BT-Drucksache 18/5405

Verleihbarkeit digitaler Medien entsprechend analoger Werke in Öffentlichen Bibliotheken sicherstellen

Vom 1. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5405
18. Wahlperiode 01.07.2015
Antrag
der Abgeordneten Sigrid Hupach, Dr. Petra Sitte, Halina Wawzyniak, Jan Korte,
Nicole Gohlke, Dr. André Hahn, Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke, Ralph Lenkert,
Cornelia Möhring, Norbert Müller (Potsdam), Petra Pau, Harald Petzold
(Havelland), Martina Renner, Frank Tempel, Katrin Werner, Jörn Wunderlich und
der Fraktion DIE LINKE.

Verleihbarkeit digitaler Medien entsprechend analoger Werke in Öffentlichen
Bibliotheken sicherstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Öffentliche Bibliotheken gehören zu den meist genutzten Bildungseinrichtungen in
Deutschland. Deutschlandweit gibt es laut Deutscher Bibliotheksstatistik 2013
10.180 Bibliotheken, 700.000 Besuche zählen Bibliotheken jeden Werktag und
369.000.000 Medien stehen in den Bibliotheken bereit. Öffentliche Bibliotheken er-
möglichen so die Verwirklichung des in Artikel 5 Grundgesetz verankerte Recht,
„sich aus allgemein zugänglichen Quellen frei zu unterrichten“. Öffentliche Biblio-
theken haben als steuerfinanzierte Einrichtungen den Auftrag, einen freien nied-
rigschwelligen und von Einkommen, Alter, Geschlecht oder Behinderung unabhän-
gigen Zugang zu Information, Kultur und Wissen für alle Bürgerinnen und Bürger
barrierefrei anzubieten. Sie bieten damit gerade Menschen mit niedrigem Einkom-
men die Möglichkeit, am öffentlichen und kulturellen Leben teilzunehmen. Gleich-
zeitig bewahren und vermitteln Bibliotheken nationales Kulturgut.

Heutzutage gehören auch E-Books und andere elektronische Medien zum kulturellen
Leben. Jährlich nimmt ihre Bedeutung für die Autoren, Verlage, Buchmarkt, Biblio-
theken und Nutzerinnen und Nutzer zu. Die Verlage bieten inzwischen ein thema-
tisch breites Angebot von E-Books an und entwickeln gleichzeitig immer neue Ge-
schäftsmodelle für elektronische Medien.

Die Bibliothek des 21. Jahrhunderts ist zunehmend eine digitale Bibliothek. Um bei
ihren Nutzerinnen und Nutzern nicht an Attraktivität zu verlieren und den gestiege-
nen Bedarf an elektronischen Medien befriedigen zu können, müssen Bibliotheken
in die Lage versetzt werden, in ausreichendem Umfang auch elektronische Medien
barrierefrei anbieten zu können. Dem steht gegenwärtig aber das rechtliche Problem
gegenüber, dass der sogenannte „Erschöpfungsgrundsatz“ nach §17 Absatz 2 Urhe-
berrechtsgesetz (UrhG) bislang grundsätzlich nicht auf unkörperliche Gegenstände
wie E-Books anwendbar ist. Die rechtliche Gleichstellung von „nicht-körperlichen“
Werken mit „körperlichen“ Werken im UrhG würde es den Öffentlichen Bibliothe-
ken ermöglichen, ihrem Bildungsauftrag auch im digitalen Zeitalter nachzukommen.
Um Urheber aber durch eine solche Ausweitung nicht in Bezug auf ihre Vergütung

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schlechter zu stellen, ist es gleichzeitig notwendig auch die sogenannte „Bibliotheks-
tantieme“ (§ 27 Absatz 2 UrhG) auf „nicht-körperliche“ Werke auszudehnen und
finanziell aufzustocken. Auf diese Weise kann eine faire Vergütung der Autorinnen
und Autoren sichergestellt werden. Technisch kann in der schon heute üblichen
Leihpraxis sichergestellt werden, dass die Datei, auf die der registrierte Nutzer zu-
greifen konnte, nach Ablauf einer definierten Frist automatisch gesperrt bzw. ge-
löscht wird. Derzeit findet die „Bibliothekstantieme“ für die „E-Book-Leihe“ keine
Anwendung, da für den „Verleih“ von E-Books nicht die Regelung über den Leih-
vertrag nach §§ 598 f. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gelten, da ein E-Book
nach Gebrauch nicht an die Bibliothek zurückgegeben wird.

Um der gestiegenen Bedeutung von E-Books gerecht zu werden und die Öffentli-
chen Bibliotheken in die Lage zu versetzen, dem gewachsenen Interesse der Nutze-
rinnen und Nutzer an den digitalen Medien gerecht zu werden, ist eine rechtliche
Klarstellung im Hinblick auf Erwerb und Verleih nichtkörperlicher Werke notwen-
dig. Öffentliche Bibliotheken müssen auf ein faires Lizenzmodell zugreifen können
und das grundsätzliche Recht haben, aus allen am Markt verfügbaren E-Books eine
sorgfältige Auswahl treffen zu können.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, um im Rahmen einer Änderung des Urheber-
rechtes, die §§ 17 und 27 des Urheberrechtsgesetzes auf nichtkörperliche Medi-
enwerke auszuweiten;

2. in Absprache mit den Ländern die von Bund und Ländern aufgebrachten Mittel
für die Vergütung als Entschädigung für durch Bibliotheksausleihen entgangene
Einnahmen an Verlage und Autoren, § 27 Absatz 2 in angemessener Höhe auf-
zustocken;

3. auf die Länder hinzuwirken, dass die Kommunen in die Lage versetzt werden,
die Finanzierung der Öffentlichen Bibliotheken in angemessener Höhe sicher-
zustellen und der Landes- und Hochschulbibliotheken zu gewährleisten.

Berlin, den 30. Juni 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Bücher erscheinen immer öfter auch als E-Books. Am gesamten Buchmarkt haben E-Books zwar einen noch
immer geringen prozentualen Anteil, dieser wächst aber von Jahr zu Jahr. Lag er 2011 laut Wirtschaftspresse-
konferenz 2013 des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels bei nur 0,8 Prozent, berichtet dieser in seinem
E-Book-Bericht 2014, dass der E-Book-Anteil am Publikumsmarkt (ohne Schul- und Fachbücher) heute einen
Umsatzanteil von 4,3 Prozent erreicht hat. 5,7 Prozent der Gesamtbevölkerung ab 10 Jahren kaufen E-Books.
Laut Umfrage des Branchenverbands BITKOM vom September 2014 liest jeder vierte Bundesbürger E-Books.
2013 war es noch jeder Fünfte. 25 Prozent leihen E-Books über öffentliche Bibliotheken aus. Auch dieser
Anteil hat sich zum Vorjahr gesteigert, 2013 haben erst 17 Prozent die öffentlichen Bibliotheken genutzt. Diese
Zahlen dokumentieren die wachsende Bedeutung von E-Books für Nutzerinnen und Nutzer, Autoren, Verlage
und Bibliotheken. Das E-Book unterscheidet sich aber in seiner rechtlichen Stellung erheblich von einem ge-
druckten Buch, auch wenn der darin transportierte Inhalt identisch ist.

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Um Öffentliche Bibliotheken zukunftsfähig zu machen und sie in die Lage zu versetzen, ihren Nutzerinnen und
Nutzern ein aktuelles E-Book-Angebot anzubieten und diese zu fairen Preis- und Lizenzkonditionen zu erwer-
ben, braucht es eine gesetzliche Klarstellung im Urheberrecht.

Für eine solche rechtliche Gleichstellung von E-Books mit ihrem physischen Pendant setzt sich auf nationaler
Ebene seit Jahren der deutsche Bibliotheksverband ein. Auf der europäischen Ebene gibt es die Kampagne des
Europäischen Bibliotheksverbandes EBLIDA (European Bureau of Library Information and Documentation
Association) „E-books in libraries“ und „The right to e-read“ (www.eblida.org/e-read/home-campaign/).

Die Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag hat darüber hinaus bereits in der 17. Legislaturperiode
einen in seiner Forderung weitergehenden Gesetzentwurf „Entwurf eines Gesetzes zur Ermöglichung der pri-
vaten Weiterveräußerung unkörperlicher Werkexemplare“ (BT-Drs.: 17/8377) eingebracht.

Aktuell haben Bibliotheken auf der Basis des geltenden Urheberrechtes weiterhin kein Recht auf den Erwerb
und Verleih elektronischer Medien – im Gegensatz zum gedruckten Buch. Der sogenannte „Erschöpfungs-
grundsatz“ gilt hier nach gegenwärtiger Rechtsprechung nicht. Für Öffentliche Bibliotheken heißt das, dass sie
für jedes einzelne E-Book, dass sie ihren Leserinnen und Lesern zur Nutzung anbieten möchten, einen Lizenz-
vertrag und die entsprechenden Modalitäten des Lizenzvertrages mit den jeweiligen Rechteinhabern aushan-
deln müssen, um Lizenz- und Leserechte für das E-Book zu erwerben. Rechteinhaber sind in den überwiegen-
den Fällen die Verlage. Die von den Verlagen angebotenen Lizenzen haben oft Entleih- und Jahresbegrenzun-
gen, nach deren Ablauf die Lizenz neu erworben werden muss. Gerade große Verlagsgruppen wie z. B. Bon-
nier, Holtzbrinck, Piper oder Cornelsen bieten den Bibliotheken aber nicht für alle von ihnen vertriebenen E-
Books Lizenzen an bzw. fordern Preisspannen, die für die Öffentlichen Bibliotheken nicht finanzierbar sind.
Der Deutsche Bibliotheksverband weist in seinem Bericht zur Lage der Bibliotheken 2014 darauf hin, dass
Öffentliche Bibliotheken aus diesem Grund nicht einmal die Hälfte der jeweils auf der Spiegel-Bestseller-Liste
stehenden Titel zur Ausleihe anbieten können.

Eine gesetzliche Lösung dieses Problems durch die Erweiterung des Erschöpfungsgrundsatzes auf nichtkör-
perliche Werke würde für einen fairen Ausgleich zwischen den Verlagen und den Bibliotheken stehen. Die
Bibliotheken erwerben so das Recht auch E-Books zu kaufen, ohne eine Vielzahl von Einzellizenzen aushan-
deln zu müssen. Die Autorinnen und Autoren erhalten dann auch für die „E-Book-Leihe“ Ausschüttungen über
die VG Wort. Eine Gleichstellung von E-Books mit gedruckten Büchern entspricht auch den Zielstellungen
der Bundesregierung. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD von 2013 heißt es: „Wir werden
prüfen, ob den öffentlichen Bibliotheken gesetzlich das Recht eingeräumt werden sollte, elektronische Bücher
zu lizensieren.“ Die Beauftragte für Kultur und Medien Monika Grütters bestätigt dieses Ansinnen in ihren am
10.03.2015 veröffentlichten „Kulturpolitischen Forderungen für das Urheberrecht im digitalen Umfeld“, in
denen sie die aufwendige Lizenzierungspraxis für E-Books seitens der Verlage kritisiert. Konkrete Änderungs-
vorschläge oder einen Entwurf für eine entsprechende Anpassung des Urheberrechts liegen seitens der Bun-
desregierung aber bis heute nicht vor. Die „Kulturpolitischen Forderungen“ der Staatsministerin Grütters blei-
ben in diesem Punkt rein appellativ. Die Verlage sollen Absprachen mit den Bibliotheken treffen, „wie und
unter welchen Bedingungen ein E-Book Bibliotheksnutzern zur Verfügung gestellt werden darf“. Entspre-
chende Verhandlungen zwischen den Verlagen und den Bibliotheken scheiterten bisher regelmäßig an den
Forderungen in Bezug auf die Lizenzkonditionen seitens der Verlage. Verhandlungen auf der Ebene Deutscher
Bibliotheksverband und Börsenverein des Deutschen Buchhandels scheiterten bisher aus kartellrechtlichen
Gründen.

Dabei hatte bereits die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft in der vergangenen Legislatur
(Bundestagsdrucksache 17/12029, S. 91), die Handlungsempfehlung ausgesprochen: „Die Enquete-Kommis-
sion empfiehlt Bund und Ländern, öffentliche, insbesondere wissenschaftliche und schulische Bibliotheken
durch ausreichende Grundfinanzierung darin zu unterstützen, stärker als bislang digitale Medien zur Nutzung
bereit zu stellen. Die Enquete-Kommission empfiehlt zu diesem Zweck ebenfalls, die Verleihbarkeit digitaler
Medien – entsprechend analoger Werke – sicherzustellen.“

Nicht zuletzt ist eine Grundvoraussetzung für ein zeitgemäßes Informationsangebot auch mit E-Medien seitens
der Öffentlichen Bibliotheken ihre auskömmliche Finanzierung durch die Kommunen. Dies ist laut Bericht zur
Lage der Bibliotheken 2014 aktuell aber nicht gegeben. „Die finanzielle Ausstattung der Öffentlichen Biblio-
theken in Deutschland bleibt selbst in konjunkturell guten Zeiten unbefriedigend. Trotz der derzeitigen Steuer-
einnahmen in Rekordhöhe wird demnach in vielen der befragten Öffentlichen Bibliotheken weiterhin der Rot-
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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stift angesetzt.“ Für die Öffentlichen Bibliotheken würde sich der Wegfall von aufwendigen Lizenzverhand-
lungen, wie ein reduzierter Mehrwertsteuersatz auch für E-Books, kostensparend auswirken. Die schlechte
Haushaltslage vieler Öffentlicher Bibliotheken aber beschneidet in der Konsequenz – reduzierte Öffnungszei-
ten, Einschränkung der Medieneinkäufe – die Möglichkeit, gerade von Menschen mit geringem Einkommen
einen freien Zugang zu Wissen und Kultur zu erhalten.

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