BT-Drucksache 18/6036

Mögliche Unzulässigkeit von Schadensersatzklage von Vattenfall vor dem Internationalen Schiedsgericht nach europäischem Recht

Vom 21. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6036
18. Wahlperiode 21.09.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Klaus Ernst, Caren Lay, Herbert Behrens,

Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, Birgit Menz, Thomas Nord,

Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Sahra Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE.

Mögliche Unzulässigkeit von Schadensersatzklage von Vattenfall vor
dem Internationalen Schiedsgericht nach europäischem Recht

Der Atomkonzern Vattenfall betreibt nach der atomrechtlichen Verfügung zur
endgültigen Stilllegung seiner Atommeiler Brunsbüttel und Krümmel eine Scha-
densersatzklage vor dem Schiedsgericht in Washington auf Basis der Ener-
giecharta gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesregierung hat dar-
über informiert, dass Vattenfall auf diesem Weg eine Summe von rund 4,7 Mrd.
Euro als Schadensersatz für die im Jahr 2011 per Atomgesetz verfügte endgültige
Abschaltung dieser Atommeiler einklagen will.

Die Zulässigkeit dieses Vorgehens von Vattenfall steht aber möglicherweise mit
den rechtlichen Bestimmungen der Europäischen Union (EU) in Konflikt, wie sie
in Artikel 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festge-
legt sind. Auf dieses Problem wurde nach Kenntnis der Fragesteller von einem
Vattenfall-Vertreter während einer Atomrechtstagung in Luzern am
3. September 2015 im Beisein auch von Vertretern aus Bundesbehörden berichtet.
Dort war die Rede davon, dass es mit Bezug auf Artikel 3 Absatz 2 ein „Span-
nungsfeld“ aufgrund des „Exklusivrechts der EU“ gäbe, nach der „kein Recht von
EU-Staaten“ existiere, „untereinander aus ECT gegeneinander vorzugehen“
(ECT: Energy Charter Treaty).

Nach langem Zögern hat Vattenfall nun vor wenigen Wochen auch für das letzte
der nach Fukushima abgeschalteten Atomkraftwerke (AKW) in Krümmel einen
Stilllegungsantrag bei der zuständigen Atomaufsicht eingereicht. Dass dies bis-
lang nicht erfolgt war, war damit in Verbindung gebracht worden, dass Vattenfall
die grundsätzliche Betriebsbereitschaft des AKW Krümmel erhalten wollte, um
so den Druck auf den angestrebten Schadensersatz hochzuhalten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie ist der aktuelle Stand des laufenden Schadensersatzverfahrens von Vat-
tenfall für die AKW Brunsbüttel und Krümmel vor dem Internationalen
Schiedsgericht auf Basis der Energiecharta?

2. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die von einem Vattenfall-
Mitarbeiter auf der Atomrechtstagung am 3. September 2015 in Lu-
zern/Schweiz gemachten Aussagen zum Exklusivrecht der EU, nachdem es
kein Recht von EU-Staaten gäbe, untereinander auf der Basis der Ener-
giecharta gegeneinander vorzugehen, und welche Schlussfolgerungen zieht
die Bundesregierung daraus?

Drucksache 18/6036 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

3. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung mit Blick auf Artikel 3 des
Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder anderer EU-
Rechte, eine Beendigung oder Einstellung des Schiedsgerichtsverfahrens in
Washington zu erreichen?

4. Welche Gespräche hat es zwischen der Bundesregierung und der schwedi-
schen Regierung über das Verfahren vor dem Schiedsgericht in Washington
gegeben (bitte Datum, Inhalte und Ergebnisse nennen)?

5. In welcher Weise hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die EU zu
dem Schiedsgerichtsverfahren in Washington mit welchen Inhalten und mit
Bezug auf welche rechtlichen Hintergründe wem gegenüber geäußert, und
welches Gremium hat dies jeweils getan?

6. In welchem Rahmen und zwischen welchen Stellen, Institutionen oder Gre-
mien wird nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit mit Blick auf die Re-
gelungen des EU-Rechts und dem laufenden Schiedsverfahren auf Basis des
ECT über die Unzulässigkeit dieses Vorgehens von Vattenfall gesprochen,
verhandelt oder beraten?

7. Besteht zwischen dem Stilllegungsantrag von Vattenfall für das AKW
Krümmel und dem laufenden Schiedsgerichtsverfahren nach Einschätzung
der Bundesregierung ein Zusammenhang (bitte begründen)?

Berlin, den 21. September 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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