BT-Drucksache 18/5647

Finanzierung von Sicherungsmaßnahmen an den Außengrenzen der Europäischen Union

Vom 22. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5647
18. Wahlperiode 22.07.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Andrej Hunko, Jan Korte, Wolfgang Gehrcke,
Christine Buchholz, Annette Groth, Dr. André Hahn, Dr. Alexander S. Neu,
Harald Petzold (Havelland), Martina Renner, Dr. Petra Sitte, Frank Tempel, Kathrin
Vogler, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Finanzierung von Sicherungsmaßnahmen an den Außengrenzen
der Europäischen Union

Seit dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union (EU) am 1. Juli 2013 beträgt
die EU-Außengrenze auf dem Land 14 151 km, hinzu kommen noch einmal
48 000 km Küste. Die Aufrechterhaltung der von Kritikerinnen und Kritikern
als „Festung Europa“ bezeichneten Abschottungsmaßnahmen kostet daher viel
Geld. Nach Angaben des investigativen Datenprojekts „The Migrants Files“
haben die EU-Staaten für die Rückführung von Flüchtlingen in ihre Herkunfts-
länder seit dem Jahr 2000 rund 11,3 Mrd. Euro ausgegeben, für die gezielte
Sicherung der Grenzen gegen „illegale“ Einwanderung weitere 1,6 Mrd. Euro
(www.themigrantsfiles.com).
Gezielte Grenzschutzmaßnahmen auf dem Land umfassen dabei auch die Er-
richtung von Grenzmauern und -zäunen entlang der EU-Außengrenzen, allein
77 Mio. Euro für Mauern und Zäune entlang der spanischen, griechischen und
bulgarischen EU-Außengrenzen. Weitere Pläne zur Errichtung weiterer Zäune
liegen bereits vor (z. B. www.stern.de/news2/eu-kritisiert-ungarische-plaene-
fuer-zaun-zu-serbien-6308370.html und www.faz.net/aktuell/politik/ausland/
eu-aussengrenze-bulgarien-kaempft-gegen-fluechtlingswelle-13162853.html).
Die Bemühungen der einzelnen EU-Staaten, die unerlaubte Migration ein-
zudämmen und Flüchtlinge abzuwehren, sind dabei noch viel weitreichender
und damit sehr kostenintensiv. So werden Auffanglager in Libyen und der
Ukraine errichtet, Programme zur Verbesserung von Grenzkontrollen unterhal-
ten und andere Maßnahmen, z. B. mit Marokko, Tunesien und Libyen, geplant
(www.derstandard.at/2000017367872/Festung-Europa-Kosten-Wege-und-
Strukturen).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Formen der Zusammenarbeit und Vereinbarungen zwischen der EU

und einzelnen Mitgliedstaaten oder der EU und Drittstaaten oder einzelner
Mitgliedstaaten und Drittstaaten im Bereich der grenzpolizeilichen Zusam-
menarbeit, des Ausbaus von Grenzkontrollen, -zäunen, Kontrollkapazitäten
und allgemein der Stärkung des so genannten Grenzmanagements sind der
Bundesregierung bekannt?

Drucksache 18/5647 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Welche EU-Staaten erhielten in den Jahren 2013 und 2014 nach Kenntnis der
Bundesregierung Unterstützung für Grenzsicherungsmaßnahmen aus EU-
Mitteln, und welche Maßnahmen wurden darüber unterstützt (bitte angeben,
aus welchen Fonds und in welcher Höhe die Unterstützung erfolgte)?

3. In welchen EU-Mitgliedstaaten mit EU-Außengrenzen wurden nach Kennt-
nis der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren Grenzzäune und
andere bauliche Einrichtungen zur Absicherung der Grenzen und zur Verhin-
derung unerlaubter Einreise aus angrenzenden Staaten errichtet (bitte Länge
und Höhe der Zäune und der baulichen Anlagen sowie den ungefähren
Streckenverlauf angeben), und wie hat sie sich bezüglich deren rechtmäßiger
Errichtung unter möglicher Aushebelung des Schengener Grenzkodex in
Ratsarbeitsgruppen oder gegenüber der Europäischen Kommission hierzu
verhalten?
a) In welchen Ländern mit EU-Außengrenzen werden nach Kenntnissen der

Bundesregierung derzeit weitere solcher Grenzzäune und -anlagen gebaut
oder sind in Planung (bitte Länge und Höhe der Zäune sowie den ungefäh-
ren Streckenverlauf angeben)?

b) Inwiefern unterstützt die EU nach Kenntnissen der Bundesregierung den
Bau und die Instandhaltung der Grenzzäune und -anlagen in den einzelnen
EU-Mitgliedstaaten (bitte detailliert auflisten)?

c) Inwiefern werden der Bau und die Instandhaltung der Grenzzäune und
-anlagen in anderen EU-Mitgliedstaaten durch Mittel des Bundes mit-
finanziert (bitte detailliert auflisten)?

d) Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Gesamtkosten der
unter Frage 3a genannten Grenzzäune und -anlagen (bitte differenziert
auflisten)?

4. Welche Drittstaaten unterstützt die EU nach Kenntnis der Bundesregierung
bei welchen Formen der Grenzsicherung in welchem finanziellen Rahmen,
und inwiefern handelt es sich dabei um Projekte zur Vorbereitung einer etwa-
igen EU-Mitgliedschaft (bitte differenziert nach einzelnen Grenzsicherungs-
maßnahmen auflisten)?

5. Inwiefern ist der Bundesregierung bekannt, ob die verstärkte Zusammenar-
beit der EU mit Tunesien im Sicherheitsbereich „einschließlich im Bereich
des integrierten Grenzmanagements“ auch die finanzielle Unterstützung von
Grenzanlagen betrifft (Ratsdok. 6926/15), und in welchem Umfang erfolgt
diese finanzielle Unterstützung gegebenenfalls?

6. An welchen europäischen Innen- und Außengrenzen sind Bundespolizisten
oder nach Kenntnis der Bundesregierung auch Landespolizisten aufgrund
welcher Kooperationsabkommen oder anderer Bestimmungen für den ge-
meinsamen Grenzschutz abgestellt, und welche Personalkosten entstehen
hierdurch?

7. Über welches Budget verfügt nach Kenntnis der Bundesregierung die euro-
päische Grenzagentur FRONTEX seit ihrer Gründung (bitte nach Jahreszahl
aufschlüsseln)?
a) In welchem Rahmen entfielen die laufenden Kosten nach Kenntnis der

Bundesregierung auf Personal-, Verwaltungs-, Ausrüstungs-, Weiterent-
wicklungskosten etc. (bitte ebenfalls nach Jahreszahl aufschlüsseln)?

b) Welche Kosten entstanden nach Kenntnis der Bundesregierung dabei
durch Seenotrettung, welche durch Maßnahmen zur Grenzsicherung?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5647
8. In welchem Umfang hat die EU in diesem Zeitraum nach Kenntnis der
Bundesregierung darüber hinaus Mittel für eine verstärkte Kooperation der
EU-Staaten bei der Kontrolle und Sicherung der Außengrenzen bereitge-
stellt (bitte soweit wie möglich aufgliedern)?

9. In welchen Drittstaaten unterstützt, unterhält oder plant die EU nach Kennt-
nis der Bundesregierung „Auffanglager“ (detention centre) bzw. Transitzen-
tren o. Ä. für Migranten und schutzsuchende Flüchtlinge, und inwieweit
sind der Bundesregierung die Kosten für den Bau und die Unterhaltung die-
ser „Auffanglager“ bekannt (bitte detailliert auflisten)?

10. In welchen Drittstaaten unterstützt, unterhält oder plant die Bundesregie-
rung sogenannte Auffanglager bzw. Transitzentren o. Ä. (bitte detailliert
auflisten) für Migranten und schutzsuchende Flüchtlinge?

11. Wie hat sich die Bundesregierung zu dem geplanten EU-Pilotprojekt zur
Einrichtung eines Transitzentrums im Niger positioniert, und auf welche
Weise sind Bundesbehörden (auch das Auswärtige Amt) daran beteiligt
(EUobserver vom 18. Mai 2015)?
Welches Ziel verfolgt dieses Projekt, wer ist daran beteiligt, und wann soll
es beginnen?

12. Welche EU-Gelder sollen hierfür aufgewendet werden?
Sind der Bundesregierung weitere von anderen EU-Mitgliedstaaten finan-
zierte oder unterstützte „Auffanglager“, Transitzentren o. Ä. in Drittstaaten
bekannt?
Wenn ja, wo, und welche Kosten verursacht der Unterhalt dieser Einrich-
tungen?

13. Inwieweit trifft es zu, dass bei einer Öffnung der geschlossenen Aufnahme-
einrichtungen in Griechenland entsprechende EU-Fördermittel zurückge-
zahlt werden müssten (www.ardmediathek.de/radio/Interview-
Deutschlandfunk/Fl%C3%BCchtlinge-in-Griechenland-Burkhardt-/
Deutschlandfunk/Audio-Podcast?documentId=29486412&bcastId=
21676300), weil diese nur unter der Auflage gewährt wurden, dass es sich
um geschlossene Einrichtungen handelt (bitte ausführen), und welche
Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus?

14. Welche Kosten verursachten nach Kenntnis der Bundesregierung daten- und
erkenntnisbezogene EU-Projekte und EU-Programme zur Sicherung der
EU-Außengrenzen oder mit Bezug zur Migrationskontrolle, wie z. B. Sea-
horse Network, EUROSUR, SIS/SIS II, VIS, EURODAC, seit ihrer Ent-
wicklung (bitte, sofern möglich, nach Personal-, Verwaltungs-, Ausrüs-
tungs-, Weiterentwicklungskosten etc. aufschlüsseln)?

15. In welchem Umfang und welche Art von personenbezogenen Daten wurden
nach Kenntnis der Bundesregierung in den einzelnen in Frage 14 erfragten
europäischen Projekten und Programmen mit Bezug zu Migration und Asyl
seit dem Jahr 2009 in welchen Datenbanken gesammelt (bitte nach Jahren
und, soweit wie möglich, nach eingebender Stelle auflisten), und welche
Behörden welcher europäischen Länder haben Zugriff auf diese Daten?

16. In welchem Umfang wurden von Behörden des Bundes in den vergangenen
Jahren seit dem Jahr 2009 personenbezogene Daten in den einschlägigen
EU-Datenbanken mit Bezug zu Migration und Asyl wegen datenschutz-
rechtlicher Verstöße gelöscht (bitte nach Jahren und, soweit wie möglich,
nach eingebender Stelle auflisten)?
Was ist der Bundesregierung zum Umfang von Verstößen und nachfolgen-
den Löschungen auch anderer EU-Mitgliedstaaten bekannt?

Drucksache 18/5647 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
17. Über welches Budget verfügt nach Kenntnis der Bundesregierung das Joint
Operation Team (JOT) Mare, welches „die schnelle Verfügbarkeit aller Er-
kenntnisse in Bezug auf kriminelle Organisationen, die für die Verbringung
von Migranten auf dem Seeweg in die Europäische Union und die sich an-
schließende illegale Binnenmigration verantwortlich sind, gewährleisten“
soll (siehe die Antwort der Bundesregierung zu Frage 2 auf Bundestags-
drucksache 18/4634)?
a) Welche Personal- und Sachkosten entstehen durch welche Art der Betei-

ligung welcher deutschen Bundesbehörden am JOT Mare?
b) Welche entstandenen Personal- und Sachkosten welcher deutschen Bun-

desbehörden am JOT Mare werden nicht von Europol übernommen?
18. Über welches Budget verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung die EU-

Maßnahmen bzw. besonderen Operationen „Hunting Ground“ und „Falko“,
das „JOT Compass“ und das Projekt „Identitätsbetrug“ (siehe die Antwort
der Bundesregierung zu Frage 16 auf Bundestagsdrucksache 18/4634; bitte
einzeln auflisten)?
a) In welchem Rahmen beteiligt sich die Bundesregierung an der Finanzie-

rung dieser EU-Maßnahmen und besonderen Operationen?
b) Welche Personal- und Sachkosten entstehen durch Beteiligung welcher

deutschen Bundesbehörden (bitte nach den einzelnen EU-Maßnahmen
und besonderen Operationen auflisten)?

19. Wie viele und welche Forschungsprojekte förderte die EU nach Kenntnis
der Bundesregierung im Bereich der Sicherheitsforschung mit Bezug zur
Migrationskontrolle und Grenzüberwachung seit dem Jahr 2009 (bitte nach
Jahren aufgliedern und eine kurze Projektbeschreibung, sofern vorhanden,
anfügen)?
a) Welche Kosten verursachten die einzelnen Projekte nach Kenntnis der

Bundesregierung?
b) Welche Länder, Firmen (bitte wenn möglich auch die Mutterkonzerne

auflisten), Hochschulen bzw. Forschungsinstitute, EU-Parlamentarier
und EU-Kommissare waren nach Kenntnis der Bundesregierung an der
Planung, Umsetzung und Auswertung welcher Projekte beteiligt, und
welche Rolle spielten sie?

20. Wie viele und welche Forschungsprojekte förderte nach Kenntnis der Bun-
desregierung die europäische Weltraumagentur ESA bzw. SatCen im Be-
reich der Sicherheitsforschung bezüglich der Migrations- und Flüchtlings-
politik und Grenzüberwachung seit dem Jahr 2000?
a) Welche Kosten verursachten die einzelnen Projekte nach Kenntnis der

Bundesregierung?
b) Welche Länder, Firmen (bitte wenn möglich auch die Mutterkonzerne

auflisten), Hochschulen bzw. Forschungsinstitute, EU-Parlamentarier
und EU-Kommissare waren nach Kenntnis der Bundesregierung an der
Planung, Umsetzung und Auswertung welcher Projekte beteiligt, und
welche Rolle spielten sie?

21. Welche Studien im Bereich der Sicherheitsforschung bezüglich der Migra-
tionskontrolle und Grenzüberwachung wurden seit dem Jahr 2009 nach
Kenntnis der Bundesregierung von der EU in Auftrag gegeben, und welche
Kosten verursachten diese bisher?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5647
22. Welche Studien im Bereich der Sicherheitsforschung bezüglich der Migra-
tionskontrolle und Grenzüberwachung wurden seit dem Jahr 2000 von der
Bundesregierung beauftragt, und welche Kosten verursachten diese bisher?

23. Welche Kosten verursachten nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr
2014 die Planung, der Bau und der Unterhalt welcher Abschiebezentren
(bitte einzeln auflisten)?

24. Welche Erkenntnisse oder Einschätzungen liegen der Bundesregierungen zu
den durchschnittlichen Kosten der Abschiebungshaft, Vorbereitung von Ab-
schiebungen (Passbeschaffung usw.) und Abschiebungen in Deutschland,
anderen EU-Ländern und der EU vor?

25. Welche Kosten entstehen nach Kenntnis der Bundesregierung der EU durch
„Joint Return Operations“ (bitte seit Bestehen nach Jahren aufschlüsseln)?
a) Wie viele dieser „Joint Return Operations“ wurden nach Kenntnis der

Bundesregierung mit welchem Ziel von welchen europäischen Flug-
häfen durchgeführt?

b) Welche EU-Länder waren nach Kenntnis der Bundesregierung beteiligt?
c) An wie vielen Maßnahmen war Deutschland insgesamt beteiligt und in

welcher Form?
d) Wer organisierte nach Kenntnis der Bundesregierung die weiteren

Flüge?
e) Wer trägt nach Kenntnis der Bundesregierung zu jeweils welchen Antei-

len die Kosten für „Joint Return Operations“?
26. Welche durchschnittlichen Kosten müssen Migranten nach Einschätzung

der Bundesregierung für die durch Fluchthelfer organisierte unerlaubte Ein-
reise in die EU pro Person aufwenden (bitte soweit wie möglich nach Män-
nern, Frauen und Kindern, sowie nach Transportmitteln und Fluchtrouten
differenzieren)?
a) Wann erfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung gewöhnlich die Bezah-

lung der Fluchthelfer durch die Flüchtlinge?
b) Auf welchem Weg erfolgt die Bezahlung der Fluchthelfer und ihrer Or-

ganisationen nach Kenntnis der Bundesregierung gewöhnlich?
c) Welche individuellen, auf die finanzielle Lage der einzelnen Flüchtlinge

abgestimmten, Bezahlmodelle existieren nach Kenntnis der Bundes-
regierung seitens der Fluchthelfer und ihrer Organisationen?

Berlin, den 22. Juli 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.