutschen
Hochschulen und damit direkt den Bereich Wissenschaftsverantwortung. Während
der Anteil der Professorinnen und Professoren an der gesamten Zahl der wissen-
schaftlichen Beschäftigten stetig abnimmt, steigt die Anzahl der Teilzeit- und befris-
teten sowie der nebenberuflichen Beschäftigungsverhältnisse wie z. B. als Lehrbe-
auftragte, rasant. Über 80 Prozent der hauptberuflich angestellten Wissenschaftle-
rinnen und Wissenschaftler sind befristet beschäftigt. Dabei beträgt die Laufzeit der
Hälfte dieser Verträge weniger als ein Jahr.

Mit dem Wettbewerb um die wenigen unbefristeten Stellen, die einen dauerhaften
Verbleib im Wissenschaftssystem ermöglichen, ist ein Anreizsystem geschaffen, bei
der Abwägung von Nutzen und Risiken sowie den Ergebnissen der Forschung zu
manipulieren [z. B. Wissenschaftsrat (2015): Empfehlungen zu wissenschaftlicher
Integrität, S. 25/26]. Die kurzen Beschäftigungsverhältnisse des wissenschaftlichen
Personals jenseits der Professur können darüber hinaus zu einem fehlenden Prob-
lembewusstsein bezüglich ethischer Fragestellungen und Risiken im Forschungsfeld
führen. Besonders gefährlich kann dies werden, wenn keine ausreichende Aus- und
Fortbildung im Umgang mit risikoreichen Forschungsgegenständen (z. B. hochin-
fektiösen Viren) stattfindet.

Diese Entwicklungen führen insgesamt zu inhaltlicher und methodischer Verarmung
in der Wissenschaft. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden zu Anbiete-
rinnen und Anbietern von Dienstleistungen auf dem Forschungsmarkt, wo sie nur
bedingt Einfluss auf die von ihnen zu erbringende Leistung nehmen können. Auf-
träge zu unethischer oder risikobehafteter Forschung lassen sich nur unter der Gefahr
zurückweisen, aus dem Wettbewerb auszuscheiden und seine Zukunftsperspektive
zu verlieren. Innerhalb dieser Strukturen ist es für viele Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler nur noch schwer möglich, eine objektive Abwägung zwischen ge-
samtgesellschaftlichen Risiken und Nutzen und ethischen Implikationen ihrer For-
schung vorzunehmen.

Der Bundestag ist aufgefordert, Maßnahmen für den Schutz und die Absicherung
der grundgesetzlich garantierten Freiheit von Forschung und Lehre zu ergreifen so-
wie die verantwortungsvolle Wissenschaft zu bewahren. Ein Umsteuern, zugrunde-
liegende Fragen der Ethik und die Einschätzung von Risiken und Chancen neuer

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Erkenntnisse nicht nach ökonomischer Verwertbarkeit zu beurteilen, ist dringend
geboten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Freiheit von Forschung und Lehre zu schützen, indem

a. gemeinsam mit den Ländern eine Reform der Karrierewege und Per-
sonalstrukturen im Wissenschaftsbereich eingeleitet wird, um Be-
schäftigten eine breitere Berufsperspektive neben der Professur zu er-
möglichen;

b. mit einem Anreizprogramm zehn Jahre lang die Einrichtung von
100.000 unbefristeten Stellen an Hochschulen gefördert wird. Dabei ist
eine Besetzung der Stellen mit einem Anteil von 50% Frauen anzustre-
ben;

c. sie dem Bundestag umgehend einen Entwurf zur Änderung des Bun-
desausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) vorlegt, der die Bedarfs-
sätze an den tatsächlichen Bedarf für Lebensunterhalt und Ausbildung
anpasst;

d. die Erhebung von Studiengebühren für jegliche mit Bundesmitteln ge-
förderten Studienplätze ausgeschlossen wird;

e. sie ein Bundesgesetz für den Hochschulzugang erarbeitet, das sowohl
den Zugang zu Bachelor- als auch zu Masterstudiengängen verbindlich
regelt. Dabei sollte eine Öffnung für Menschen mit beruflicher Quali-
fikation und ein offener Zugang zum Masterstudium ohne weitere Hür-
den verankert werden;

f. sie sich gegenüber der Kultusministerkonferenz für eine Änderung der
Strukturvorgaben für Bachelor- und Masterstudiengänge einsetzt, die

i. als Studienziele wissenschaftliches Arbeiten, Persönlichkeitsent-
wicklung und die Fähigkeit, gesellschaftliche Prozesse und die
Verwertung der eigenen wissenschaftlichen Arbeit zu hinterfra-
gen, gleichrangig neben der beruflichen Qualifizierung festschrei-
ben;

ii. eine deutliche Entschleunigung der Bachelor- und Masterstudien-
gänge anstrebt und gewährleistet, dass in sämtlichen Studiengän-
gen ein angemessener Anteil der Module bzw. Lehrveranstaltun-
gen von mindestens 25 Prozent der insgesamt zu erbringenden
Leistungspunkte durch die Studierenden frei wählbar ist;

iii. sicherstellt, dass die reguläre Arbeitsbelastung von Studierenden
außerhalb der sechs Wochen Ferienzeit eine durchschnittliche
Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden nicht überschreitet, die
Möglichkeit zum Studieren in Teilzeit besteht sowie Anwesen-
heitsüberprüfungen in Lehrveranstaltungen ausschließt;

2. die Selbstverwaltung der Wissenschaft zu schützen und auf die Länder
einzuwirken, um gemeinsam mit ihnen

a. eine gleichberechtigte Beteiligung von Studierenden, Lehrenden und
Beschäftigten in allen Gremien der akademischen Selbstverwaltung
der Hochschulen sicherzustellen;

b. alle zentralen Entscheidungskompetenzen, insbesondere das Satzungs-
recht, das Haushaltswesen, die Struktur- und Entwicklungsplanung,
die Berufung von Professorinnen und Professoren sowie die Wahl der
Leitungsstrukturen) auf die demokratisch gewählten Gremien der aka-
demischen Selbstverwaltung zu übertragen;

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c. auf eine gleichwertige Vertretung der vier Statusgruppen in diesen
Gremien hinzuwirken und nur soweit das Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichts dies vorsieht, entsprechende alternative Abstimmungs-
prozesse zu implementieren;

d. in den von Bund und Ländern gemeinsam finanzierten außeruniversi-
tären Forschungseinrichtungen von den Statusgruppen demokratisch
gewählte Selbstverwaltungsstrukturen, ähnlich wie in den Hochschu-
len, einzurichten;

e. Instrumente, die zur Umsetzung des New Public Management an Uni-
versitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen eingeführt
wurden, zurückzunehmen und eine Modernisierung der Wissen-
schaftsverwaltung unter Wahrung der Selbstverwaltung der Wissen-
schaft anzustoßen;

3. die Autonomie von öffentlich finanzierten Hochschulen und außeruniversi-
tären Forschungseinrichtungen zu schützen und

a. gemeinsam mit den Ländern, unter Berücksichtigung der am
01.01.2015 in Kraft getretenen Änderung des Artikels 91b des Grund-
gesetzes, umgehend ein Finanzierungsmodell für eine auskömmliche
Grundfinanzierung von Forschung und Lehre zu erarbeiten und umzu-
setzen;

b. die Summe der wettbewerblich an Hochschulen und außeruniversitä-
ren Forschungseinrichtungen vergebenen Finanzmittel in eine Grund-
finanzierung umzuwandeln und ihnen dauerhaft zur Verfügung zu
stellen;

c. die Exzellenzinitiative mit Ablauf der derzeit laufenden Förderperiode
einzustellen, um mit den frei werdenden Finanzmitteln eine Verbesse-
rung der Grundfinanzierung der Hochschulen zu ermöglichen;

d. auf die Länder einzuwirken, die Finanzierung ihrer Hochschulen sowie
der gemeinsam finanzierten außeruniversitären Forschungseinrichtun-
gen nicht an umstrittene, auf Wettbewerb abzielende Indikatoren zu
koppeln;

e. in die Beratungs- und Steuerungsgremien zur Forschungs- und Inno-
vationspolitik den Sachverstand der organisierten gemeinnützigen Zi-
vilgesellschaft gleichberechtigt mit Wirtschaft und institutioneller
Wissenschaft einzubeziehen;

f. Forschungsprogramme zukünftig in einem transparenten und partizi-
pativen Prozess zu entwickeln, der neben Expertenwissen auch geeig-
nete, etwa digitale Formen der Mitsprache der Allgemeinheit einbin-
det. Programme sollen die Prioritätensetzung in angemessener Form
darlegen und im Entwurfsstadium den jeweils zuständigen Fachaus-
schüssen des Deutschen Bundestages zur Beratung vorgelegt werden;

4. Integrität und verantwortungsvolles Handeln in der Wissenschaft gemein-
sam mit den Ländern zu stärken und darauf hinzuwirken,

a. dass die Hochschulen die Vermittlung guter wissenschaftlicher Praxis
bereits zu einem frühen Zeitpunkt im Studium als verpflichtenden Be-
standteil in die Curricula aufnehmen;

b. dass Kodizes für verantwortungsvolle Forschung an allen öffentlich fi-
nanzierten Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtun-
gen eingeführt werden und ihre Ombudsstellen und Kommissionen zur
Aufklärung wissenschaftlichen Fehlverhaltens sich stärker national
und international austauschen und zusammenarbeiten;

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c. dass ähnlich den Vorschlägen des Ethikrates zur Biosicherheit, für die
einzelnen Forschungsgebiete sogenannte DURC (Dual Use of Con-
cern) Kommissionen, bestehend aus Expertinnen und Experten aus
dem jeweiligen Fachgebiet sowie aus dem Gebiet der Sicherheit ein-
gerichtet werden, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu be-
raten;

d. dass die Hochschulen über eine ausreichende Finanzausstattung verfü-
gen, um für Lehrende zur Vermittlung guter wissenschaftlicher Praxis
geeignete Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten;

e. dass die Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtun-
gen Forschungsdaten internationalen Standards entsprechend aufarbei-
ten, für einen ausreichend langen Zeitraum aufbewahren und für An-
schlussforschung zugänglich machen;

f. dass die Zugänglichmachung und Offenlegung von Kooperations- und
Stiftungsverträgen mit Hochschulen, außeruniversitären Forschungs-
einrichtungen und der Deutschen Forschungsgemeinschaft als Ver-
pflichtung in den jeweiligen Gesetzen zur Informationsfreiheit und zu
Hochschulen verankert wird;

g. den Wissenschaftsrat, die Hochschulrektorenkonferenz sowie die Alli-
anz der Wissenschaftsorganisationen um die Erstellung eines Katalogs
zur guten Praxis bei der Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft
zu ersuchen, der als verbindliche Richtschnur von den Einrichtungen
akzeptiert wird. Definiertes Ziel muss der Schutz der wissenschaftli-
chen Autonomie durch mehr Selbstbestimmung der einzelnen Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftler sowie eine starke Beteiligung der
gewählten Selbstverwaltungsgremien sein;

h. die Programme des Bundes zur Förderung von Wissenstransfer aus der
öffentlichen Wissenschaft in die private Wirtschaft im Sinne des zu
erstellenden Katalogs guter Praxis zu überarbeiten. Ein Transparenz-
gebot für die Kooperationsverträge, Regeln zum Kooperationsmanage-
ment und zum Umgang mit Immaterialgüterrechten an den For-
schungsergebnissen ist in den Ausschreibungen zu verankern.

Berlin, den 29. September 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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