BT-Drucksache 18/5667

Familienpolitik - Alleinerziehende in Deutschland

Vom 22. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5667
18. Wahlperiode 22.07.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jörn Wunderlich, Sigrid Hupach, Sabine Zimmermann
(Zwickau), Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, Katja Kipping,
Jutta Krellmann, Harald Weinberg, Katrin Werner, Birgit Wöllert, Pia Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Familienpolitik – Alleinerziehende in Deutschland

Die Alleinerziehung von Kindern hat in den vergangenen Jahrzehnten zuse-
hends an Bedeutung gewonnen und ist für viele Kinder und ihre sorgenden El-
tern zu einer selbstverständlichen Realität geworden. Inzwischen ist jede fünfte
Familie eine Einelternfamilie mit einem Kind unter 18 Jahren. Insgesamt sind
das 1,6 Millionen Familien. Der Anteil der alleinerziehenden Väter liegt bei
etwa 7 Prozent und mit 93 Prozent ist der Anteil der alleinerziehenden Mütter
überproportional groß.
Alleinerziehende haben mit unterschiedlichen Problemen zu kämpfen. Vor
allem alleinerziehende Mütter sind massiv von Armut bedroht. Noch mehr als
alleinerziehende Väter sind sie überdurchschnittlich häufig auf Hartz IV wegen
Erwerbslosigkeit, Teilzeitarbeit oder schlechter Bezahlung angewiesen. Das Ar-
mutsrisiko bei Alleinerziehenden und ihren Kindern liegt bei über 40 Prozent.
Die Programme der Bundesregierung, die Alleinerziehenden den Weg ins Be-
rufsleben weisen sollen, stellen mehrheitlich keine Unterstützung dar. Bei der
Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist man besonders bei
den Alleinerziehenden nicht vorangekommen.
Politik für Alleinerziehende muss sicherstellen, dass alle Kinder und Jugend-
lichen frei von Armut und Ausgrenzung aufwachsen und dass den sorgenden
Eltern eine eigenständige Perspektive offensteht.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung

aus dem Problem des nicht gezahlten Kindesunterhalts, da laut einer Studie
75 Prozent aller alleinerziehenden Frauen und Männer keinen oder keinen
vollständigen Unterhalt für ihre Kinder erhalten (vgl. Hartmann, Bastian
(2014): Unterhaltsansprüche und deren Wirklichkeit), und welche Ursachen
sind der Bundesregierung dazu bekannt (DIW/SOEPpapers 660/2014,
Berlin, S.14)?

2. In wie vielen Fällen wird nach Kenntnis der Bundesregierung aufgrund nicht
vorhandener Leistungsfähigkeit des Barunterhaltspflichtigen kein oder kein
vollständiger Kindesunterhalt gezahlt?
In wie vielen Fällen wird nach Kenntnis der Bundesregierung bei Leistungs-
fähigkeit des Barunterhaltspflichtigen kein oder kein vollständiger Kindes-
unterhalt gezahlt?

Drucksache 18/5667 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Was will die Bundesregierung unternehmen, um sicherzustellen, dass der
Kindesunterhalt nicht unter dem Existenzminimum liegen kann?

4. Was will die Bundesregierung unternehmen, um sicherzustellen, dass stei-
gende Lebenshaltungskosten gleichermaßen beim Kindesunterhalt und bei
den Selbstbehalten Unterhaltspflichtiger Berücksichtigung finden?

5. Für wie viele Kinder wurde nach Kenntnis der Bundesregierung in den letz-
ten zehn Jahren ein Unterhaltsvorschuss gezahlt (bitte nach Jahren, Bezugs-
dauer und Beendigungsgrund aufschlüsseln)?

6. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Rückholquote bei dem
säumigen unterhaltspflichtigen Elternteil in den letzten zehn Jahren ge-
wesen (bitte nach Jahren und Bundesländern aufschlüsseln)?

7. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob eine Nichtrückzahlung des
Unterhaltsvorschusses durch das säumige unterhaltspflichtige Elternteil mit
der finanziellen Lage desjenigen zusammenhängt?

8. Inwieweit hält die Bundesregierung es weiterhin für gerechtfertigt, beim
Unterhaltsvorschuss im Gegensatz zu unterhaltsrechtlichen Regelungen das
ganze Kindergeld bei der Berechnung des Unterhaltsvorschussbetrages an-
zurechnen?

9. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung das jeweils durchschnitt-
liche Erwerbseinkommen von Alleinerziehenden (bitte nach Geschlecht,
Umfang der Erwerbstätigkeit, Anzahl der Kinder und Alter der Alleinerzie-
henden aufschlüsseln)?

10. Plant die Bundesregierung zukünftig eine Dynamisierung des Entlastungs-
betrags für Alleinerziehende nach § 24b des Einkommensteuergesetzes
(EStG), damit es nicht wie in der Vergangenheit in den Jahren 2004 bis 2014
inflationsbedingt zu einer Steuererhöhung für Alleinerziehende kommt
(wenn nein, bitte ausführlich begründen)?

11. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zu ergreifen, um dem Ar-
mutsrisiko von Einelternfamilien effektiv zu begegnen?

12. Wie will die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass Einelternfamilien
besser den Kinderzuschlag in Anspruch nehmen können, um mit ihrem Ein-
kommen aus der Erwerbstätigkeit, unabhängig von Grundsicherungsleis-
tungen, leben zu können (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (2013): Das Bildungs- und Teilhabepaket: Chancen für
Kinder aus Familien mit Kinderzuschlag, Monitor Familienforschung Aus-
gabe 30, S. 12)?

13. Inwieweit wird die Bundesregierung zukünftig sicherstellen, dass bei Vor-
liegen einer temporären Bedarfsgemeinschaft nach § 38 Absatz 2 des Zwei-
ten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) keine Unterdeckung kindlicher Exis-
tenzminima in den sogenannten Hauptbedarfsgemeinschaften vorkommen
wird?

14. Hält die Bundesregierung die sogenannte Stiefkindregelung gemäß § 9
Absatz 2 Satz 2 SGB II, wonach der neue Partner ab dem ersten Tag des
Zusammenlebens auch für den Unterhalt des nicht mit ihm verwandten Kin-
des seiner Lebenspartnerin ohne Entsprechung im Familienrecht einstands-
pflichtig ist, für verfassungskonform, oder sieht die Bundesregierung hier
gesetzlichen Änderungsbedarf?

15. Wie viele Alleinerziehende mit Kindern unterhalb der Schulpflicht sind
nach Kenntnis der Bundesregierung berufstätig (bitte nach Geschlecht,
Vollzeit, Teilzeit und Minijob aufschlüsseln)?

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16. Wie viele Alleinerziehende müssen nach Kenntnis der Bundesregierung
trotz ihrer Erwerbstätigkeit staatliche Transferleistungen beantragen (bitte
nach Geschlecht, Art der Transferleistungen und nach Anzahl der Kinder
aufschlüsseln)?

17. Wie viele Alleinerziehende mit Kindern unterhalb der Schulpflicht würden
nach Kenntnis der Bundesregierung gerne mehr arbeiten als bisher, können
aber nicht aufgrund der fehlenden Betreuungsmöglichkeiten?
Falls keine Erkenntnisse vorliegen, plant die Bundesregierung, dazu eine
Studie in Auftrag zu geben?

18. Wie lange haben Alleinerziehende in den letzten Jahren Elterngeld bezo-
gen, und in welcher Höhe (bitte nach Jahren, Alter, Länge der Bezugszeit,
Höhe und Bundesländern aufschlüsseln)?

19. Wie viele Alleinerziehende wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in
den letzten Jahren darin unterstützt, ihren Schulabschluss nachzuholen oder
zu verbessern, und mit welchen Maßnahmen wurden sie unterstützt (bitte
nach Jahren und Maßnahmen aufschlüsseln)?

20. Wie viele Alleinerziehende wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in
den letzten Jahren darin unterstützt, ihre Ausbildung zu beenden oder zu be-
ginnen, und mit welchen Maßnahmen wurden sie unterstützt (bitte nach
Jahren und Maßnahmen aufschlüsseln)?

21. Liegen der Bundesregierung neue Erkenntnisse hinsichtlich der gesundheit-
lichen Folgen bei Alleinerziehenden durch die dauerhafte Doppelbelastung
von Familie und Beruf vor?

Berlin, den 22. Juli 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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