BT-Drucksache 18/5676

Bildungssektor als Teil des Freihandelsabkommens TTIP zwischen der Europäischen Union und den USA

Vom 29. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5676
18. Wahlperiode 29.07.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Klaus Ernst, Dr. Rosemarie Hein,
Ralph Lenkert, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Bildungssektor als Teil des Freihandelsabkommens TTIP zwischen
der Europäischen Union und den USA

Nicht nur die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP zwischen der
Europäischen Union und den USA selber, sondern insbesondere auch die Ein-
beziehung des Bildungssektors ist politisch stark umstritten. Am 12. Mai 2015
forderte zum Beispiel die Hochschulrektorenkonferenz die Europäische Kom-
mission auf, den Bereich der Bildung vollständig aus dem TTIP herauszuneh-
men.
Sollte der Bereich der Bildung unter das Abkommen fallen, ist nach Einschät-
zung der Fragesteller mit einer starken Zunahme von gewinnorientierten Bil-
dungsangeboten durch international agierende Bildungsanbieter zu rechnen, die
sowohl öffentliche Einrichtungen unter Konkurrenzdruck setzen als auch die
weitere Liberalisierung des Bildungssystems beschleunigen würden. Schon jetzt
werden auf dem internationalen Bildungsweltmarkt ca. 2 Billionen Dollar um-
gesetzt. Zu befürchten ist außerdem, dass das Abkommen Klagen von privaten
Bildungsanbietern zum Beispiel gegen staatliche Subventionen ermöglicht.
Es steht zu befürchten, dass die Bildung durch TTIP faktisch zur Ware freigege-
ben wird, private Anbieter den Sektor völlig umgestalten und das öffentliche
Bildungssystem zur zweiten Klasse gehören wird. Die bundes- und europawei-
ten Proteste gegen TTIP machen deutlich, dass das TTIP keinen Rückhalt in der
deutschen Bevölkerung genießt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was waren nach Einschätzung der Bundesregierung die direkten und indirek-

ten Auswirkungen des GATS-Abkommens (GATS – Allgemeines Überein-
kommen über den Handel mit Dienstleistungen) aus dem Jahr 1995 auf den
Bildungssektor?

2. Welche Auswirkungen sind aus Sicht der Bundesregierung auf den Bildungs-
sektor möglich, sollte dieser Teil der TTIP-Verhandlungen sein?

3. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die grundgesetzlich fest-
geschriebene Leitlinienkompetenz der Bundesländer in Sachen Bildungspo-
litik nicht durch das TTIP verletzt wird?

4. Was bedeutet die im TTIP vereinbarte Regulatorische Kooperation für den
Bildungsbereich?
a) Wie soll sie erfolgen?
b) Welche Themen sollen dort besprochen werden?

Drucksache 18/5676 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
c) Welchen Einfluss wird die Regulatorische Kooperation auf eine Über-
tragung neuer Aufgaben und Dienstleistungen auf Bildungseinrichtun-
gen haben?

5. Wurde von der Bundesregierung oder nach Kenntnis der Bundesregierung
den Ländern oder einem anderen EU-Staat eine Negativliste eingereicht, die
Ausnahmen zur geplanten Liberalisierung im TTIP enthält, auf der das Bil-
dungssystem oder Teile davon genannt werden?
Wenn nicht, warum hat dies die Bundesregierung nicht getan?

6. Welche Auswirkungen der Liberalisierung von Dienstleistungen im Rah-
men von TTIP erwartet die Bundesregierung in Bezug auf die verschiede-
nen Bildungsbereiche (bitte für jeden Bildungsbereich getrennt)?

7. Welche Bildungsbereiche werden nicht vom TTIP berührt?
Weshalb nicht?

8. Ist es im Rahmen des derzeitigen Verhandlungsstandes möglich, bereits
liberalisierte Dienstleistungen, die von privaten Dienstleistern erbracht wer-
den, wieder in öffentliche Dienstleistungen ohne private Anbieter umzu-
wandeln?
a) Unter welchen Bedingungen ist dies möglich?
b) Welche Risiken für die öffentlichen Haushalte können damit verbunden

sein?
9. Ist es aus Sicht der Bundesregierung wünschenswert, dass sich private ame-

rikanische Bildungsangebote stärker im deutschen Bildungssektor ver-
ankern?

10. Können in Zukunft neu entwickelte Dienstleistungen automatisch als öf-
fentliche Dienstleistungen definierbar sein oder ist dies laut TTIP nicht
möglich?
Welchen Einfluss hat die Regulatorische Kooperation hierbei?

11. Inwiefern wird das Freihandelsabkommen nach Einschätzung der Bundes-
regierung Auswirkungen auf die Vielfalt privater Bildungsanbieter (speziell
im Weiterbildungssektor) haben?

12. Welche Auswirkungen hätte die Zunahme von gewinnorientierten interna-
tionalen Bildungsangeboten nach Einschätzung der Bundesregierung auf
den deutschen Bildungssektor, sollten diese bei TTIP mit beschlossen wer-
den?

13. Hat TTIP nach Einschätzung der Bundesregierung Einfluss auf die Rah-
menbedingungen, die für private Bildungsanbieter gelten?
Wenn ja, in welcher Form?

14. Wäre es aus Sicht der Bundesregierung zu begrüßen, wenn im Rahmen von
TTIP private Bildungsunternehmen die Möglichkeit bekommen würden,
Klagen gegen staatliche Subventionen von Bildungseinrichtungen vorzu-
nehmen?

15. Welche Auswirkungen auf staatliche Subventionen von Bildungseinrich-
tungen sind nach Einschätzung der Bundesregierung zu erwarten, sollte der
Bildungssektor Teil des Abkommens werden?

16. Ist im TTIP die gegenseitige Anerkennung von Akkreditierungs- und Zulas-
sungsverfahren für private Bildungseinrichtungen geplant?

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17. Können die Bundesländer im Rahmen der geplanten TTIP-Regelungen
privaten Bildungsanbietern, die in den USA akkreditiert und zugelassen
sind, die Gründung einer Niederlassung, die vor Ort Bildungsdienstleistun-
gen erbringt, untersagen?
Wenn ja, wie?

18. Welche Auswirkungen auf die Drittmittelfinanzierung der Hochschulen
sind nach Einschätzung der Bundesregierung zu erwarten, sollte der Bil-
dungssektor Teil des Abkommens werden?

19. Inwiefern erwartet die Bundesregierung durch das Auftreten profitorientier-
ter Akteure durch TTIP eine weitere Kommerzialisierung des Bildungs-
marktes?

20. Welche Auswirkungen wird TTIP nach Einschätzung der Bundesregierung
auf die bisherigen subventionierten Angebote in der Erwachsenenbildung,
wie beispielsweise die Alphabetisierung im Erwachsenenalter, haben?
a) Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass derartige Angebote

nach in Kraft setzen des Abkommens nicht mehr vorgehalten werden
könnten oder nur noch zu Preisen, die insbesondere von der zu erreichen-
den Zielgruppe nicht getragen werden können?

b) Wenn nein, warum nicht?
21. Wie wird sich TTIP nach Einschätzung der Bundesregierung auf die Ver-

gabeverfahren der durch die Bundesregierung finanzierten Bildungspro-
gramme auswirken?

22. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass es durch TTIP und das
Angebot gewinnorientierter US-amerikanischer Bildungsanbieter zu einer
Verzerrung der Unterrichtsinhalte, insbesondere im Bereich der Erwach-
senenbildung, kommen kann?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

23. Ist im TTIP geplant, von den im GATS-Abkommen vereinbarten Ausnah-
men des Subventionsvorbehalts und Nichtdiskriminierungsgebots abzuwei-
chen?
Wenn ja, welche Ausnahmen sind dies?

24. Ist im TTIP geregelt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit
eine Bildungsdienstleistung als für den privaten Wettbewerb geöffnet gilt?
Wenn nicht, warum nicht?
Wenn ja, welche sind dies?

25. Gelten die von den Hochschulen erbrachte Auftragsforschung für private
Unternehmen sowie deren Weiterbildungsangebote nach den TTIP-Verein-
barungen als im privaten Wettbewerb erbrachte Dienstleistungen?
Wenn nicht, weshalb nicht?

26. Ergeben sich nach Einschätzung der Bundesregierung für die Hochschulen
hieraus regulatorische Veränderungen?

Berlin, den 29. Juli 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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