BT-Drucksache 18/5839

Journalistinnen und Journalisten sowie Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber vor Strafverfolgung schützen und Unabhängigkeit der Justiz sicherstellen

Vom 19. August 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5839
18. Wahlperiode 19.08.2015
Antrag
der Abgeordneten Jan Korte, Halina Wawzyniak, Karin Binder, Harald Petzold
(Havelland), Dr. Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE.

Journalistinnen und Journalisten sowie Hinweisgeberinnen und
Hinweisgeber vor Strafverfolgung schützen und Unabhängigkeit
der Justiz sicherstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die durch Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes geschützte Pressefreiheit
ist die Basis einer demokratischen Gesellschaft. Wo Journalistinnen und Jour-
nalisten Strafverfolgung und Repression befürchten müssen und eingeschüch-
tert werden, können keine öffentliche Kontrolle und freie Meinungsbildung er-
folgen. Die in Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes geschützte Mei-
nungsfreiheit kann nur durch den freien Zugang zu Informationen sichergestellt
werden. Kritischer und investigativer Journalismus stellt die Informationen zur
Verfügung, die für gesellschaftliche Debatten wichtig sind. Die vom Bundesamt
für Verfassungsschutz (BfV) durch seine Anzeige vom Frühjahr 2015 initiierten
Ermittlungen des Generealbundesanwalts wegen Landesverrats gegen die Blog-
ger von netzpolitik.org Markus Beckedahl und André Meister stellen einen An-
griff auf die Pressefreiheit dar und eignen sich zur Einschüchterung von ihnen
und anderen mutigen Journalistinnen und Journalisten und deren Informantin-
nen und Informanten. Die Blogger hatten von Plänen des BfV zum Ausbau der
Internetüberwachung berichtet und u. a. Teile des Haushaltsplans des BfV von
2013 veröffentlicht, die als vertraulich eingestuft waren. Gerade im digitalen
Zeitalter und den mannigfachen Überwachungsmöglichkeiten, die der NSA-/
BND-Skandal vorgeführt hat, ist investigativer und mutiger Journalismus un-
verzichtbar. Er stellt Transparenz über die für Bürgerinnen und Bürger unein-
sichtigen Machenschaften der Geheimdienste und andere bedeutende Vorgänge
her, an denen der Bundestag und die Bürgerinnen und Bürger ein berechtigtes
Erkenntnisinteresse haben. Nur so wird überhaupt die dringend notwendige ge-
sellschaftliche Debatte darüber möglich, wie viel die Freiheit Wert ist und wie
viel Einschränkungen wir aus Sicherheitserwägungen bereit sind zu dulden.

In einer Studie des Journalisten-Verbandes (DJV) sind 164 Fälle aus den Jahren
1987 bis 2000 erfasst, in welchen Ermittlungen gegen Medienangehörige er-
folgten. Das wohl bekannteste Verfahren in der Bundesrepublik Deutschland
wegen Landesverrats gegen die Presse betraf das Spiegel-Magazin im Jahr
1962, in dem aufgrund von geheimen Unterlagen des Bundesverteidigungsmi-
nisteriums über das Nato-Herbstmanöver „Fallex 62“ berichtet wurde, das sogar
zur Inhaftierung unter anderem der Redakteure führte. Das macht deutlich: Die
Strafverfolgung des „publizistischen Landesverrates“ ist eine Gefährdung für

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die Pressefreiheit und damit für die Demokratie und gehört abgeschafft. Neben
dem Landesverrat nach § 94 des Strafgesetzbuchs (StGB) bergen auch andere
Straftatbestände wie das Offenbaren von Staatsgeheimissen (§ 95 StGB) und
die Preisgabe von Staatsgeheimnissen (§ 97 StGB) sowie der Geheimnisverrat
(§ 353b StGB) ein Strafverfolgungsrisiko für Journalistinnen und Journalisten,
das es auszuschließen gilt.

Deren Arbeit ist außerdem in einem gewissen Maß auch von mutigen Hinweis-
geberinnen und Hinweisgebern (Whistleblower) abhängig, die sie über Miss-
stände und Grundrechtseingriffe, widerrechtliche Handlungen und andere für
die Bevölkerung relevante Vorgänge aufklären. Der Fall Snowden hat eindrück-
lich die besondere Bedeutung von Whistleblowern für die Demokratie und die
Notwendigkeit auch ihres Schutzes vor Repression verdeutlicht. Umfassende
Regelungen im Bereich des Strafrechts, des Arbeitsrechts und des Medienrechts
sind zu ihrem Schutz notwendig.

Die Möglichkeit der politischen Einflussnahme auf die Justiz, auch auf die
Staatsanwaltschaften, ist problematisch. Sie mag im Fall von netzpolitik.org
grundrechtsfreundlich motiviert gewesen sein, aber das muss nicht immer der
Fall sein. Die Staatsanwaltschaften haben ein weites Ermessen im Hinblick auf
Verfahrenseinstellungen, sie haben weitreichende Ermittlungsbefugnisse und
können in Grundrechte auch teilweise ohne vorherige richterliche Prüfung ein-
greifen. Ihre Unabhängigkeit von der Politik ist daher ein Gebot des Rechts-
staats, da sonst die Gefahr der Beeinflussung der Regierung bei unliebsamen
Verfahren bestünde. Das Berichtswesen, dem die Staatsanwältinnen und Staats-
anwälte wegen der Dienstaufsicht gegenüber den Justizministerien unterliegen,
kann zu vorauseilendem Gehorsam führen, so dass bestimmte Ermittlungen gar
nicht erst getätigt oder Verfahren eingestellt werden. Das Weisungsrecht der
Justizministerien nach § 146 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) und das
Recht zur Aufsicht und Leitung nach § 147 GVG (Dienstaufsicht) gegenüber
den Staatsanwaltschaften ist daher abzuschaffen. Der Generalbundesanwalt
sollte als unabhängige Institution arbeiten und nicht mehr in der Funktion eines
„politischen Beamten“ nach § 54 Absatz 1 Nummer 5 des Bundesbeamtenge-
setzes (BBG), der jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden
kann. Die Stärkung des Rechtsstaates erfordert eine den Richterinnen und Rich-
tern gleiche Unabhängigkeit der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
einen Gesetzentwurf vorzulegen, der

1. Personen von der Strafverfolgung lediglich wegen der Veröffentlichung von
als geheim eingestuften Dokumenten befreit,

2. einen umfassenden Schutz von Personen, die Informationen weitergeben oder
veröffentlichen, um auf Missstände und Grundrechtsverletzungen, widerrecht-
liche Handlungen oder allgemeine Gefahren für Leben, Gesundheit, Freiheit
und Umwelt hinzuweisen, insbesondere vor Strafverfolgung, vor arbeitsrechtli-
chen Sanktionen und im Medienrecht gewährleistet,

3. die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften sicherstellt, indem das Wei-
sungs-, Aufsichts- und Leitungsrecht der Bundes- und Landesjustizministerin-
nen und -justizminister durch Streichung der §§ 146, 147 GVG abgeschafft und
eine den Richterinnen und Richtern gleiche Unabhängigkeit eingeführt wird so-
wie dem Generalbundesanwalt statt der in § 54 Absatz 1 Nummer 5 BBG vor-
gesehenen Funktion eines politischen Beamten, der jederzeit in den Ruhestand
versetzt werden kann, eine unabhängige Konstitution eingeräumt wird.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5839
Berlin, den 18. August 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Die für eine Demokratie konstituierende Pressefreiheit gilt es zu schützen. Neben dem Grundgesetz, das sie in
Artikel 5 GG gewährleistet, ist sie auch Bestandteil des Europa- und Völkerrechts. Artikel 19 des Internationa-
len Paktes über bürgerliche und politische Rechte, Artikel 11 der EU-Grundrechtecharta und Art. 10 der Euro-
päischen Menschenrechtskonvention verschaffen ihr europaweit und international Gültigkeit.

Die Vorschriften des Landesverrats und des Offenbarens und der Preisgabe von Staatsgeheimnissen sowie des
Geheimnisverrats (§§ 94, 95, 97, 353b StGB) schränken die Pressefreiheit ein, da sie mitunter Journalistinnen
und Journalisten, die von staatlicher Seite als geheim eingestufte Dokumente oder Informationen öffentlich
machen, dem Risiko einer Strafverfolgung aussetzen. Es ist aber die Aufgabe von Medien, die Öffentlichkeit
zu informieren und Debatten auch über die Geheimhaltungsbedürftigkeit von Dokumenten, Geheimdiensttätig-
keit und Eingriffe in die Privatsphäre anzustoßen und eine freie Meinungsbildung und kritische Auseinander-
setzung der Bevölkerung mit staatlichem Handeln zu ermöglichen.

Zu Recht prangert der offene Brief von internationalen Journalistinnen und Journalisten „die Ermittlungen ge-
gen die Redaktion netzpolitik.org und ihrer unbekannten Quellen wegen Landesverrats“ als „Angriff auf die
Pressefreiheit“ an (https://netzpolitik.us/).

§ 94 Absatz 1 StGB regelt in seiner Nummer 1 die Weitergabe von Staatsgeheimnissen an eine „fremde Macht
und deren Mittelsmänner“ (Spionage). Seine Nummer 2 bezieht sich aber gerade auf Personen, die Staatsge-
heimnisse veröffentlichen oder an Unbefugte gelangen lassen, und rückt damit Journalistinnen und Journalisten
in den Fokus strafrechtlicher Ermittlungen. Obwohl der Tatbestand durch die Formulierung, dass die Veröffent-
lichung erfolgen muss, „um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu
begünstigen“, eingeschränkt wird, ist die Eröffnung von Ermittlungsverfahren gegen Medienangehörige nicht
ausgeschlossen, wie auch der aktuelle Fall von netzpolitik.org zeigt. Auch wenn bei diesen regelmäßig eine
Verfahrensbeendigung mangels der Benachteiligungs- bzw. Begünstigungsabsicht spätestens durch das Gericht
erfolgen dürfte, birgt schon das Ermittlungsverfahren ein enormes Einschüchterungspotential und kann zu weit-
reichenden Grundrechtseingriffen bei den Betroffenen führen, was in einer Demokratie unerträglich ist. Der
„publizistische Landesverrat“ ist daher abzuschaffen, beispielsweise durch die Streichung von § 94 Absatz 1
Nummer 2 StGB. Und auch der Tatbestand des Offenbarens von Staatsgeheimnissen (§ 95 StGB) widerspricht
der Pressefreiheit. „Die Vorschrift dient vornehmlich zur Erfassung minder schwerer Fälle des Landesverrats
durch Presseveröffentlichungen, dem sogenannten publizistischen Landesverrat“ (NK-StGB/Paeffgen, § 95
StGB Rn. 1) und muss daher ebenfalls gestrichen oder jedenfalls so abgewandelt werden, dass ein Verfolgungs-
risiko für Journalistinnen und Journalisten von vornherein ausgeschlossen ist. Gleiches gilt für § 97 Absatz 1
StGB (Preisgabe von Staatsgeheimnissen), der ebenfalls die Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen unter
Strafe stellt und zwar auch dann, wenn ein Vorsatz im Hinblick auf die Verursachung der Gefahr eines schweren
Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nicht nachgewiesen werden kann, Fahrläs-
sigkeit aber schon. Auch hier bietet sich eine Streichung des Absatz 1 des § 97 StGB oder aber jedenfalls die
Herausnahme von Medienangehörigen an.

Bis zur Strafrechtsreform im Jahr 2012 konnten Journalistinnen und Journalisten auch wegen Beihilfe zum
Geheimnisverrat von Amtsträgerinnen und Amtsträgern (§ 353b StGB) verurteilt werden. Nach der öffentlichen
Empörung über den Eingriff in die Pressefreiheit angesichts der Durchsuchung und Beschlagnahme im Jahr
2005 bei Redakteuren des Magazins „Cicero“ wegen Zitaten aus einem internen Auswertungsbericht des Bun-
deskriminalamts und der Beanstandung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 27. Februar
2007, 1 BvR 538/06) wurden bestimmte Beihilfehandlungen von Journalistinnen und Journalisten zum Geheim-
nisverrat nach § 353b StGB durch einen neuen Absatz 3a straffrei gestellt. Allerdings muss es sich um Personen
handeln, die berufsmäßig bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksen-

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dungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommuni-
kationsdiensten mitwirken (vgl. § 53 Abs. 1 Nr. 5 der Strafprozessordnung). DIE LINKE. im Bundestag hat
bereits 2007 neben der Herausnahme von Beihilfehandlungen auch die Herausnahme von möglichen Anstif-
tungshandlungen durch Journalistinnen und Journalisten und eine weite Definition von Medienangehörigen ge-
fordert, die sich nicht nur auf „berufsmäßig“ agierende Personen beschränkt und beispielsweise auch Blogge-
rinnen und Blogger umfasst (Bundestagsdrucksache 16/4539). Die Umsetzung dieser Forderungen steht weiter
aus, obwohl sie für eine Freistellung von Journalistinnen und Journalisten vor Strafe wegen ihrer journalisti-
schen Tätigkeit notwendig ist. Die Äußerungen des ehemaligen Generalbundesanwaltes Range (vgl.
https://www.generalbundesanwalt.de/de/showpress.php?themenid=17&newsid=559) und des Bundesjustizmi-
nisters Heiko Maas (http://www.zeit.de/digital/internet/2015-07/netzpolitik-ermittlungen-journalisten-innen-
ministerium-maassen), die übereinstimmend Bloggerinnen und Blogger als Journalistinnen und Journalisten
bezeichnen, sind richtig, aber für die Umsetzung der Forderung nicht ausreichend.

Um investigativen Journalismus zu ermöglichen und der Pressefreiheit umfassend Geltung zu verschaffen, ist
der Schutz von Whistleblowern in Ämtern sowie in staatlichen oder privaten Betrieben ebenfalls dringend er-
forderlich. Sie müssen genauso vor Strafverfolgung geschützt werden. Auch sie sind daher von der Verfolgung
wegen der §§ 94, 95, 97, 353b StGB freizustellen. Das könnte beispielsweise durch eine eigene Schutznorm im
StGB geschehen, die die Strafbarkeit von Personen, die Informationen weitergeben oder veröffentlichen, um
auf Missstände und Grundrechtsverletzungen, widerrechtliche Handlungen oder allgemeine Gefahren für Le-
ben, Gesundheit, Freiheit und Umwelt hinzuweisen, ausdrücklich ausschließt, oder ebenfalls durch eine Umge-
staltung der erwähnten Straftatbestände. Und zwar auch dann, wenn sie sich gegen eine Beschwerde beim
Dienstvorgesetzten entscheiden und stattdessen externe Wege wie die Weitergabe an Journalistinnen und Jour-
nalisten beschreiten wie beispielsweise im Fall Snowden. Whistleblower müssen die Wahl zwischen internem
Beschwerdeweg und externem Beschwerdeweg haben, der ihre Anonymität gewährleisten und sie besser vor
Repression schützen kann. Alle Rechtsbereiche wie insbesondere das Arbeits- und Medienrecht sind auf den
Schutz von Whistleblowern auszurichten. Sie erfahren bis heute Benachteiligungen wie Kündigung, Zwangs-
pensionierung, Karriereeinbußen oder Mobbing, was auch der Fall von Frau Heinisch verdeutlicht, die mit einer
Strafanzeige auf die katastrophalen Bedingungen in der Altenpflege in Deutschland aufmerksam gemacht hat
und daraufhin gekündigt wurde (vgl. EGMR, Beschwerde Nr. 28274/08). DIE LINKE. hat in dieser und der
letzten Legislaturperiode detaillierte Vorschläge für einen umfassenden Whistleblower-Schutz gemacht (Bun-
destagsdrucksachen 17/6492 und 18/3043), die aber mehrheitlich abgelehnt wurden.

Die Bundesregierung hat leider bis heute keine Regelungen zum Whistleblower-Schutz vorgenommen, sondern
sich im Koalitionsvertrag zur 18. Wahlperiode mit der Absichtserklärung begnügt, allein im Bereich von Ar-
beitsverhältnissen zu „prüfen“, ob die internationalen Vorgaben hinreichend umgesetzt sind. Und das, obwohl
die im September 2014 veröffentlichte Studie zur Situation des Whistleblower-Schutzes in den G20-Staaten
(vgl. „Whistleblower Protection Laws in G20 Countries. Protection for Action”, September 2014; https://blue-
printforfreespeech.net) die Mängel und Defizite des Schutzes von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern in
Deutschland sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor verdeutlicht. Und auch Artikel 33 UNCAC
(Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption) fordert den Schutz von Hinweisgeberinnen und
Hinweisgebern. Das Europäische Parlament (Entschließung 2013/2107/INI) und die Parlamentarische Ver-
sammlung des Europarates (Entschließung 1729 (2010)) haben die Bedeutung des Whistleblower-Schutzes
ebenfalls betont.
Neben der Sicherstellung der Presse- und Meinungsfreiheit erfordert die Stärkung des Rechtsstaates außerdem
auch eine den Richterinnen und Richtern gleiche Unabhängigkeit der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Die
Demokratisierung der Justiz und konsequente Durchsetzung des Gewaltenteilungsprinzips auf Bundes- und
Landesebene sind ein rechtsstaatliches Anliegen, wozu auch die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften ge-
hört. Sie sind von der Möglichkeit der politischen Einflussnahme und Einwirkung von Bundes- und Landesre-
gierung auf laufende Verfahren freizustellen. Da Staatsanwaltschaften weitreichende Ermittlungsbefugnisse
und großen Ermessensspielraum bei Einstellungen haben, ist ihre Anbindung an die Justizministerien durch die
Dienstaufsicht (§ 147 GVG) und das Weisungsrecht (§ 146 GVG) für eine unabhängige und gerechte Ermitt-
lungsführung schädlich. Nur wenn auch sie – durch die Streichung der §§ 146, 147 GVG und des § 54 Absatz 1
Nummer 5 BBG, der den Generalbundesanwalt zu einem „politischen Beamten“ macht, der jederzeit in den
einstweiligen Ruhestand versetzt werden kann – unabhängig sind, ist eine insgesamt unabhängige Justiz sicher-
zustellen. Darüber hinaus ist langfristig eine umfassende Reform der Justiz notwendig, die eine Unabhängigkeit
und Selbstverwaltung der Richterschaft sicherstellt, die über das derzeitige Maß hinausgeht und politische Ein-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5839
flussnahmemöglichkeiten weiter minimiert. Denn die bestehenden Karrierestrukturen im Richterdienst begüns-
tigen informelle Abhängigkeitsstrukturen. Die Bestellung von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen
und Staatsanwälten sollte ausschließlich durch Richterwahlausschüsse erfolgen, wobei sicherzustellen ist, dass
die ausgewählten Kandidatinnen und Kandidaten alle gesellschaftlichen Schichten angemessen repräsentieren.
Neben der Überführung der Staatsanwaltschaften aus der Exekutive in die Justiz sind daher die Abschaffung
ämterbasierender justizinterner Hierarchien sowie die Regelung binnendemokratischer Strukturen der Selbst-
verwaltung wesentliche Elemente einer umfassenden Reform. Dazu hat DIE LINKE. bereits umfassende Vor-
schläge in den Bundestag eingebracht (Bundestagsdrucksachen 17/11701 und 17/11703).

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